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m , Amtsblatt für die königlichtu und städtischen Behörden zn Freiberg und Braud, verimiw örtlicher Redrktem: vrai» l» Freiberg. -»- - - >— ^7 - 88. Anh««»« ' „ A/» 8 »rtchrimieden Wochentag Nachmttt. L llhr sür d« ' ü Inserate werb« btt »ormtttag N Uhr anMwm- « -« 1tt. Lountag, dr»24. Januar. ---'VLkLL'L'iN'"^ IMv. - -- - ' ... .,,, Die Woche. Die parlamentarischen Mühlen im deutschen Reiche sind jetzt fast überall im vollen Gange und dabei zeigt sich wiederum, wie sich die nüchternsten Etatsfragen und mate riellen Angelegenheiten von geschickten Parlamentariern be nutzen lassen, um daran eine Debatte zu knüpfen, deren Wirkung weit weniger auf das HauS als auf die Wähler schaft außerhalb desselben berechnet ist. So haben im sächsischen Landtage bei der allgemeinen Vorbe- rathung über den Neubau eines Kurhauses in Elster die Sozialdemokraten erklärt, für das Postulat zu stimmen, wenn gleichzeitig die Freibäder vermehrt würden und dabei die Gelegenheit bei der Stirnlocke erfaßt, die Dinge so dar- zustellen.lals ob andere Kreise nicht ebenso warm wie sie für das Wohl der arbeitenden Bevölkerung empfände». Ganz ähnlich operirten die Ultramontanen im deulschen ReichS- ta ge, als sie bei der Berhandlung über den Postetat auf die Wünsche betreffs der Sonntagsheiligung zurückariffen, als sie ferner an das Häkchen der Berathung der Rechtspflege in den deutschen Schutzgebieten ihre kirchenpolitischen Wünsche auszuhängen versuchten und bei unbedeutenden Etatsposi tionenden noch gar nicht eingebrachten Branntwein-Monopol- Gejetzentwurf streiften. Nächst dem Nord-Ostsee-Kanal bilden das erwähnte Monopol und die Ausweisungssrage die drei Angelegenheiten, deren Wogen den deutschen Reichstag und das preußische Abgeordnetenhaus gleichmäßig bespülen. Bezüglich des Kanals möchten zahlreiche preußische Volks vertreter den auf ihr spezielles Vaterland fallenden Beitrag von 50 Millionen gern etwas herabmindern, was den Staatssekretär von Bötticher veranlaßte, den betreffenden Kommissionsmitgliedern mitzuthrilen, daß man im Bundes- rath diesen Beitrag zum Theil sogar für zu niedrig ge halten habe, lieber die Ausweisungen der Polen hat der Reichstag sein Verdikt abgegeben; die Aniwort darauf wird der dem preußischen Landtage zugedachte Gesetzentwurf über den Schutz des Deutschthums an den Ostgrenzen bilden. Nicht minder nahe geht das Monopol-Projekt beide Parla mente an, doch läßt der Eifer, mit welchem die preußischen Regierungsorgane für dasselbe Stimmung zu machen suchen, wohl annehmen, daß dieser Plan besonders von dem preußi schen Finanzminister als Rettungsanker angesehen wird. Der deutsche Reichskanzler weiß sehr wohl, daß das pein liche Thema der Ausweisungen zunächst nicht von der Tages ordnung beider Parlamente verschwindet und daß die große Opser erheischende Nord-Ostsee-Kanal-Vorlage, sowie das tief in viele Erwerbeverhältnisse einschneidende Monopol- Projekt völlig aussichtslos bleiben, wenn nicht das stimm begabte Zentrum aus seiner jetzigen oppositionellen Stellung herausgelockt wird. Seit dem überaus verbindlichen Briefwechsel zwischen dem Papst und dem Fürsten Bismarck haben die Ultra- montanen in Deutschland den Ton bedeutend herabgestimmt. Um die Gemüther zu beruhigen, die ollzugroße Konzessionen an den Vatikan befürchteten und damit den Ausgleich des Karolinen-Konflikts als zu theuer erkauft wähnten, erklärt jetzt die „Nordd. Allg. Ztg", es habe sich bei der An rufung des Papstes weniger um die Karolinen-Inseln