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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr. Her Abonnementspreis beträgt vierteljähr- »ch 1 Mt. 50 Pf. Einzelne Nrn. 5 Pf. An'erate pro Zeile 10 Pf., für auswärts 15 Pf. »«bellarischer Satz wird doppelt berechnet. und Val-enburzer Ameiger. Filialen: in Altstadtwaidenburg bei Hei« Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in LargenchurSdock bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herm Wilhelm Dahler, Cigarrenfabrikant an der Brücke; in Rochsburg bei Herrn Paul Zeht; in Wolkenbnrg bei Herrn Herm. Wildenhain; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für den ^tadtrath zu Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: ÄLrstaot-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- leuba-Niederhain, LangenleubEberhain, Niederwiera, s berwiera, t berwinkel, Llelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Kernsprechrr Nr. ». Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 297. Sonnabend, den 21. Tecember 1901. Witternngsbericht, ausgenommen am 20. Tecember, nachm. 4 Uhr. Borometerftand 750 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. ThermometerftanL -s- 2° 0. (Morgens 8 Uhr — 3« 0.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 85"/n. Thaupunkt — 4,;" 0. Windrichtung: Nordost. Niederschlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis 12 Uhr mittags: 0,0 mm. Daher WilterungsanSsichleu für den 21. Tecember: Trübe mit Neigung zu Niederschlägen. ^Waldenburg, 20. Tecember 190l. Nachdem die Zolltarif-Vorlage einer Commission über wiesen ist, kommt es darauf an, wie diese und dann das Plenum die Sache anfassen wird. Tie Frage lautet: Entscheiden oder verschleppen? Daß die Gegner der geplanten Aenderung des Zolltarifs das letztere wollen, ist von den Abgeordneten Bebel und Singer offen zu gegeben worden. Wer die Tinge anders als durch die Brille der Frei händler betrachtet, dem wird sich das Wort Wallensteins ausdrängcn: „Wär' der Gedank' nicht so verwünscht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen!" Tenn welchen Vortheil würden die Gegner von der Verschleppung haben? Sie möchten am lieb sten, daß alles beim alten bliebe. Tas können sie aber nicht erreichen, denn die Regierung hat wiederholt feier lich erklärt, daß sie vor dem Abschluß neuer Handels- Verträge eine Umgestaltung unsers Zolltarifs von Grund aus für erforderlich halte. Kommt diese Aenderung nicht zu Stande, so ist die Regierung nicht in der Lage, über neue Verträge zu verhandeln. Nun kann sie frei lich die alten Verträge über die ursprünglich vorgesehene Tauer hinaus weiter laufen lasse»; denn niemand kann sie zwingen, sie zu kündigen. Aber „langfristige Handels verträge", ohne die, wie man täglich und stündlich ver sichert, Handel und Industrie nicht bestehen können, Würden alsdann nicht mehr vorhanden sein, sondern es bestände vom 1. Januar 1903 an jeden Tag nur noch die Garantie einer einjährigen Tauer des Vertrags- Zustandes. Außerdem aber ist es nicht unwahrschein lich, daß die bestehenden Verträge, wenn nicht von Deutschland, so von anderen Vertragsstaaten für den 31. Tecember 1903 gekündigt werden. Alsdann würde, Wenn mangels eines revidirten Tarifs Deutschland zum Abschluß neuer Verträge nicht gekommen wäre, vom 1. Januar 1904 an unser alter autonomer Tarif all gemein in Kraft treten, was den Schutzzöllnern zu ziem licher Befriedigung, den Freihändlern zu großem Leid wesen gereichen würde. Nutzen haben also die Freihändler von der Obstruc- tion nicht. Was aber setzen sie aufs Spiel? Im Grunde die parlamentarischen Einrichtungen, die Ver fassung, den Frieden des Volkes. Worin liegt denn der Kern des parlamentarischen Lebens? Toch wohl in dem rein demokratischen Grundsätze der Zahlen-Mehr- heil, der Ucberlegenheit der Majorität über die Minorität. And