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ääMcht NolheiluU 43. Jahrgang Donnerstag, den 6. Oktober 1881 L7 Feuilleton werden bi« Moul«- Mtttwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielspaltZeileLSPf. Unter Eingesandt: »0 Pf. Wer ist schuldig? Erzählung von Friedrich Friedrich. (48. Fortsetzung.) „Loppin — Loppin ?" wiederholte der Fremde halb für sich, al« wolle er seinem Gedächtniß zu Hilfe kommen. «Der Name ist mir nicht unbekannt. E« ist mir, al« ob ich mit einem Manne diese« Namen« bereit« zusammen- getroffen wäre und doch kann ich mich nicht entsinnen wo und wann. Sind e« zwei ältere Männer?" »Nein" erwiederte der Inspektor und gab da« un gefähre Alter der beide« Brüder an. »ES sind ein paar gefährliche Menschen, welche dem Wächter besonder« viel zu schaffen machen, weil ihnen alle« zuzutrauen ist," fügte er hinzu. »Nun, au« diesen Mauern kann so leicht Niemand entkommen," bemerkte Laporte. »Die Mauern sind auffallend dick, jede« Fenster ist stark vergittert, selbst iu dm Essen find Gitter, wie fie mir ««gezeigt haben." »Haha! für einen schlauen Verbrecher ist nicht« unmöglich," warf der Inspektor ein. Die Gitter in den Essen find meine Erfindung. E« war mir ein Gefan gener durch die Esse entschlüpft; da habe ich auch auf diesem Wege ein kleine- HinderniK anbringen lassen." Sie traten in dm Gang, auf welchen die Zellen der Untersuchung«gefangenen mündeten. S« war bereit« schon Dämmerstunde. »Hier fitzt der eine Ihrer Land«leute," bemerke Der Fremde zog ein Schnupftuch au« der Lasche und ließ e« fallen wie au« Versehen. Leicht und rasch bückte er fich und hob e« wieder empor. Diese Bewe gung war so natürlich, in der Brust de« Inspektor« war so wenig Argwohn, daß er nicht bemerkte, wie der Fremde gleichzeitig eine feine Feile, eine kleine Säge und einen Zettel auf den Boden niederlegte. Der junge Mann pochte noch mit der Hand an die Mauer, um sich von der Dicke und Festigkeit derselben zu überzeugen und verließ dann, ohne einen weiteren Blick auf den Gefangenen zu werfen, die Zelle. .Hennen Sie ihn? fragte der Inspektor, al« die Lhüre wieder verschlossen war. .Nein, e« ist ein wir durchaus fremde- Gesicht, übrigen« ist dasselbe nicht uninteressant. Werden die UntersuchungSgefangenrn nicht beschäftigt?" »Nein, sie brauchen nicht zu arbeitm, da« habm sie vor den übrigen Gefangenen vorau« " . ^"traurige- Vorrecht," warf Laporte ein. .Ich halte eS für eine noch härtere Strafe, gänzlich ohne Arbeit zu sein, oder wird ihnen solche gewährt, wenn sie eS wünschen?" " .Wenn sie e« verlangen ja. S« kommt indeß selten vor. D»e meisten haben hinlänglich mit ihren Gedanken zu thun, um zu überlegen, wie fie die Berurtheilung von sich abwenden und der verdienten Strafe entschlüpfen tonnen. zünd-?