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Beilage zu Rr. 226 Eib^NstOÄter T(lgebltl11 27. September 1LS8 „Das faule Ci von Prag" Der Duce sprach in Verona Zum Abschluß seiner Besichtigungsreise durch Venetien bat Mussolini in Verona vor einer faschistischen Groß kundgebung unter Aufmarsch sämtlicher Organisationen der Provinz Venetien noch einmal zu seinem Volk und zur ganzen Welt zum Problem der Stunde gesprochen. Der Duce führte u. a. aus: „Unsere Gegner, diejeni gen, auf die ich in meiner Rede vor den Schwarzhemden in Belluno anspielte, unsere Gegner, die unter dem Zei chen der Freimaurerei, von Hammer und Sichel stehen, unsere Gegner haben in den letzten Tagen törichte Hoffnungen gehegt. Die Entwicklung der Ereignisse, die in diesen Tagen erneut die Menschheit in Atem hält, erlaubt uns heute, die Situation klar zu definieren. Man mutz die Anstrengungen, die der britische Pre miermtnister unternommen hat, um eine friedliche Lösung der Probleme der Stunde zu ermöglichen, anerkennen und ivürdigen. Die gleiche große Würdigung verdient die bis» her von Deutschland bewiesene Langmut. Das Memoran dum weicht nicht von den in London vereinbarten Linien ab. Der Präsident der tschecho-slowakischen Republik war ciner der Hartnäckigsten, die die Auflösung der Habsbur ger Monarchie betrieben. Damals sprach er von einer böh- mischen Nation, und seine Zeitschrift erschien unter dem Namen „Tschecho-Slowakische Nation". Er warb überall für seine Idee, auch in Gens. (Gellendes Pfeifkonzert, was Mussolini zu der frischen Bemerkung veranlaßt: „Genf ist bereits in einem Zustand der Auflösung. Alle, die sich Jia- lien widersetzen, müssen so enden.") Die Worte, mit denen er damals auftrat, haben, wie das die letzten zwanzig Jahre in der Geschichte zeigen, auch nicht den ge ringsten Bestand. Nur noch einige Tage Zett Was nun die weitere Entwicklung betrifft, so kann sie auf folgender Linie ablaufen: Es gibt noch einige Tage Zeit, um die friedliche Lösung zu finden. Bricht aber ein Konflikt aus, so wird er zunächst lokalisiert. Ich glaube immer noch, daß sich Europa nicht selbst mit Feuer und Schwert überzieht, um in diesem Feuer umzukommen, lediglich um das faule Ei von Prag zu kochen. Kommt es aber dazu, daß der Konflikt uns direkt angeht, dann werden wir kein Zögern kennen oder zu- lassen. Es ist zwecklo S, daß die Diplomaten sich noch wei ter darum bemühen, Versailles zu retten. Das in Versailles mit einer pyramidalen Unkenntnis von Geo graphie und Geschichte konstruierte Europa, eben dieses Versailles liegt in den letzten Zügen. Sein Schicksal wird sich in dieser Woche entscheiden, und in dieser Woche kann daS neue Europa erstehen, das Europa der Gerechtigkeit für alle und der Versöhnung zwischen den Völkern. Wir Schwarzhemden des Liktorenbündels sind für dieses neue Europa." Sudetendeutsches Schicksal. Kummer und Sorge sprechen aus dem Gesicht dieser sudetendeul- scheu Mutter. Sie mußte Haus und Hof verlassen und konnte nur sich und ihr Kind vor dem Wüten der tschechischen Mord brenner retten. Weltbild <M) Immer neue Blutopfer Deutsche Frauen zu Schanzarbeit gezwungen. Im ganzen Grenzgebiet der Bayerischen Ost mark sind wieder Tausende sudetendeutsche Flüchtlinge eingetroffen. Sie haben fast ohne Ausnahme fürchterliche Strapazen und unsagbare Leiden hinter sich, da sie nicht nur im eigentlichen Grenzgebiet, sondern seit der Mobil machung der Tschechen