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md Tageblatt ZW«at« Vik Bormittag 11 llhr angenom- mea u.ü betrSgt der P--e.» flir dir gesimittr.« Zeil, oder deren Raum tb Pf. Tagesschau. Freiberg, den 11. Juni. Die gestern in Gegenwart deS deutsche» Kaisers in Berlin erfolgte Enthüllung deS Denkmals deS verstorbenen Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gestaltete sich zu einer erhebenden Kundgebung. Die Weiherede hielt der Ober« Hof- und Domprediger I)r. Kögel. Als derselbe am Schluffe seiner Rede den Segen des Höchsten aus daS Haupt des Kaiser- Herabries, theilte sich im selben Augenblicke die Wolke und ein Heller Sonnenstrahl fiel über daS Kaiserzelt und alle Fest« genoffen. In sinniger Weise verflocht Or. Kögel diesen freund lichen Zufall in fein Gebet. Nach Beendigung desselben schlugen die Tamboure ab. Ein weihevoller Augenblick trat ein. Se. Majestät der Kaiser trat einen Schritt vor, zog seinen Degen und kommandirte mit lauter Stimme: »Gebt Achtung!" Aus ein gegebenes Zeichen sank jetzt die Hülle; der Kaiser falutirte drei Mal vor dem ehernen Standbllde Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand Verantwortlicher Redakteur: Ja Vertretung Ernst Mauckisch in Freiberg. ' SS. Jahrgang. Sonnabend, den 12. Juni 1/» !I Trscheint jede» Wschnwi, Nachmin. b Uhr für de-: . »A H I «ad«N Ärq. Preis v'ciMMrliH L Mart W Pf., M.tmonatlich 1 M- 02 Pf. MW 7d Pi. eiert der einfache Chevauxlegcr, der jetzt Generalvollmacht 10m Könige hat, seinen Geburtstag. Auch der Chevaux- eger wird zur königlichen Tafel gezogen. Während )es Essens hält der König eine die Verdienste )es Geburtstagskindes feiernde Rede und überreicht demselben ein Bouquet. Ein junger Bezirksamts-Assessor erhält eine Vorladung vom König. Er wird von dem damals Generalvollmacht besitzenden Friseur des Königs empfangen und erhält den Auftrag, ein — neues Ministerium zu bilden. Es blieb ihm natürlich nichts Anderes übrig, als sich kopfschüttelnd zu entfernen. Nach solchen vielleicht etwas stark gefärbten Vorgängen trat der aus den Prinzen des bairischen Königshauses bestehende Kronrath zusammen und beschloß, nach Einholung mehrerer ärztlichen Gutachten (des vr. Gudden aus München und vr. Erb aus Heidelberg) und im Einverständniß mit den Ministern, die Einsetzung des Prinzen Luitpold zum Regenten von Baiern. Am Mittwoch begaben sich mittelst Extrazuges die Minister v. Lutz, Fäustle und v. Crailsheim, die Chefs der tzofstäbe Gras Holnstein und Freiherr v. Malsen, zwei Aerzte und sonstiges Personal behufs Feststellung deS Gesundheits- zustandes des Königs nach Hohenschwangau. Ueber den Verlauf dieser Fahrt schwanken die Angaben. Die Münchener »Neuesten Nachrichten" berichten, daß der König, welcher gegenwärtig im neuen Schlosse von Hohenschwangau restdirt, von der Ankunft der Deputation und der Aerzte Kenntniß hatte, den Grafen Holnstein beim Eintritt in das Schloß gefangen nehmen ließ und die Bewachung des Schlosses durch Gendarmen anordnete. Stündlich werde die Ordre zur Freilassung des Grafen Holnstein lind der Uebergabe des Schlosses an die Staats-Kommission erwartet. Damit steht die amtliche Darstellung in Widerspruch, wonach die Delegation der Minister, Hofbeamten und Aerzte in Gegen- Oesterreich, Toskana, Modena und Spanien verschwägert hatten und deshalb keine besondere Freude über die Zu neigung haben konnten, die der König von Baiern für die preußische Politik empfand, von der er mit richtigem Blick die Einigung Deutschlands erhoffte. Baiern dankt aber gerade