^ Hellen waren schon einige Lichter ange» As fremde reichte dem Inspektor die Hand zum Abschiede und zum Danke. »Erlauben Sie mir," sprach «r, daß ich in meine» der Inspektor, auf eine Thür zeigend. .Er hat eine der festesten Zellen. Hier ist er gut aufgehoben." Der Fremde schob die in der Thür befindliche und zur Beobachtung dienende Klappe zurück und blickte in die Zelle. — „Ich kenne ihn nicht," sprach er, .ich kann ihn freilich nicht so deutlich sehen. In die Zelle selbst können wir wohl nicht treten?" „WeShalb nicht?" entgegnete der Inspektor. „Ich bin ja selbst dabei, ich muß Sie nur bitten, kein Wort mit ihm zu reden. Bei denen, welche in Untersuchungs haft sich befinden, ist dieS nicht gestattet. «Ich weiß," entgegnete der Fremde. »Bei un« herrscht derselbe Befehl. Man muß mit dem Unter suchung-gefangenen doppelt vorsichtig sein." Der Inspektor rief den Wärter herbei und ließ die Thür aufschließen. .In Frankreich sitzen die UntersuchungSgefangenrn in einem besonderen Raume," sprach der junge Mann laut, indem er mit dem Inspektor in die Zelle trat. SS war die Zelle Arthur«. Der Gefangene hatte in sich versunken auf dem hölzernen Schemel dagesrssen — bei dem Laute dieser Stimme zuckte er zusammen und seine dunklen Augen blickten rasch auf, sie begegneten denen d«S Fremden. Nur eine halbe Sekunde lang ruhten Leider Augen in einander, dann schritt der Fremde weiter in der Zelle vor, dicht an Arthur vorüber. Er trat an daS vergitterte Fenster. .Die Einrichtung ist hier ebenso wie in den übrigen Zellen," sprach er. .Genau dieselbe," entgegnet« der Inspektor. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und DreSden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman« Müller iu Dresden. Gx-ed.in Redaktion Ere-den-Renftndt kl Meißner Sasse S. Die Zeitung erscheint Dienstag, Donnerstag und Eonnobend früh. Utonuement»- Prei-r »ierteliährl. M. 1H0. Z« beziehen durch die kaiserlichen Post- ,ustalten und durch unsere Boten. -ei freier Lieferung in« Hau« erbebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. Inseraten Nunatzmeftelen; Die «rnoldische Buchhandlung. Jnvalidendauk, HaasensteinL Vogler, Rudolf Mosse, G. L Daube ch Lo. iu Dresden, Leipzig, Hamburg, Berl«, Frankfurt a/M. u. f. w. in Deutschland keine andere Steuer eingeführt werden, bevor nicht daS Labak-monopol angenommen sei, wird derart gedeutet, daß die Reichsregierung darauf ver zichtet, die in der vorigen Session abgelehnten Vor lagen über die Brau-, Wehr- und QuittungSsteuer dem bevorstehenden Reichstage in veränderter Fassung aber mals zu unterbreiten. Höchst demerkenöwerth ist der Zwiespalt, den die LabakSfrage in dem Lager der So- cialdemokraten hervorruft. Wzhr,rid in Bremen die socialdemokratisch gesinnten Cigarrenarbeiter mit ihrem ReichötagSkandidaten Frick an der Spitze wie ein Mann fich gegen taS LabakSmonopol erklärt haben, tobt in Altona und Hamburg der Kampf zwischen den social demokratischen Freunden und Gegnern deS Monopols weiter. In Altona hat eS am Freitag Abend blutige Köpfe gegeben, nachdem in der vorauSgehenden tumul- tuarischen Versammlung einzelne Redner unter lautem Beifall erklärt hatten, daß fie für die Verstaatlichung aller und jeder Arbeit seien. In Hamburg führten die focialdemvkratischen Verfechter de« LabakSmonopol« wie derholt verfängliche Reden über die Revolution »von oben", von der sie sich alles mögliche Heil erwarten. In der Lhat müssen nach dem bisherigen Verlaufe der Wahlagitation die Arbeiter wirklich zu dem gefährlichen Glauben gelangen, die Hauptaufgabe deS nächsten Reich-tageS werde sei«, ihr materielles Wohl zu för dern und ihnen daS „Patrimonium der Enterbten" zu sichern. Unfallversicherung