als um die Beilegung einer hochgradigen sriedensgefährlichen Spannung zwischen Spanien und Deutschland gehandelt. Das artige aber durchaus charaktervolle Dankschreiben deS deutschen Reichskanzlers soll ebenso wie der bereits in Rom bekannt gewordene Inhalt der dem preußischen Landtag dem nächst Angehenden Kirchcngcsetz Novelle nn Vatikan ent täuschend gewirkt haben. Die in dem Gesetzentwurf ent haltene Aufhebung des kirchlichen Gerichtshofes war schon früher zugestanden und bei den neuen Bestimmungen über die Vorbildung der katholischen Geistlichen betrifft die Re form nur die Seminare, während die Vorbedingung deS dreijährigen Universitätsstudiums bestehen bleibt. Unter solchen Umständen beklagt man cS im Vatikan, daß die Nuntiaturen, angeblich durch «ine falsch verstandene Weisung, die Enzyklika an die pleußifchcn Bischöfe vorzeitig veröffent lichen ließen. Immerhin hat die Kirchenpolstik durch die Versöhnlichkeit des jetzigen Papstes und die diplomatische Feinheit deS Fürsten Bismarck eine entschieden friedliche Wendung genommen, die trotz aller Unzufriedenheit der Freunde des Abg. Windthorst unwiderruflich scheint. Nachdem der böhmische Landtag unter den Jubelrufen der Czechen geschlossen wurde, äußern sich selbst die öster reichischen Regierungsblätter höchst unbefriedigt über den Verlauf der in der Prager Landtagsstube gepflogenen Verhandlungen. Das offiziöse Wiener „Frcmdenblatt" er klärt unter dem Eindruck der Debatte über die Anträge Plener und Jarek die gegenwärtigen Zustände Böhmens für unhaltbar. DaS Gebiet, auf welchem allein die Ver söhnung der beiden Nationalitäten stattfinden könnte, sei dasjenige einer auf ausschließlich praktischen und technischen Gründen aufgerichteten Verwaltung des Landes, welche von jedem Staatsrechte absehe und auf die staatliche Ver waltung keinen Einfluß ausübe; in diesem Sinne lei auch der Trennungs-Antrag von Plcner's gehalten gewesen, den die Mehrheit des Prager Landtages übermülhig niedcr- stimmte. Den Gipfelpunkt jener Debatten bildete eine Rede des Abg Knotz, der auf daS deutsch-nationale Bewußtsein der in Oesterreich Heranwachsenden Jugend verwies und dann schloß: „Die Czechen gestehen ein, daß sie aus Böhmen ein Bollwerk gegen Deutschland machen wollen, wir aber wollen das engste Bündniß mit Deutschland" In einer Versammlung der Linken des ungarischen Ab geordnetenhauses gestanden kürzlich die Anhänger Kossuths ähnliche deutschfeindliche Gesinnungen zu, wie sie die Czechen bekunden. Die ^Nagyaren erklärten ganz offen, daß sie Oeslerreich-Ungarn am liebsten, von dem Drei- Kaiser-Bund losgelöst, an der Spitze der Balkanstaatrn und im Bunde mit Frankreich sehen möchten. Gleich in der ersten Sitzung der am Montag wieder zusammengetretenen italienischen Deputirtenkammer wurde eine Interpellation über Vie Politik Italiens am RothenMeereeingcdracht, deren BeantwortungGraf Robilant noch dem Parlament schuldet. Die italienische ist Regierung zu der Ueberzeugung gelangt, daß nicht nur Handelskolonien sondern Ackerbaukolonien erforderlich sind, um die über schüssige Bevölkerung aufzunehmen. Ostafrika scheint zu einem „Neu Italien" auSerfehen, da wiederum eine Expe dition nach den Harar-Ländern ausgerüstet wird, um Handelsfaktoreirn anzulegen und Gebiete auszufvrschen, in welche die italienische Auswanderung geleitet werden könnte. Für das neue französische Ministerium Freyeinet haben gleich die ersten Tage der Amtirunq bittere Prüfungen gebracht. Unzufrieden mit den von Gi«vy vollzogenen Be gnadigungen, verlangte Rochefort