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gut. An der dortigen Wirtschaftspolitik wird dadurch nichts geändert, wohl aber werde der Eindruck erweckt, als habe man in Deutschland Furcht vor Amerika. Ties habe lediglich zur Folge, daß die Amerikaner noch stolzer und unzugänglicher würden. Richtiger sei es, weniger Worte zu wechseln und durch Thaten die deutschen handelspolitischen Interessen zu wahren. In dieser Hinsicht könnte man bei uns von den Amerikanern noch manches lernen. Ein militärisches Vorgehen der deutschen Re gierung gegen Venezuela, um dort ihre Forderungen durchzusetzen, soll bereits vorbereitet sein. Ter Zeit punkt, den man zur Entsendung von Kriegsschiffen wählen wird, dürfte nicht mehr fern liegen, wenn Vene zuela seine Passivität gegenüber unseren Ansprüchen nicht in letzter Stunde aufgeben füllte. Wartet Venezuela noch, dann hat es außer den übrigen Kosten auch noch die für die erforderlich gewordene Flottenexpedition zu zahlen, das wäre der ganze Effekt feines Widerstandes. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika denken natürlich nicht daran, Deutschland bei der Eintreibung der venezolanischen Schuld, auch wenn diese auf dem Wege einer Flottendemonstration erfolgen müßte, irgend- wie Schwierigkeiten zu bereiten. In Venezuela selbst sind schwere Unruhen gegen den Präsidenten Castro aus gebrochen, so daß Amerika ein Kriegsschiff dorthin ent sandte. Oesterreich-Ungarn. Gewiß noch seltener, als wenn Jemand den Adel oder einen Orden ablehnt, ist folgender Fall: Wie das „Neue Wiener Journ." aus Hofkreisen erfährt, bot Kaiser Franz Joseph dem Bräutigam seiner Enkelin Erzherzogin Elisabeth, dem Prinzen Otto Windisch- grätz, die Herzogswürde an, die Letzterer jedoch ab lehnte. Tie Vermählung erfolgt am 26. oder 27. Januar. Frankreich. In Paris wurde am vergangenen Sonntag das wiederholt erwähnte Baudin-Tenkmal eingeweiht. Ta der nationalistische Stadtrath bei dieser Gelegenheit Angriffe auf die Regierung zu richten beabsichtigte, so hatte die Regierung die umfassendsten Maßregeln zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffen. Auf dem Festplatz selbst befanden sich außer dem Prä- sidenten der Republik nur etwa 200 geladene Gäste, so daß die officielle Feier ohne Störung verlief. Den Schreihälsen auf der Straße aber machte die Polizei das Pflaster bald so heiß, daß sie rechtzeitig verdufteten. Tie Akademie der Inschriften und schönen Wissen schaften wählte den deutschen Professor der Theologie D. Harnack-Berlin zum correspondirenden Mitgliede. Tas wissenschaftliche Frankreich ist schon lange nicht mehr chauvinistisch im Sinne der Teutschfeindlichkeit, während man im Uebrigen doch nur in sehr vereinzelten Ausnahmen Beweise einer unbefangenen Beurtheilung Deutschlands im französischen Volke findet. Rutzlanv. Die wegen Ruhestörung und Herabreißung des Wappenschildes vor dem deutschen Consulatsgebäude in Warschau verhafteten Studenten sind jetzt abge- urtheilt worden. Sie erhielten Arreststrafen von 2 Wochen bis zu 3 Monaten. England. England freut sich: Die Eisenbahn hat den Vic toriasee in Afrika erreicht. Daß es der Bahn an Frachten nicht fehlen wird, dafür sorgt das Hinterland von — Teutsch-Ostafrika. Wie furchtbar theuer England der südafrikanische Krieg zu stehen kommt, das erhellt u. a. auch aus der Thatsache, daß während des Verlaufs des Krieges allein von Neworleans aus für rund 54 Millionen Mark amerikanische Pferde und