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BeWrA^eig^ und Tageblatt 58. Amtsblatt für dit kömglicheu und Mischen Behörden zn Freiberg und Braud Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. SAL-üU jeden Mochrmaa Nachmitt. S Nhr für den !! 88. Jahrgau g. I Donnerstag, de« 11. März. j Jnfemte »erden di» Bormitt-g 11 Uhr angenvM' k OOD men und vrträgt der Preis für die gespaltene Zeile st I o-HO« oder deren Raum Id Pf. Der irische Ausgleichsplan. Wenn auch die der Londoner „Preß-Association" ent stammende Nachricht, daß Gladstone seinen irischen Aus gleichsplan scrtig gestellt und in demselben ein Sonder- Parlament für Irland zugestanden habe, auf dem Festlande ziemlich gleichgiltib ausgenommen worden ist, handelt es sich dennoch dabei um eine Angelegenheit von unendlicher Tragweite. Noch vor wenigen Jahren hätte selbst der volks- thümlichste englische Minister Bedenken getragen, seinem Vatcrlande ein derartiges die Einheit des Britcnreiches auflösendes Zuaeständmß zu empfehlen. Die Schaffung einer eigenen irischen Regierung mit einem eigenen Parla mente in Dublin bedeutet eine Umänderung des englischen StaatsgrundgesctzeS, welche um so schwerer die Zustimmung der Parlamcntsmehrheit finden wird, als diese Aeuderung von der irischen Homerule-Partei ertrotzt sein und voraus sichtlich weitere Sondergclüstc fördern würde. Die erwähnte irische Partei verlangt schon seit längerer Zeit für Irland eine eigene Verwaltung, sowie eine eigene Volksvertretung und wird, wenn ihr dies zugestanden würde, schließlich auch ein besonderes irisches Heer fordern. Ob die Losreißung von England für die irische Insel ein Segen wäre, oder ob Irland überhaupt im Stande ist, eine solche Sonderstellung zu führen, darüber herrschen noch sehr wohlbegründete Zweifel. Die Irländer sind anscheinend weder politisch noch volkswirthschaftlich reif genug, die Wohlfahrt ihres Landes selbst zu schützen, geordnete Verhältnisse aufrecht zu erhalten und sich ohne englische Intelligenz und englisches Kapital fortzuhelsen. Wenn aber die ehrgeizigen Führer der Nationalliga, welche das die Sonderstellung Irlands in sich fassende Homcrule-Shstem verfechten, ihr Ziel erreichen und die Leitung Irlands übernehmen sollten, dann müßten sich nicht nur die Grundbesitzer auf schnöde Eigenthums- verletzungcn, sondern auch die irischen Protestanten aufrücksichts lose Bedrückungen gefaßt machen. Derartige Uebcrgriffe sind sicher einer Partei zuzutrauen, welche trotz der Irland bereits durch den Premierminister Gladstone geschafften wesentlichen Erleichterungen nach wie vor die protestantischen Grund besitzer mit grimmigstem Hasse verfolgte und die besitzlose Bevölkerung unablässig zu allen möglichen Ausschreitungen aufstachelte. Es ist nicht abzusehen, wie Gladstone bei Gewährung einer Selbständigkeit Irlands der auf dieser Insel vorhandenen protestantischen Minderheit gegen grobe Vergewaltigung einen Schutz schaffen will, auf den dieselbe schon in Folge ihrer stets bewährten Reichstreue vollen Anspruch hat. Ebenso wenig ist es verständlich, wie sich Gladstone mit der Regelung der Finanzen Irlands ab- finden will. Nach einer Trennung von England und Schottland werden sich die Burger dieser Staaten dafür bedanken, für die ihnen srcmdc irische Verwaltung die Kosten zu tragen; Irland ist aber finanziell ebenso außer Stande, die irische Staatsschuld zu übernehmen, als die Mittel für die Selbstverwaltung zu beschaffen. Dem Minister Gladstone scheint bei der Ausarbeitung seines ihm durch die ihm im Parlament unentbehrlichen Parnelliten aufgedrungenen irischen Ausgleichsplanes das