Namens ter Radikalen eine ausnahmslose Amnestie, was der Justizminister Goblet als unausführbar bezeichnete. Trotzdem wurde die Dring lichkeit des Rochesort'schen Antrages mit 251 gegen 248 Stimmen beschlossen, weil die Rechte sich zu den Radikalen schlug, ein Manöver, dessen Wiederholung dem ganzen jetzigen Regierungssystem verhängnißvoll werden kann. Da der von einem Ordonnanzoffizier des Admirals Miot der Regierung überbrachte Fricdensvcrtrag mit Madagaskar baldigst der Kammer vorgelegt werden wird, kommt diese in die Lage, sich abermals über die Kolonien-Frage aus zusprechen. Dieses Thema ist um so bedenklicher, als die Opportunisten in der geplanten Reduktion der Expeditions truppen eine schwere Gefahr erblicken, während die Radi kalen behaupten, daß in Ostasien längst wieder Ruhe herrschen würde, wenn die Führer der dort stehenden fran zösischen Truppen auf die bisherige Willkürherrschaft ver zichten wollten. In den spanischen Regierungskrisen beschuldigt man Frankreich der Begünstigung der Aufruhrversuche Zorillas. Nach dem offiziösen „Jmpercial" erhielt der neue spanische Gesandte in Paris, Albareda, Weisungen, welche sich gegen den Aufenthalt Zorilla's in Frankreich und gegen die un genügende Ueberwachung der Pyrenärngrenze richteten. Die liberalen Blätter in Madrid klagen Zorilla an, im Einverständniß mit Pariser Börsenspekulanten zu handeln. Thatsächlich hat der neue Gesandte bereits Vorstellungen in Paris gemacht und die Zusicherung erhalten, daß die französische Regierung seinen Wünschen im vollsten Um fange Nachkommen werde. Der Leiter dcs in Madrid er- fchemenden Blattes „Progreso", welches als Organ Zorilla's gilt, wurde verhaftet. Das englische Parlament ist am Donnerstag durch die Königin Viktoria selbst feierlich eröffnet worden, was seit dem Jahre 1877 nicht mehr vorgekommen ist. Die Feierlichkeit fand im Oberhause mit dem hergebrachten überaus glänzenden Zeremoniell statt. Die königliche Familie war fast vollzählig zugegen, ebenso das gesammte diplomatische Korps. Die Thronrede, welche vom Lord kanzler verlesen wurde, kündigte die Vorlage eines Aus nahmegesetzes für Irland für den Fall an, daß sich dort die Unruhen fortsetzen würden, andernfalls aber eine selbst ständigere Lokalverwaltung. Das Oberhaus nahm bereits einen Adreßcntwurf als Antwort auf diese Thronrede an, wogegen die im Unterhause begonnene Adreßoebatte noch nicht abgeschlossen ist, da das Ministerium sehr energisch von den Liberalen Unterstützung in der irischen Frage oder Uebernahme der vollen Verantwortlichkeit verlangt. Da die Abrüstungsvorschläae der sechs Großmächte ab gelehnt wurden, erstrebt jetzt Rußland ei» europäisches Mandat, um mit bewaffneter Macht den Frieden auf der Balkanhalbinsel aufrecht zu erhalten und womöglich Bul garien und Ostrnmelien in eine russische Satrapie zu ver wandeln. Dagegen hegt man sowohl in Oesterreich wie in England ernste Bedenken; besonders ist man in London dadurch mißtrauisch gemacht worden, daß sich die Aus söhnung deS Zaren mit orm Fürsten Alexander von Bul garien nicht bewerkstelligen ließ. Griechenland und Serbien rüsten emsig weiter, und ebenso bleibt die bulgarisch« Union ruhig fortbestehen, da die Balkanstaaten die Uneinigkeit der Großmächte kennen und recht gut wissen, daß weder dem Türken, dem Oesterreicher noch dem Russen der Auftrag ertheilt werden kann, dem Willen Europas mit einem Heere Nachdruck zu geben. Die Situation ist jetzt wieder eine sehr gespannte und scheint eine befriedigende Lösung der Ballanstaatenfrage in