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2. KeUagk M Schönburger TagMM lWI Sonnabend, den 14. Deeemver 291. wilden, trotzigen Reiter, die nimmer fehlende Waffe in der Hand, entschlossen, kaltblütig, hart, wie ein uner bittliches Schicksal. Und jetzt pfeifen die Kugeln . . ., da und dort sinken die britischen Cavalleristen aus dem Sattel, um sich nie wieder zu erheben. Der Feind schießt, wie nach der Scheibe, Centrum. Der englische Major sieht ein, daß er sich im offenen Felde nicht halten kann. Er befiehlt, die Farm zu be setzen. Aber da bricht er in seinem Blute bereits zu sammen. Ter den Befehl übernehmende Kapitän kann nichts mehr retten, schon sind die Buren zwischen den Seinen. Tas Commando streckt die Waffen. Tie Sieger triefen vom himmbischen Wasser; das genirt sie nicht. „Das war Dewet oder der Satan!", flucht der Brite. Ein einfacher Bur dreht sich bei den Worten um. „Dewet!" Ein einziges ruhiges Wort aus dem bärtigen Munde. Und der Mann wendet sich wieder ab. Tas strenge Gesicht bleibt unbewegt, nur um die Lippen zuckt ein leises Lachen. Die englischen Soldaten sind entwaffnet, aller auf die Farm gebrachter Vorrath wird mitgenommen. Die Besiegten stehen trübselig umher, die Offiziere können ihren Grimm schwer bemeistern. Dieser Höllenkerl, dieser Dewet! und nun gerade kommt vom Norden eine große Proviant-Colonne, wenn ihm die gar noch in die Hände fiele? Hol ihn der Teufel! Kaum eine halbe Stunde ist vergangen, die Arbeit gethan. Tie Buren-Pferde, die bisher im Grase ge weidet, laufen auf einen Pfiff ihrer Reiter herbei. Die Commandos, die nun folgen, sind ganz militärisch, prompt werden sie ausgesührt, als wärs nie anders gewesen. Die trotzigen Reiter stehen formirt. General Dewet lüftet feinen Hut gegen die Engländer, dann hebt er die Hand. Und vorwärts, nach Norden, braust die Burenschaar Alt Maßt für die Kchule. Nicht nur ungebildete arme Kranke, sondern auch vor nehme Leute in Berlin, die am Kaiserhof verkehren, lassen sich jetzt gesund beten, statt daß sie zum Doctor schicken. Ein Arzt schreibt dem „Tag" von dieser aller neuesten Curpfnschcrei: Falls man erkrankt, wendet man sich an einen „Betzirkel" oder an solche Personen, denen angeblich die Kraft innewohnt, andere durch Gebet zu heilen. Dies Geschäft betreiben z. B. in Hannover zwei Damen fabrikmäßig. Sie werden brieflich befragt und beten ihre Patienten aus der Entfernung gesund. Mancher der Leser lächelt vielleicht und denkt, daß auf solchen Humbug nur Ungebildete und Dumme herein fallen. O nein, der Heilschwindel findet seine Gläubigen in allen Schichten der Bevölkerung. Ta tauchte z. B. vor einigen Jahren in Berlin ein indischer Augenheil künstler auf, miethete sich in der Friedrichstraße eine Wohnung und fing an, mit schneeweißem Kaftan be kleidet, unter Benutzung von allerhand phantastischem Beiwerk seine recht zahlreiche Kundschaft zu verarzten; und trotzdem die Wissenschaft die alte Methode des Starstechens schon völlig überwunden hatte, fiel doch eine große Zahl von Starblinden darauf herein, sich von jenem Wüstensohne „sehend machen" zu lassen. Freilich lange dauerte die Freude nicht, nach kurzer Zeit trat in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unter heftigen Schmerzen