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slM«I Inserate »erben bt» Bormittag 11 llhr angenom men und beträgt der Preil für die gespaltene Zeil« oder deren Raum 1b Pf. reitieWrFW^ und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redakteur: Julius B-aun iu Freiberg. -R 1^6., WN.TZAWED! Sonntag, den S7. Juni, j Emla-nng Mm Abonnement Indem wir das geehrte Publikum Freibergs sowie der näheren und weiteren Umgebung zum Abonnement auf unser täglich erscheinendes Organ: „Ireiberger Anzeiger und Tageblatt" pro drittes Quartal 1886 höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir. besonders die auswärtigen Abonnenten, die Bestellungen auf bas Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit eine Unterbrechung resp. verspätete Lieferung vermieden wird. Ler vierteljährliche Abonnementspreis beträgt 2 Mark 25 Pfg. Inserate, pro gespaltene Zeile 15 Pfennige, finden bei der großen Auflage des Blattes die weiteste und zweckentsprechendste Verbreitung. Bestellungen nehmen sämmtliche kaiserliche Postanstallen, sowie die bekannten Ausgabestellen entgegen. Die Redaktion und Expedition des „Freiberger Anzeiger und Tageblatt". Die Woche. Während Kaiser Wilhelm die deutsche Reichshaupt- siadt verließ, um in Ems die alljährliche Trinkkur zu ge brauchen, und Fürst Bismarck von Berlin nach Varzin reiste, um unter den schattigen Ulmen seines pommerschen Landsitzes Erholung zu finden, sollten die Mitglieder des deutschen Bundesrathes, des preußischen Abgeordnetenhauses und des deutschen Reichstages sich wieder in der Reichs hauptstadt zu parlamentarischen Arbeiten zusammenfinden. In der am Mittwoch stattgehabten Plenarsitzung des Bundesrathes widmete vor Eintritt in dir Tagesordnung der Staatssekretär von Bötticher im Auftrage des Kaisers dem auf so traurige Weise aus dem Leben geschiedenen bairischen Bundesfürsten einen ergreifenden Nachruf. Bereits -am Tage vorher war das preußische Abgeordnetenhaus wieder zusammengetreten und hatte die FlußregulirungS- Vorlage, sowie die Nothstands-Vorlage erwogen, erwies .sich aber bei etwa 50 bis 60 Anwesenden weder am Dienstag noch am Mittwoch beschlußfähig. Am nächsten Montag soll das Abgeordnetenhaus seine letzte Sitzung halten und die westsälische Kreisordnung brrathen, wobei Vie vom Herrenhause beschlossene Aenderung (Ernennung der Amtmänner auf Vorschlag des Kreisausschusses, statt Ler Amtsversammluna) im Interesse des gesicherten Zu standekommens des Gesetzes vom Abgeordnetenhause gut geheißen werden dürste. Mittwoch, den 30. Juni, wird das Herrenhaus nochmals zur Abstimmung über das posen-westpreußische Lehreranstellungsgesetz zusammentreten und an demselben Tage der preußische Landtag geschlossen werden. Im deutschen Reichstage widmete bei der Er öffnung am Freitag Nachmittag der Präsident dem König Ludwig einen Nachruf. Die Branntweinsteuer-Kommission trat kurz vorher zur Feststellung des Berichts zusammen, dessen Bertheilung bald darauf erfolgte, um eine Be- rathung der Vorlage am Sonnabend möglich zu machen. Die Aussichten für die Beschlußfähigkeit der deutschen Volksvertretung sind aber sehr ungünstig, da sich selbst das preußische Abgeordnetenhaus trotz der gewährten Tagesgelder wegen der allzugeringen Anwesenheitsziffer vertagen mußte. Im Reichstage giebt es aber keine Diäten; dazu kommt, daß zahlreiche katholische Mitglieder des deutschen Reichstages am Donnerstag, als am Frohn- leichnamsfeste, geringe Neigung verspürten, die Heimath zu verlassen und nach Berlin zu reisen. Auf die meisten bai- rischen Reichstagsmitglieder ist zunächst gar nicht zu rechnen, da ein großer Theil derselben noch von den wichtigen Be- rathungen im heimischen Landtage in Anspruch genommen wird. Die Regentschaftsvorlage ist nach sehr erregter De batte von der Reichsrathskammer angenommen worden und hat in der Geheimkommission der bairischen Abgeordneten kammer sogar einstimmige Annahme gefunden, nachdem es dem Ministerpräsident