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Die Konservativen verkennen so wenig wie ihre Gegner, daß die Frage der Wechselbeschränkung eine äußerst schwierige ist, aber daß durch die Wechselireiheit dem heillosen Wucher Thür und Thor geöffnet worden ist, wird kein verständiger Mensch leugnen. D a muß auch der Hebel angesetzt werden, den Handwerker zu schützen, und die Handwerkerbanken müßten nicht nur jeden Wucherwechsel zurück weisen, sondern sie dürften auch derartige „Geschäftsleute" nicht als Mit glieder aufnehmen. Sie müssen daher den Weg des großen Geschäfts betriebes verlassen, nicht auf hohe Dividende sehen, sondern ihren wahren Zweck erfüllen, d. h. nur für den Handwerksmann da sein, und ihm gegen den billigsten Zinsfuß Kredit geben. Der Handwerker muß sich aber auch besonders vor den reisenden Jünglingen hüten, die ihn heute in den entlegensten Dörfern aufsuchen; er muß standhaft bleiben gegen das Aufdrängen der Menge von Waaren und Fahrikaten, die ihm, nach Ansicht dieser Herren, nothwendiger seien, wie das liebe Brod. Wenn es auch immer heißt, daß die Waare erst nach 4 bis 6 Monaten bezahlt zu werden braucht und ein Wechselchcn vorläufig vollständig genügt! — Doch ist die Zeit verflossen und noch nicht ein Viertel der so nothwendigen Waare verbraucht, so muß der Wechsel doch bezahlt werden. Kann der Handwerker das aber nicht, so erfolgt innerhalb 8 Tagen die Pfändung. Tausende von vernichteter Existenzen zeugen auch davon, aber noch viel mehr Tausende sind unter Wucherhänden verblutet, und deshalb ist der Schaden der allgemeinen Wechfelfreiheit für den Handwerker weitaus größer als ihr Nutzen. Die Konservativen haben nach hartem Kampfe gegen den Willen der Fortschrittspartei, die doch die schlimmen Folgen der unbeschränkten Wechselfähigkeit kennen muß, wenigstens durch die Wucher gesetze dem Uebel etwas Einhalt gethan. Sie haben doch den Weg gebahnt, auf welchem dem Handwerker Schutz zu gewähren ist. Freilich hat die Gesetzgebung noch manche Aufgabe auf diesem Gebiet zu lösen und der Handwcrksmann sollte durch die Wahl konservativer Männer auch zur Besserung solcher Schäden beitragen, die sein Handwerk indirekt ruiniren. In der Schlinge soll, wie das sogenannte „Deutsche Neichsblatt" meint, der „Deutsche Patriot" sitzen und warum? Weil er der Wahrheit gemäß erklärt hat, daß die Liberalen nicht für die einzig richtige Art der Besteuerung der Börsengeschäfte gestimmt haben, nämlich für die prozentuale Börsen steuer, und das sogenannte „Deutsche Reichsblatt" aus amtlichen Aktenstücken ihn nicht widerlegen konnte, da diese nur nachweisen, daß sie dafür waren, daß für ein Geschäft im Betrage von 100 Mark dieselbe Steuer wie für ein solches im Betrage von 100 000 Mark und darüber erhoben werde. Indem das liebe „Deutsche Reichsblatt" unsere Worte „einzig richtige Art der Börsensteuer", wie man zu sagen pflegt, „in den Brunnen fallen läßt," schlägt es gar unwirsch um sich und ärgert sich nebenbei darüber, daß wir dies saubere Blatt einmal bei einer gedanken losen Schreiberei erwischt haben, indem cs, wie das liebe „Reichsblatt" jetzt behauptet, statt des Wortes „sie", eigentlich „die Konservativen" oder „Jene" setzen wollte, daß aber — man höre — ein Druckfehler aus „die Konservativen" — „sie" gemacht hätte!!! Wie der Setzer zu einem solchen Druckfehler kommt, das sagt das liebe „Neichsblatt" nicht, aber als im „Deutschen Patriot" einmal durch einen, wie jeder, der weiß, wie Druckfehler entstehen, bestätigen wird, sehr leicht möglichen Druck fehler statt „Fachschulen" — „Hochschulen" gesetzt worden war und wir diesen leicht möglichen Druckfehler als solchen kennzeichneten, da kam das saubere „Reichsblatt" und siel ob dieser Entschuldigung über uns her. Das ist doch sicher bezeichnend genug