Maulesel nach Südafrika transportirt wurden. Baldiger Friede ist den Eng- ländern ganz sicher erwünscht, mehr noch als den Buren. Türkei. Tie Koweitfrage trug einige Tage lang ein recht ernstes Aussehen, nachdem sich außer englischen auch russische Kriegsschiffe vor dem in jüngster Zeit so viel genannten Hafen des persischen Golfes eingefunden hatten. Wenn aber Rußland droht, ist England gern still. Es hat angesichts der russischen Flotte jedenfalls auch nicht das Geringste unternommen, was die Rechte der Türkei hätte verletzen können. Da überdies zwischen der englischen und der indischen Regierung Meinungs verschiedenheiten über die Behandlung der Koweitfrage bestehen, so wird sich der englische Ministerpräsident Lord Salisbury zweifellos der größten Zurückhaltung befleißigen. Afrika. Der Burencommandant Kruitzinger wurde, wie nachträglich bekannt wird, gefangen genommen, während er tapfer versuchte, einen Kameraden zu retten, der bei einem Blockhause durch einen Schuß verwundet worden war, als sie oie Eisenbahn in der Nähe von Hannover Road Station überschreiten wollten. Kruitzinger machte drei Versuche, den Mann zu retten, und beim dritten t wurde er selbst durch einen Schuß verwundet, worauf man ihn ins Blockhaus zog. Mit heilen Knochen wäre der Treffliche auch nimmer in die Hände der Engländer! gefallen. Im Haag zweifelt man übrigens nicht daran,! daß Kruitzinger, falls er transportfähig wird, vor ein Kriegsgericht gestellt und wie ein Hochverräther zum, Tode verurtheilt werden wird. Daß dem Lord Kit chener ein derartiger Justizmord zugctraut wird, ist übrigens das furchtbarste Urtheil, das über ihn ge- sprachen werden kann. Nach einer Meldung der „Daily ! Mail" suchen die englischen Behörden thatsächlich Zeu- § gen, die bei der Aburtheilung Kruitzingers gegen diesen aussagen sollen. Demselben Blatte zufolge hat sich allerdings eine ganze Abtheilung englischer Soldaten angeboten, für den Helden vom Oranjefluß und der Kapcolonie einzutreten. Vom Kriegsschauplätze verlautet nur, daß der eng lische Oberst Allenby eine kleine Abtheilung Buren ge fangen genommen hat. Weiter liegt die wundervolle Nachricht vor, das Gerücht nehme immer festere Formen an, daß die Buren unter Dew et den Engländern eine ernste Niederlage bei Klipriver beigebracht haben. Tie Nachricht beruht also doch wohl auf That- sachen, da sie andernfalls längst amtlich dementirt wor den wäre. An die Reise des Lord Rosebery, vermuthlichen künftigen Ministerpräsidenten Englands, nach Paris, werden in dortigen diplomatischen Kreisen allerlei Ver muthungen und Hoffnungen angeknüpft. Dem Präsi denten Krüger, so meldet ein Pariser Blatt, sei von befreundeter Seite gerathen worden, in London directe Schritte zur Aufnahme von Friedensverhandlungen zu thun, da der gegenwärtige Augenblick dazu günstig wäre und einflußreiche Staatsmänner die Sache der Buren unterstützen würden. Dieser Vorschlag wurde vom Präsident Krüger und seiner Umgebung als unan nehmbar bezeichnet, da die Buren nicht als Besiegte Frieden zu erflehen hätten. Tie Buren wären aber geneigt, auf neutralem Boden in Holland von autori- sirten englischen Staatsmännern zu hören, welche Be dingungen England stellt. So könnte es wohl sein, es ist aber zweifelhaft, ob dieser Weg beschritten werden wird. Ueber das Niederbrenncn von Burenfarmen hat ein Londoner Blatt einen Bericht erhalten. Danach sind im September und Octobcr 25 Farmen muthwillig, ohne jeden