auch im Hinterland ständigen Ver folgungen durch die sogenannte Staatsverteidigungswache und vor allem durch die Rote Wehr ausgesetzt waren. In den tschechischen Bauerndörfern sind die Flüchtlinge, Greise, Frauen und Kinder, von den verhetzten Weibern mit Steinen beworfen, mit Stöcken und Stangen geschla gen und angespuckt worden. Während bei Neumarkt, dem tschechischen Gxcnzort auf der Stratze Furth—Klattau, nur die zurückgebliebenen wehrdienstuntauglichen Männer zum Auswerfen von Schützengräben gezwungen wurden, haben die Tschechen in Vollmau, das von Männern völlig entblößt ist, sude tendeutsche Frauen und Mädchen mit vyrgehaltcnen Bajo- »etien zu schwerster Schanzardelt, dem Anlegen von Stra- tzenbarrikaden, dem Fällen von Bäumen und dem Aus werfen von Tanksperren, genötigt, wobei die Rote Wehr Aufseherdienstc leistete. Dann wurden die Unglücklichen obendrein noch fortgesetzt beleidigt und mißhandelt. Die Zustände an der Grenze werden immer unhalt barer. Die deutschen Grenzbeamten sind in ihrem schweren Dienst ihres Lebens nicht mehr sicher. So ist auch in der vergangenen Nacht, in der die Tschechen die ganze Grenze entlang lebhaftes Feuer unterhielten, im Kreise Tirschen reuth ein deutscher Grenzbeamter getötet me Lscyecyen in oen oeriagenen lNrenzovr,ern Hausen, dafür gibt Böhmisch-Eisenstein, ein Ort, der nur durch einen schmalen Waldsaum von Bayrisch- Eisenstein getrennt ist, ein erschreckendes Bild. Sie haben sich im Schutz der Dunkelheit und unter dauerndem Schie ßen in den auf tschechischem Boden liegenden Teil des Dorfes, das vollständig von seinen Bewohnern verlassen ist, gewagt. Ihre Wut ließen sie darum an den leeren Wohnungen aus. In sämtlichen Häusern wurden die Scheiben zertrümmert, die Türen mit Aexten und Gewehr kolben eingeschlagen und in den Wohnungen alles, aber auch alles vernichtet, zerstochen, zerfetzt. Was irgendwie mitgeschleppt werden konnte, wurde gestohlen, was nicht mitgehen konnte, wurde kurz und klein geschlagen. Die aufgefundenen Lebensmittelvorräte wurden mit Petroleum übergossen, um sie ungenießbar zu machen. Auf -er Flucht erschossen In dem sudetendeutschen Ort Müglitz waren unge fähr 30 Sudetendeutsche auf der Flucht nach Deutschland in eine Menschenfalle der Tschechen geraten und versuchten zu entkommen. Die tschechischen Soldaten aber eröffneten auf die wehrlosen Flüchtlinge Gewehr- und Handgranaten feuer. Dabei wurde der Sudetendeutsche Krautz aus Hohenstein bei Mariaschein und ein weiterer Sudeten deutscher getötet und mehrere Flüchtlinge verletzt. Einem von ihnen wurde ein Bein zerschmettert. Er mußte in seinem Blut liegenbleiben. Die Grenzbevölkerung, die dem Schwerverletzten auf seine verzweifelten Hilferufe zu Hilfe eilen wollte, wurde durch fortgesetzte Drohungen der Tschechen daran gehindert. - Auch an der Grenze nach Schlesien fielen mehrere Flüchtlinge dem Terror der Tschechen zum Opfer. So wurde der Schneider Franz Iekubez aus Braunau beim Ueberschreiten der Grünen Grenze von der tschechischen Gendarmerie gefaßt und, da er sich im Besitz einer Waffe befand, schwer gefesselt in das Braunauer Gefängnis ein geliefert. Bald darauf hörte man im Gefängnishof eine Salve von Gewehrschüssen. Es verlautet, daß Iekubez er schossen worden sei. Beim Ueberschreiten der Grünen Grenze wurden der Braunauer Sparkassenbeamte Spiezoke, der Webmeister Stierand und ein dritter Mann von den Tschechen ange» schossen und schwer verletzt. In Rosenthal wurden zwei Sudetendeutsche, die sich auf der Flucht befanden, erschossen Die beiden Opfer verfcharrte man heimlich an Ort und „Toni Aaggter" hochlandromaa von Hans Ernst. 