dafür, mit welchen Waffen das liebe „Deutsche Reichsblatt" kämpft. Soviel für heute über die saubere Manier des letzteren, den „Deutschen Patriot" zu verlästern. Mit solchen Mitteln gewinnt man keine Anhänger, Du einziges liebes „Deutsches Neichsblatt!" Ein bedeutsames und erfreuliches Zeichen. Alle, die es mit unserem deutschen Vaterlands so recht von Herzens grund gut meinen, haben stets gehofft, daß früher oder später auch bei denjenigen unserer deutschen Brüder, die den Lehren der Sozialdemokratie Gehör geschenkt haben, die Ueberzeugung zum Durchbruch kommen werde, daß die Jntensionen des Fürsten Bismarck und der ihn darin unter stützenden konservativen Partei, welche auf Herbeiführung großartiger sozialer Reformen gerichtet sind, zunächst auf das Jnslebentreten einer staatlichen Arbeiterunfallversicherung mit staatlicher Altersversorgung für Arbeiter, allein das wahre Wohl der arbeitenden Klassen im Auge haben und die Unterstützung auch derjenigen Anhänger der Sozialdemokratie ver dienen, die sich international-revolutionären Bestrebungen noch nicht hin gegeben haben. Und diese Hoffnung der wahren Patrioten ist nicht zu Schanden geworden. Deutliche Zeichen liegen bereits dafür vor und tragen bereits dazu bei, daß die Sozialdemokraten, welche noch deutsch-patriotisches Gefühl im Herzen tragen und nicht blind gewissenlosen Agitatoren folgen, anfangen zu erkennen, daß diese Bestrebungen der Reichsregierung allein Hinzielen auf das wahre Wohl des Arbeiters, auf Hebung seiner wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung. Der sozialdemokratische Abgeordnete Kayser hat in Freiberg in Sachsen, nachdem der fortschrittlich-sezessionistische Abgeordnete Rickert in einer dort gehaltenen Rede die Arbeiter aufgefordert hatte, Hand in Hand mit der Fortschrittspartei diesen Plänen der Neichsregierung für das wahre Wohl der unteren Klassen entgegen zu arbeiten und dazu in der bevorstehenden Wahl ihre Stimmen mit denen der Fortschrittspartei zu vereinigen und dafür seitens der Fortschrittspartei das Versprechen gegeben hatte, sie werde für sofortige Aushebung des Sozialistengesetzes eintreten, dem Abg. Rickert geantwortet: „Man kann sonst der Neichsregierung so feindlich gegenüber stehen wie man will, in diesen Plänen muß man sie vom Standpunkte des Arbeiterfreundes aus unterstützen." Das ist aber lange nicht das einzige Zeichen dieser Art. In Berlin selbst hat in der vorigen Woche ein Sozialdemokrat, Namens Jessen — es geschah nach einem Vortrage des Herrn Prof. Adolf Wagner über die Unfallversicherung und die Altersversorgung in Verbindung mit dem Tabaksmonopol — öffentlich erklärt: „Wenn diese Pläne ausgeführt würden, dann hätten die Arbeiter keinen Grund mehr zu Klagen, dann seien ihre berechtigten Forderungen erfüllt und er fordere seine Gesinnungsgenossen auf, bei der Wahl ihre Stimmen entweder einem Sozialdemokraten zu geben, der diese Pläne unterstützen wolle, oder dem Prof A. Wagner, dem Kandidaten der Konservativen im vierten Berliner Neichstagswahlkreise, in keinem Falle aber einem Fortschrittsmanne. Aber auch aus verschiedenen anderen Wahlreisen verlauten bereits der artige Erklärungen aus dem Munde der Führer der Sozialdemokraten, so z. B. auch aus holsteinischen Bezirken. Dieses Alles, zusammengehalten mit dem früheren Verhalten der deutschen Sozialdemokraten, zeigt, daß diese ihre unfruchtbare Stellung als internationale Revolutionspartei wenigstens zum Theil aufzugeben in Be griff sind und daß sie gesonnen sind, die von der Reichsregierung geplanten sozialen Reformen zu unterstützen, weil sie nicht länger verkennen können, daß dadurch den wirklichen Interessen der arbeitenten Klassen gedient wird, und das niuß schließlich jeder ehrliche Patriot als ein bedeutsames und er freuliches Zeichen