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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg md Brand. Berautwortticher Redakteur: Julia« Braun iu Freiberg. ,edrn Wochentag Nachmitt. b Uhr für den ! Jahr,««,. Inserat« «erb« biSBormitta, N Uhr «mgemm- A 28. l Donnerstag, den 4. Februar. ^undbeUL^^E^ loob. Fürst Bismarck und die Polen. Wenn aus allen Theilen des Deutschen Reiches und auch aus deutsch-österreichischen Kreisen anläßlich der großen Reden des Fürsten Bismarck wider die Polen zahlreiche ZustimmungStclegramme an den deutschen Reichskanzler gerichtet wurden, beweist dies deutlich genug, daß dessen ftrengnationaler Standpunkt fast überall Verständniß findet. Wer die Polen genau kennt, wird dem Fürsten Bismarck darin Recht geben müssen, daß das tiefe deutsche Mitgefühl für die unglückliche polnische Nation niemals eine Berechti gung hatte, weil bei den Polen kein Funke von Sympathie für Deutschland zu finden ist. Die im Großherzogtbum Posen lebenden Deutschen haben es sicher nicht vergessen, wie jubelnd die dortigen polnischen Blätter im Jahre 1870 die erste täuschende Nachricht von dem Erfolge der Franzosen bei Saarbrücken verkündeten, wie tieferdittcrt sich dieselben später über die rasch auf einander folgenden Niederlagen ihrer französischen Freunde äußerten. Aeltere Leute erinnern sich dort noch genau del: polnischen Erhebung im Jahre 1848 unter Mieroslawski und erzählen mit Schaudern von den damals besonders in dem Städtchen Buk an Deutschen verübten Grcuelthaten. Der Nationalpole haßt den Deut schen heute noch wie damals und zwar gilt dies nicht nur von dem polnischen Adel und der Geistlichkeit, wie Fürst Bismarck annimmt, sondern auch von dem polnischen Hand werker und Landmann. Wohl geht es, wie der deutsche Reichskanzler mit Recht betonte, den polnischen Bauern unter preußischem Regiment ungleich besser wie ehemals unter der Herrschaft des ebenso verschwenderischen wie rück sichtslosen polnischen Adels, aber die polnischen Handwerker und Bauern stehen vollständig unter dem Einfluß der Geist lichkeit, welche die deutsche Berwaltung verspottet, wenn sie milde auftritt, und der Knechtung Polens anklagt, wo sie zur Strenge greift. Die ganze ultramonlane polnische Er ziehung arbeitet darauf hin, den jungen Polen und die Polin für ihre Nationalitätzu entflammen und mit phantastischeiiTräu- men von der Wiederherstellung des Polenreiches zu erfüllen. Die Romantik des Flüchtlings und die Poesie des Unter drückten haben für die Polen einen seltsamen bestechenden Reiz, fast noch mehr aber lieben sie das heimliche Ver- schwörerthum und zollten' deshalb den italienischen Mazzi- nisten und den russischen Nihilisten immer eine Art von Be wunderung. Sie sind stolz darauf, als die Franzosen des Ostens bezeichnet zu werden und haben stets besonders leidenschaftlich für die Bonapartes geschwärmt, trotzdem weder Napoleon I. noch Napoleon 111. je ernsthaft daran dachten, ihre den Polen wiederholt gemachten Versprechungen zu erfüllen. Ihr Haß gegen das Germanenthum geht so rieit, daß sie sich sogar für den PansiavismuS begeistern und von diesem die Zertrümmerung Deutschlands erhoffen, trotzdem die Russen unzählige Polen elend mißhandelten oder nach Sibirien in die Verbannung schickten. Ungleich dem Gallier Brennus, der bei dem Abwiegen der Siegesbeute sein Schwert in die Wagschale warf und höhnend „Vuo viot-is!" „Wehe den Besiegten!" rief, empfindet der Deutsche weit eher wie Cato, welcher der Sache der Unterliegenden seine Theilnahme widmete. Aber dieses edle Gefühl hat dort eine Grenze, wo es mißbraucht wird und die Pflicht der Selbsterhaltung Vorsicht gebietet. Bei der immerhin vorhandenen