und ArbeiterverficherungS- anstalt find ganz unbemerkt Schlagworte für die So- cialdemokraten geworden, die aus ihrer verfehmten Stellung heraus fich plötzlich von den verschiedensten Seiten umworben sahen Wenn daS ein Mittel sein soll, die Fortschrittspartei zu entwurzeln, so ist eS jeden falls ein sehr gefährliches und steht mit dem problema tischen Gewinn der Bewilligung de« LabakSmonopolS in keinem Verhältniß. Die staatSsocialistische Tendenz der neueren Wirtschaftspolitik treibt viele bürgerliche und bäuerliche Elemente erst recht der Fortschrittspartei in die Arme. Die »Parlam. Korresp." erzählt folgende lehrreiche Geschichte: Ein schleSwig-holsteinischer Landmann (Wahlkreis, Ottensen-Pinneberg) kam dieser Tage zu einem als Vorkämpfer der Partei BiSmarck bekannten Justizrath. Nach Beendigung deS Geschäftlichen inter- pellirt der Letztere seinen Besucher wegen seiner poli tischen Gesinnung. „Ja, Herr Justizrath", erwiederte der Gefragte, .wie wähl alltosam fortschrittlich, wie sind unö darüber all eenig." Der Justizrath bemüht sich nunmehr dem Landmann die Lortheile der BiS- marck'schen Wirtschaftspolitik auSeinanderzusetzen, wird aber von diesem mit den Worten unterbrochen: „Ach, gähn Se mit düsse Politik! BiSmarck will ja ook Alles verstaatlichen, gerade wie de Socialdemokraten. Erst 7» da- °i «n Pme toletzt kümmt et now z^.„th, mägt wi nich!" Di'" Nud-nw"»du»« Mgl «I- dn sch,««. - Sandmann so werden auch in andere» staatlich^ Getreidehandel- hören und vernehmen, daß immer wieder neue Dinge auf den Staat oder dre Gemeinde übertragen werden ^0- «Vts Topf zu speisen, bäucht ihnen eben nicht konservativ. ^Ueber die Bedeutung der Manne hat sich Graf Moltke bei seiner Anwesenheit m Kwl tm dortrgm OfficlerSkasino in einer Rede geäußert, deren Grundge danken nach den Mi,.Heilungen der ^Kwler Zeitung ungefähr die folgenden waren: »Der Schutz der landes herrlichen Grenzen nach außen sei der gemeinsame Zweck der beiden Hauptfaktoren de« Verthe,digungSw.s.nS, der Armee und der Marine, wenn auch bei oberfläch licher Beobachtung die Aufgaben «erd» sehr verschie den erscheinen. Im Frieden müsse d.e Grundlage künf- tiger Sieg, gelegt werden. DaS Personal deS Heere- habe in normalen Zeiten, im Fneden, seinen festen Standort auf dem vaterländischen Boden, und nur dann und wann sei eS den Angehörigen desselben vergönnt, auf kurze Zeit in die Fremde zu ziehen. Der Marine liege eS umgekehrt gerade während de« Frieden« ob, die Ehre de« Vaterlandes an allen Orten der weiten Welt zu wahren, den dort wohnenden Landsleuten Schutz zu gewähren und dem deutschen Namen Ächtung zu ver schaffen Im Kriege müsse da« Heer den glücklichen AuSgang außerhalb der Grenzen de« Vaterlande- sicherstrllen, während die Marine gerade dann ihre Hauptrolle an den heimischen Küsten zu spielen habe. Unsere Kriegsschiffe könnten aber nur dann unsere Küsten erfolgreich schützen, wenn ihnen diese wiederum sichere Zufluchtstätten böten, die sie, wie der Vogel sein Nest, nach ihrem Fluge über ferne Meere wieder aufsuchen könnten. Geschützt vor Frevlerhand müßten auch die Nester für unsere Srevögrl, die Schiffe ter kaiserlichen Marine, sein. Gerade hierbei käme aber eine enge Ver bindung zwischen Heer