28. Fortfetz»««. Die Luisenhütte liegt noch in tiefem Frieden, als Tont aukommt. Sein erstes ist, daß er an die Tür des Grafen klopft. Es dauert keine zwei Minuten, kommt Graf Bruggstein barfuß, nur mit Hemd und kurzer Lederhose bekleidet, aus der Kammer. - „Wie spät ist es?" ,Halb vier, Herr Graf." Graf Bruggsteins Gesicht verdunkelt sich. „Was? Du hast verfchlasen?" Seine Augen werden klein. „Und wie schaust denn du aus? Aha, da treibt sich der Anton Zaggler draußen rum und vergißt dabei, daß ich um halb drei geweckt werden will." Er zieht die Lederhose mit beiden Händen am Leib hoch und tritt dicht vor Toni hin. „Dreihundertvierundsechzig Hirsche hab ich in meinem Leben geschossen. Aber noch keinen, wie der am Gröllberg ist. Freunder!, der Hirsch wenn mir auskommt, dann ist'S aus mit deiner Jagerei!" Nun kann Toni doch nicht mehr länger schweigen. Das Blut war ihm bei dieser Anklage ins Gesicht geschlagen. Seine Gestalt reckt sich. ,Herr Graf, ich " „Maul halten! Ich will keine Entschuldigung. DaS Panze Jahr zahlt man so einen Kerl und wenn man ihn w«mcht, muß man warten, bis er von einer Kittelfalten wegkommt. Der Hirsch liegt mir schon lang im Magen. Heut hätt ich ihn haben können. Aber natürlich, der Herr Zaggler —" Graf Bruggstein wendet sich ab und stützt den einen Fnß aus die Bank. „Meine Wadelstrümpf her." Toni nimmt sie von der Herdstange und gibt sie ihm. Graf Bruggstein reißt sie ihm aus der Hand. »Hab immer gemeint, du bist ein richtiger Jäger. Aber man täuscht sich in den Menschen. Das sag ich dir, Toni: Von mir aus gehst du bei der Nacht hin, wo du willst. Aber du hast dazusein, wenn ich dich brauche, sonst kannst du hingehen, wo du hergekommen bist." Toni steht wie vom Donner gerührt. Seine Augen werden feucht. Zugleich aber wächst ein wilder Trotz in ihm. Seine Stimme hat einen harten Klang, als er sagt: „Soll ich das als Kündigung auffassen?" »Hab ich nicht deutlich genug geredet?" sagt der Graf, ohne sich umzuwenden. „Dann möchte ich noch meinen dienstlichen Rapport machen. Heule morgen um drei Uhr ist der Büchler ge meinsam mit dem Steinmüller Bartl von der Ambacher Straße heraufgekommen." Graf Bruggstein fährt mit jähem Ruck herum. Sein Ge sicht ist ganz Spannung: „Du hast sie gesehen?" ,Za, ich hab sie gesehen und hab einen Teil ihres Ge spräches gehört. Sie haben auch von dem Hirschen am Gröllberg geredet." „Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?" „Der Herr Graf hat mich ja nicht zu Wort kommen lassen." Graf Bruggstein wird von einer fiebernden Aufregung befallen. Im Augenblick hat er die Bergschuhe an den Füßen und schlüpft in die Joppe. Mit zitternden Händen nimmt er das Gewehr, drückt das graue Hütl über die weißen Haare und will zur Hütte hinaus. Da besinnt er sich unter der Türe, kommt zurück und legt dem Toni beide Hände auf die Achseln. „Nimm mir meine Worte von vorhin nicht krumm, Toni. Ich hätt es wissen müssen, daß du ein anständiger Kerl bist. Und jetzt komm mit. Dem Büchler werd ich heut die Suppe versalzen. Jetzt hab ich g'nug von ihm." Mit langen Schritten geht Graf Bruggstein das Lat- schenfeld hinunter und drüben den Hang wieder hinauf. Toni kann ihm kaum folgen. Mittendrin bleibt