Möglichkeit eines späteren Konflikts zwischen Deutschland und Rußland wirkt es nicht gerade beruhigend, daß sich das polnische Element unter der Leitung der Jesuiten von Rulsisch-Pvlen aus immer ; ehr in Schlesien, Posen und Westpreußen ausbreitet, oeutsche Sprache und Sitten verdrängt und den dort an gesiedelten Deutschen nicht nur Acrgernisse bereitet, sondern thcilweise auch deren Existenz verkümmert. Diese Ver hältnisse sind der preußischen Regierung längst bekannt und von ihr iin preußischen Landtage zur Sprache gebracht worden, so oft in demselben die polnischen Abgeordneten neue Zugeständnisse für ihre Sprache und für ihre Schulen I verlangten. Schärfer ist den Polen aber noch niemals die I Wahrheit gesagt worden, als bei den letzten Polendebatten I und allem Anschein naHl wird es Fürst Bismarck bei dem I Schutz des deutschen Elements gegen den anwachsendcn I Polonismus nicht nur bei Worten bewenden lassen. I Wie weit sich die Drohung mit der Expropriirung des pol- I Nischen Großgrundbesitzes durch Landkaufe im Betrage von I einigen hundert Millionen Mark ermöglichen lassen wird, ge- I hört der Zukunft an, auch haben die Polen an maßgeben- I der Stelle so einflußreiche Fürsprecher, daß ihnen sicher nicht I zuviel geschehen wird, aber das wird ihnen nicht entgangen »sein, daß sie sich in Deutschland dem Staatsgrsetz willig Rund gehorsam fügen, mit ihren deutschen Nachbarn Frieden halten und auf alle Verschwörungen und Anzettelungen zu Gunsten der Wiedererrichtung eines großen Polenreiches rin für allemal verzichten müssen Zur Liebe können wir die Polen nicht zwingen, aber die Freiheit uns zu schaden geben wir ihnen auch nicht. Die Rede des Fürsten Bismarck hatte aber eine noch größere Tragweite als die Einschüchterung der in Deutsch land lebenden Polen; sie ist auch wie ein Donnerkeil in die in den letzten Jahrcn sehr übermüthig gewordenen pol nischen Kreise Oesterreichs gefahren. DaS Wortspiel des dculschen Reichskanzlers von der Fruklifizirung polnischer Gelder zu Monaco oder in Galizien hat die polnische Fraktion der Rechten des österreichischen Abgeordnetenhauses lief erbittert. Diese Partei betrachtete sich bisher als die festeste und unentbehrlichste Stütze des jetzigen System Taaffe in Oesterreich und ist deshalb nicht wenig verblüfft, daß Fürst Bismarck im picnßischrn Abgeordnetenhause sagen durste, die vom deutschen Reichstage so hart getadelten Aus weisungen der Polen seien imEinverständniß mit der öster reichischen und der russischen Regierung erfolgt. lieber diesen Passus wollen die galizischen Abgeordneten demnächst den Ministerpräsidenten Grafen Taaffe rnterpelliren und demselben gleichzeitig die Eröffnung des preußischen Ministers von Puttkamrr Vorhalten, wonach der leitende österreichische Staatsmann bei einer früheren derartigen Interpellation die Antwort der preußischen Regiery.7g nur in sehr um schriebener Weise zur Kernitniß-Hchchee. Die galizischen Ab geordneten werden bei diesen Anfragen wiederum an den czechischen Abgeordneten Bundesgenossen finden, welche es arg verschnupft hat, daß Fürst Bismarck auch daS Zurücktretcn des deutschen Elements in Böhmen beklagte. Fürst Bismarck würde sicher die österreichische Regierung keiner so peinlichen Auseinandersetzung mit den Polen und Crechcn ausgesetzt haben, wenn nicht das Ministerium Taaffe bereits diesen gegenüber an der Grenze der Konzessionen angelangt wäre, wenn nicht schon der österreichische Neichskciegsminister Gras Bylandt mit den sonst in Wien so gut ungeschriebenen galizischen Abgeordneten auf Kriegsfuß stünde. Unterstützt von den mächtigen Ultramontanen und von den Czechen, werden die Polen Oesterreichs jetzt freilich Himmel