sollte nicht gerade die Demokratie die eifrigste Hüterin des Mehrheits-Gedankens sein? Was aber bedeutet Obstruktion? Tie Preisgabe dieses Gedankens, die Vergewaltigung der Mehrheit durch eine rücksichts lose Minderheit. Wenn zu jeder Tarifpofition ellen lange Reden gehalten und ein Dutzend Aenderungs- Anträge eingebracht werden, die wieder gesonderte De batten verlangen, und wenn diese Praxis in der Com mission und im Plenum durchgeführt wird, wenn dann weiter immer wieder die Beschlußfähigkeit des Reichs tages bezweifelt wird, wenn man über jeden Schluß antrag eine namentliche Abstimmung veranstaltet und 'n Schaaren das Haus verläßt, um einen giltigen Be schluß unmöglich zu machen, dann kann man es aller dings erreichen, daß die Verabschiedung des Gesetzes weit hinaus geschoben wird, dann hat man aber auch dem Parlamentarismus das Genick gebrochen. Ein positives Ergebniß muß erzielt werden, und ver sagt die Maschine, so wird auf ihre Mitwirkung ver richtet. Oder der Reichstag selbst schafft sich, um das äußerste zu vermeiden, unter Sturm und Drang eine Geschäfts-Ordnung, die künftig der Minderheit schwer auf den Nerven liegen könnte. So kann für den deut schen Reichstag die Berathung über den Tarif und die Verträge zu einem Prüfstein für seine Daseins-Berech tigung werden. Allerdings werden auch die Mehrheits- Parteien nicht vergessen dürfen, daß ihnen die Lage Pflichten auferlegt. Auf das bequeme „Schwänzen" muß man für einige Zeit verzichten; es muß stets eine Mehrheit am Platze sein. Vor allem ist es unerläß lich, daß sich die Mehrheit einigt, damit sie der frei händlerischen Opposition mit festen Beschlüssen entgegen treten kann. Tie Voraussetzung ist naturgemäß der Verzicht auf extreme Forderungen, für die — nach den Ergebnissen der ersten Lösung — eine Mehrheit nicht zu gewinnen ist, und die Verständigung auf einer mitt leren Linie, auf der sich die Interessen der verschiedenen großen Zweige des heimischen Erwerbslebens vereinigen lassen. Wenn die Mehrheit entschlossen und geschickt handelt, dann wird sie die Obstructions-Gelüste unter drücken. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Donnerstag Vormittag hörte der Kaiser militärische Vorträge, worauf beide Majestäten die renovirte Kaiser Wilhelm-Gcdächtnißkirche besuchten. Zum Frühstück war die Abordnung des russischen Dragonerregiments des Kaisers geladen. Ueber den Künstlerabend beim Kaiser wird noch berichtet: Nach dem Empfang wurde ein Relief von Menzel, die Madonna mit dem Kind, das der Kaiser dem Künstler in Auftrag gegeben, gezeigt. Als Material ist Thon von der kaiserlichen Gutsherrschaft Kadinen verwendet. Nachdem die Majestäten etwa eine halbe Stunde mit den Gästen geplaudert, begab man sich zur Tafel, bei welcher der Kaiser das Wort zu seiner frei gehaltenen, längeren Ansprache nahm. Die Rede wurde mit großer Begeisterung ausgenommen. Nach dem Kaffee verabschiedete sich die Kaiserin, und der Kaiser führte die Herren nach den Heinrichs-Hallen, wo man an kleinen Tischen bei Bier, Punsch und Cigarren plauderte. Bald war von gelehrten Fragen die Rede, bald von Kunst und Technik. Dann wieder sprach man über den Thiergarten und die wilden Kaninchen. Dabei wurde erzählt, daß die Thiere sogar schon auf den Marmorwerken der Siegesallee herumspringen, und daß es Zeit sei, gegen die Plage etwas zu thun. Ein Bildhauer meinte nun, sein Schwiegervater habe eine ganz besondere Art, Karnickel zu fangen. Aha, rief ein College dazwischen, so hat er gewiß auch Sie gefangen! Natürlich erhob sich schallendes Gelächter, in das auch der Kaiser herzlich einstimmte. Kaiser Wilhelm II. ist wohl der eifrigste För- derer der Kunst, aber er will nichts wissen von der modernen Richtung in derselben. Gegen diese richtete sich denn auch seine Rede, die er Mittwoch Abend im Berliner kgl. Schloß vor den