Erblindung ein. Aber vor dem Hause des Quacksalbers standen in dichter Reihe die Equipagen, und die Mitglieder der besten Gesellschaft zollten willig dem Aberglauben ihren klingenden Tribut. Wie ist das möglich? Wie kann ein gebildeter, folge richtig denkender Mensch auf Gebetsheilung, Zauberei, Besprechung u. a. hereinfallen, wie kann er an die Wirkung solcher geheimnißkrämerischer Thorheiten glauben? — Tas kommt daher, daß allen jenen, die in großer Zahl die Wartezimmer der Wunderdoktoren beoölkern, eins eigenthümlich ist und die Fähigkeit ganz fehlt, naturwissenschaftlich zu denken. Wie oft und wie eindringlich hat Ser gelehrte Naturforscher Ernst Haeckel darauf hingewiesen, daß die Grundlage alles Denkens die Naturwissenschaft, das Versenken in die Natur und das Begreifenwollen ihrer sichtbaren Aeuße- rungen ist Und grade diese Seite ist bei unserer heutigen Bildungsweise so arg vernachlässigt, daß man glauben könnte, das geschehe mit Fleiß und Absicht. Was lernt man denn in der Schule von natur wissenschaftlichem Lenken? Jetzt soll es ja schon besser geworden sein (? ?), aber als ich noch zur Schule ging, ! da bekam man in der Physik nur Experimente zu sehen, desgleichen inderChemie; in der Botanikzählte man stumpf sinnig Staubgefäße und klassificirte die einzelnen Pflanzen nach dem Linneschen System, und auch in der Zoologie kam man über die größten Aeußerlichkeiten nicht hinaus. Nichts von Anregung zum naturwissenschaftlichen Denken, nichts von jenen großen Gesichtspunkten, die einem die Natur nicht als ein zufälliges Nebeneinander von Thieren, Pflanzen, Steinen usw. zeigen, sondern als eine fort laufende Kelte, in der sich eins aus dem andern ent wickelt. Da gab es keinen Ausblick Von jener Höhe, von der man den Kosmos, das Weltall in seiner über wältigenden Unendlichkeit als unzersplitterbare Einheit erblickt. Und was lernen die Angehörigen gelehrter Berufe an der Universität von Naturwissenschaften? Der Jurist, der Philologe, der Theologe, sie alle bleiben in völliger Unkenntniß darüber. Daher kommt es denn, daß der Richter das Gutachten eines Sachverständigen für Geisteskrankheit einfach mit Stillschweigen übergeht, weil Deihnachkzeit in M-Mka. Von Georg Paulsen. «achdru.r verdaten. Rollender Donner, zuckende Blitze, in rauschenden Güssen stürzt der Regen auf die Berghänge und Thal- mulden herab. Frisches Grün wächst üppig empor, es wächst auch zwischen den Ruinen so vieler niedergebrann ter Burenfarmen. Wo einst frohes, bescheidenes Leben, jetzt stille Oede; die Umzäunungen, hinter welchen einst stattliche Heerden sich tummelten, sind zerbrochen. Frauen ! und Kinder, die hier glücklich lebten, stecken hungernd in irgend einem englischen Lager, von gierigen Kaffern bewacht, die Männer tragen die Büchse oder liegen irgendwo eingescharrt. Wie ein himmlischer Zorn wüthet das Wetter über die Gegend, mit mächtigem Griffe zerrt und zaust der Sturm an den Zelten des englischen Lagers, das um einen ehemaligen Burenhof aufgeschlagen ist. Heute ist^ er vom edelmüthigen England für ein Spottgeld ver kauft, kein Afrikander aber hat das billige Gut in seinen Besitz gebracht, ein Fremder ist's. Der englische Com- mandeur hat ihm versichert, Alles sei von den Buren