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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 18.11.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188411181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18841118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18841118
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-11
- Tag 1884-11-18
-
Monat
1884-11
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 18.11.1884
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«terhallungS-Blalt zum „Chemnitzer Anzeiger". Unterdessen hatten die Sekundanten ihrer Pflicht obgelegen.! Sie wissen, daß ich kein Amerikaner, sondem ein Deutscher und «in Besuch eingetroffen, nachdem ein lange-, bange» Jahr seit seinem Die Distanzen waren au-gemessen, die Waffen geprüft — Alle» unversöhnlicher Feind der Gräfin Mengen bin, die mir Alle» raubte, Abschied verflossen war. bereit. ' I selbst da» Leben. Die Kugel, welche Sie gegen mich richteten, legte Fieberhast erregt war Frieda in der ganzen Zeit seine» Aufent» Der Fürst, nachdem er sein Pistol au» der Hand de» Grafen empfangen, drückte diesem warm und freundschaftlich die Rechte zum Abschied. — M Wigger», der nur einen Mord beabsichtigte, hielt «in steifes Kopfneigen gegen Herfeld für hinreichend. Im Uebrigen war sein Benehmen äußerlich tadellos. Die Gegner traten auf die Mensur und grüßten sich formell. „Avanciren!" ertönte da» Kommando durch die lautlose Stille rlngSumher. Gleichzeitig schritten Beide vorwärts bi» zur Grenzlinie — gleichzeitig erhoben Beide die Waffen .... ein flüchtig au» dem Gewölk hervo brechender Sonnenblick spiegelte sich in den blitzenden Mündungen. Mr WiggerS — mit kalter Rachelust wie die Schlange nach dem Herzen de» Feinde» zielend, seine» Erfolge» sicher, unfehlbar sicher, während der Fürst in dem entscheidenden Moment nicht an sich, sondern an die beleidigte Geliebte dachte — konnte sein schaden frohes Lächeln nur mit Mühe verbergen. Da plötzlich — welch' seltsamer Zufall! — siel ihm die Erinnerung jene» Traumbildes bei, darin da» Blei de» Gegner» ihn zu Boden gestreckt, al» er eben da» goldene Reh zu ergreifen trachtete. „Ein» -I* War er wahnsinnig, diesem Phantom Macht über sich zu gönnen? »Zwei — Drei —I* Die Schüsse krachten gleichzeitig. Pulverdampf hüllte für die nächsten Sekunden die Kampsstätte ein. Al» er sich langsam in der feuchten Luft verzog, stand der Fürst aufrecht und unversehrt da — am Boden ausgestreckt sah man den Amerikaner liegen, bewußilo» und au» einer Wunde blutend. Der Arzt kniete bei dem Verwundeten nieder und schüttelte be deutlich den Kopf. Westerwald, welcher seinem Klienten zunächst Glück gewünscht hatte, bevor er drüben Erkundigungen einzog, kehrte betroffen zürück. „ES steht schlimm! Der Doktor sagt, seine rechte Lunge müßte »othweudig verletzt sein!* Der Fürst zuckte ernst die Achseln. .Da» bedauere ich — aber Ich bereue nicht»! Hiermit ist die Sache zwischen un» abgethan! Kommen Sie, Westerwald — meine Pferd» vertragen da» lange Stehen nicht!" Während seine Equipage in fliegendem Trabe den kleinen Abhang hirumterrollte, hoben der Arzt und Baron Herseld den Verwundeten sorgsam vom Boden auf, beiteten ihn. so gut e» ging, in den ge schloffenen Wag»u und fuhren ia langsamem Schritt der Stadt wieder zu. XXll. »Wo» in meiner Macht stand, für Dich zu thun, Kora, habe ich gethao!" sagte Casimir Pawlowsky, al« er seine Wohnung wieder betrat. »Freilich vernichtete ich nur einen schmutzigen Tropfen i« Meere der öffentlichen Meinung; um dieses ganz zu klären, be- darf