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den Tarif und weniger auf den materiellem Inhalt be zogen haben. Einen großen Erfolg auf den Gang der Dinge im Reichstage fcheinen sich die betr. Abgeordneten von den Unterredungen im Kanzlerpalais nicht zu ver sprechen. Nach einer anderen Miitheilung haben die Verhandlungen überhaupt zu keinen bindenden Ab machungen geführt, vielmehr haben die einzelnen Parteiführer ihren Fractionen volle Actionsfreiheit Vor behalten. Im neuen Etat der Reichspost sind die Porto- und Telegraphen-Gebühren mit 420 Millionen Mark angesetzt, gegenüber 392 Millionen Mark im Vorjahre. In den Ausgaben-Etat sind 387 Millionen eingestellt, 23 Millionen mehr als im Vorjahre. Ter Unterhalt der 40,275 Unterbeamten und 164 Postschaffner wird einen Aufwand von über 50 Millionen beanspruchen, 31/2 Millionen mehr als 1901. Eine dringende Warnung vor der Auswanderung nach England erläßt der Deutsche Christliche Verein junger Männer in London. „Niemand ahnt in Deusch- land", schreibt der Verein, „welche Schaaren von ge bildeten Leuten hier arbeitslos umhergehen, die gerne jede Handarbeit verrichten würden und die, von Hunger getrieben, betteln müssen. Häufig stehen noch 10 Uhr abends harrende Landsleute^vor unserer Thüre, die nicht einmal ein Nachtlager haben! Besonders seien Kauf leute gewarnt, die schlecht bezahlt werden und selbst bei bescheidenen Ansprüchen oft noch zusetzen müssen." Oesterreich-Ungarn. Der Rücktritt des Abgeordneten Wolf, des mann haften Führers der Deutschen im österreichischen Reichs- rath, bildet in Wien auch heute noch das vornehmliche Gesprächsthema. Namentlich wird es allgemein bedauert, Haß der Abgeordnete, der stets von andern die abso luteste Lauterkeit forderte, den Schild der eigenen Ehre so schwer befleckt hat. Denn es unterliegt nach den übereinstimmenden Meldungen doch gar keinem Zweifel mehr, daß der bisherige Abgeordnete, der selbst ver heiratet ist, sich der Gattin eines Collegen, der Tochter eines eng befreundeten Parteigenossen gegenüber schwer vergessen und für das öffentliche Leben unmöglich ge macht hat. Da der beleidigte Ehegatte die Klage wegen Ehebruchs gegen Wolf erhoben hat, so wird über die unerquickliche Angelegenheit wahrscheinlich noch mehr zu hören sein. Tie Wiener Blätter nennen den Abgeord neten Wolf den österreichischen Parnell, und sein Schick sal erinnert thatsächlich auch lebhaft an das des be rühmten Jrenführers, dessen Carriere gleichfalls durch eine Ehebruchsaffaire unterbrochen wurde. Wie in Deutschland, so ist nun auch in Oesterreich ein Gesetzentwurf gesichert, der die Aufhebung des Terminhandels in Getreide herbeiführt. Im österreichischen Kronrath sind Differenzen ausgebrochen. Tie leitenden Militärs verlangten be deutende Erhöhungen des Budgets behufs Anschaffung neuer Kanonen und Erhöhung des Rekrutencontingents. Der österreichische und der ungarische Finanzminister erklärten jedoch, wegen der mißlichen wirthschaftlichen Lage die Forderungen keineswegs bewilligen zu können. Auch die parlamentarische Situation wurde erörtert und beschlossen, falls das Parlament nicht alsbald arbeits fähig werde, die Auflösung noch vor Weihnachten vor zunehmen. Frankreich. Ein Jubiläum traurigen Angedenkens bringt der heutige 2. Tecember: 50 Jahre sind verflossen, seitdem Louis Napoleon als Präsident von Frankreich seinen Staatsstreich in Paris vollführte, der ihm den Weg zum Kaiserthron bahnte. In der Nacht zum 2. Tecember wurden eine Anzahl Parlamentarier, darunter Thiers, Generale und sonstige Gegner Napoleons verhaftet; die Nationalversammlung wurde aufgelöst, das Wahlgesetz aufgehoben, über Paris der Belagerungszustand ver hängt, und der sich erhebende Widerstand vom Militär unter Commando des Kriegsministers Saint-Arnaud niedergeschlagen. Die Verhafteten wurden deportirt. Napoleon zeigte in der kritischen Nacht gerade keinen besonderen Heldenmuth, und wesentlich der Kaltblütig keit seines Halbbruders Morny verdankte er es, daß der Streich glückte. Am 7, November 1852 wurde sodann die Wiederherstellung des Kaiserreiches beschlossen, am 30. Januar 1853 vermählte sich der Kaiser der Franzosen mit Eugenie von Montijo. 