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«. R-daktto, ' V.Vttßner»qgrS. echhehtt «ad, E„«ton» früh. «touseventü- --"Ä« Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaftm Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, v/fAn LiArung für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentümter Dresden, UUh!Ä»V^ Tharandt und Moritzburg. HM von 2b Pfg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman« Müller in Dresden. Inserate werden dis Montag, Mittwoch ». Freitag Mittag angeno««« und tosten: dieispalt. Zeile 1L Pf. Unter Eingesandt: 30 Pf. . Inseraten- Annahmeftelenr Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, HaasenfteinL Vogler, Rudolf Moste, G L Daube « Co. in Dresden, Leipzigs Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Wr. 7ü. Sonnaöend, den 18. Juni 1881. 43. Jahrgang. Der Reichstag trat am Mittwoch in die dritte Beralhung deS Unfallversicherungsgesetzes ein, wobei zunächst der Abg. Langwerth v. Simmern die Landesversicherungen zu Gunsten der Zulassung der Privatgesellschaften bekämpfte. Abg. Lasker gab eine Uebersicht deS historischen Verlaufs der bisherigen Ver handlungen über daS mit großem Geschrei und unge nügender Vorbereitung vorgelegte Gesetz. Dasselbe sei dem persönlichen Regimente deS Mannes er.tsprungen, der an der Spitze der Regierung stehe, dessen persönliche ! Ungeduld mit dem Alter wachse und der wohl mit dem ! ihm eigenthümlichen Scharfblick die allgemeinen Grund- sätze erkenne, dem jedoch die Achtung für die kleine Arbeit fehle, welche ein solches Gesetz nothwendig erfordere. Die Art aber, wie dies Gesetz im Hause behandelt werde, zeige, daß man Lie wirlhschaftlrchen Angelegen heiten, die Leiden deS Volkes in die politische Agitation hineinziehe und zu politischen Zwecken gebraucht. Da der geplante Kompromiß gescheitert sei, verhandle man nur theoretisch. Abg. v. Kardorff hat sich zwar bei > der zweiten Lesung für die Landesanstalten ausgesprochen, um die Vorlage zur Durchberathung zu bringen, erklärte > aber, wenn die Arbeitgeber die ganze Prämie allein zahlen § sollten, wäre den meisten seiner Freunde der Kompromiß unannehmbar. Die darüber mit dem Abg. Stumm entstandene Differrnz sei aber unbedeutend und alle von mehreren Blättern gern abgedruckten Nachrichten über den ! Zerfall der Reichspartei müsse er als „erstunken und ! erlogen" bezeichnen. Man möge sich entweder kür die ! Reichsanstalt ober für die Beschlüsse der zweiten Lesung entscheiden. Abg. Freund erwartet für daS Gesetz keinen Dank von den Socialdemokraten, aber man gebe, ! wenn man die Privatversicherungsanstalten auSschluße, dcm Gesetze einen staatssocialistrschen Charakter; man inaugurire damit eine Umgestaltung der ganzen Er- werbsverhältmsse. Einen solchen Sprung ins Dunkle würden er und seine Freunde nicht mit machen. Abg. v. Helldorff verlheidigte die Anträge, welche von konservativer Seite als Kompromiß vorgeschlagen waren. Der socialdemokratische Abg. Hartmann bezeichnete es als eine Pflicht des Staates, für die Arbeiter zu sorgen, aber gerade bei diesem humanen Bestreben müsse Deutsch land seine nationale Einheit beweisen, nicht nur in der Kaserne und bei der Strafgesetzgebung. Deshalb ver werfe seine Fraktion die Landesanstalten und wolle ein Rrichsinstitur und die Tragung der Prämienlast allein durch die Unternehmer. Staatssekretär v. Bötticher verlheidigte den Kanzler gegen den