Grund zerstört worden. Amerika. Wie aus Washington gemeldet wird, griff ein Mann den Präsidenten Roosevelt an und schlug ihn auf die Brust, als der Präsident mit dem britischen Bot schafter Lord Pauncefote durch die Massachusetts Avenue ging; Roosevelt erwiderte den Hieb und schlug seinen Angreifer zu Boden. Er und Pauncefote gingen dann ruhig ihres Weges. Amtliche Bestätigung dieser An gaben war bisher nicht eingetroffen, woraus zum min desten ersichtlich, daß es sich bei dem Vorgang in keiner Weise um ein ernstes Attentat, sondern wahrscheinlich nur um die Anrempclei eines Flegels oder Betrunkenen handelt. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 23. December. Lie tiefe und herr liche Idee des lieben Weihnachtsfestes, die alles um fassende Liebe Gottes, die er uns in seinem Sohne offenbaret, wiederzuspiegeln, findet in vielen Orten der Christenheit eine herzerquickende und wohlthuende Be- thätigung. Ohne unbescheiden zu sein, muß ehrlich zu gestanden werden, daß in unserem kleinen Waldenburg in der Weihnachtszeit viele Geber bereit sind, den Un bemittelten ein Scherflein zur Linderung der Noth bei zusteuern. Eine hohe Weihnachtsfreude brachte zuerst der Frauenverein, der auch diesmal 84 Arme aus der Stadt, sowie auS Altwaldenburg mit Eichlaide am 19. d. bedenken konnte. Die Feier, an welcher gegen hundert Personen theilnahmen und die im geistlichen Gebäude stattfand, begann mit dem gemeinsamen Gesänge des Liedes: „Vom Himmel hoch, da komm' ich her", an welcher sich Ansprache und Gebet des Herrn Ober pfarrers Harleß, sowie eine Begrüßung der Anwesen den durch die Vereinsvorsteherin Frau Henriette Leon hardt anschlossen. Tie Gaben, welche nach den Wünschen der zu Bedenkenden gewählt waren, bestanden aus warmen Unlerhaltungstheil. Der Bauer vom Wald. Novelle von Anton v. Perfall. 35) (Fortsetzung.) Johannes war wachsbleich. Vergebens gab er sich Mühe, wenigstens vor dem Beamten sich zu fassen. Derselbe hatte keinerlei Erwiderung auf seine Aeußerungen von Undank, Dummheit, ausgesprochenem Wahnsinn. Er zog wieder bedenklich die Falten auf der Stirne in die Höhe und klopfte mit dem Feder halter auf den Tisch. „Bin i denn der Käufer? Der Käufer is der Polentz. Sind S' so guat und mach'n Sie mi net a no zum reinsten Gurgelabschneider." Ter Notar warf einen scharfen Blick hinüber und lächelte herbe. Unterdes trat der Sohn ein. „Entschuldigens g'rad, Herr Notar! Er is ganz ausanander, der Vater —" „Haben Sie noch etwas einzuwenden, zu berichten?" fragte dieser, ohne weiter auf die Worte zu achten. „Sie, Herr Altinger?" Beide verneinten. Ter Scheiber verlas das Protokoll. Ter Bot' und Johannes unterzeichneten. Dem letzteren zitterte die Hand; er konnte kaum seinen Namenszug vollenden. Tabei war es ihm immer, als höre er von neuem das Schleifen auf dem Gange, als müsse jeden Augenblick die Thüre sich öffnen, der entsetzliche Alte wieder erscheinen. Hastig zählte er die Anzahlung von fünftausend Mark auf den Tisch. Wenn er nur erst glücklich fort wäre aus diesem entsetzlichen Hause! Dem alten Brauche nach mußte er den Verkäufer zu einem Schoppen einladen. Vergebens hoffte er, der selbe werde ihn unter diesen Umständen ausschlagen. Aber er täuschte sich; der Notar schützte Geschäfte vor und fuhr eilig davon, als wenn ihm selbst nicht mehr recht geheuer wäre in diesem Hause. Johannes waren mit der Zeit diese Trinkgelage zur Gewohnheit geworden, welche mit dieser Art Handel