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Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich I Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. —— Amtsblatt für den L-tadtrath zu Waldenburg. 24«. ^Waldenburg, 22. October 188t. Das Programm unseres Reichtags candidaten. In einem Schreiben theilt uns Herr Ritterguts besitzer und Fabrikant L. Leuschner in Glauchau sein politisches Programm mit, nach welchem er bei seiner eventuellen Wahl unseren Wahlkreis im Reichstage zu vertreten gedenkt. Das Schreiben lautet: Im Anschlusse an meine Erklärung vom 3. Sep tember gebe ich auf Wunsch folgende Erläuterung, we'che ich bereits den Vertretern verschiedener Ver eine des Wahlkreises ausgesprochen habe. Wenn ich auch die Verdienste des Fürsten Reichs kanzlers, zumal in der äußeren Politik voll und ganz anerkenne und würdige und den von demsel ben jetzt angestreblen Reformen auf wirlhschafllichen und socialem Gebiete im Wesentlichen zustimme, so halte ich mich doch keineswegs der Verpflichtung, jede Vorlage der Reichsregierung ernst und gewissen haft zu prüfen und nach eigner Ueberzeugung darnach zu stimmen, für überhoben. Im Einzelnen bin ich der Meinung, daß die Wehrpflicht des Reiches, das uns schützt, unbedingt erhalten bleibt, daß das Handwerk nach Möglich keit gekräfligl werde, wozu die Bildung von Jn- nungsverbänden, Anordnung von Lehrlingsprüfun gen, obligatorische Führung von Arbeitsbüchern ohne Rücksicht auf das Alter angemessen erscheint, daß der Landwirthschuft durch eine gerechte, die der- malige Bevorzugung des mobilen Besitzes ausglei- chende Gesetzgebung aufgeholfen werde und daß des halb auch der Zolltarif forstbestehe, bis man seine Wirkung ganz übersehen kann; und ich bin vor Allem für ein Unfallversicherungs-Gesetz, das aus giebig wirkt, und sich auf alle Berufsclassen erstreckt, und könnte dasselbe auf Alters- und Jnvaliden-Versicherung ausgedehnt werden, so würde ich ebenfalls dafür sein; indeß bin ich gegen das Tabaksmonopol, weil eine hochent wickelte Industrie dadurch zerstört würde, und ich bin gegen polizeiliche Beschränkung der Auswanderung. Ich würde mir vorbehalten, in jedem einzelnen Falle und nur nach gewissenhafter Prüfung von Negierungs-Vorlagen und deren Motiven mich nach eigenem Urtheile zu entscheiden. L. Leuschner. *Waldenburg, 22. October 1881 Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Neichs-Pensions-Fond für das Etatsjahr 1882/83 erfordert eine Ausgabe von 19 Millionen Mark (gegen 18^/» Millionen im laufenden Jahre), wovon 18'/4 Millionen (gegen 16^/s) allein auf die Verwaltung des Neichsheeres kommen, und zwar auf Preußen 16^/s Millionen, auf Sachsen 635,349 Mark (gegen 888,763 Mark), auf Württemberg Millionen. Unter den Militärpensionären befinden sich in Sachsen 4 Generale, 4 Generalleutnants und 9 Generalmajors (in Preußen 200!). Der vor Kurzem erkrankte Oberst-Lieutenant und Commandeur des Garde-Kürassier-Negiments Graf Arnim-Zichow, Flügel-Adjutant Sr. Maj. des Königs ist in der Nacht zum 21. d. gestorben, Graf Arnim befand sich noch in dem besten Mannesalter von 49 Jahren und fungirte seit dem 1. Januar 1876 als dienstthuender Flügel-Adjutant Sr. Maj. des Kaisers, als welcher er den hohen Herrn viel fach auf seinen Reisen begleitete. Auch bei dem schändlichen Attentat Nobiling befand sich der Ver Sormtng, den 23. October