deshalb diesem König nicht nur ein zweiundzwanzig jähriges freisinniges Regiment, gegen welches die Dunkel- männer vergebens ankämpften; es dankt ihm auch den Ruhm, daß sein Monarch als der Ersten Einer thatkräftig mitge holfen hat am Baue der deutschen Einheit, der er einen Theil seines Unabhängigkeits-Bewußtseins, wenn auch viel leicht mit innerem Widerstreben, zum Opfer brachte. Wäre er auch damals, wie es andere deutsche Fürsten thaten, mit seinen tapferen Soldaten hinausgezvgen in den Kamps für das von ihm doch aufrichtig geliebte deutsche Vaterland, und hätte der richtigen Gesinnung die frische That folgen lassen, dann wäre das dunkle Vcrhängniß verhütet worden, das seitdem über ihn hereinbrach. Statt dessen gab sich König Ludwig II. einer überschwänglichen Natur- und Kunstschwärmerei hin, die erschlaffend wirken mußte. Dazu kam, daß für ihn der Begriff »Geld" ein wesenloser Begriff war und daß sich Leute genug fanden, die seinen Hang zu prächtigen Bauten aus eigennützigen Gründen begünstigten, trotzdem sie recht gut wußten, daß diese kostspieligen Anlagen Mittel erforderten, welche das vorhandene Vermögen rasch erschöpften. Durch die Aufführung des neuen Schlosses Hohen schwangau, des reizenden im Großwangthal gelegenen Linden- Hofes und des Prachtbaues auf Herrenchiemsee wurde der Kabinetskasse eine Last von 13'/, Millionen Mark ausgc- bürdet, wovon 7'/, Millionen durch eine vor zwei Jahren «it der Hypothekenbank, der süddeutschen Bodcnkrcditban und der königlichen Bank in Nürnberg kontrahirtc Anleihe gedeckt wurden. Vor zwei Jahren betrug nach der Ver sicherung eines Münchener Korrespondenten der Wiener »N. Fr. Presse" die ganze Schuld der bairischen Kabinets- kaffe 7'/, Millionen, allein auch in diesem Betrage waren schon Posten eingerechnet, welche erst in den nächsten Jahren entstehen oder flüssig werden sollten, um die Bauthätigkeit nicht zu unterbrechen. Die Banken zahlten nur 5V, Millionen, während der Rest von 2 Milli onen bis 1. Juni 1885 reservirt blieb. Seit jener Zeit, in also nicht ganz zwei Jahren, sind nicht allein jene zwei Millionen aufgezehrt, sondern neue sechs Millionen haben sich dazugesellt. Die Schuldenlast während der ersten 20 Negierungsjahre König Ludwig's II. betrug etwa 6 Millionen, die Schuldenlast der weiteren 3 Jahre 7V, Millionen! Diese Zahlen sprechen deutlich für die Miß- wirtbschast, die erst in den letzten Jahren eingerissen ist, nachdem König Ludwig II. die letzten Räthe entlassen hatte, welche es wagten, ihn vor den übertriebenen Luxusbauten zu warnen. In der Kabinrtskasse fehlen zur Deckung der eingegangenen Verbindlichkeiten 6 Millionen, für welche die nächsten Verwandten deS Königs keine Bürgschaft leisten wollten. Die Banken, an welche sich die Leiter der Kabinets- kasse um Hilfe wandten, verlangten aber außer einer solchen Bürgschaft der Llgnatcn noch ein bündiges Versprechen des Monarchen, seine kostspieligen Bauten einzustellen. Der Graf von Paris, an den sich der König selbst um Hilfe wandte, stellte andere unerfüllbare Bedingungen. Alle Ver suche der Minister, von dem Landtage eine kräftige Bei hilfe für die königliche Kabinetskasse zu erlangen, waren schon deshalb aussichtslos, weil der Monarch die Vor stellungen der Minister wegen der erforderlichen Ein schränkungen ganz unbeantwortet ließ und sich in der Hauptstadt selbst nicht mehr zu jenen seltsamen Theater- Vorstellungen einfand, die für ihn als einzigen Zuschauer gegeben wurden. Der zu befürchtende Bankrott der Kabinetskasse scheint