Künstlern gehalten hat, welche die nunmehr vollendeten 32 Denkmalsgruppen in der Siegesallee geschaffen haben. Der Kaiser führte aus, für die wahre Kunst seien maßgebend die Gesetze der Schönheit, das Gefühl für Aethetik und Harmonie. Die Kunst solle erheben, nicht in den Rinnstein hinab steigen und das Elend noch scheußlicher darstellen, als es in Wirklichkeit ist. Wer das thue, der versündige sich am deutschen Volke. Tie Kunst solle erzieherisch einwirken, dem Volke die Möglichkeit geben, sich nach schwerer Arbeit an Idealen wieder aufzurichten und zu erquicken. Die sogenannte moderne Kunst sei Fabrik arbeit, sei Gewerbe, und das dürfe die Kunst nie sein. Lie wahre Kunst bedürfe auch keiner Reclame, sie spreche für sich selbst. Tie Denkmäler in der Sieges allee seien mustergiltig und von überwältigendem Ein druck aus die Fremden. Hier habe die deutsche Bild- Hauerkunst gezeigt, was sie zu leisten vermöge, die ganze jWelt müsse den Hut vor ihr ziehen. Er freue sich j über das Gelingen des Werkes umsomehr, als er den ! Künstlern freie Hand gelassen, während er selbst nur ^die Anregung gegeben habe. Er habe früher garnicht ! geglaubt, daß in Berlin genug Künstler da seien, um ! ein Werk auszuführen, wie es ihm vorgeschwebt. Nun ! sei er eines Besseren belehrt. Der Monarch sprach auch seine besondere Freude darüber aus, daß das Werk an dem Tage vollendet worden sei, an dem vor 15 Jahren sein hochseliger Vater das Museum für Völker kunde eröffnet habe. Er lobte die Kunst der Alten. Wenn die heutigen Künstler nur annähernd das leisteten, was die Alten geleistet haben, so sei es schon etwas Hervorragendes. Se. Majestät schloß mit herzlichem Dank an die Künstler, besonders an den Historiographen seines Hauses, Prof. Koser, und an Prof. R. Begas, der stets geäußert habe, daß in Berlin genug Künstler lebten, die das, was ihm, dem Kaiser, vorschwebe, auch ausführen könnten. Bis um 1 Uhr nachts blieb der Monarch mit seinen Gästen in der sogenannten Bier stube zusammen. Mit diesen 32 Denkmälern, von denen jedes dem Kaiser 50,000 Mk. kostet, besitzt Berlin jetzt 96 Denkmäler und ist damit eine der denkmalsreichsten Städte der Welt. Major Ziermann vom Stabe des 11. Tragoner- regiments in Gumbinnen ist mit der gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt und unter Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des Litthauischen Ulanenregiments Nr. 12 zum Bezirksoffizier und Pferde- Vormusterungscommissar beim Landwehrbezirk Aachen ernannt worden. Major Ziermann ist derjenige Offi zier, der als Mitglied des Tivisionsgerichts in Gum binnen im Krosigk-Prozeß mit entschieden hat, wie von der Vertheidigung behauptet wird, zu Unrecht, da seine Berufung ins Kriegsgericht gegen die gesetzlichen Be stimmungen verstoßen soll. Oberleutnant Hildebrandt, der den Leutnant Blaskowitz im Duell erschoß, reichte seinen Abschied ein. Lohnherabsetzungen sind nach der „Boch. Ztg." auf den Zechen „Präsident" und „Tannenbaum" an gekündigt, auch befürchtet man Arbeiterentlaffungen. Dasselbe Blatt berichtet über Lohnkürzungen des Begleit personals der Güterzüge im Directionsbezirk Essen, eine Folge des Ausfalls der Kilometergelder. Ter Wind gegen die Socialdemokratie weht wieder einmal sehr scharf, so bemerkt der „Vorwärts" in einer Notiz, die die Confiscation seiner Wcihnachls- zeitung „Arbeitslos" behandelt. Tas Blatt erzählt darin, daß die Polizei sich nicht nur mit der Confis cation der vorgefundenen 30,000 Exemplare begnügte, sondern auch das Verlangen an den Verlag stellte, die Empfänger und Besteller der nicht beschlagnahmten Blätter zu nennen. Als die Erfüllung dieser Forderung abgelehnt wurde, belegte die Polizei sämmtliche Ge schäftsbücher mit Beschlag. Wie man's treibt, so geht es eben; und wenn dem „Vorwärts" und den ihm Verwandten Blättern gegenüber wieder eine etwas