storbene im Dienst und an der Seite Sr. Majestät des Kaisers; der hohe Herr hatte zu dem Verstorbe nen eine besondere Zuneigung und wird ihm die Todesnachricht, die heut früh nach Baden-Baden per Telegraph übermittelt wurde, schmerzlich berührt haben. Der Kronprinz, dem die Trauernachricht heut früh gleichfalls telegraphisch gesendet wurde, traf noch im Laufe der Mittagsstunde in dem Trauerhause ein, um der trauernden Gattin, einer geborenen Gräfin zu Solms-Sonnenwalde sein Bei leid auszudrücken. In Wiesbaden ist dem fortschrittlichen Reichs tags-Candidaten Schulze-Delitzsch von der conser- vativen Partei der bekannte Contre-Admiral Wer ner gegenübergestellt worden. Da man in Wies baden annahm, daß der Reichskanzler die Wahl des letzteren nicht gern sehe, so erfolgte eine An frage, und die Antwort des Fürsten Bismarck lau tete dahin, daß er dessen Mitwirkung für die Ent wickelung der deutschen Flotte als eine sehr wich tige erachte. Von unerledigt gebliebenen Vorlagen, die dem preußischen Landtage in seiner bevorstehenden Session wieder zugehen sollen, werden unter anderen genannt: Der Entwurf, betreffend die Einsetzung von Bezirkseisenbahnräthen und eines Landeisenbahn raths, der Entwurf über die Befugnisse der Strom bauverwaltung und der Entwurf, betreffend tue Erwerbung der Rhein-Nahebahn. Der Etat über den Reichs-Jnvalidenfonds für 1882/83 beziffert die Gesammi-Ausgabe auf 30,129,567 Mk., 941,777 Mk. weniger als im Vorjahre. Zur Deckung dieser Summe finden zu nächst die Zinsen im Betrage von 22,481,057 Mk. Verwendung; es ist demnach tin Capitalzuschuß von 7,648,510 Mk. (543,961 Mk. weniger als im Vor jahre) erforderlich. Wie verlautet, wird zur Deckung der Kosten für die Weltausstellung in Melbourne noch eine Nachforderung nothwendig sein. Die im Etat von 1880/81 ausgeworfenen 300,000 Mark haben nicht zngelangt. Die Conservativen wollen, daß ein neuer Geist unser ganzes öffentliches Leben durchdringe. Sie protestiren dagegen, daß man die mächtige Regung der Zeit auf das Gebiet der Budgetfragen und juristischen Streitfragen einenge. In diesem Sinne sagt der conservative „Neichsbote": „Es wird eine der größten Aufgaben der zu schaf fenden Organisationen sein, gute Zucht, Ordnung, Regsamkeit, gewerbliche Tüchtigkeit zu pflegen, und der Staat wird sie darin zu unterstützen haben. Es gehört große theoretische Verblendung dazu, um auch für die Schnaps- und Bierkneipen wie für den Schacher- und Wucherhandel unbeschränkte Gewerbe freiheit zu verlangen, Fast ebensogut könnte man sie für Diebe und Räuber verlangen und dem Publikum sagen: Ihr braucht euch ja euer Geld nicht stehlen zu lassen, wie man dort ihm sagte: Warum seid ihr so dumm und laßt euch bewuchern oder warum kauft und trinkt ihr den Schnaps? Die Gesetzgebung muß die Menschen nehmen wie sie sind, muß also auch ihre Verführbarkeit in Be tracht ziehen und darf deshalb die Anstalten zur Verführung des Volkes nicht geradezu legitimiren. Sie muß vielmehr dafür sorgen, daß der Wirlhs- hausbummelei, der Verlotterung des Sonntags und dem ausbeulenden Wuchergeschäft energisch gewehrt, daß ferner ernstlich darauf gehalten werde, daß die Schulen wirkliche religiös-sittliche Erziehungsanstalten seien, daß der sittlichen Verwilderung der Presse und der Theater gesteuert, daß endlich Alles gestärkt und gepflegt werde, was zur technischen