und Erde in Bewegung setzen, um ihre bisherige einflußreiche Stellung zu behaupten. Tie bereits vorher schon innerhalb der österreichischen Regierung erwachte Erkenntniß, daß das Bündniß mit Deutschland bei einem weiteren Zurnckdrängcn des DeulschthumS in Oesterreich sich nicht lange mehr auf recht erhalten ließe, ist ober durch die große Rede des Fürsten Bismarck zur unumstößlichen heilsamen Gewißheit geworden. Nicht ohne Grund wurde diese Rede von den deutsch österreichischen Blättern bejubelt und drückte sür dieselbe der deutsche Klub des österreichischen Abgeordnetenhauses dem Fürsten Bismarck seine dankbare Anerkennung aus. Wohl hat schon vor derselben gleich bei dem Beginn der neuen Neichsrachssession die österreichische Regierung eine den Polen und Czechen minder günstige Richtung eingcschlagen; trotzdem wird die offene Meinungsäußerung dcü deutschen Reichskanzlers die Umkehr beschleunigen, welche in Wien angesichts der wachsenden Ansprüche der Slaven noth wendig geworden ist. Von den polenfreundlichen und kleri kalen Blättern Oesterreichs werden die deutsch-nationalen Kundgebungen, welche bei dieser Gelegenheit hervortraten, zunächst wieder als Landesverrath bezeichnet, aber das Ministerium Taaffe dürfte sich dadurch nicht irre machen lassen. Die energische Wahrung der deutschen Interessen an der preußischen Ostgrenze gilt nicht nur dem Polen- lhum, sondern dem deutschfeindlichen Slaventhum überhaupt. Behält das Slaventhum in Oesterreich seine jetzige Macht stellung, so wird es dieselbe auch zu Gunsten der Polen in Preußen benutzen und die aufrichtige und herzliche Bundesgenossenschast zwischen Deutschland und Oesterreich untergraben. Dazu werden cs die leitenden Staatsmänner dieser befreundeten Reiche gewiß nicht kommen lassen. Tagesschau. Freiberg, den 3. Februar. Nach der Sprache der preußischen Regierungsblätter zu urtheilen, schreibt der deutsche Reichskanzler das Verhalten der Mehrheit des deutschen Reichstages bei der Ausweisungs- srage weit mehr dem Zentrum zu als den Deutschsreisinnigen, da sowohl die ministerielle „Nordd. Allg. Ztg." wie die srei- konservativc „Post" jetzt speziell den Abg. Windthorst befehden, gegen den Fürst Bismarck auch letzthin im preußischen Ab- grordnetenhause seine schärfsten Pfeile richtete. Nachdem der stenographische Bericht jener denkwürdigen Verhandlung er schienen war, bezeichnete die „Post" den Zwischenrus des polnischen Abg. Kantak, der dm Kanzler mit dm Wort« „Zur Sache!" unterbrach, deshalb als unfinnig, weil dieser Zwischenruf ertönte, als Fürst Bismarck gerade den Nachweis führte, daß Windthorst dir deutsche Nationalität nicht mit derselben Energie und Begeisterung vertrete, wie die polnische. Schon am Tage zuvor hatte Fürst BiSmarck darauf hinge« wiesen, daß der PoloniSmus gerade durch die Unterstützung, welche ihm Wmdthorst und seine Gefolgschaft gewähren, für das Deuischthum gefährlich werde. Wenn der Kanzler di« Bedeutung dieses politischen Gegners auch auf dem Gebiete der Kirchenpvlitik hervorhob, so findet dies eine Bestätigung darin, daß urplötzlich die ultramontane „Germania" eine Nach richt aus Rom bringt, welche allen bisherigen Mittheilungen über den günstigen Stand der Ausgleichsverhandlungen zwilchen Berlin und dem Vatikan widerspricht. Das zu dem Abg. Windlhorst in den engsten Beziehungen stehende Berliner Organ der Nltramontanen veröffentlichte gestern in fetter Schrift die nachstehende Meldung: „Privattelegromm der „Germania". Rom, den t. Februar. Mit der preußischen lirchenpolitischm Vorlage >ft der Papst durchaus unzufrieden. Infolge derselben hat in vatikanischen Kreisen die pessimistische Stimmung sehr überhand genommen. Einzelheiten