und Marine zum Vorschein. Deshalb eben seien die anwesenden Mitglieder de- großen GeneralstabeS hier in Kiel, um sich an dem Ausbau diese- schönen, herrlichen MarinenesteS mit zu betheiliaen. Die Liebe und Treue zu Kaiser und Reich sei Heer und Marine gemeinsam, die Arbeit beider verfolge den selben Zweck und könne ihn nur dann erreichen, wenn sie in brüderlicher Arbeit und Gesinnung zusammen, stünden und einander gegenseitig ergänzten. So sei es und so werde «S hoffentlich, wie e« da- Wohl und Wehe l de« Vaterlandes gebiete, auch immer bleiben." Politische Weltschau. Deutsche- Reich. Ein allzugute« Gedächtniß kann mitunter recht unangenehme Wirkungen Hervor rufen. Ein hochangesehener fünf und siebenzigjähriger Greis, der früher ,n der nationalliberalen Partei eine leitende Stelle einnahm, Präsident v. Unruh, hat kürz lich Erinnerungen auS seinem parlamentarischen Leben veröffentlicht, deren Bekanntwerden gerade jetzt mitten in der Wahlbewegung in den preußischen RegierungS- kreisen bedeutenden Mißmuth erregen mußte. Anfäng lich wurde behauptet, daß die „Natlonal-Ztg." Bruch stücke auS diesen Erinnerungen wider den Willen deS Autorö verbreitet habe, dann aber sprach sich da« frei willige Organ deö Reichskanzlers, die „Nordd. Allg. Ztg.", so bitter über die Indiskretion deS Herrn von Um uh auS, daß dieser gegen den Redakteur dieses Blatteö eine Jnjurienklage angestrengt und der „Deut schen Revue" nun weitere Aufzeichnungen übergeben hat. Dieselben schildern die frühere jahrelange Intimität deö Fürsten BiSmarck mit den damaligen Führern der nationalliberalen Fraktion, v. Bennigsen, v. Forkenbeck und v. Unruh und seine ablehnende Stellung den Kon servativen gegenüber in so eingehender und drastischer Weise, daß diese Erinnerungen den seitdem mit den Libe ralen zerfallenen Reichskanzler peinlich berühren müssen, um so mehr, als die neuesten Freundlichkeiten gegen Herrn v. Bennigsen, die wahrscheinliche Vertagung deS UnfallverficherungSgesetzeS und der schleppende Gang der Verhandlungen mit dem Vatikan auch die Konser vativen mißtrauisch zu machen beginnen. „Traurig ge nug", schreibt deshalb die „Nordd. Allgem. Zeitung", „daß eS in Deutschland nach unserer Geschichte von 1860—1881 überhaupt nothwendig ist, solche Angriffe gegen den Kanzler abzuwehren, doppelt traurig, wenn die Abwehr sich gegen Personen richten muß, welche nach ihrem Aller, ihrer gesellschaftlichen Stellung und dem Vertrauen, dessen sie gewürdigt waren, über dem Niveau der gewöhnlichen FraktionShelden stehen sollten. ES war dies nun aber nothwendig und Herr v. Unruh kündigt unS einen Prozeß an, der ihm Gcnugthuung da für bieten soll, daß wir den Kanzler von ihm nicht verdächtigen und erniedrigen lassen wollten. Die oberste Instanz in diesem Falle ist die Geschichte, auf deren Urtheil wir getrost bauen können-, der Proceß selbst aber wird wohl Gelegenheit geben, Herrn v. Unruh'- Beiträge zur Geschichte unserer Zeit schärfer und ver nichtender, als dieS in dem beißendsten Zeitungsartikel geschehen könnte, in ihrem wirklichen Werthe zu konsta- tiren, und deshalb können wir Herrn v. Unruh'« Ent schluß nur freudig willkommen heißen." Die Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg.", eö dürfe