weitere Ferne gerückt zu sein. Tagesschau. Freiberg, den 23. Januar. Bei der gestern im deutsche« Reichstage fortgesetzt« Etatsberatbnng erklärte Abg. Bock, die Lag« der Arbeiter habe sich sei» Einführung der Schutzzollpolitik wesentlich verschlim mert; auch die Doppelwährung werde keine Besserung herbei- führen, denn in Amerika leide die Landwirthschast unter dem selben Nothstande, trotz der Doppelwährung. Die allgemeine wirthschastliche Kalamität könne nur durch eine gründliche soziale Reform beseitigt werden. Abg. Gerlich hielt es für ungerecht, die Schutzzollpolitik für die bestehenden Mißstände verantwortlich zu machen. Abg. Meyer (Halle) erklärte, seine Partei werde allen Zollermäßigungen zustimmen und sich bemühen, die Unzweckmäßigkeit der Zölle in jedem einzeln« Falle nochzuweisen. Dit Gegner der gegenwärtigen Währung möchten aber nun endlich mit positiven Anträgen komm«. Abg. v. Kardorff venheidigte den BimetallismuS, welcher das hohe Agio zwischen dem Gold und dem Silber aus der Welt schaffen wolle. Abg. Bamberger bekämpfte diese Aussührungen und erörterte die Gründe des herrschenden Noth- standes. WeShalb die Produktion die Konsumtion so unver- hältnißmäßig überstiege, sei schwierig zu erklären; man dürfe keineswegs di- neue Zollpolitik ausschließlich dafür verant wortlich machen, jedoch habe sie dazu beigetragen, den Waaren- austausch zu erschweren. Abg. Herrmann bezeichnet die Schutzzölle als ein Geschenk an die Großgrundbesitzer, wobei die nothlcidendcn Klaffen der Bevölkerung leer ausgingen. Auch das Branntweinmonopol diene nur dazu, den Groß grundbesitzern ungezählte Millionen in den Schooß zu wersen. Abg. Wilbrandt schloß sich den Klagen über den Rückgang der Landwirthschast an, warnte jedoch vor der Doppelwährung als Mittel zur Abhilfe. Abg. v. Kardorff hob nochmals die Nothwendigkeit der Einführung der Doppel währung hervor. Abg. Leuschner behauptete, die neue Wirthschaftspolitik sei für die Arbeiter eine wahre Wohlthat gewesen. Abg. Fr ege bekämpfte die Aussührungen des Abg. Herrmann. Abg. Bamberger konstatirte, daß der seit Jahren prophezeite Sieg des BimetalliSmus bisher noch immer nicht erfolgt sei, was an der Güte der Sache zweifeln lasse. Abg. v. Köller sprach die Besürchtung darüber aus, daß die Bemerkungen des Abg. Herrmann zu Hetzereien ini Volke Veranlassung geben möchten. Hieraus wurde der Titel „Zölle" genehmigt, ebenso die Titel „Tabaksteuer", „Rübenzuckersteuer" und „Salzsteuer." Bei dem Titel „Branntweinsteuer" sprach Abg. Richter sein Bedauern darüber aus, daß die National- liberalen noch nicht ihre Stellung zum Monopol ausgesprochen hätten. Der seitens des Bundesrathes versuchten Uebcrrumpe- lung sei glücklich vorgcbeugt worden. Der Staatssekretär v. Burchard wirs nach, daß von einer Ueberrumpelung keine Rede sein könne, daß vielmehr der Entwurf am selben Tage veröffentlicht worden sei, an welchem er dem Bundcs- rathe zuging. Sodann erklärte Abg. Buhl, seine national liberalen Freunde würden gegen die Resolution Ausfcld stim me», ohne gegen den materiellen Inhalt derselben irgendwie Stellung zu nehmen. Abg. v. Köller meinte, der Abg. Richter habe Angriffe vorgebracht, ohne daß daS Projekt bis her eine saßbare Gestalt angenommen hatte. Abg. v. Francken stein bemerkte über die Resolution Ausfeld, es gehe auS den Aussührungen Richters hervor, daß dieselbe zurückgezogen wordm sei. Abg. Geiser bekämpfte das Branntwein-Mono pol, wie überhaupt alle Monopole. Abg. Graf v. Behr- Behrenhoff hielt es für durchaus unangebracht, jetzt schon