wie geisti gen Ausbildung der Arbeiter dienen kann. Soll 1881. die Arbeit und Landwirthschaft tüchtig, concurrenz- fähig und rentabel werden, so gehören dazu tüchtige Arbeiter und Bauern, die Kopf und Herz auf dem richtigen Fleck haben, nicht durch schlechte Zeitungen, Schacherjuden und Schnapskneip n religiös, sittlich und wirthschaftlich verlottert sind, deshalb muß der wirthschaftliche Aufschwung durch einen sittlichen Aufschwung erst seine rechte gesunde Schwungkraft erhalten." Die liberale Mehrheit des Magistrats in Koblenz Hal den Antrag auf Befliggung und Beleuchtung der öffentlichen Gebäude gelegentlich des feierlichen Einzuges des Bischofs von Trier, Or. Korum, in Koblenz abgelehnt. Desgleichen hat der Magist rat der freiwilligen Feuerwehr die Anlegung der städtischen Uniform bei der Betheiligung an Lem Fackelzug verboten. Oesterreich. Der Besuch des Königs von Italien ist auf den 27. d. festgesetzt. Man glaubt, daß König Humbert auch dem König von Sachsen einen Besuch abstatlen werde. Der Kaiser empfing am 20. d. in Ösen den Grafen Andrassy. Seine Berufung dürfte mit der Besetzung des Postens des Ministers des Aeußern zusammenhängen, wiewohl man glaubt, daß Andrassy im gegenwärtigen Momente nicht nach dem Porte feuille strebt. Die Wiener „Abendpost" schreibt: Die Befrie digung, womit die Nachricht des bevorstehenden Zusammentreffens der Souveräne Oesterreich- Ungarns und Italiens ausgenommen wird, ist eine allseitige und erklärliche. Die Erkenntniß ist eben allgemein, daß durch jede Verbreitung, welche die Grundlage des intimen Verhältnisses der Mo narchen Oesterreichs und Deutschlands erfährt, durch jede Erweiterung des Kreises Jener, die sich den Prinzipien anschließen, von welchen dieses freund schaftliche Verhältniß getragen ist, sich auch die Friedensbürgschaften, welche dasselbe bietet, erhöhen und befestigen. Frankreich. Die Wuth der Radikalen gegen Gambetta steigt von Tag zu Tag. Die Drohung der „Re- publique srantzaise", daß wenn die Massenkund gebungen nicht unterblieben, mit Waffengewalt gegen die Excedenten eingeschritten werden solle, wird so aufgefaßt, als ob sich Gambetta ein und für allemal von seinen alten Freunden abwende. Wie es heißt sollen die Demonstrationen nicht unterbleiben, son dern am nächsten Sonntag in Scene gehen. Even tuell kommt es also schon bald in der fortschritt lichen Republik Frankreich zu Straßenkämpfen. Nach ihnen aber die Säbelherrschaft. Die Mitgift des Fräuleins Grövy, der Tochter des Präsidenten der französischen Republik, wird 3 Millionen Francs betragen. England. Aus London wird dem „Pester Lloyd" der Text eines Schreibens mitgetheilt, welches der bekannte türkische Admiral Hobard Pascha nach England gerichtet hat, und welches die Auffassung kennzeichnet, die in Konstantinopel über das Verhallen Eng lands und Frankreichs in der ägyptischen Affaire gehegt wird. Der Briefsteller findet die Haltung der Westmächte in der Sache so ungerechtfertigt, wie beklagenswerth. Frankreich habe wahrlich ge nug in Tunis zu thun; die Republik sollte also wohl zurückschrecken vor der Gefahr einer neuen Abd el-Kader-Affaire, die sie sich aufbürde und ihrer Bevölkerung gingen in der That bereits die Augen auf ob der Thorheit ihrer überstürzten und unklugen Aclion in Afrika. Und England, das um Aegyp tens willen nervös alarmirt, vielleicht auch etwas