der Graf stehen. „Das geht eigentlich nicht, wie ich es mir im ersten Zorn vorgenommen hab. Wenn ich jetzt den Büchler auf der Stell zum Teufel jage, geht er am Abend mit dem Bartl gemeinsam zum Wildern. Wir haben dann noch um einen Lumpen mehr im Bezirk. Paß aus, Toni. Den Büchler, den nehm ich jetzt zu mir und du übernimmst sein Revier. Ich sag zum Büchler, du hättest drei Wocken Urlaub. Verstehst mich?" „Wohl, Herr Graf." Der Graf saßt den Jungen beim Haarschüppel, der ihm wirr in die Stirn hereinhängt, ^ieht ihm den Kops ein wenig zurück und blickt ihm fest m die Augen. „Du hast vollkommen freie Hand, Toni. Richt dir den Dienst ein, wie es dir paßt. Schlaf lieber beim Tag und eg dich nachts auf die Lauer. Jeden zweiten Tag komm ch zu dir. Jetzt geh zurück in die Hütte und hol dein Sach. Vergiß vor allem nicht, dir genügend Munition einzu- tecken. Den Weindl kannst du von der Veränderung ver- tändigen. Also, mach dein Sach gut!" In festem Druck liegen ihre Hände ineinander. Dann trennen sie sich. Als Graf Bruggstein auf die Hütte des Büchler zu kommt, sieht er den Jäger vom Wald herüberkommen. Mühsam seine Wut verbergend, geht er ihm entgegen. .LLo kommst du heut schon her, Büchler?" a Büchler ist momentan sprachlos. Das plötzliche Auf tauchen seines Herrn wirkt auf ihn wie die Erscheinung, eines Gespenstes. Dann stottert er verlegen: G „Dem Bock hab ich aufgepaßt — dem Bock, ja — im Agerhölzl. Ein Bock, sag ich Ihnen, Herr Graf. Ganz was Seltenes! Der ist Ihnen sicher. Jeden Morgen wechselt er nüber ins Schludererjoch." Der Graf blickt den Sprechenden scharf an. Aber dann sagt er: „Den Bock hol ich mir ein andermal. Jetzt mußt du mit mir kommen, Büchler. Am Gröllstein weiß ich einen Hirsch. Und dein Sach nimmst auch gleich mit. Du mußt einst weilen den Dienst bei mir übernehmen, bis der Toni vom Urlaub zurück ist. Komm!" Büchlers erste Verblüffung verwandelt sich in geschäftige Freundlichkeit. Hurtig packt er seine Sachen und geht geschäftig plau dernd neben feinem Herrn nach dem Gröllstein. Der Graf gibt keine Antwort, bis sie an die Nähe des Gröllsteins kommen. Da sagt er: „Halte den Schnabel jetzt. Sonst brennt uns der Hirsch durch, ehe wir ihn zu sehen bekommen." Schweigend steigen sie den Berg hinan, überklettern die Kuppe und betreten dann einen schmalen Steg, der auf wärts führt. Als sie um eine Wegbiegung kommen, zupft Büchler den Grafen am Aermel und zischelt: „Dort steht er, Herr Graf." „Wo?" Büchler deutet mit dem Bergstock über eine grüne Mulde zum Waldrand hinüber. „Sehm sie ihn net, Herr Gras? Dort drüben am Wald rand." „Meiner Seel. Ich war jetzt so in Gedanken versunken, daß ich gar nicht obacht gegeben habe. Da, halt mein Ge wehr." Er nimmt den Fernstecher und späht hinüber zu dem Hirschen. .Herrgott, so einHirsch!" Et atmet tief. „Wasn, wenn das gut nausgeht —" In diesem Augenblick hat er allen Groll gegen den Jäger ver gessen. ,^omm, wir müssen rückwärts, sonst sieht er uns." Sie gehen ein Stück zurück, klettern auf der Ostseite soweit hinauf, bis sie das Wild direkt sich gegenüber haben. Hinter einem kleinen Felskegel geduckt, beobachtet der Graf durch das Glas dieses Prachtexemplar. Einmal wendet er kurz den Kopf nach dem hinter ihm kauernden Jäger und flüstert: „Schnauf net so laut, wir haben schlechten Wind." Dann legt er das Glas wea und lanat mit der Hand nach rückwärts. „Gib das Gewehr her." . (Fortsetzung folgt.)