1870 brach das Luftschloß zusammen, der gestürzte Cäsar starb schon wenige Jahre später in der Verbannung in England, wo seine Wittwe noch heute lebt, während ihr einziger Sohn, Lulu, im Zulukriege unter dem Speer eines Eingeborenen verblutete, von seinen Begleitern selt samerweise im Stich gelassen. Afrika. Tie Gerüchte von einer baldigen Einstellung der Feindseligkeiten in Südafrika treten immer bestimmter auf, sie werden offensichtlich von englischer Seite zu dem Zweck in die Oeffentlichkeit gebracht, um die Buren zu bewegen, die ihnen dargebotene Hand zu ergreifen. Tie Buren sind keine Kriegs-, sondern aus gesprochene Friedensfreunde; sie werden den Tag seg nen, der die Kriegsfurie aus ihrem geliebten Vaterlande verscheucht. Aber was sie im blutigen Kampf erstritten, ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit, die müssen ihnen gewährleistet werden. Einen ehrenvollen Frieden, der diese Gewähr enthält, nehmen die Buren zu jeder Stunde an, einen schimpflichen niemals! Nachdem die Londoner Blätter unlängst genauere Angaben über die Aufstellung der zahlreichen Buren- commandos gemacht hatten, die noch immer unter den Waffen stehen, warten sie jetzt auch mit Berichten über die Vertheilung der englischen Truppenmassen in Südafrika auf. Es ist in diesen Angaben nichts Neues enthalten; auffallend ist nur die Thatsache, daß des Generals French überhaupt gar keiner Erwähnung geschieht. Sollte der General, zu dessen Ersatz General Hamilton in der vergangenen Woche im Kapland ein getroffen ist, wirklich schon sein Commando niedergelegt und die sehnsüchtigst erwartete Heimreise angetreten haben? Unmöglich wäre es nicht. Und wie lange wird Lord Kitchener noch auf dem heißen Boden des südafrikanischen Kriegsschauplatzes aushalten? Er, der Sieggewohnte und der Lorbeer-Geschmückte, kann sich in seine verzweifelte Lage absolut nicht finden; er ist nicht bloß müde, sondern wirklich krank. Und will sich Eng land die geschätzte Kraft dieses skrupellosesten aller lebenden Heerführer erhalten, dann wird es dessen Ab berufung nicht mehr allzulange hinausschieben dürfen. Zu hoffen haben die Engländer in absehbarer Zeit nichts. Terselbe Bericht, der über die Stellung der englischen Truppen Miitheilung macht, fordert nämlich auch eine schleunige Vermehrung der Blockhäuser und der Streit kräfte. Und dabei giebt der Bericht ganz offen zu, daß diese Nothwendigkeit keineswegs durch die Absicht eines demnächst zu führenden Schlages gegen die Buren ver anlaßt sei, sondern lediglich zwecks Abwehr der immer energischer werdenden Angriffe Seitens der Buren unabwendbar geworden sei. Das ist ein sehr werth- Volles Eingeständniß und macht es vollauf begreiflich, daß die Engländer zu Friedensverhandlungen mit den Buren immer geneigter werden. Tas haben jetzt Mit glieder der englischen Regierung freimüthig cingestandcn. England darf aber nicht vergessen, daß es in seiner Kurzsichtigkeit und Verblendung den Abschluß eines Friedensvertrages hochmiithig ablehnte, als es noch die Macht in den Händen hatte, den Buren wenigstens einen Theil seiner Bedingungen aufzunölhigen. Heute ist die Situation aber eine ganz andere, das wissen die Engländer und auch die Buren. Daher werden die