e» stärkerer Kräfte!" Er versank in Nachfinnen. Alle» blieb in Dunkel gehüllt, sobald e» der Polizei nicht gelang, den Fremden ausfindig zu machen, und je mehr ein Schurkenstreich desselben zu befürchten war, je weniger durfte man hoffen, seiner habhaft zu werden. Eins blieb dem Fürsten unentwirrbar, weshalb der Dieb der Busennadeln nicht lieber da» Halsband selbst anneltirt und nöthigensall» einen falschen Lerdacht auf Kora gelenkt E» war ein Labyrinth dunkler Fragen, in welche» die Logik Casimir» sich verflieg, ohne jedoch den erlösenden Faden finden zu können. Ein Diener trat ein «nd meldete den Besuch Herfelds an. »Herfeld? Ist mir willkommen! Lassen Sie den Baron ein- treten!" sagte der Fürst, froh deL Gedankenzwange» enthoben zn sein. »War bringen Sie, lieber Baron?" »Ich komme von Mr. Wiggers!" erwiederte dieser etwa» athem- lo». »Al» Ueberbringer einer Bitte —" .Mr. Wigger« und ich haben hinfür nichts mehr gemein", sagte Pawlowsky frostig »Gewiß nicht und leider aus sehr triftigen Gründen. Mr Wiggers ist einem Strickenden gleich zu achten. Die Kugel kann nicht ent fernt werden, weil die edelsten Theile in Mitleidenschaft gezogen sind und eine Verblutung unfehlbar eintreten würde. Seine Stunden find gemessen. Mr. WiggerS hat sich mit der ihm eigenen Ruhe Von dem Arzte über seinen Zustand insormiren lassen!" »Ich bedaure —" Seine Bitte geht dahin: Sie unverzüglich an sein Bett zu führen. „Mich? Wozu? Weshalb? Ich bin kein Priester für seine Sünden", rief der Fürst lebhaft, dessen Widerwille einmal unbe fiegbar war. »Doch schickte Ihre Kugel ihn in den Tod", sagte der Baron so gewichtig, als Keiner ihm je zugetraut hätte. »Noch einmal, Fürst Pawlowsky. eS ist Pflicht, den Wünschen eines Sterbenden nachzukommen. Zudem wissen Sie ja gar nicht, w»S er Ihnen auvertrauen will. Mit Kleinigkeiten gab Mr. Wiggers sich bekannt lich nie ab, ich vermuthe eher, daß e» Dinge von Wichtigkeit sind, die ihm nahe liegen!" War es diese Vorstellung oder leuchtete ihm Herfelds An- schauungSweise ein, genug, der Fürst wandte sich schweigend zur Thür, befahl Hut und Handschuhe herbeizubringen und entfernte sich mit seinem Begleiter Ueber Arthur Rybnik» Lager rauschte in der That der TodcS- fittich näher und lauter. Und dieser Mann, dessen Gewissen im Leben fühlloS und dehnbar wie einer seiner grauen Lederhandschuhe gewesen, empfand an der Pforte der Ewigkeit das, was Skeptiker schlechtweg Gewissensbisse nennen. ES ist kein Märchen, wenn der härtest gesottene Sünder unter der Scheere de» Henkers plötzlich an oas Zähneklappen und Heulen jener Prophezeiung erinnert wird, die er bi» dahin vergessen oder bespöttelt. Reue war eS nun frei lich nicht, d.e Rybnik» mühsam athmende Brust beschwerte, Reue im .christlichen Sinne, ebenso wie seine stoische Ruhe nicht auf Ergeben heit, vielmehr auf verbissenem Trotz beruhte — ja, in sein Verlangen, Kora zu rechtfertigen, mischte sich sogar eine erhebliche Dosis Haß «nd Schadenfreude gegen seine Feindin Clarissa — aber jener Ton durchziltcrt« ihn mahnend, womit der Tod den Vorhang dieser Lebens zuzieht. Als der Fürst sich seinem Bette näherte, um ihm mit Selbst überwindung die Hand zu reichen, wie» er die» Zeichen der Ver- söhnung von sich. Bitterkeit sprach au» seinem Lächeln. „Sie haben gesiegt!" Der Fürst nickte schweigend. „Ich sterbe!" Ein Wink — und sowohl der Arzt als Baron Herfeld verließen das Gemach. „Was wünschen Sie mir anzuvertrauen?'' fragte Casimir Paw lowsky, neben de» Lager Platz nehmend, um die Kräfte de» Ster- b nden zu schonen. Rybnik stockte, aber