Vorwurf LaskerS, seine Pläne allzu geräuschvoll verkündet zu haben und erklärte, daß noch keine deutsche Regierung der Reichs- regierung Eröffnungen über die Vorzüge rinzelstaat- licher Anstalten gemacht habe. Die Reichsregierung halte die Errichtung eine- ReichSinstitutS für daS Zweck mäßigste, doch werde sie die Vorlage nicht fallen lassen, wenn der Reichstag den einzelstaatlichen Anstalten dm Vorzug gebe. Bezüglich der Aufbringung der Prämien habe der Reichskanzler nicht den Staatszuschuß al- unbedingt nothwendig hingrstellt, sondern er habe nur jede Belastung des Arbeiters vermeidm wollen und da es nicht möglich schien, der Industrie allein die Last aufzuerlegen, habe er einen Theil derselben auf die bretteren Schultern deS Staates übernehmen wollen. Wenn jetzt beantragt werde, die Prämien den Unter nehmern allein aufzuerlegen, so sei daS eine entschiedene Verbesserung gegenüber den Beschlüssen zweiter Lesung. Bei der Specialberathung wurde zuerst der fortschritt liche Antrag: auch daS Baugewerbe, die Land- und Forstarbeiter, sowie die TranSport-Unternebmungen unter daS Gesetz zu stellen, abgelehnt. Dann fiel der Antrag des Abg. Buhl, statt der Landesanstalten die ReichS- versicherungsanstalt wiederherzustellen. In der Abend- sitzunz wurden mit Ablehnung aller Abänderungsvor schläge sämmtliche Paragraphen deS Gesetzes nach dm Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. Die Schlußabstimmung war eine namentliche, von 253 Mit gliedern stimmten 145 für, 108 gegen die Vorlage. Die Liberalen und die Sccialdemokraten stimmten geschlossen gegen, das Centrum einheitlich für das Gesetz, die Deutsch- Konservativen und die deutsche Reichspartei zersplitterten sich Nach Anrahme einiger Resolutionen zählte der Präsident die allerdings ziemlich negativen Ergebnisse der letzten Session zusammen, Abg. Lindthorst sprach Lem Präsidium den Dank deS Hauses auS und dann verlas Staatssekretär v. Bötticher die kaiserliche Voll macht, die ihn zur Schließung der Session ermächtigte, wobei er jede Schlußbemerkung unterließ. Noch ein Hoch auf den Kaiser und der Rest — war Schweigen. Den städtischen Behörden der Reichshauplstadt ist neuerdings die genaueste Beobachtung der Vorschriften über die Civilversorgung und Anstellung von Militär personen bei der Besetzung städtischer Bureau- und Unterbeamtenstellen zur Pflicht gemacht worden. Die Berliner Pastoralkonferenz, welche alljährlich um diese Zeit zusammenzulreten pflegt, versammelte sich am Mittwoch im Saale des evangelischen Vereins- ! Hauses. Die Einleitungsrede deS Vorsitzenden, des Konsistorialrath Stahn, war im Wesentlichen ein Protest ! gegen den Protestantenverein, der seine „negirende" Haltung zur Norm einer religionslosen Religion zu machen suche. Nebenbei sprach der Redner den Wunsch nach einer baldigen Beendigung deS Kulturkampfes auS. Die Verhandlungen erstreckten sich auf die theologischen Fakultäten als Pflanzstätten der Ausbildung der künf- i tigen Geistlichen, auf die Mängel der gegenwärtigen Politische Wellschau. . Deutsches Reich. An ein fröhliches Ende knüpft Jeder gern einen fröhlichen Anfang an, aber an den am Mittwoch in durchaus trüber Stimmung auseinander gegangenen Reichstag schließt sich in ebenso niedergedrückter Verfassung der Beginn der Wahl- bewegung für die künftige Volksvertretung deS deutschen Reiches. ES ist die Rede davon, schon im Juli die neuen Wahlen