geräumt, seit Monaten habe sich Niemand von den Reitern Tewet's sehen lassen. Wo sei dieser Mann überhaupt? Verschollen, verschwunden, krank, todt, jeden falls Alt-England nicht mehr gefährlich. . . . Und 's sei gut so! Ter Sturm braust mit verstärkter Kraft. Tie eng lischen Soldaten hallen fluchend und scheltend mit Auf gebot aller Kraft die scheuenden Gäule. Die armeu Thiere sind heruntergekommen bei den harten Strapazen, zu einem anstrengenden Marsch würden die Kräfte nicht mehr reichen, aber die Wetter rütteln die Angst auf. Ein Theil reißt sich los und braust in die Weite. „Wären wir zu Haus!" Tie Soldaten rufen's zum Theil, Alle denken sie es. Und mag mancher elende Kerl unter ihnen sein, der zu Haus kein großartiges Dasein hatte, solch' Hundeleben, wie hier? Zu Haus essen sie jetzt den Weihnachts-Pudding und hier .... Ta schwacher Knall in der Ferne. Tie Alarm-Trompete! Zu Pferde, was zu Pferde kommen kann! Zum Glück läßt das Wetter nach. Noch fällt der Regen stromweise, aber dort hinten klärt sich der Himmel auf. Und jetzt Schüsse und wieder Schüsse! Eine englische Patrouille saust heran! „Tie Burs!" Der erste Offizier ordnet seine Leute. „Teufel!" knirscht er da. Aber es liegt drin etwas wie ein An flug von Achtung. Das ist ein Bild! Rings in der Runde schallt es jetzt vom scharfen Galopp, das sind nicht Dutzende, das sind Hunderte von Pferden. Heller wird's, immer Heller. Von allen Seiten jagen in langen Linien die Buren heran. Ein stolzes Schauspiel, diese Unterhaltungstheil. Der Bauer vom Wald. Novelle von Anton v. Perfall. 29) (Fortsetzung.) „Ta können Sie ja segensreich wirken für Ihren Stand," fuhr dieser fort. „Warnen, helfen, rathen! Die Leute sind ja gewöhnlich allen erdenklichen Ueber- vorthcilungcn ausgesetzt, die reinen Kinder, mit einer großen Summe in der Hand. Ta haben Sie ein Herr- liches Feld zur Thätigkeit. Uebrigens brauche ich Ihnen ja das alles gar nicht mehr zu sagen. Wie mir Herr Polcntz berichtet hat, leisten Sie bereits Ersprießliches in dieser Richtung. Ja, offen gesagt, Ihnen gegenüber — ich bin fest entschlossen, bei der Frage der Ring bahn, welche ja sehr bedeutend die landwirthschastlichcn Interessen unserer Umgegend berührt, ganz insbesondere darauf Rücksicht zu nehmen. Also rechtfertigen Sie mein Vertrauen. Ich hasse die wilde Spcculation, die mit unlautern Mitteln kämpft. Sie sind ein braver Man», ich verlasse mich auf Sie." Johannes vergaß jede Verbeugung und blickte starr dem Grafen nach, welcher sich zur Gesellschaft zurück begab. Also darum hatte er ihu geholt, der schlaue Fuchs — darum diese Komödie mit der Bauerntracht! Er, die Seele des Geschäfts, die Stütze seines Standes! Ter verlotterte Johannes, der auf den Bier bänken seine Sprüche machte, der, ohne daß man ihn darum fragte, das falsche Spiel mitmachen mußte, den braven Mann zum besten halten. Schon wollte er dem Grafen Nacheilen, ihm alles gestehen, da kam ihm plötzlich ein anderer Gedanke. Wenn er diese Lüge zur Wahrheit machte, wenn er wirklich das würde, für was ihn der Graf hielt, der Helfer seiner Landsleute! Wenn er diesem Polentz besser auf die Finger sähe, sich mit aller Kraft jedem Unrecht widersetzte, all die zweideutigen Geschäfte ver hinderte, von denen er schon