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habe. Bezüglich der Entschädigungsfrage führt es die neulich von Wagner angegebene Summe von 130 Millionen an und tröstet die etwa klagenden Industriellen und Händler damit, daß im Laufe der Geschichte schon ganz andere weit mächtigere und zahlreichere Berufsklaffen ihre Interessen dem Staats wohl zum Opfer hätten bringen müssen, als die Tabakfabrikanten und Händler Deutschlands es seien. Schließlich findet das Blatt, daß die Opposition gegen das Monopol nur „parlamentarisch-politischer Natur" sei, weil nach dessen Einführung die Regie rung nicht mehr behufs Erschließung neuer Steuer quellen von den, wenigstens im bisherigen Reichstage, wechselnden Majoritäten und dem Einflüsse der Parlamentsredner abhängig sei. Darum fürchteten — schließt das Blatt — die fortschrittlichen Führer und ihr Anhang für ihr Ansehen im Reichstage und für ihre Lebensstellung, und das sei der „einzige Grund," weshalb sie das Monopol mit allen Mit teln bekämpften. Das gouvernementale Organ macht sich seine Sache sehr leicht; trotzdem können die Gegner des Monopols für die Offenheit dankbar sein, mit welcher die „Nordd. Allg. Ztg." ankündigt, daß der Reichstag gewissermaßen auf den Altentheil gesetzt wird, wenn der Reichskanzler das Monopol in den Händen hat. Die Generalversammlung der Rhein-Nahe- Bahn hat eine aus Hesdörffer (Frankfurt), Köster (Frankfurt) und Slöck (Kreuznach) bestehende Com mission gewählt, welche wegen Ankaufs der Bahn mit der Regierung verhandeln und das Ergebniß der Verhandlungen der neu einzuberufenden Ver sammlung mittheilen soll. Oesterreich. Der amerikanische Gesandte Phleps in Wien hat dem Staatsdepartement in Washington seine Entlassung gegeben, da er nur aus persönlicher Freundschaft für Garfield den Wiener Posten über nommen hatte. Frankreich. Rocheforts Enthüllungen über die Speculation Roustan-Gambettas in tunesischen Staatsschuldschei nen erregen in Paris ungeheures Aussehen, denn es steht fest, daß ihm das Material von einem früheren Consulatsbeamten geliefert worden ist, den der Minister des Auswärtigen von seinem Posten abberufen hat. Allerdings flößen weder Rochefort noch der abgesetzte Consul Vertrauen ein, aber ebenso wenig ist Gambetta, der vielfache Millionen mann und frühere arme Schlucker, und Challe- mel-Lacour, der als Chefredacteur der „Republique franhaise", die tunesischen Finanzen im Jahre 1875 und 1876 systematisch schlecht machte, damit die tunesischen Papiere billiger wurden, über allen Ver dacht erhaben. Gambetta hat ja noch nicht seine Kriegsrechnung abgelegt und Lacour ist selbst ge richtlich zum Schadenersatz für widerrechtliches Ver fahren verurtheilt worden. Vergebens werden die Gambettisten diesmal über den Lügner Rochefort die Achseln zucken. Tausende von Vätern sehen ihre Söhne in Afrika in einem Kampfe, der, laut Roche fort, nur von Gambetta behufs Ausnützung der in seinem Besitze befindlichen tunesischen Staatsschuld scheine angesacht worden ist. Die äußerste Linke Feuilleton. Die Brandstifterin. Kriminalnovelle von Andr6 Kugo. (Fortsetzung.) Er bildete sich nämlich ein, daß die Wenigsten der mit ihm Verkehrenden Kenntniß von dem Dasein dieser Haarknüpferei haben. Die ersten Gläser waren schnell in den Tiefen seines Inneren verschwunden. Wohlthuende Wärme muß ein echtes gutes bairisches Bier verbreiten, wenn es auf seine Güte stolz sein will. Das heute von dem Herrn Amtsrichter genossene mußte diese Eigen schaft in erhöhtem Maße besitzen, denn seine Wangen färbten sich während der Unterhaltung immer röther und er bedauerte es daher lebhaft, daß man heute nach seiner Ansicht ungewöhnlich bald aufbrach. Frau Vester ließ es sich nicht nehmen die „Herren" zu bedienen, während ihr Gatte in der großen Wirlhsstube den „Bürgern" das edle Naß kredenzte. Als sie den Herrn Amtsrichter allein am Tische des „Herrenstübchens" sitzen sah, konnte sie doch nicht anders umhin, als ihm Gesellschaft zu leisten. Auch sie brachte sich ein Glas Bier mit und begann ein leichtes Tagesgespräch mit dem verbliebenen Gast. Mit der ihr eigenen Schlauheit wußte sie das Ge spräch auf das Feuer und mithin auf die Kirch- ner'schen Eheleute zu lenken. Hierbei war sie dem Hagestolz näher und näher gerückt. Amtsrichter Schäfer sah über die starke goldene Brille mehr als einmal hinweg. Kam es ihm nur so vor oder lagerte heute über der kleinen dicken wird selbstverständlich die Anklage in der Kammer zur Sprache bringen und dann giebt es Skandal. England. Während der vergangenen Woche wurden 25 Schiffbrüche angemeldet, worunter sich 10 britische (incl. ein Dampfer) befanden. Hiernach stellt sich die Gesammtzahl der Schiffbrüche für das laufende Jahr auf 1182 oder 186 mehr als in demselben