ein qualvoller, stechender Schmerz in der Brust drängte ihn gleich darauf zur Antwort. „LS kann mir gleich sein, wa» man nach meinem Tode über mich denkt. Zunächst sollen Clarissa von Mengen in den Lauf. Ich schone sie nicht " ' Haltes gewesen, ein freudige« Sichhingeben "und ein" schamhafte» Sich Eine natürliche Erregung beschleunigte den Verfall seiner Kräfte, zurückziehen wechselten in ihrem Wesen, — Julius hatte da» schlanke die Beschwerden nahmen zu und machten seine Stimme heiser. Mädchen brüderlich in seine Arme genommen und herzhaft den Mund Der Fürst, auf» Höchste überrascht durch diese Einleitung, näherte geküßt, — wie mit Blut übergossen stand Frieda dann vor ihm. sein Ohr den Lippen de» Kranken, um keinen Laut zu verlieren. > „Tante," sagte der junge Mann zu der ihn fast mütterlich be- ,,Clarissa ist die Mutter der Lumpenprinzessin," fuhr Rybnik trachtenden Msjorin, »Tante, wie groß ist Frieda geworden, und mit gepreßtem Athem fort, ,,au» ihrer ersten Ehe mit dem Maler wie angenehm, wie klug sieht sie au», — habt Ihr auch oft an Herbert Förster —" «ich gedacht, — musizirt Frieda auch noch viel?" „Still! Die Gräfin zu strafe», letz ich Kora Renard schuldig »Nichts licb-r, als da» alte schöne Adagio," meinte die würdige scheinen I" Dame, »da sitzt sie oft stundenlang; ich glaube, sie hört dann die „Sie? Meine Ahnung! Meine Ahnung!" rief der Fürst mit Violine im Traum." schmerzlichem Zorn. > — Ja, ja, sie hörte die Violine im Traum und wie aus einem »Still! Der Plan ging von mir au», aber sie wußte darum! Traume erwacht, schrak sie dann plötzlich empor Immer seltener Jener Mann, den ich dingte, ihr im Laden de» Juwelier» die lamm die Briefe; — seine Eltern starben, nachdem sie schwere Jahre Perlenschnur —" duichgemacht, Miße-nten und Theuerung — das Gut seiner Väter „Weiter, um GotteSwillen weiter," rief Casimir voller Tode»- ward verkauft, cs blieb kaum so viel über, die Schulden zu decken, angst, als er Rybnik röchelnd in die Kissen zurücksinken sah. „Noch Nun war er darauf angewiesen, aus seiner Kunst, der theuren, edlen, ein Wort, ein letztes, und Alles sei vergeben!" Er beugte sich über den Broderwerb zu machen. Wie liebevoll schrieb ihm Frieda, wie den Sterbenden und richtete ihn in seinen Armen auf. „Jener zärtlich die Majorin: „Kommen Sie zurück, lieber Sohn, eiholen Mann, wie hieß er? Wie hieß er? Den Namen noch!" Sie sich bei uns, Ihr wundes Gemüth bedarf der Ruhe, bei uns im Rybnik fuhr wild auf, seine Augen wallten unstät im Zimmer Freundeskreise werden Sie sie finden. umher. Hörte er das drängende Flehen? »Den Namen jenes Diebes?" „Brauner Fritz —" die Zunge lallte fast unverständlich — »Philipp Fuchs " Er sank schwer zurück. Der Fürst erhob sich hastig und eilte ins Nebengemach. „Er stirbt! Wo ist der Arzt?" Dieser, Herfeld und Westerwald, welcher sich inzwischen auch eingesunden halte, traten an das Lager, während der Fürst, athemb's vor Staunen, Freude und Entrüstung, unfähig war, ihnen zu folgen. Ein heiß heroorquellender Blutstrom hatte dem wunderlichen Dasein des Gesunkenen ein schnelles, sanftes Ende bereitet. (Fortfeßung folgt.) Laßt mich, Ihr Lieben," halte er geantwortet, „ich muß ar- beiten, muß mir mein Brod verdienen, — ich gehe an das Theater nach Breslau und werde dort Kapellmeister. Geht es mir gut, so sollt Ihr von mir hören. Bleib mir gut, Frieda, bleib mir gut." Das war kein Boden in Breslau für unfern armen Freund; — Erholung suchte er und Zerstreuung: beides fand er in über reichstem Maße. Sah die kleine Soubrette nicht von ferne seinem Friedchen