den krankhaften Zustand des Königs noch mehr gesteigert zu haben. Zur Kennzeichnung seines Geisteszustandes wurden aus München der »Vosstschen Zeitung" folgende angeblich amtlich beglaubigte Fälle mitgelheilt: Der Mi- nrster Freiherr v. Feilitzsch erhielt einen Zettel des Königs, der ihn auffordcrte, sofort 20 Millionen Mk. zu beschaffen, aber „ohne die gewöhnlichen Ausflüchte"; sollte er es für nöthig halten, andere Minister zu wählen, so solle er es ganz unbeschränkt thun. Dem König begegnet ein Gendarm, den er auf's Schloß ladet. Der Gendarm fragt pflicht gemäß bei seinem Vorgesetzten an, der ihm räth, der Weisung zu folgen. Der König empfängt den Gendarm, zieht ihn zur Tafel und beschenkt ihn am Schlüsse mit einem Har monium im Werthe von 1500 Mark. Ein anderes Mal wart des Königs konstatirte, daß derselbe durch voraus sichtlich länger als ein Jahr andauernde Krankheit an de Ausübung der Regierung gehindert sei. Das Ergebniß dieser Reise muß jedenfalls die gehegten Befürchtungen gerecht fertigt haben, denn bald darauf erschien eine Proklamation des Gesammtministeriums, welche ankündiat, daß König Ludwig in Folge schwerer Leiden au der Ausübung der Regierung verhindert sei, daß deshalb Prinz Luitpold die Regentschaft angetreten habe und den bairischen Landtag zu einer außerordentlichen Session für den 15. d. M. einberufe. Diese Proklamation hat folgenden Wortlaut: „Im Namen Sr. Majestät des Königs! Unser königliches Haus und Baierns treu bewährtes Volk ist nach Gottes unerforsch« lichem Rathschluß von dem erschütternden Ereigniß betroffen worden, daß unser vielgeliebter Steffe, Se. Majestät König Ludwig II, an einem schweren Leiden erkrankt sind, welche- allerhöchstdieselben an der Ausübung der Regierung aus längere Zeit im Sinne Titels 2 8 11 der VerfassunaS- urkunde hindert. Da Se. Majestät für diesen Fall aller» höchstselbst weder Vorsehung getroffen haben, noch dermalen haben treffen können, und da ferner über unseren viel geliebten Neffen, den Prinzen Otto, schon längeres Leiden verhängt ist, welches ihm die Uebernahme der Regentschaft unmöglich macht, so legen uns die Bestimmungen der Ber« fasfungsurkunde als nächstberufenen Agnaten die traurige Pflicht, auf, die Reichsverwesung zu übernehmen. Indem vnr dies, von dem tiefsten Schmerze ergriffen, öffentlich kund und zu wissen thun, verfügen wir hiermit in Gemäßheit Titel 2 Z 11 und 16 der Berfassungsurkunde die Ein berufung des Landtages auf Dienstag den 15. Juni 1886. Luitpold, Prinz von Baiern." (Folgen die Unterschriften sämmtlicher Minister.) Ein Armeebefehl des Prinzen Luitpold kündigt dem bairischen Heere an, daß der erstere die Regierung und den Befehl über die Armee NamenS des Königs führe. Der Ausgang der Krisis erregt, soweit es ich um die Person des Königs handelt, in ganz Baiem iefes Bedauern; die Haltung der Bevölkerung ist absolut ruhig. Da eine andere Lösung nicht möglich gewesen, so wird die Regentschafts-Uebernahme seitens des Prinzen Luitpold freudig begrüßt. Zum Gouverneur des Königs ist Graf Boos Wildeck, der frühere Chef der fürstlich Taxis'schen Verwaltung, ernannt, ferner Rittmeister Baron Washington zum Begleiter des Königs. Als künftiger Aufenthaltsort desselben wird jetzt Fürstenried genannt. Der neue Regent von Baiern, der Oheim des jetzigen Königs, steht bereits im 66. Lebensjahre, ist seit 1864 verwittwet, aber besitzt drei verheirathete Söhne, die Prinzen Ludwig, Leopold und Arnulph und eine Tochter, Prin zessin Therese von Baiem. Sein ältester Sohn ist mit der