letzteren nicht eher Frieden schließen, bis sie die Er füllung aller ihrer Forderungen durchgesetzt haben. Aus dem Muldenthale. * Waldenburg, 2. Tecember. Bei der gestern nach Beendigung des Vormittagsgottesdienstes stattgehabten Kirchenvorstands-Ergänzungswahl erschienen an der Wahlurne von den aus Waldenburg zur Wählerliste angemeldeten 44 Personen 37; aus Altwaldenburg gaben von 18 angemeldeten Wählern 16 ihre Stimmen ab. Tas Ergebniß der Wahl ist, daß in Waldenburg die Herren Königl. Musikdirector Seminaroberlehrer Reichardt mit 35, und Privatus Stadtrath a. D. Hobusch mit 33 Stimmen wiedergewählt, und Herr Fabrikant Julius Leonhardt mit 30 Stimmen neugewählt wurde, während die übrigen Stimmen sich zersplitterten. Von den aus Altwaldenburg mit Eichlaide abgegebenen 16 Stimmen fielen 15 auf Oeconom Ernst Friedrich, der somit gleichfalls wieder gewählt ist. Möge die Wirksamkeit des Kirchenvorstands auch ferner zum Heile der Ge meinde gesegnet sein! * — Beim hiesigen Stadtrath ist eingegangen Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 15. Stück vom Jahre 1901, enthaltend: Verordnung über die den Ortskrankenkassen zu gewährende Vergütung für Einziehung der Jnvalidenverficherungsbeiträge und an dere hiermit zusammenhängende Arbeiten. Bekannt machung, die Concessionirung und Zulassung der Feuer versicherungsgesellschaft „Rheinland" in Neuß betr. Ver ordnung, deu Geschäftsverkehr mit den Kaiserlich Königlich Oestereichischen und Königlich Ungarischen Ge richten betr. Verordnung, die weitere Ausführung des Reichsgesetzes über dieprivatenVersicherungsunternehmun- gen vom 12. Mai 1901 betr. * — Tie Schleichardt'sche Theatergesellschaft brachte am Sonnabend das vaterländische Charakterstück „Carl Stülpner" und gestern Abend „Hasemann's Töchter" von L'Arronge zur wohlgelungenen Darstellung. Ter letzteren Vorstellung war eine Kindervorstellung voraus gegangen, in der „Der Rattenfänger von Hameln" ge geben wurde. „Hasemanns Töchter" führen ein Stück Berliner Familienlebens vor Augen; wie in allen Stücken des Verfassers liegt auch hierin ein gemüthvoller, etwas sentimentaler Zug mit einer Abschweifung ins Rühr selige, der zum Herzen der Zuschauer spricht. Die in den modernen Lustspielen und Possen beliebten Zwei deutigkeiten hat der Verfasser glücklich vermieden. Die Costüme waren wieder ganz hervorragend. * — Gestern Sonntag Abend gegen 6 Uhr wurde hier ein bedeutender Feuerschein in südlicher Richtung wahrgenommen. * — Auf Blatt 118 des Handelsregisters für den hiesigen Gerichtsbezirk ist am 27. November die Firma Richard Hesky in Waldenburg und als ihr Inhaber der Schuhmachermeister Carl Richard Hesky hierselbst eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Schuh- waarenfabrikation und Schuhwaarenhandel. * — Zu besetzen: Eine ständige Lehrerstelle in Reichenbach bei Waldenburg. Collator: Die oberste Schulbehörde. Gehalt: 1200 Mk. vom Schul-, 30 Mk. vom Kirchendienste, 110 Mk. für Fortbildungs-, 55 Mk. für Turnunterricht, 55 Mk. für eine Ueber- stunde und bez. 110 für den Nadelunterricht an die Frau des Lehrers. Ueberdem neue Amtswohnung mit Gartengenuß und 200 Mk. Feuerungsgeld für das Schulzimmcr und die Lehrerwohnung. Gesuche mit sämmtlichen Zeugnissen bis in die neueste Zeit sind bis zum 9. Tecember 1901 bei den Königlichen Bezirks- schulinspector Schulrath Lötzsch in Glauchau einzureichen. Ziegelheim, 2. Tecember. Bei der gestern nach Schluß des Vormittagsgottesdienstes stattgefundcnen Kirchenvorstandswahl ist Herr Hausbesitzer Julius Hertzsch wieder und Herr Gutsbesitzer Louis Mahn und Herr Gutsbesitzer Bruno Winter neugewählt worden, und zwar die beiden Ersteren als Mitglieder für Ziegelheim, Letzterer als