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ZchimtmM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der AbonnementSpreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 29. October 251. 1881 "Waldenburg, 28. October 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist nach Ludwigslust zur Jagd gereist und kehrt am Sonntag zurück. Als ein Zeichen des vermehrten Aufschwunges der Industrie ist es unbedingt anzusehen, daß der Verkehr von Kohlen und anderen Rohprodukten auf den unter der Leitung der Königlichen Eisen- bahn-Directiou zu Berlin stehenden Eisenbahnstrecken in der letzten Zeit so erheblich gesteigert ist, daß sich ein Wagenmangel gezeigt hgt und die genannte Direciion, wie bereits Seilens anderer Bahnen ge schehen, sich gezwungen gesehen hat, eine Beschrän kung der Ladefristen für offene Güter und Kalk wagen eintreten zu kaffen, um dem verfrachtenden Publikum die Möglichkeit einer beschleunigteren Wiederbeladung zu bieten und eine schnellere Circu- lation der Wagen zu erreichen. Diese Maßregel ist recht eigentlich im Interesse der Versender ge troffen; es sind aber auch gleichzeitig die Uebelstände, welche unstreitig mit einer Verkürzung der Fristen sür Ent- und Beladung der Wagen verbunden sind, durch zweckentsprechende Anwendungen, namentlich auch durch milde Handhabung der Strafbestimm ungen, thunlichst gemildert worden. Die Reichstags-Angelegenheiten treten nunmehr wieder mehr in den Vordergrund. Als Alters präsident wird bei Beginn der Session allem An scheine nach der Elsässer Dollfus oder Generalfeld marschall Graf Moltke zu sungiren haben. Beide sind im Jahre 1800 geboren und auf einen Abge ordneten, dessen Geburtsjahr in das vorige Jabr- hundert fällt, wird kaum noch zu rechnen sein. Der ältere von Beiden ist Herr Dollfus, der am 26. September des genannten Jahres geboren wurde, während der Geburtstag des Grafen Moltke gerade einen Monat später, auf den 26. Oclober, fällt. Professor Virchow hat am 24. October für den zweiten Wahlkreis in Berlin seine große Wahl rede gehalten, in welcher er u. A. äußerte, daß die deutsche Nation vor der Frage ihrer Entwickelung im Sinne der Berliner Fortschrittspartei oder der reichskanzlenschen Diktatur stehe. Bescheidenerweise bemerkte er auch: „ich setze meinen Stolz darein, vor Ihnen zu erscheinen und um Ihre Stimmen zu bitten, weil ich hier in diesem Kampfe das Symbol der Freiheit bin." Virchow wurde von Arbeitern unter Fackelbeleuchtung in den Saal geführt; 6000 Personen waren anwesend, eine Musikkapelle auf gestellt. Die Extremen gehen in Baiern mit Dampf vor. Ein von dem Abg. Luthardt und 11 Ge nossen gestellter Antrag verlangt: „Die Kammer wolle beschließen: An den König sei die Bitte zu richten: die Bevollmächtigten Baierns zum Bundes- ralhe zu beauftragen, beim Bundesrathe dahin zu wirken, daß durch Reichsgesetz das Concubinat mit Strafe bedroht werde." Ferner ein von dem Abg. Di. Max Theodor Mayer und 11 Genossen ge stellter Antrag lautet: „Die Kammer wolle be schließen: An den König die Bitte zu stellen: die baierischen Bevollmächtigten zum Bundesrathe an zuweisen, im Bundesrathe mit allen Kräften dahin zu wirken, daß das Neichsgesetz vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung wieder aufgehoben und die Ehegesetzgebung auf die kirchlichen Grundsätze der Confessionen zurückgeführt werde." Zwei von dem Abg. Lerzer gestellte Anträge haben folgenden Wort laut: I. Die Kammer wolle beschließen: An den König sei die Bitte richten, anordnen zu wollen, daß im Interesse der Landwirlhschaft die alljähr lichen Hauptübungen der baierischen Truppen bis nach Beendigung der Ernte verlegt werden II. Die Kammer wolle beschließen: An den König sei die Bitte zu richten: die baierischen Bevollmächtig ten zum Bundesrathe anzuweisen, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß 1) die von Jahr zu Jahr steigende und unerträglich gewordene Mililärlast abgemindert, und insbesondere 2) die dreijährige Präsenzzeit in eine zweijährige umgewandelt werde. Oesterreich. Der Reichsralh wird nicht vor dem 8. Novem ber eröffnet. Die „Deutsche Ztg." meldet: Der Handels vertrag zwischen Frankreich und Oesterreich, welcher im November erlischt, wird vorbehaltlich der Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaften auf 3 Monate verlängert werden. Die österreichische Delegation wurde am 27. d. mittags durch den Reichskriegsminister eröffnet. Schmerling zum Präsidenten gewählt, hielt eine Ansprache, die friedliche Situation freudig begrüßend, und Haymerle einen warmen Nachruf widmend. Der Besuch des Königs von Italien sei eine weitere Friedensgarantie. Betreffs Bosniens biete der mit der Verwaltung betraute Staatsmann die Gewähr für die eifrige erfolgreiche Durchführung dieser Verwaltung. Den nihilistischen Verschwörun gen Rußlands gedenkend, sagte Redner, jeder werde den Regierungen bei Maßregeln gegen diese ver heerende Verschwörung beistehen, nur müsse da auch Maaß gehalten werden. Die bei den Delegationen eingebrachlen Regierunasvorlagen sind: Das gemein same Budget für 1882, die