Erzherzogin Maria Theresia von Oesterreich-Este verheirathet und hat neun Kinder, sein zweiter Sohn Prinz Leopold ist seit 1873 mit der Tochter des Kaisers von Oesterreich, Erzherzogin Gisela, vermählt. Man rühmt dem bejahrten bairischen Regenten große Frömmigkeit, bewährte militärische Tüchtigkeit, aber auch einen fein geläuterten Kunstsinn nach, außerdem soll derselbe trefflich zu wirthfchaften verstehen, so daß die Gläubiger der Kabinetskasse bald befriedigt sein werden. Prinz Luitpold will für die Funktion der Regentschaft nur 400000 Mark nehmen, dem König eine Apanage von 1 Million zahlen lassen, so daß von der Zivilliste fast drei Millionen jährlich den Gläubigern abge zahlt werden, die schwebenden Schulden also binnen drei Jahren gedeckt sein können.. Die Regentschaft in Baiern Am 10. März 1864 bestieg Ludwig II. den durch das Hinscheiden seines im Alter von 52 Jahren verstorbenen Vaters Maximilian II. erledigten bairischen Königsthron. Der am 25. August 1845 geborene, also noch nicht 19 Jahre alte Prinz, dem eine allzustrenge Erziehung die einfachsten Lebensgenüsse versagt hatte, sah sich urplötzlich in der Lage, mit vollen Zügen das bisher Entbehrte zu genießen. Erfüllt von den besten Absichten, beseelt von einer ihm von seinem Großvater Ludwig I. und von seinem Vater Maximilian II. vererbten Begeisterung für alle Künste und von einer besonders von dem ersteren überkommenen gut- deutschen Gesinnung, schien der junge König geeignet, die schönsten Hoffnungen seines Volkes zu erfüllen. Der Uebergang vom strengen Gehorsam zum Herrschen ging viel zu schnell, besonders aber zu früh vor sich, bevor sich noch der Charakter des jungen Königs stählen, bevor sich der letztere eine Menschenkenntniß und eine Selbstbeherrschung aneignen konnte, Eigenschaften, die in so hervorragender Stellung unerläßlich sind. Es ist unvergessen, wie König Ludwig II. dem großen Tondichter Richard Wagner eine Zuflucht gab, ihn wie einen Busenfreund behandelte, ihm die Möglichkeit bot, seine bedeutendsten Werke zu schaffen Md auszuführen. Es ist aber eben so unvergessen, wie Haß und Neid diese seltene Zuneigung zweier genialer Naturen begeiferten und den Köniz zwangen, sich von Richard Wagner zu trennen. Die leichtbegeisterte Natur des Fürsten setzte denselben auch vielen bitteren Täuschungen aus und wurde von Schmeichlern und Heuchlern vielfach mißbraucht. Seine Abneigung gegen alles Formenwesen schufen ihm bei der mächtigen klerikalen Partei einflußreiche Gegner, die jede seiner Schwächen erspähten und seinen Absonderlichkeiten die schlimmste Deutung gaben. Traurige Familienrreignisse, deren Zusammenhang wohl nie völlig bekannt werden wird, trugen noch das Ihrige dazu bei, das Gemüth des königlichen Jünglings zu umdüstern und aus dem allzuvertrauenden Menschenfreund einen miß trauischen Menschenfeind zu machen, der sich mehr und mehr in eine Traumwelt einspann. Schließlich vermied König Ludwig II. jede Berührung mit den Höflingen, ja sogar mit seiner Familie, und vergrub sich in die Einsamkeit einzelner schön gelegener Schlösser, wo er sich ohne Furcht vor Enttäuschungen seiner unbegrenzten Schwärmerei für Naturschönheiten hingeben konnte. Der Uebertritt seiner Mutter, einer Tochter des Prinzen Wilhelm von Preußen, zum Katholizismus schien ihm die selbe eher zu entfremden; die unheilbare Krankheit seines einzigen Bruders Otto aber machte auf ihn den peinlichste» Eindruck. Zwischen Ludwig II. und seinen übrigen Ver wandten stand stets der Umstand, daß dieselben sich mit