stattfinden zu lassen. WaS die jetzt zu Ende gegangene Legislaturperiode betrifft, so erklärt sich die halbamtliche preußische „Provinzial-Korresp." mit ihren Ergebnissen so weit zufrieden, als dieselben dazu dienen, der wirthschastlichen Reform in wesent lichen Punkten die Wege zu ebnen, wenn auch daö Ziel bei Weitem nicht erreicht wurde. ES sei doch unter Führung der Regierung ein erster Anlauf ge nommen worden, um Fehler und Mängel der Ver gangenheit, die an dem innern Mark des Volkslebens zehnen, zu beseitigen und den Grund zu einer gefunden Entwickelung des wirthschastlichen Lebens zu legen, aber der Reichstag hat nicht die Entschlossenheit gehabt, die richtigen Folgerungen seiner eigenen Thaten zu ziehen, weShalb eö bei einigen schwachen Anfängen geblieben sei. „Wir meinen", sagt das Regierungsorgan, „daß die Beralhungen und ihre Ergebnisse keineswegs so werth- los fe rn, wie man, gestützt auf gewisse Aeußerungen natürlichen Unmuths, im Partei Interesse vorgiebt und daß die darauf verwandte Mühe in keinem Falle als verloren zu betrachten ist. Die jetzt noch nicht erreichten Ziele bleibcn bestehen und wirken als eine Mahnung für dre kommende Zeit! So wenig dieser Reichstag sich bereit zeigte, die Pläne des Reichskanzlers voll und ganz zu fördern und so sehr er der Verwirklichung derselben Schwierigkeiten entgegengesetzt hat, so muß doch sein Wirken als ein Urdergang gelten von der Zeit der Gleichgiltigkeit für wirthschaftliche Interessen zu einer neuen Zeit, wo diese das Vrrständniß aller für das Wohl des Reichs, denkender und sorgender Männer im vollen Umfange finden werden." Zugleich bemüht sich die „Prov.-Korr." den bckanntrn Erlaß des Herrn v. Puttkammer gegen den Vorwurf der Wahl agitation zu vertheidigen, da der Kultusminister ledig lich dabei daS Interesse deS Schulwesens, wie der Ge meinden und der Lehrer im Auge gehabt habe. Un zweifelhaft hänge aber auch für das Gedeihen des Schul wesens viel von der Entwickelung der Wirthschaftspolttik ab. Die von der Regierung beabsichtigte Reform habe eben das Gelammtwohl des Volkes und besonders die leichtere Aufbringung und zum Theil die Abnahme der Gemeindelasten im Auge. Hoffentlich werde auch daS Schulwesen an den Wohlthaten derselben betheiligt sein. Feuilleton. Wer ist schuldig? Erzählung von Friedrich Friedrich. lt. Fortsetzung.) Er schritt in seinem Zimmer langsam auf und ab, die Hände auf den Rücken gelegt. ES lag in seinem Gange, in seiner ganzen Haltung etwas Müdes und Mattes. Wer ihn vor wenigen Jahren zuletzt gesehen hatte, vermochte ihn kaum wieder zu erkennen. Sein Haar war völlig ergraut, sein Auge war trübe, gleichsam umschleiert. HeitereS Lachen ertönte auS dem Garten. Er trat an das Fenster. Ein schwaches, fast wehmüthigeS Lächeln glitt über sein Gesicht hin, alS er Toni erblickte, welche sich mit einem jungen Manne scherzend unterhielt. Tonis jugendliches Herz halte den Schmerz um die Mutter und den Bruder längst überwunden. ES ist ja ein glückliches Vorrecht der Jugend, daß sie leichter vergißt. Sie gleicht einem jungen Baume, welchem der Sturm einen Zweig entrissen. In kurzer Zeit ist die Wunde geheilt und mit neuer Rinde überzogen, während ein alter Stamm solche Wunde nur schwer überwindet; sie frißt sich tiefer und tiefer, bis sie den Kern ergreift und der nächste Sturm den ganzen Stamm über den Haufen wirft. Loni war eine frische, reizende Erscheinung, leicht