Mitglied für Uhlmannsdorf, — Heute Montag vormittags 10 Uhr beginnen die letzten diesjährigen Sitzungen des Kgl. Schwurgerichts Zwickau, in denen Herr Landgerichtspräsident Or. Wagner den Vorsitz führen wird. Zur Verhandlung ge langen u. a. folgende Straffälle: Montag, den 2. Tecember, vormittags 10 Uhr gegen den Klempner meister Karl Albert Keinert in Oberlungwitz wegen ver suchter Brandstiftung. Donnerstag, den 5. Tecember, gegen den vormaligen Schutzmann Otto Julius Albrecht in Callnberg wegen Unterschlagung im Amte, gegen den Maurer Julius Franz Haugke aus Glauchau wegen Münzverbrechens und Freitag, den 6. Tecember, gegen den Fabrikarbeiter Max Paul Lenk aus Zwickau-Pölbitz wegen Mordes. Im letzteren Falle handelt es sich be kanntlich um die Ermordung der Fabrikarbeiterin Apitzsch in Schneeberg. — In der Nacht zum Sonntag, kurz nach Mitter nacht, ereignete sich in der Tampfmühle zu Stenn ein gräßlicher Unglücksfall. Ter Müller Gustav Fanghähnel gerieth, während er mit dem Auflegen eines Riemens beschäftigt war, in das Räderwerk und wurde zer malmt. Ter Verunglückte hinterläßt eine Wittwe mit vier Kindern. — Am Tonnerstag ist ein Zwickauer Oberschaffncr, welcher den 5 Uhr 58 Minuten nachmittags abgehen den Personenzug leitete, angeblich auf Station Wieseu- bürg dadurch verunglückt, daß er mit dem rechten Ohr zwischen eine plötzlich zuschlagende Coupethür gerathen und ihm dabei das Ohr fast gänzlich durchschnitten wor den ist. Aus dem Sachseulande. — Was Bismarck dem König Albert von Sachsen war, lehrt ein Brief, den Letzterer bei seinem Regierungs antritt an den Fürsten richtete. Es heißt darin: „Bei der schwierigen Stellung, schwieriger noch als Nachfolger eines Königs, der außer der Liebe seines Volkes ein Ansehen und Einfluß genoß, weit über seine Stellung hinaus, bedarf ich der Unterstützung, wohl auch des guten Raths. An wen könnte ich mich wohl besser wenden, als an den Kanzler des Deutschen Reiches, der so oft erklärte, er gehöre allen Bundesfürsten gleich mäßig an. Mit vollem Vertrauen wende ich mich daher an Sie, wenn ich der Hilfe gebrauchen sollte, wenn ich weisen Rath bedürfe." — Aus Anlaß des Stapellaufs des Lloyddampfers „Chemnitz" richtete der Kaiser auf ein Huldigungs schreiben an den Chemnitzer Oberbürgermeister ein Telegramm mit folgenden Schlußsätzen: Es freut mich, den so nothwendigen Schutz immer mehr erstarken und ein neues Schiff als Förderer des deutschen Handels, der deutschen Industrie eintreten zu sehen. Mögen beide immer sichere Schritte vorwärts machen und deutsche Tüchtigkeit über den Erdball tragen. — Am Freitag gegen Abend wurde der Naturheil kundige T. aus Mülseu St. Jacob verhaftet und nach Amtsgericht Lichtenstein überführt. Die Verhaftung soll mit dem Vorkommnisse in Thurm, wovon wir kürzlich berichteten, in Verbindung stehen. Ob sich der Verdacht bestätigt, dürfte erst die Untersuchung ergeben. — Bei der Feldbestellung stieß man auf dem Ritter gutsfeld in Zehnten auf einen Steinkranz mit Urnen in verschiedener Größe und Form. Leider sind die Urnen stark beschädigt, auch waren die Bronzesachen darin so zerfressen vom Grünspan, daß man sich keinen Begriff über die Art der Gegenstände mehr machen kann. Es wäre gewiß wünschenswerth, wenn man im kommenden Frühjahr von berufener Seite aus an der Fundstätte dort nachgraben würde. Altenburg, 1. Tecember. Se. Königl. Hoheit Prinz Joachim Albrecht von Preußen, der jüngste Enkel Sr. Hoheit unsers Herzogs, traf heute Vormittag zum Be suche auf dem hiesigen Residenzschlosse ein und gedenkt, den Nachmittag des Montag wieder abzureisen. — Die Litterarische Vereinigung hatte gestern im Kaisersaale des „Gold. Pflug" einen Parsifal-Abend veranstaltet.