erfahren — wäre das nicht besser, nicht nützlicher? „Sie sind ein braver Mann, ich verlasse mich auf Sic," hatte der Graf gesagt. Sein Entschluß war rasch gefaßt. Er fühlte etwas von der alten Kraft zurückkehren. Es war ihm, als ob er plötzlich auf seinem Grund und Boden stände, von dem es wundersam aufstieg durch sein ganzes Wesen. Gras Waradin wartete nicht einmal das Mahl ab, er werde bereits anderwärts erwartet und müsse leider fort. „Ihr Vater ist ein trefflicher Mann. Ich habe mich gefreut, ihn kennen zu lernen. Nehmen Sie sich nur ein Beispiel daran," sagte er zu Matthias, welcher ihn mit Polentz die Treppe hinab begleitete. Tann zu letzterem: „Folgen Sie nur seinen Rathschlägen. Er hat sehr gesunde Anschauungen." Diese Worte genügten für Polentz. Die Sache war gewonnen. Der Graf war richtig auf den Leim ge gangen. Es erfaßte ihn die wilde Hast eines Raubthieres, wenn es die sichere Beute wittert, zugleich aber etwas wie Dankesgefühl gegen Johannes. Er eilte auf ihn zu und drückte ihm die Hand. „Brav haben Sie Ihre Sache gemacht. Famos! Der Graf schwört auf Sie. Aber jetzt kommen Sie mir nicht mehr aus dem Hause, die Seele des Ge schäfts müssen Sie werden." Johannes, der schon eine zornige Erwiderung auf den Lippen hatte über das freche Spiel, das man mit ihm getrieben, sah sich entwaffnet. Seine Sinne ver wirrten sich. Nie wird er diesen Mann verstehen, der sich unter seinen Händen in alles Erdenkliche verwandelt. „Jawohl, schauen Sie nur so erstaunt. Tie Seele des Geschäftes! Sie müssen es machen von nun an, Generalagent von Polentz <L Altinger! Sollen sich auch nicht schlecht dabei stehen, der Polentz ist kein Knauser. Aber jetzt kommen Sie! Die Freude hat mir Hunger gemacht. Die ganze Bande da draußen stecken wir ein, wenn wir zusammenhalten. Alles in Ehren, Johannes, alles in Ehren! Kennen mich ja am besten." Johannes wirbelte der Kopf. Er fühlte, daß dieser Mann an seiner Seite ganz anders dachte, als er sprach, daß er ein falsches Spiel mit ihm spielte; aber er fühlte sich schwach wie ein Kind ihm gegenüber, willenlos mit fortgerissen. Die Gesellschaft, die bereits bei Tische saß, empfing die beiden mit lautem Zurufe. Das Gebühren des Ministers hatte allgemeines Aufsehen erregt. Großes bereitete sich offenbar mit den beiden Männern vor, welche die Sonne seiner Gnade beschien. Polentz wurde als alles Erdenkliche gefeiert, als Hort der Kirche, als Unternehmergenie, als Vater der Arbeiter, als „Mann seiner Zeit". Tas war der Knalleffect, der sich nicht mehr überbieten ließ. Und auch Johannes, erhitzt vom Weine, von dem ungewohnten Lärme, dem Lobe des Ministers, das in ihm nachgärte, stieß mit an auf den „Mann der Zeit", derselben Zeit, der er einst so stolz die Fehde ange kündigt hatte. Nachdem diese Komödie zu Ende war, lüfteten sich rasch die Masken unter dem Einflüsse des Champagners. Frau Polentz verlor ihre ganze Grandezza und wurde wieder möglichst lärmend. Herr Fritz und Genossen rückten den Damen gegenüber mit ihrer gewohnten Sprache heraus, während man in einer andern Ecke unter dem Vorsitze des Herrn Polentz eine förmliche Börse abhielt, Bündnisse abschloß, sich unter dem Scheine der Freundschaft hinter die Karten zu blicken suchte. (Fortsetzung folgt.)