Verhältniß zwischen Oesterreich und Ungarn vorgeschwebt zu haben, welchem letzteren Staate Graf Beust einst die noch heute bestehende Sonderstellung verschaffte. Jedenfalls dürste es dem englischen Staatsmann weit schwerer fallen, eine so tiefeinschneidendc staatliche Veränderung durchzu- sctzen. Der ganze Plan, der bis jetzt nur den intimsten Freunden Gladstones mitgetheilt wurde und erst in den nächsten Tagen den Mitgliedern des Kabinets gedruckt zu- gchen soll, scheint zwischen dem Führer der irischen Parla mentsmitglieder Parnell und dem Sohne Gladstones. Herbert, sest vereinbart zu sein, welch letzterer schon längst die Ansicht vcrlrat, daß sich die irischen Wirren nur durch Schaffung eines Sonderparlamcnts in Dublin lösen lassen würden. Von den Kollegen seines Vaters ist eigentlich nur der jetzige Staatssekretär für Irland, John Morley, mit einem so weit gehenden Zugeständniß einverstanden, da selbst der radikale Minister Chamberlain bisher nur einer Sonderstellung munizipalen Charakters das Wort redete. So lange der Wortlaut des Gladstone'schen Planes nicht bekannt ist, läßt sich nicht beurtheilen, welche Ausgaben dem künstigen irischen Parlament zufallen. Der „Daily Tele graph" will wissen, dem in Aussicht genommenen irischen Parlamente werde voller Spielraum sür die Erledigung aller rein lokalen Angelegenheiten gewährt, möglicherweise werde demselben auch die Machtbcfugniß hinsichtlich der Erhebung der Zölle und Accise verliehen werden. iLie gegen- j wärtigc irische Polizei solle Neichspolizei bleiben, die neu zu errichtende Lokalpolizei aber werde den irischen Behörden unterstellt werden. Irland werde Vertreter in das englische Unterhaus senden, welche an den Berathungen über die das ganze Reich angehenden Fragen theilnehmcn würden. Sobald der Premierminister Gladstone seinen Plan seinen Kollegen vorlegen wird, ist der Rücktritt der meisten der selben zu erwarten. Es handelt sich hier um keine Frage der liberalen Partei, sondern um eine solche der Unverletz lichkeit des britischen Reiches, welche der entschieden frei sinnige Minister Trevelyan für ebenso unantastbar erklärte, wie Lord Hartington, der Führer der englischen Gemäßigt- Liberalen. Der Letztere sagte zwar im Voraus eine ruhige Erwägung der Gladstone'schen Vorschläge zu, wies aber gleichzeitig das Dubliner Sondcrparlamcnt zurück, das doch den Kernpunkt dieser Vorschläge bilden soll. Um nicht im englischen Parlament sofort auf allzu schroffen Widerstand zu stoßen, beabsichtigt Gladstone, seine irischen Ausgleichsvorschläge nicht etwa dem Unterhause als einen vollständigen Gesetzentwurf, als eine sogenannte Homerule-Bill, zu unterbreiten, sondern wird dieselbe in die harmlose Form einer Resolution kleiden. Der leitende englische Staatsmann hat sich selbst einmal einen alten parlamentarischen Pfiffikus genannt; als solcher weiß er, daß auch eine Resolution des Unterhauses den Werth einer grundsätzlichen Entscheidung haben, vielen Parlaments- Mitgliedern aber als ganz Unverfänglich erscheinen wurde. Unter den Letzteren sind Viele, die ihr tyeucr erkauftes Mandat nicht bei einer Parlamentsauflösung verlieren möchten, zu welcher Gladstone bei einer Verwerfung der Resolution sofort schreiten müßte. Diese Unterhaus-Mit glieder glauben für eine Resolution ruhig stimmen zu können, die ihnen nicht als etwas so Unwiderrufliches er scheint, wie ein förmlicher Gesetzentwurf. Dafür, das; die Refolution aber eine sehr weitgehende Fassung und einen den Wünschen der „Homerule-Partei" voll entsprechenden Inhalt Haden wird, dürfte der Deputirte Parnell schon sorgen, der ganz genau weiß, daß