von Luß gelungen war, in zwei äußerst gewandten Reden das Verhalten des Staatsmini- steriumS zu rechtfertigen. Die bairische Abgeordnetenkammer wird auch in der Plenarsitzung am heutigen Sonnabend die Ueberzeugung gewinnen, daß das bairische Ministerium seit Jahren nichts unterließ, um eine Aenderung der Ver hältnisse von Seite des Königs Ludwig herbeizuführen. Die Beschlagnahmen mehrerer Blätter in Nürnberg und Bamberg wegen Artikel über das Verhalten des Ministeriums, beziehungsweise des Prinz-Regenten werden von den frei sinnigen und ultramontanen Organen um so schärfer ge tadelt, als allem Anschein nach kein Systemwechsel bevor steht und die beiden leitenden Minister von Lutz und von Riedel auf ausdrücklichen Wunsch des Prinz-Regenten in ihren Stellungen verbleiben. Aus dem Kabinet dürften nur die Minister von Crailsheim und von Feilitzsch ausscheiden und durch tüchtige Beamte von politischer Farblosigkeit ersetzt werden. Herr von Crailsheim gehörte als Mitglied des Ministeriums zu der Staatsdelegation, die in Hohen schwangau so bedenkliche Schicksale hatte. Dem bisherigen Minister des Innern, von Feilitzsch, wird vielfach der Bor wurf gemacht, die Beamten in der Umgegend von Hohen schwangau bei einer so gefährlichen Sachlage ungenügend instruirl zu haben. Freiherr zu Franckenstein soll trotz dieser Dauerhaftigkeit des KabinetS Lutz nicht die Hoffnung ausgeben, demnächst ein neues klerikal-gesinntes Ministerium zu bilden. ---- Nachdem das österreichische Abgeordnetenhaus den Zolltarif mit 157 gegen 86 Stimmen angenommen und verschiedene kleinere Vorlagen erledigt hatte, schloß dasselbe am Dienstag seine Sitzungen. Am Tage darauf erledigte das österreichische Herrenhaus sämmtliche noch auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwürfe, darunter auch das Anarchistengesetz, worauf der Ministerpräsident Graf Taaffe im Auftrage des Kaisers die Vertagung des Reichsrathes aussprach. Der Letztere soll erst am 18. September d. I. wieder zusammentreten, bis zu welcher Frist die österreichische Regierung eine neue Vereinbarung mit Ungarn über den Zolltarif zu treffen hofft. Im Ganzen ist man in den österreichischen Regierungskreisen von den Errungenschaften der verflossenen parlamentarischen Session wenig erbaut und hat dieselbe den Hoffnungen nicht entsprochen, welche der glänzende Wahlsieg der Rechten erweckte. Unter den Feldarbeitern der italienischen Provinz Padua sind neuerdings Streiks ausgebrochen, welche den militärischen Schutz derjenigen Arbeiter nöthig machten, die sich der Arbeitseinstellung nicht anschließen wollten. Da durch aufmerksam gemacht, kamen die italienischen Behörden auf die Spur einer förmlichen sozialistischen Verschwörung, die darauf hinauslies, einen allgemeinen Streik der länd lichen Arbeiter in Szene zu setzen. Die in Mailand er mittelten zehn Sektionen des Arbeitervereins, sowie die in der Provinz vorhandenen fünfundzwanzig Sektionen wurden aufgUöst und gegen acht in Mailand verhaftete Führer der Arbeiterpartei wurde wegen Aufreizung zur Revolte und Umsturz der bestehenden Staatscmrichtungen die Unter suchung cingeleitet. Trotzdem im französischen Senat anfänglich nur geringe Meinung für die Prinzenausweisung vorhanden war, ist es der Beredsamkeit des Konseilpräsidenten Freycinet gelungen, für die Vorlage im Senate eine recht ansehnliche Stimmenmehrheit zu erlangen. Am Mittwoch veröffentlichte das „Journal officiel" das Prinzenausweisungsgesetz und noch an demselben Tage haben der Graf von Paris und sein Sohn, Prinz Napoleon und Prinz Viktor Bonaparte Frankreich verlassen. Am Dienstag strömten zahlreiche Royalisten, darunter 150 Senatoren und Deputirte, nach dem Schlöffe Eu, um sich von dem Grafen von Paris und seinem Sohne zu verabschieden, die sich am Tage daraus von TrSport aus nach Dover einschifften, wo sie von dem Bürgermeister und der Bevölkerung herzlich begrüßt wurden. Der Graf wird in Tunbridge-Wclls seinen