der Vorlage sind mir noch unbekannt." Hierzu bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Wird es der katholischen Hierarchie wohl überhaupt noch möglich sein, diese tendmzgejchwollrnen Parasiten abzuschüttrln? Die Unerschrockenheit und die Strenge emrS SixtuS V. würde sreilich in diesem PurifikotionSversahren fast noch überboten werden müssen." Die Schärfe und Schnelligkeit dieser Er- widelung auS dem ministeriellen Lager läßt befürchten, daß man dort der Korrespondenz aus Rom Glauben schenkt und daß wahrscheinlich der polnische Kardinal Lcdochowski, aufge stachelt durch den Worlkampf im preußischen Abgeordneten hause, in letzter Zeit wieder mit Erfolg Alles daran setzte, einen Friedcusschluß zu vereiteln, durch welchen das Zentrum seinen ganzen Halt verlöre. Wie offiziös berichtet wird, rüstete die deutsche Neuguinea -Gesellschaft zur wissenschaftlichen Er forschung des Kaiser Wilhelm-Landes eine Expedition unter Leitung des Astronomen und Geographen Schrader aus Ham burg aus, welcher außerdem noch der Botaniker Hollrung aus Dresden, der Geologe Schneider aus Breslau und ein in Kaiser Wilhelm-Land hinzutretender Beamter der Kompagnie angehören. Schrader, Hollrung und Schneider sind, von dem Kaufmann Elias begleitet, am Sonnabend nach London ab gereist, von wo aus sie sich mit dem Dampfer „Quettah" über Batavia nach Cocktown begeben. Von dort erfolgt die Uebcrsllhrunz nach Finlchhafen ans einem Kompagniedampfer. Die Dauer der Expedition ist auf zwei Jahre berechnet. — Die Handelskammer zu Fraukfurt am Main beschloß einstimmig, eine ihr von 2( 2 dortigen hervorragenden Firmen unterbreitete Eingabe gegen das Branntwein-Monopol dem deutschen BundeSrathe zu überreichen und gleichzeitig dem preuß schen Handeisminister Kenntlich davon zu geben. Von dem österreichischen Abgeordnetenhause sind vor gestern verschiedene Regierungsvorlagen in der ersten Lesung ohne jede Debatte an die Ausschüsse verwiesm worden, dagegen waren mehrere Jnitiativ-Anträgc schon bei der ersten Verhandlung Gegenstand von Debatten. Am wichtigsten erschien der Antrag des Abg. Mattusch aus Ausbesserung der Lage der Supplenten an den österreichischen Mittelschulen, welcher bezweckt, die wahr haft bemitleidenswerthe finanzielle Stellung dieser Hilfslehrer etwa- günstiger zu gestalten. Dem Präsidenten der französischen Republik überreichte vorgestern der griechische Gesandte Nikolas Delyannis sein Be glaubigungsschreiben und erklärte dabei, er werbe Alles thun, was in seinen Kräften stehe, um die Bande der Freundschaft, die zwischen beiden Ländern beständen, aufrecht zu erhalten. Grövy ecwicdertc, der Gesandte werde in Frankreich mit demselben Vertrauen ausgenommen, welches seiner Regierung entgegengebracht werde. Gestern veröffentlichte der „Temps" eine ossiziöse Notiz des Inhalts, daß Frankreich bis jetzt der Zwangsaktion der Mächte gegen Griechenland nicht beigetreten sei. — Dos gestern in der Deputirtenkammcr vertheilte Gelbbuch über Madagaskar enthält ein Rundschreiben Freycinet's vom 27. Dezember v. I , worin cs heißt, der Vertrag ändere nichts an den zwischen der Regierung der Howas und anderen Staaten bestehenden Verträgen. Frankreich habe niemals daran gedacht, durch die getroffenen Vereinbarungen der freien Ent wickelung der privaten Interessen in Madagasgar, gleichviel welcher Nation sie angehören, ein Hinderniß zu bereiten. — Das Mitglied der Rechten, Gaudin, wars dem Kriegsminister Bou langer vor, bei der Verlegung der Kavallerie-Brigade von Tours politischen Einflüsterungen gefolgt zu sein. Boulangzr erwiederte, der Kriegsminlstcr habe über derartige Maßregeln allein zu entscheiden, er wolle die Achtung vor den republika-