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AMbllMi TaMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 7. October 1881. Fortbildungsschule Waldenburg. Der Zeichenunterricht findet im Winterhalbjahr Sonntag früh 8—8 Uhr statt. Derselbe ist für Classe II und III obligatorisch und werden daher die Versäumnisse ebenso angezeigt, wie die der übrigen Stunden. Es wird wiederholt hierdurch auf die event. gesetzlichen Folgen der Versäumnisse des Fortbildungsschulunterrichts überhaupt aufmerksam gemacht. Waldenburg, 5. October 1881. A. B. Hanschmann, Director. ^Waldenburg, 6. October 1881. Die Aussichten bei den nächsten Reichstagswahlen. Unter den Reichsangehörigen gehören von je 1000 Einwohnern 479 dem landwirthschaftlichen Gewerbsstande an, d. h. sie sind entweder Gutsbe sitzer, Pächter, Bauern oder ländliche Arbeiter und deren Angehörige. Sie, d. h. also beinahe die Hälfte der Wähler wird, wie es bisher fast immer der Fall war, conservative und ultramontane Can didaten wählen, und zwar von diesen werden ein Drittel ultramontan, resp. polnisch und elsaß- lothringisch, zwei Drittel aber conservativ sein. Die Industriellen und Gewerbetreibenden machen 333 pro Mille aus. Sie theilen sich in Fabrik besitzer, Handwerker, industrielle Arbeiter und deren Angehörige; nach der Confession vertheilen sie sich in 211 evangelische und 122 katholische. Ein nicht unbeträchtlicher Theil derselben wird conservativ wählen, namentlich viele kleine Handwerker und auch manche Arbeiter. Ein großer Theil der evangelischen Industrie-Arbeiter wird allerdings wieder social-demokratisch wählen, in den katho lischen Kreisen dürfte indessen schwerlich eine be deutende Veränderung vor sich gehen. Der Nest wird sich nur theilweise den Nationalliberalen, in seiner Mehrheit der Fortschrittspartei zuwenden. Der dritte Stand wird durch Handel und Ver kehr gebildet, und zwar beträgt derselbe nur 91 pro Mille, also nicht einmal ein Zehntel der Wähler. Die Confession tritt hier entschieden zurück und kommt kaum in Betracht. Dieser Stand repräsen- tirt die eigentliche Opposition, die entschiedene Un zufriedenheit mit der Zollreform und ist auch Geg ner der socialen Reformprojecte, er ist überwiegend manchesterlich und hat niemals conservativ, sondern stets liberal gewählt. Er wird diesmal aber allen Anzeichen nach vorwiegend fortschrittlich und seces- sionistisch, weniger nationalliberal wählen. Nun bleibt aber noch ein Rest übrig, der keinem besonderen oder einem anderen Beruf angehört, als den Genannten. Dazu sind namentlich die Beam ten, die Lehrer, Künstler, die Rentner rc. zu rechnen. Sie machen 97 pro Mille aus, also nicht viel mehr als der Handelsstand. Diese gehören erfahrungs- mäßig dem gemäßigten Liberalismus, aber auch der conservativen Richtung an. Man darf annehmen, daß ein sehr bedeutender Procenlsatz derselben dies mal conservativ stimmen wird, da dieser Stand sich weder der wirthschaftlichen, noch der socialen Reform in prinzipieller Opposition gegenüber stellt. Ziehen wir aus dieser statistischen Betrachtung das Schlußresultat, so geht daraus hervor, daß der gemäßigte Liberalismus, und zwar die National liberalen, diesmal die geringsten Chancen hat; da gegen werden die Fortschrittspartei und die Seces- sionisten jedenfalls zunehmen und zwar aller Wahrscheinlichkeit von diesen die Fortschrittspartei wiederum mehr als die Secessionisten, weil sich die Extreme verschärft haben. Das Centrum hat einen so festen Besitz, daß derselbe eher etwas zu nehmen, als abnehmen dürfte; auch die Social demokraten dürften sich nicht sehr vermindern. Da gegen haben allerdings die Conservativen Aussicht, diesmal ihre Zahl nicht unbeträchtlich zu vermehren, ' da sie außer ihrem festen Besitz in den landwirth- schaftlichen Kreisen auch in den industriellen und Handwerkerkreisen nicht unbeträchtlich an Anhang gewonnen haben, auch in dem vierten Stande, den Beamten, Lehrern, Künstlern rc. ihre Aussichten gestiegen sind. In den Wahlkreisen, in welchen sie neue Candidaten aufstellen, dürfte ihnen allerdings durch die Liberalen, Fortschrittler und Socialdemo kraten das Gleichgewicht gehalten werden. Jeden falls wird es aber in Folge dessen zu mehr Stich wahlen kommen, wie bisher jemals vorgekommen sind. *Waldenburg, 6. October 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser erhielt während seiner Anwesenheit in Karlsruhe einen in Bretten aufgegebenen Droh brief. Die Untersuchung ergab, daß ein verkomme ner, oft bestrafter Orgeldreher aus Derdingen der Thäter war. Derselbe wurde verhaftet. Der Kaiser hat am Sonnabend in Baden-Baden den Baron Rothschild empfangen und zur Tafel gezogen. Die Ergebnisse der am 27. October c. statt findenden Wahlen zum deutschen Reichstage werden von den Wahlcommissarien in der üblichen Weise dem Reichsamt des Innern rc. telegraphisch gemeldet werden und hat der Staatssecretär vw Stephan bereits eine generelle Verfügung über prompte Beförderungen der betr. Telegramme er lassen. Sämmtliche Telegraphenanstalten, welche bei der Beförderung von Wahltelegrammen betheiligt sind, müssen am Tage der Wahlen bis 10 Uhr abends bezw. bis zur erfolgten Abtelegraphirung der Wahltelegramme im Dienste bleiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dem Reichstage schon in seiner vorweihnachtlichen kurzen Session die Vorlage über das Tabaksmonopol zugehen. Dieselbe ist vom Unterstaatssecretär Mayr in Straß burg ausgearbeitet, aber noch keineswegs in der Fassung fertiggcstellt, in welcher sie vor den Bundes- rath gelangen soll. In einem Artikel, betitelt „Fürst Bismarck als Socialist" sagt die „Prov.