ähn lich, auch das blonse Haar, auch der leichte Gang?! — aber von nah — nein, da mußte der holden Gespielin Bild erblassen, denn selten hatte er solchen Liebreiz gesehen Dunkle brennende Augen schienen bis auf den Grund seiner Seele zu schauen, ein Purpurmund lächelte ihn verlockend an, — und nnr zu bald war er der Ver suchung erlegen und war der reizenden kleinen Sirene völlig verfallen. Immer weiter und weiter zog sie ihn; im Traume erschienen ihm oftmals Frieda's braune, sanft blickende Augen, — schön war sie nicht, aber so gut und so klug! — O, sie wußte es wohl, wie e» in der Ferne um den verlorenen Freund stand. »Hin nach Amerika, in's goldene Land der Träume," rief die blonde Versucherin. Er folgte willig Ein kurzes Lebewohl kam da wieder in Frieda's Hände »Ich hoffe dort drüben mein Glück zu finden." schrieb er iyr, „denke meiner in Freundschaft!" Ob sie wohl dachle? — Die Mutier war gestorben. Unerfüllt Ein verfehltes Dasein. Lebensbild von B. Herwi. Nachdruck verboten. Er war der Sohn eine? vermögenden Gutsbesitzers, der sein Kind in die benachbarte Stadt gegeben hatte, damit es besser und bequemer am allgemeinen Schulunterricht thcilnehmen könnte; sie war die Tochter einer Majorin, die in demselben Hause wohnte, in dem die Pension des Knaben gelegen war. Auf dem freien Platze davor machten die Kinder Bekanntschaft mit einander. Julius hatte den ^ war ihr Wunsch geblieben, ihre theuren KindeP versorgt zu sehen; Schnceball ziemlich gedickt gerade an Friedas Wange geworfen, mit schwerem Herzen legte sie ihre Haid auf Frieda,sHaupt: „Gott ? Frieda weinte, Julius tröstete, nachher gingen sie Hand in Hand mit Dir, mein tapferes Kind, — Du wirst nie Unrechtes th«n." pazieren, erzählten sich, wie alt sie seien, wieviel Geschwister sie Im bescheidenen Heim lebten nun die Schwestern mit ihrer hätten Julius war das einzige Kind, damals schon zwölf Jahre alten Dienerin; Frieda gab Klavierunterricht und war allgemein de alt, Frieda hatte noch eine Schwester, die zwei Jahre jünger als sie liebt und geachtet. Mehr als einmal bewarben sich achtbare Männer elbst war, also sechs Jahre zählte. Von diesem Tage an nickten sie um ihre Hand, aber nimmer konnte sie sich entschließen, ihren Be- ich freundlich zu, wenn sie sich am Fenster sahen, plauderten mit Werbungen Gehör zu geben. — „Ich will unvermählt bleiben," lau einander beim Nachhausekommen aus der Schule, Frieda brachte dem tete ihre Antwort, „ich habe nicht die rechte Liebe im Herzen und Gefährten manch schönes Abziehbildchen für seine Sammlung, dafür will Niemand täuschen " half der Knabe ihr bei den DivisionSexempeln, — das Dividiren Jahre vergingen, Nicht» hatte sie von dem Verschollenen gehört, wollte nicht in ihren kleinen Kopf. Einmal erzählte er der kleinen aber oft, o, so oft eilten ihre Gedanken in die Ferne. Und Abends, Gespielin, daß er jetzt Violinenunterricht bekommen würde, — am nach des Tages Last und Mühen saß sie an ihrem Flügel und leise, Abend bat Frieda die Mutier dringend, ihr doch Klavierunterricht leise tönte das Adagio aus der 6-moII-Symphonie. Wie sagte doch zu ertheilen. Nach einem halben Jahre spielten die Kinder schon die Mutter? — sie hört im Traum die Vwline. — kleine Stückchen miteinander. Längst hatte die Schwester sie verlassen, um im eigenen Heim So ging es Jahre hindurch — sie machten Spaziergänge, und ihr Glück zu finden Frieda blieb in ihrem traulichen Zimmer, ihrer warfen sie sich auch nicht mehr mit Schneebällen, so pflückten sie vor Einsamkeit, ihren Pflichten lebend. den Thoren der Stadt