Wohnsitz nehmen. Prinz Napoleon reiste ziemlich still nach Genf ab, aber bei dem Abschiedsempfang des nach Brüssel abgehenden Prinzen Viktor fanden sich nicht nur viele hervorragende Bonapartistcn ein, sondern es gaben auch einige derselben, darunter der Marquis de Lavalette, Levert, Haußmann, dem Prinzen bis Brüssel das Geleit. Bei Abfahrt des Zuges rief auf dem Pariser Nordbahnhofe die daselbst ver sammelte Menschenmenge zum Theil: „Es lebe der Kaiser!" „Auf Wiedersehen!" während andererseits auch „Es lebe die Republik!" gerufen und vielfach gepfiffen wurde. Die Polizei nahm auf dem Bahnhofe einige Verhaftungen vor. Selbst die republikanischen Pariser Blätter sind über die Folgen der Prinzenausweisung verschiedener Meinung; die gemäßigten beharren dabei, daß die Ausweisung eine un gerechtfertigte sei: die opportunistischen fordern, daß die Regierung den Intransigenten gegenüber jetzt das Bifir lüste, während die radikalen Blätter eine bestimmtere republikanische Politik wünschen und die monarchistischen Blätter der Meinung sind, daß die Revolution im Steigen, die Republik im Fallen begriffen sei. Noch bevor das englische Parlament am Freitag Nachmittag förmlich aufgelöst war, haben die Führer der verschiedenen Parteien den neuen Wahlfeldzug cingeleitet. Der greise Premierminister hatte sich am 17. d. M. auf mehrere Tage zu Wahlzwecken nach Schottland begeben, wo er besonders m Edinburg und Glasgow alle Beredsamkeit aufwandte, um seine den Irländern so günstige Homerule- Vorlage in das beste Licht zu stellen. Die auf dieser Agi- tationsreise Gladstone dargebrachten Huldigungen der Volks massen haben den Muth seiner Anhänger wieder sehr ge hoben; indessen arbeiten auch seine Gegner Salisbury, Hartington und Chamberlain jetzt mit Hochdruck, so daß ich das Zünglein der Waage bald wieder zu Gunsten der Inionisten neigen dürfte. Von russischer Seite wird nach wie vor jeder Schritt des Fürsten Alexander von Bulgarien auf das Ungünstigste beurtheilt. Das offiziöse „Journal de St. Petersbourg" nimmt dm der Mitschuld an der Verschwörung von Burgas verdächtigen russischen Offizier Nabokow eifrig in Schutz und bezeichnet die ganze Verschwörungsgeschichte als eine Fabel, welche die bulgarische Regierung auf Kosten der Ehre eines rechtschaffenen Mannes für Wahrheit aus geben wolle. Einzelne Sätze der Thronrede des Fürsten von Bulgarien, sowie die jetzigen Adreßdebatten der in Sofia versammelten bulgarischen Nationalversammlung zeugen für die bestimmte Hoffnung, daß Europa die bulgarische Union als vollzogene Thatsache stillschweigend dulden werde. Ein amtlicher Erlaß über die der europäischen Geschäfts welt nicht sehr angenehme Erhebung eines achtprozentigen Werthzolles von allen in Bulgarien und Ostrumelien ein treffenden Waaren spricht von „Nord- und Südbulgarien", als ob keine europäische Macht dagegen etwas einzuwenden hätte. Tagesschau. Freiberg, dm 26. Juni. Bevor der gestern wieder in Berlin zusammengetretene deutsche Reichstag in seine Tagesordnung eintrat, hielt der Präsident von Wedell-PieS darf folgende Ansprache: „Meine Herren! Ich glaube, in Ihrer aller Sinne zu han deln, wenn ich vor Eintritt in unsere Geschäfte dem Schmerz des Reichstages über den Tod Seiner Majestät deS Königs von Baiern Ausdruck gebe. DaS deutsche Boll wird eS nie vergessen, welche große Dienste der verstorbene Monarch in schwerer Zeit unserem Vaterland geleistet hat. DaS ganze deutsche Volk nimmt deshalb nicht allein warmen Antheil an dem harten Schlage, der Baiern getroffen hat, sondern eS ist erfüllt von wehmüthigem Schmerz über daS erschütternde Ende eines Fürsten, dem es so vielen Dank schuldet. Meine Herren! Dieselben Gefühle, die daS deutsche Volk beseelen, hegt auch der Reichstag. Der Reichstag wird deshalb dem König Ludwig II. von Baiern ein schmerzliche-, aber dank bares Andenken bewahren. M. H. I Sie haben sich von Jhrm Plätzen erhoben, ich dars die- als Zeichen ansehm dafür, daß