in jeder ihrer Bewegungen. Um ibren Mund zuckte oft «in schelmisches Lächeln, während ihre großen, blauen Augen treu und offen blickten. Ihr Gesicht war fein geschnitten und glich dem ihrer Mutter; wie bei dieser, lag auch auf ihrem Gesichte, wenn sie still dasaß, ein wehmüthiger Hauch, ein Zug des tiefsten GemütheS, obschon sie noch die volle Heiterkeit der Jugend besaß. Ihr Vater hatte nichts in ihrer AusbUdung ver säumt, durch die tüchtigsten Lehrer ließ er sie unter richten, trotzdem hatte sie sich die größte Einfach heit bewahrt, wie es bei dem täglichen Verkehr mit ihrem Vater, an dem sie mit der größten Liebe hing kaum anders möglich war. Der junge Mann, mit dem sie sprach, war ihr Vetter und einige Jahre älter als sie. Er war mittel groß und fast zierlich gebaut und jede seiner Beweg- ungen verrieth Gewandtheit und Kraft. In seinem Ge sichte lag so viel Schalkheit, wenn er lachte, daß diesem Lachen Niemand wiederstehen konnte; es übte eine ansteckende Wirkung auS. Niemand, der diesen jungen Mann, Heinrich Wallis war sein Name, zum ersten Male sah, würde seinen Beruf errathen haben, da seine ganze augenblickliche Erscheinung demselben zu widersprechen schien. Er war Polizeikommiffar und besaß für diese Stellung ganz außerordentliche Befähigung, da er sowohl einen scharfen Verstand wie einen schnell durchdringenden Blick hatte. Nur seinen Fähigkeiten verdankte er die für sein Alter hohe Stellung. Wenn er freilich als Polizeikommiffar thätig war, erschien sein Gesicht nicht mehr unbefangen, sorglos und heiter, sondern nahm dann einen ernsten und strengen Charakter an und seine geschlossenen Lippen verriethen, daß er sich von einem einmal gefaßten Entschlusse durch nicht- abbringen lasse. Wallis war der treueste Freund von Toni s Bruder gewesen und auch mit ihm, als ein in Urban's Hause stets willkommener Gast, gleichsam aufgewachsen. Er hatte die Rechtswissenschaft studirt und sich sodann dem Staatsdienste gewidmet; als Assessor war er auf dem Po- lizeiburrau angestellt und dort hatte sich seine außer ordentliche Befähigung zum Polizeikommiffar bald hervorgrdrängk. Urban hatte freilich nie begreifen können, wie eS möglich sei, daß Wallis sich seinem Berufe mit voller Nei gung widme und hatte dieS offen gegen ihn ausgesprochen, da er ihm sehr zugethan war und die Treue und Recht schaffenheit seines Charakters kannte. „Weshalb soll ich nicht mit wirklicher Befriedigung meinem Berufe mich hingeben ?" hatte ihm WalliS lachend erwiedert. „Sieh, Onkel, alS ich noch ein Knabe war und von dem Leden wenig verstand, fühlte ich nur für dreierlei Berufe eine wirkliche Neigung. Ich wollte entweder ein kühner Jäger werden, vor dessen Büchse kein Wild sicher wäre, oder ein tüchtiger Polizeibeamter, der den Verbrechern auf ihren geheimsten Pfaden folgt, oder ein großer Spitzbube, der von den Schätzen der Reichen lebte und sich allen Nachforschungen in schlauer Weise entzöge. AlS ich größer wurde und damit auch etwas verständiger, sah ich ein, daß meine Träume al- großer Spitzbube sich mit meinen Begriffen von Ehrlich keit Loch nicht recht vertrugen und daß dieser Beruf im Ganzen doch auch ein ziemlich unsicherer fei; ich ließ diese Neigung deshalb schwinden. Auch meine Lust, ein Jäger zu werden verlor sich, denn daS Wild ist ziem lich selten geworden und ich fand auch, daß wenig Muth dazu gehöre, einen armen Hasen oder ein wehrlose»