Feldblumen, promenirten im Sommer am — Und ,o saß sie an einem herrlichen Sommernachmittag am Strande des Meeres, suchten Bernstein, Muscheln ; und waren es an offenen Fenster ihres Stübchens und schaute auf da» Getümmel dort langen Wintenabenden auch nicht mehr die bunten Bilder, die sie unten auf dem Platze. So wie die Kinder da umherliefen in fröh- zusammenführten, so einte die Musik sie oft Stunden hindurch. Da» lichem Spiel, so halte sie cs vor langen Jahren als fröhliches Kind , reine Freundschaftsband, das sich um die Kinderherzen schlang, ver- mit dem Gefährten gemacht, weiche Zeit lag dazwischen! ' " - - - HM Mde war sie seitdem geworden; in das blonde Haar hatten sich längst graue Fäden gemischt, um den Mund zogen sich hinderte, daß Frieda sich anleine ihrer Genossinnen cng onschloß, Julius indeß ward mehrfach abgezogen durch den Verkehr «it seinen Schul freunden. »Laß nur gut sein, Friedchen," pflegte er zu sagen, wenn er mal die Stunde des Zusammenspiels nicht einhalten konnte, „laß nur gut fein, sind wir erst verheirathet, so musiziren wir den ganzen Tag miteinander." Es stand fest bei ihm, er wurde Musiker und heirathen wollte er seine Keine Freundin. »Wer ist denn das Keine blonde Mädchen, mit dem Du gestern im Konzert warst," fragte eines Tages sein Freund Bruno, — »hübsch ist sie nicht, aber sie sieht klug ans. Ist das die Keine Majorstochter, mit der Du immer musizirst?" Fast träumend bejahte JuliuS; dann saß er lange in Gedanken. Ja warS denn so, war sie wirklich nicht hübsch, seine Frieda, — das seine Fältchen, nur das Auge zeigre seinen alten dunklen Glanz. Fast mechanisch schlossen die Finger das Schlößchen des vor ihr stehenden Nähtischchens auf. Da lagen sie, die Briefe de» Geliebten, in Päck chen geordnet, obenauf der damalige Aschiedsgruß, ehe er fortgezogen war Ob er noch lebte, ob er wohl noch ihrer dachte, ob er seine Kunst in Ehren gehalten, — nie hatte sie seinen Namen unter de« berühmten gefunden; welch' ein Jammer wäre es, wenn sein Leben ein verfehltes geworden wäre! — Die Schaaren der lustigen Kinder hatten sich verlaufen; einsam war eS auf dem Platze geworden; gleichgiltig schaute Frieda hinan», sie liebte es sonst s» sehr, in die untergehende Sonne zu schauen, liebe Mädchin mit den braunen Augen und dem blonden Haar war check schweiften die Gedanken weit ab, — da mit eine» Male fel nicht hübsch? ^ihr Blick auf die Gestalt eine» Manne», der müden Schrittes quer Aber Nug sieht sie aus, beruhigte er sich gleich wieder, wirklich über den Platz kam, — und doch — trotz der Schlaffheit des Gange», sehr klug, und sie ist es auch, o so klug, wie selten ein Mädchen wie bekannt kam er ihr vor; — jetzt hob er das Haupt, al» suchte von vierzehn Jahren. ! er an den Hänsern — was hielt seine Hand? war's nicht ein Und als er Abends im gemächlichen Stübchen der Frau Ma- Violinkasten — genau so pflegte er damals des Nachmittags daher jorin saß, die er nach lieber Kinderart noch Tante rief, — als Frieda i zu kommen, um ein Stündchen mit ihr zu musiziren. O Gott, wo ihm gegenüber mit der zierlichen Handarbeit beschäftigt war und ihm eilten ihre Gedanken hin, — welches Traumbild stellte sich ihren lieblich zulächelte, da war er denn auch wirklich ganz einig mit sich Blicken dar; aber nun — er kommt näher. — Barmherziger Gott, geworden: Nein, hübsch ist sie nicht, aber klug sieht sie aus I j er ist'», er ist's, Julius, der stets geliebte, schwer vermißte, nun tritt »Geht- also wirklich noch in dieser Woche fort, lieber Julius," er in das Haus, sie springt auf von ihrem