die von ihm komman- dirten 86 irischen Unterhausstimmen für das Fortbestehen des Ministeriums Gladstone ganz unentbehrlich sind. Die öffentliche Meinung Englands Hit sich bereits mit der Trennung der parlamentarischen Verbindung mit Irland so vertraut gemacht, daß bei einer Auslösung des Paria- ments die Neuwahlen sehr wohl wieder zu Gunsten Glad stones aussallcn können, da dessen radikale Politik Anhänger genug zählt, lieber die Folgen einer Sonderstellung Irlands macht sich ein großer Theil der englischen Wählerschaft weit weniger Sorgen als über eine Unterbrechung der Reform- Politik Gladstones. Ein schwieriger zu beseitigendes Hindernis; wird dieser Minister im englischen Oberhause finden, in dem nicht nur die sämmtlichen Konservativen, sondern auch die bisher zu den Liberalen gezählten Häupter der leitenden adligen Familien entschieden gegen den Homerule-Plan Stellung genommen haben. Von radikaler Seite denkt man deshalb bereits an eine gründliche Reform des eng lischen Oberhauses. Eine dahin zielende von dem radikalen Dcputirten Labouchere vorgeschlagene Resolution ist aber in voriger Woche vom Unterhause mit 202 gegen 166 Stimmen abgelehnt worden. Dabei stimmte der Minister Gladstone selbst mit der Mehrheit, gab aber nebenher die Erklärung ab, daß er keineswegs das Oberhaus in seiner jetzigen Zusammensetzung für immer aufrecht erhalten wolle. Verbindet sich mit dem Plan einer Sonderstellung Irlands nicht der einer Reform des englischen Oberhauses, so ist das Homcrulc-Projekt unausführbar; entschließt sich aber Gladstone zu beiden Unternehmungen, so erscheint das unternommene Wagstück noch größer als vorher. In jedem Falle steht England am Vorabend bedeutender parlamen tarischer Ereignisse. Tagesschau. Freiberg, den 10. März. lieber das Befinden des deutschen Kaisers verlautet, daß der Schlaf desselben in den letzten Nächten durch rheu matische Beschwerden öftere Störungen erlitten habe. — Die letzten Nachrichten über den Zustand des schwer erkrankten Enkels unseres Kaisers, des Erbgroßherzog vonBaden, klingen wieder hoffnungsvoller. Ein in Karlsruhe am 8. d. ausgegebenes Bulletin lautet: „Seit gestern in der Frühe trat eine Beklemmung nicht mehr ein und verlief sowohl der gestrige Tag als die heutige Nacht befriedigend. Auch in den inneren Veränderungen zeigt sich eine Besserung, nur deuten Fieber und das Wiederanschwellen des rechten Handgelenks an, daß der rheumatische Prozeß noch anhält. gez.Ör. Tenner." — Der Gesundheitszustand des deutschen Reichskanzler- Hat sich dagegen, wie die „Nordd. Allg. Ztg." meldet, leider wieder verschlechtert. Die rheumatischen Schmerzen haben sich erheblich verschärft, was das offiziöse Blatt darauf zurück- fllhrt, daß Fürst Bismarck gegen den ärztlichen Rath sein Stimmorgan einer zu großen Anstrengung aussetzte. Dasselbe Blatt kündigt gleichzeitig an, daß Fürst Bismarck an den Kommissionsbcrathungen über die Branntwein-Monopol-Vorlage nicht theilnehmen werde, läßt es aber im Unklaren, ob der Gesundheitszustand des Reichskanzlers oder die gänzliche Aus sichtslosigkeit des Monopols Ursache dieses Fernbleibens ist. Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt, der Zweck der Betheiligung des Reichskanzlers könne nicht der sein, verschiedene für die Branntweinbesteucrung vorgebrachte Gedanken in einen neum Gesetzentwurf zu fassen. Der Kanzler sei durch die Ent schließungen des Bundesrathes an die Monopol-Vorlage ge bunden; erst nach deren Ablehnung könne die Frage, ob eine neue Besteuerung des Branntweins von Reichswegen oder eine Besteuerung in den einzelnen Bundesstaaten einzuführen sei, in Angriff genommen werden. Bei dem trotz des Unwohlsein- des Fürsten vorgestern im Reichskanzler-Palais stattgefundenm parlamentarischen Diner bildete die Polenvorlage den Gegen stand des Gespräches. Der Reichskanzler, der den Stern de- Christusordens trug, erzählte aus seiner Jugend, daß ihm eine Gehaltszulage von dreihundert Thalern geboten worden sei, wenn er eine Stelle im Posenschen annehmen wolle. Gegm die Einführung der Erbpacht in die Kolonisationsvorlagc er klärte sich Fürst Bismarck als zu „mittelalterisch-fcudal"; da- gegen könne man bis zu fakultativen Rentengütern gehen, neben diesen müsse aber auch Zeitpacht und einfacher Kauf zulässig bleiben. Auf die Bemerkung eines Gastes, daß die Mark das beste Kolonisationsmaterial gebe, erklärte Fürst Bismarck, die Schwaben seien besonders geeignet als ein echt deutscher Stamm, der seine Nationalität mit besonderer Zähigkeit unter fremden Völkern aufrecht erhält. Der Bischof Kopp war in bischöflicher Kleidung erschienen. Fürst Bismarck soll sich in ungemein anerkennender Weise über den Papst ausgesprochen haben. Leo XHI. sei einer der scharfsichtigsten und erleuchtetsten Staatsmänner unserer Zeit, der erkannt habe, welche Bedeutung ein konservatives und geordnetes Staatswesen im Mittelpunkt Europas, wie Deutschland, gegenüber der allgemeinen Lage der Verhältnisse besitzt. Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte bei der gestern fortgesetzten Berathung des Kultusetats den letzteren bis zu dem Kapitel: „Katholische Geistliche und Kirche". Gegenüber dem Antrag des Abg. Bachem, den Posten für den Kirchengerichtshos zu streichen, hob der Kultusminister von Goßler hervor, daß die neue Kirchenvorlage zwar die Aushebung des Gerichtshofes vorsehe, aber noch nicht Gesetz geworden sei. Gegenüber dem Abg. Neubauer, welcher die Stellung der Regierung zu dem Bischof Marwitz zur Sprache brachte, legte der Kultusminister von Goßler dar, daß die polnische Agitation dem Amtsvorgängcr deS Bischoss seine Stellung unerträglich machte. Mit dem Eintritt des Bischofs Marwitz, dessen Loyalität nicht bezweifclbar sei, habe die Agitation zwar aufgehört, die Folgen derselben hätten aber zur Zurückdrängung der Deutschen geführt. Bei dem Kapitel „Zuschuß für den allkatholischen Bischof" wurde die Berathung vertagt. — In den, von dem „Kur. Pozn." ab gedruckten Abschiedsschreiben des Kardinals Ledochowsli an die Diözesanen von Posen und Gnesen heißt es: „Ein anderer Hirt wird jetzt die geistliche Regierung über Euch übernehmen. Dieser Priester, der durch seine Tugenden und seine Herzens güte bekannt ist, wird Euch mit seinem väterlichen Schutz um geben. Habt Vertrauen zu ihm, denn er kommt auf Antrieb des heiligen Geistes, und die innige Liebe, die er Euch bringt, ivird noch stärker werden, wenn Ihr ihn näher werdet kennen gelernt haben. Folgt daher seiner Stimme und schaart Euch Alle einmllthig unter seine Flügel, denn die Einigkeit der Gläubigen unter einander und das starke Band, das die Geist lichkeit und das Volk mit einander verbindet, ist die beste Bürgschaft und das wirksamste Mittel der Entwickelung des Reiches Gottes in der Nation." Hierzu bemerkt die „N. A. Z.": „Der „Goniec Wielkopolski" beging also mit seinen mehr- erwähnten Versuchen, gegen Herrn Dinder Stimmung zu machen, gleichzeitig eine anmaßungsvollc Dreistigkeit gegenüber den Worten des bisher stets so hoch von jener Seite gefeierten früheren Erzbischofs. Hieraus ergiebt sich unbezweifelbar wohl, daß der national-polnischen Propaganda die kathollsch-kirch- , lichen Interessen nur als Schutzmantel für ihre eigenen dunklen >Ziele dienen."