schaft unzertrennlich sind. Heute war es ihm wahrlich nicht darum zu thun; aber die erregten Nerven zitterten nach; so trank er hastiger, als sonst seine Art war, da bei fühlte er das Bedürfniß, sich dem jungen Manne gegenüber zu Vertheidigen, ihm seinerseits das Unrecht begreiflich zu machen, das ihm der Vater angethan, andrerseits die großen Vortheile des Verkaufes. Dieser kam bei dem schweren Rothen, den Johannes auffahren ließ, rasch über die eben empfangenen Ein drücke und das leise Gefühl von Reue hinweg, welches das Benehmen des Alten in ihm wachgerufen Hatte. Die Neugierde, das Nähere zu erfahren über den Verkauf, trieb weitere Gäste herbei. In einer Stunde waren alle Tische besetzt. Johannes hatte das Bedürfniß, den Großmüthigen zu spielen. Ein Faß Bier wurde auf seine Rechnung aufgelegt. Damit war auch der Groll vergessen, den man gegen ihn hegte, und als der Bot' endlich die un mäßige Summe nannte, die er für sein Anwesen be komme, da überwog der Neid alle anderen Regungen, und man rückte näher an den Johannes. Man klagte und lästerte über den Bauernstand, legte alle seine kleinen Leiden bloß und pries den Verkäufer glücklich, der der ganzen Plackerei nun ledig sei. Die schwach vertretene Gegenpartei kam nicht dagegen auf mit ihren Einwänden. Johannes thaten diese Reden unendlich wohl, der Fluch des Alten, der ihm jmmer noch im Ohre saß, wurde durch dieselben gleichsam aufgehoben. Wenn Dutzende ihn segneten, in ihm geradezu den Befreier sahen von schwerer Lebenslast — was lag da an einem hinfälligen Greis, dem körperliches Elend die Sinne verwirrte? Jetzt dachte er selbst nicht mehr an das Fortgehen, er schrie sich alle Sorgen hinweg — der Wein that das übrige. Es dunkelte schon in der Stube. Draußen fegte ein Sturmwind um die Strohdächer, welcher nichts weniger als zum Aufbruch einlud. Die Stimmung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Man ließ den Johannes leben, selbst seine Gegner stimmten ein. Er dankte gerührt, sprach vom verstorbenen Minister, dem Grafen Waradin, wiederholte seine Worte — „Sie sind ein braver Mann, und ich verlasse mich auf Sie" — kam dann auf schwarzen Undank, harten Be ruf, bis ihm die Stimme vor Rührung erstickte. Plötzlich riß einer von den Gästen das Fenster auf. Verworrene Rufe drangen herein. Ein rother Schein flog auf über dem Nachbarhaus. — „Feuer!" rief eine Stimme. Man überstürzte sich, warf Tisch und Bänke um, eilte in das Freie. Das ganze Dorf war lebendig. „Beim Boten brennt's!" Zerstoben die ganze Gesellschaft. Die Sturmglocken läuten, Spritzen raffeln. Vor Johannes drehte sich alles im Kreise, der Wein pochte im Gehirne. Er war allein! Und doch muß er hin! Es ist ja sein Anwesen, das brennt! Da schoß ihm ein Gedanke auf. Der Alte! Jetzt lief er die Dorfstraße hinab. Die Hellen Feuergarben zuckten schon empor über die Dächer. Ein Knäuel Menschen versperrte ihm den Weg. Er brach sich Bahn, stand vor dem brennenden Hofe. Der Sturm beugte die Flammen und fegte sie im quirlenden Rauche, in lohenden Fetzen über das Dorf. Das Vieh brüllte laut im hell erleuchteten Stalle, dessen Thür weit offen stand. Johannes sah die in der Todesangst an ihren Ketten reißenden Thiere, rauchumhüllte Männergestalten, er sah seinen treuen Schimmel sich bäumen und zerren. Er wollte hineineilen, helfen, retten. Da trat ihm aus Gluth und Rauch eine rußgeschwärzte Gestalt entgegen, die Fetzen eines Hemdes umflatterten sie. (Fortsetzung folgt.)