Schlußrechnung auf 1879, der Gebahrungsausweis von 1880, das außerordentliche Erforderniß für die Truppen des Occupationsgebietes und Nachtragscredite für das stehende Heer und die Marine. Das Gesammt erforderniß des gemeinsamen Budgets beträgt 114,447,706 Gulden (um 1,916,337 mehr als 1881), die österreichische Quote 81,727,881 Gulden, (um 7,167,308 mehr als 1881 in Folge Abgangs bei den Zollgefällen.) Der Anspruch für die Occu- pationsarmee oeläuft sich auf 6,337,500 Gulden. Frankreich Gambetta äußerte sich in Bolbec gegenüber dem Präsidenten eines repuolikanischen Arbeiter- Comil^s: alle Interessen müßten in der Republik sich in Einklang zu einander setzen; die Demokraten müßten den Neid und das Mißtrauen gegenüber den oberen Klaffen abschwören. Gambetta empfahl gegenseitige Versöhnlichkeit an. Der Maire von Marseille hat gegen die Kai serin Eugenie folgende, ihrer Form wegen merk würdige Klage anhängig gemacht: „In Erwägung, daß Frau Eugenie v. Gusman, Wittwe des Karl Ludwig Napoleon Bonaparte, unberechtigter Weise das in Marseille gelegene und kaiserliche Residenz genannte Grundstück in ihrem Besitz zurückhält; in Erwägung, daß die Stadt als Eigenthümerin dieses Grundstücks seil dem Sturze der kaiserlichen Dynastie vergebens verlangt hat, wieder in den Be sitz desselben gesetzt zu werden, wird die Exkaiserin als Universalerbin ihres Gatten und ihres Sohnes vor das Civilgericht von Marseille mit der Auffor derung geladen, das genannte Grundstück heraus zugeben, widrigenfalls die Stadl Marseille ermäch tigt werden soll, das Grundstück selbst wieder an sich zu nehmen." Gambetra hielt am 26. d. in Pont-Andemer eine Rede, welche keinen politischen Charakter hatte. Er bezeichnete in derselben die Pflege, die Verlhei- digung und de» Schutz der Interessen der nationalen Produktion als wirksamste Propaganda der republi kanischen Partei. „Ich fürchte nicht", sagte Gam betta, „die Kritik und kann constatiren, daß ich heute wie gestern, wenn ich mich vor dem Lande zeige, Erinnerungen mitnehme, welche mich stärken und mir Genugthuung für die empfangenen Beleidigun gen gewähren". Italien. Der „Diritto" bespricht die Reise des Königs und der Königin nach Wien und hebt hervor, die Reise der Königin lege der politischen Bedeutung der Reise des Königs noch eine besondere Bedeutung bei, indem sie die ourch das Ereigniß erneute In timität zwischen den Höfen von Wien und Rom kennzeichnete und die hervorragende, werthvolle Bs- deulung der Reise des Königs ergänze und kröne. Türkei. Wie englischen Blättern aus Konstantinopel tele- graphirt wird, sind sechzehn Deutsche mit einem Extradampfer von Salonichi dort angekommen, an geblich Vertreter einer in Köln gebildeten Gesell schaft, die sich mit 1 Million Mark Kapital gebildet hat, um in der Türkei Handelsverbindungen anzuknüpfsn und Ackerbaucolonien dort anzulegen. Ihnen werden deutsche Auswanderer folgen. Be züglich dieser Nachricht erfäyrl die „Wes.-Ztg.," daß von Köln aus eine weit größere Gesellschaft sich in Triest mit einem eigenen Dampfer zur Bereisung der orientalischen Häfen eingeschifft hat. Der Haupt zweck ist wohl die Erlangung unmittelbarer Kunde von Land und Leuten, um später brauchbare Handels verbindungen anzuknüpfen. Die Anlegung von Ackerbaucolonien im Lande der Paschas klingt etwas fabelhaft. Am 22. October ist zu Jerusalem der Bischof Dr. Josef Barclay gestorben. Derselbe war nach dem im Jahre 1879 erfolgten Tode des Bischofs Gobat von England zum Bischof des von Preußen und England gemeinfam begründeten protestantischen Bisthums in Jerusalem berufen worden. Seiner erfolgreichen Wirksamkeit in diesem Amte, in welchem er es sich stets besonders hat angelegen sein lassen, das von seinem Vorgänger gepflegte freundliche Ein vernehmen zwischen den deutsch-evangelischen und den bischöflich-englischen Mitgliedern der Gemeinde aufrecht zu erhalten, ist leider ein unerwartet frühes Ziel gesetzt worden. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 28. Oclober. Die Wahlschlacht ist geschlagen. Seit Gründung des Norddeutschen Bundes, also seit 14 Jahren, kann sich unser Wahl kreis zum ersten Male rühmen, einen staatserhaiten- Mann in den Reichstag gewählt zu haben; denn nunmehr ist auch das bei Ausgabe unseres Extra blattes noch nicht bekannte Wahlresultat aus Gers dorf, das noch zu den meisten Befürchtungen Anlaß gab, zu unserer Kennlniß gelangt. Dort erhielt Leuschner 178, Auer 144 Stimmen, das Gesammt- Resultat stellt sich hiernach also für Leuschner noch um 34 Stimmen günstiger. Allerdings werden die einzelnen Zahlen noch einige Berichtigungen er fahren, aber soviel kann wohl angenommen werden, daß Leuschner mit einer Majorität von ca. 300 Stimmen zum Reichslagsabgeordneten sür den 17. Wahlkreis gewählt worden ist. *— Der zeitherige Forstmeister in Fürstlich Schön- burgischen Diensten Carl Wilhelm Cölestin Uhlig ist zum Oberförster auf Rückerswalder Revier im Forst bezirke Marienberg ernannt worden. Atts dem Sachsenlande. — Se.' Majestät der König ist am 27. d. mit tags von Wermsdorf nach Dresden gekommen, um