Sitz, hinaus zur Stube, fragte die Majorin. Er fuhr auf wie au» tiefem Sinnen. die Treppe hinab und unten im Flur — eben tritt er rin — ruft »Gewiß, liebe Tante, nun nahen die letzten Tage unsres Zu- sie aus überfluthetem Herzen: »Julius, mein lieber, lieber JuliuS, sammenseins, Ende der Woche kommt der Vater vom Gut herein und bist Du da, — bist Du endlich da?" — Ihr Haupt lehnt an seiner bringt mich an da» Konservatorium nach Leipzig. Er crsüllt meine Schulter, fast bewußtlos schloß sie die Augen, die Ueberraschung war Bitte, mich ganz der Musik widmen zu dürfen, nur ungern, das weiß zu groß gewesen Da perlten heiße Tropfen auf ihre Wangen und ich; denn er hätte mich gern als Jurist oder als Arzt gesehen, aber die liebe, ach so müde Stimme sagte: er will meinem Herzenswunsch auch nicht ganz ablehnend gegenüber „Frieda, Du treue, liebe Frieda" stehen Durch die sechs Lieder, die ich der Mutter zum Geburtstag Dann saßen sie oben in ihrem Zimmer, sie sprachen wenig; er komponirt babe, hat sich sein geringer Glaube an mein Talent ein brauchte nicht zu erzählen, denn sie las die Enttäuschungen, die Ent- wenig gekrästigt, und zur Belohnung, daß ich mein Examen nun so behrungen aus seinem gramerfülltcn Antlitz; sie sorgte um ihn wie gut bestanden, will er mich jetzt selbst in den neuen Wirkungskreis eine treue Schwester, liebevoll befreite sie die Geige von ihrer Um einführen. Glaub nur, kleine Frieda, cs hat Bitten genug gekostet, und eine Menge Tinte ist verbraucht worden, ehe mein guter Vater das von mir so ersehnte »ich komme" gischrieben hat." „Aber Du bist so einst, mein Friedchen, — komm, mach wirs nicht schwer, — laß uns noch einmal unser schönes Adagio au» dem 0 rnoll spielen, und dann, wenn ich fort bin, dann übst Du fleißig, und wenn ich wi. derkomme, o da sollst Du Freude erleben an Deinem Jugendfreunde, da wollen wir zusammen musiziren, daß cs eine Wonne sein wird." — Herrlich tönten die beiden Instrumente in einander; eine» fügte sich liebevoll dem andern und aus dem Wehklagen der Sailen tönte ein innige-, warmes, tief empfuudcneS Abschiedswort. Jahre waren vergangen. Anfang» wohl, da kam n regelmäßig Briefe von dem jungen Musiker, Briefe, die von dem hochwogcndcn musikalischen Leben der Musikstadt überströmten, die von der interessanten Geselligkeit nicht genug erzählen konnten. Einmal war er selbst zum hüllung und strich mit der sanften Hand darüberhin „Du hältst das Einzige in Händen, was mir von allem Guten übrig geblieben", sagte er leise, »Deine Freundschaft und die Geige, lange Hab' ich sie nicht berührt". Er nahm sie au- ihren Händen, probte die Saiten und begann die alte liebe Weise, ihr Adagio. Längst saß Frieda am Klavier und begleitete tief ergriffen das wehmüthige Spiel. Ach, seine Hand hatte nicht mehr die alte Kraft, gebrochen klangen die Töne, sie sangen ein traurige- Lied von einem vertrauensvollen Menschenkind, das sein Bestes hingcgebeu hatte, um grausam enttäuscht und verrathen zu werden. Ja. die Kraft war zu Ende, der Wurm nagte an der Seele wie am Körper; — keine treue Sorge konnte dem schleichenden Feinde Einhalt thun und als die letzten Herbstblätter sielen, da schlossen sich auch die müden Augen, deren letzter dankender Blick der treuen Gefährtin seiner glücklichen Jugend galt. — Zwei Heiligthümer sind der alten Einsamen geblieben» sein Grab und seine Geige O, wie wahrt sie diese Heiligthümer! Verantwortlicher Bebakte«: vr. xdll. Q. Müller in Chemnitz- — Druck und Verlag von Alexander Wiede in Chemnitz.
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