-Corresp.": Nicht focialdemokratisch, wohl aber im guten Sinne socialistisch ist das Streben Bismarcks. Um des Staatswohles willen und im wahren Interesse der Arbeiter selbst mußte er der Socialdemokratie schärfer als irgend ein Staatsmann vor ihm entgegentreten, er hatte von jeher für die Bedürfnisse der Aerm- sten der Bevölkerung einen offenen Sinn und ein Herz; ec will seine an Ruhm und Ehren reiche Laufbahn nicht vollenden, ohne das gewonnene An- fehen auch für jene Klaffe seiner Mitbürger ver- werthet zu haben. Das ist der letzte Ehrgeiz seines Lebens. An anderer Stelle sagt die „Prov.- Corresp.": Mit dem hinlänglich bekannten Pro gramm: Schutz für die Armen und Schwachen, Hebung der nationalen productiven Kräfte, nament lich der Industrie und der Landwirthschaft, hofft die Regierung alle Fechterkunststücke der Opposition unschädlich zu machen und bei den Wählern nicht nur volles Verständniß, sondern auch energische Unterstützung zu finden. Die Verhandlungen über den Anschluß Bremens an den Zollverein sollen in der nächsten Woche ihren Anfang nehmen. Man hofft den Abschluß der Ueber- einkunft wegen des Eintritts Bremens beschleunigen zu können. Ein conservativ-clericales Bündniß besteht nicht und ist auch nicht in Aussicht," schreibt jetzt die „Kr.-Ztg." Das charakterisirt die gegenwärtige Stimmung. Für die bevorstehende Wahlzeit, sagt das conservative Blatt weiter, ist uns das Centrum auf allen Punkten eine gegnerische Partei insofern, als sich die Conservativen allenthalben in der Lage befinden dürften, einen eigenen Candidaten aufzu stellen und gegen den Candidaten des Centrums zu kämpfen. Der mecklenburgische Landtag ist auf den 16. November einberufen worden. Das Einberu fungsschreiben lautet im altherkömmlichen Kanzlei styl: „Friedrich Franz, von Gottes Gnaden Groß herzog von Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graf zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr rc. Wir geben Euch hiermit zu vernehmen, daß wir beschlossen haben einen allgemeinen Landtag in unserer Stadt Stern berg halten und denselben am 16. November d. I. eröffnen zu lassen; citiren, heischen und laden Euch demnach hiermit gnädigst und wollen, daß Ihr abends vorher, nämlich am 15. November, d. I., Euch all- dort persönlich einfinden und nach gebührender An meldung, die am folgenden Tage in unserem Namen zu publicirende Landtagspropositon — deren Oaxita, im Abdruck hier beigefügt sind — geziemend an hören, den darüber zu haltenden gemeinsamen Be- ralhungen und Beschlußnahmen beiwohnen, auch vor erfolgtem Landtagsschlusse ohne erhebliche Ur sachen Euch von dannen nicht entfernen sollt. Ihr mögt nun erscheinen und daselbst bleiben oder nicht, so sollt Ihr in jedem Falle zu allem, was auf solchem Landtage beschlossen werden wird, gleich anderen unserer getreuen Landsassen und Unter- thanen verbunden und gehalten sein. An dem ge schieht unser gnädigster Wille und Meinung; und wir verbleiben Euch mit Gnaden gewogen. Gegeben durch unser Staatsministerium, Schwerin, am 26. September 1881. Friedrich Franz. Buchka. v. Bülow." — Der mecklenburgische „Landtag" besteht aus 6- —700 Rittergutsbesitzern, welche die Ritter schaft bilden, sowie aus den Bürgermeistern der Städte, der „Landschaft." In Dietrichswalde beginnt der Wunder schwindel wieder. Der fromme „Goniec" erzählt bereits eine ganze Reihe von wunderbaren Heilun gen. Die Jungfrau Maria ist indessen bis jetzt noch nicht erschienen. Frankreich. Aus Frankreich hört man recht saubere Ge schichten. Rocheforl's Enthüllungen haben das Resultat gehabt, daß sie überall Untersuchungen und Mittheilungen über die finanzielle Seite der tune sischen Expedition anregten. Das Verdienst, acten- mäßig den Beweis erbracht zu haben, daß Roustan seine amtliche Stellung zu einem Druck auf den Bey zu Gunsten einer privaten Finanzspeculation in der That mißbraucht hat, gebührt der radikalen „Justice." Der jüdische Deputirle Leon Renault, einer der intimsten Freunde Gambetta's, war beschul digt, dem B:y mit der Besetzung der Hauptstadt durch französische Truppen gedroht zu haben, salls er nicht zehn nach vielen Millionen rechnende Concessio- nen ertheile. Statt nun dieses zu dementiren, schickte Renault an die „Justice" ein Schreiben, worin er behauptet, er habe niemals tunesische Schuld scheine gekauft, er habe allerdings im Auftrage eines