begrüßen. Deutsche und französische Demokraten. Wir stellen sie gerade jetzt einander gegenüber, weil der Kampf um die bevorstehende Reichstagswahl mit jedem Tage brennender wird. Die deutschen Demokraten, vor Allen die Fortschrittler, benutzen gegenwärtig zwei Schlagworte, womit sie die Bismarcksche Reformpolitik zu verdächtigen und für sich selber Stimmen zu gewinnen suchen. Sie geben vor: 1. Die indirekten Steuern und 2. der übergroße Militäraufwand sind für den armen Mann eine entsetzlich-drückende Last! Wenn das wahr wäre, dann müßte Frankreich längst zu Grunde ge gangen sein, das auch die indirekte Besteuerung betont, die dem Lande zur Gesammtsumme, welche der Staatshaushalt erfordert — sage und schreibe: 70 Prozent liefert. Die französischen Fortschrittler freilich, welche be kanntlich das Regierungsheft in den Händen haben, denken nicht daran, das indirekte Steuersystem abzuschaffen, weil sie eben wissen, daß 1. die indirekten Steuern den armen Mann nicht drücken, daß sie aber 2. Frankreich und seinen Einwohnern zum großen Vor theile gereichen. Als die Franzosen vor 10 Jahren an uns 5 Milliarden (Fünftausend Millionen Mark) Kriegskosten-Entschädigung zahlen mußten, meinte man in Deutschland, diese ungeheure Summe werde Frankreich für lange Zeit finanziell krank machen, und wie erstaunten wir, als wir sahen, mit welcher Leichtigkeit unsere Gegner die ungeheuren Kriegskosten schnell bezahlten. Wem verdankt Frankreich seine beneidenswerthe Zahlungs fähigkeit? — Antwort: Seinem indirekten Steuersystem! Das wissen auch die Führer der Fortschrittspartei in Deutschland; aber sie wollen es nicht wissen; sie wollen nun einmal als Feinde der Bismarckschen Reformpläne nicht eingestehen, daß das vom großen Kanzler erstrebte indirekte Steuersystem eben so heilsam für Deutschland werden muß, wie es sich bereits für Frankreich (auch für England, Oesterreich, Italien re.) thatsächlich erwiesen hat. — Man müßte blind und ohne Verstand sein, wenn man nicht einsehen und begreifen könnte, daß der Fortschritt gegen wärtig zu seinen Wahlbestrebungen die zweifelhaftesten Agitationsmittel benutzt. Verständige Wähler lassen sich freilich durch ein solches Gaukel spiel nicht fangen, Wohl aber gedankenlose und unwissende. Der zweite Angriffspunkt, den die Fortschrittler zu ihren Wahlzwecken benutzen, ist die vorgebliche drückende Militärlast. — In Frank reich treten die Demokraten für Erhaltung des großen stehenden Heeres ein. In Deutschland bilden die Militärausgaben den Gegenstand, welchen die Fortschrittler fortgesetzt in der gröblichsten Weise zur Erregung der Unzufriedenheit angreifen. Frankreich zahlt jährlich für sein stehendes Heer 1000 Millionen Francs, Deutschland etwas über 400 Millionen Mark. Die französischen Demokraten suchen ihr Land durch die Militärmacht zu stärken; die deutschen Fortschrittler trachten darnach, unsere Militärmacht nach Möglichkeit zu schwächen. — Der deutsche Michel aber merkt es heute noch immer nicht, wer sein schlimmster Feind ist. Deutschland! Kannst du einstimmen in den Ruf jener politischen Gemeinschaft, die da ruft: „Fort mit Bismarck!" — so bist du des Mannes nicht Werth, der dich mit Gottes Hülfe groß gemacht hat; dann bist du des vaterländischen Bodens nicht Werth, auf dem deine Füße sicher stehen. Was könnten doch unsere deutschen Demokraten von ihren französischen Brüdern Alles lernen! Auflösung des Silben-Rathsels in Str. IS des „Deutschen Patriot". Börsensteuer. — Fürst Bismarck. Die einzelnen Wörter sind: Bismarck, öfter, Riva, Saum, Einsiedelei, Nascherei, Stab, erbost, unter, Entrevü, Rettungsschiff. Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: O. de Grahl, Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei u. Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32.