Zeitraum des vorigen Jahres. Der annähernde Werth des verloren gegangenen Eigenthums betrug 4,700,000 Pfund Sterling, darunter, 2,200,000 britisches. Drei Fahrzeuge gingen an den Küsten des Vereinigten Königreiches zu Grunde, drei wur den auf hoher See verlassen, drei durch Feuer ver nichtet und eins sank infolge einer Collision. Die Staatseinkünfte Englands betrugen in dem abgelaufenen Quartale 18,134,527 Pfund Sterling oder 1,121,085 Pfund Sterling mehr als im 3. Quartal 1880. Rußland. Die Nihilisten rühren sich wieder. Von der „Narodnaja Wolja" ist eine neue Nummer erschie nen. Sie bringt folgende Mittheilungen: „Die Parteigenossen werden zu größter Vorsicht aufgefor dert, da der neue Polizeichef gewanvter ist als sein Vorgänger und erfahrener im Ausfinden der Unseri gen. Die Adressen bleiben dieselben (es sind wohl die den Parteigenossen bekannten Adressen für Zu sammenkünfte gemeint), die Erkennungszeichen auf Briefen sollen dagegen fortgelassen werden, weil es - den Anschein hat, als ob die Polizei sie kenne. Das Petersburger Comitö der Propaganda wird aufgelöst, ebenso das Petersburger Executiv-Comil«, desgleichen das Haupt-Comitv für Rußland. (Hiermit scheint jedoch eine Irreführung der Behörden beabsichtigt zu sein.) Der Czar wird sparsam. Auf Befehl des Kaisers Alexander III. werden nicht weniger als siebzehn kaiserliche Schlösser, welche sich in ver schiedenen Orten Rußlands befinden, ausgelassen und zu wohlthätigen oder Erziehungs-Anstalten umgewandelt werden. Unter diesen Schlössern be finden sich auch die Schlösser Livadia in der Krim, Belvedere in Warschau, Lazienki ebenfalls in War schau, Kraßnosselski Dworez in Kraßnoje, Selo, Slavianka bei Palowsk und andere. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 3. October. Die von den Conser- vativen vorgeschlagene ReichstagS-Candidatur des Fabrikanten und Rittergutsbesitzers Leuschner zu Glauchau ist in einer in Härtels Hotel in Meerane gestern abgehaltenen Delegirtenversammlung auch von den Liberalen angenommen worden. Diese Thatsache ist um so erfreulicher und die von den Liberalen bekundete Mäßigung um so dankens- werther, als es nunmehr möglich geworden ist, dem 17. Reichstags-Wahlkreis einen Mann zu präsen- tiren, der im Principe der Schutzzollpolitik des Reichskanzlers zustimmt und die von den verbünde ten Regierungen angestrebte wirthschaftliche Reform zu fördern bestrebt sein wird. Insbesondere hat Herr Leuschner auch bei Gelegenheit der Entwicke Wirthin wirklich ein eigener Zauber? Es mußte das Letztere der Fall sein, denn sie trug wie ge wöhnlich das am Halse enganschließende und dort mit einer kleinen weißen Krause verbrämte dunkele Oberkleid, dessen Schlußtheile mit einem einfachen, aus gediegenem Gold gearbeiteten Goldblatte zu sammengehalten wurden. Das tiefnußbraune Haar war wie immer wellig gescheitelt und auch sonst zeigten sich keine besonderen Merkmale an derKleidung. Daß sich der Herr Amtsrichter diese Fragen vor legte, wußte Frau Vester nur zu gut, wenn sie ihren berechneten Augenaufschlag nach dem vor ihr Sitzenden gleiten und diesen in ihre verlangenden Augensterne bücken ließ. Das ursprünglich laut geführte Gespräch näherte sich mehr und mehr dem Flüstertöne, als sie ihre weiche Hand vertraulich auf das Knie des Amts richters legte und sie mit zündendem Blick in dem be gonnenen Gespräche fortfuhr: „Allgemein wundert man sich nur darüber, daß die Untersuchung gegen Kirchners eingestellt ist." „Sie wissen also?" fragte der Amtsrichter. „Alles, mein guter Herr Schäfer", entgegnete sie mit einem verständnißvollen Augenblinzeln. „Aber woher können Sie etwas erfahren haben?" „Nun, die Wände haben nicht nur in der Wirlhs stube, sondern auch auf dem Gerichte Ohren." „Ist mir rein unerklärlich." Ein überlegenes, verschmitztes Lächeln glitt über das Gesicht der Wirthin. „Sie hatten ganz Recht, Herr Doctor, wenn Sie der hergelaufenen Vettel die Wahrheit ordentlich ins Gesicht gesagt haben. Leid thut mir cs nur, daß lung seine» politischen Programm« hervorgehoben, daß er die Bestrebungen der verbündeten Regie rungen, ein neue» und besseres, den Arbeitern gün stigeres Unfallversicherungs- und Arbeiterinvaliden- Versorgungsgesetz zu schaffen, energisch unterstützen werde, und zwar werde er dafür wirken, daß jene zu schaffende Versicherungsanstalt der Verwaltung des Reiches entweder, oder aber der Einzelstaaten anvertraut werde, nicht aber Actiengesellschaften. Wir werden bei Gelegenheit auf das Leuschner'sche Programm zurückkommen. Heute wollen wir nur die Hoffnung aussprechen, daß Herr Leuschner, ein ganzer Mann und ein ganzer Mensch, der immer ein warmes Herz und eine offene Hand für Arme und Bedrückte gehabt hat, der als wahrhaft prakti- tischer Mann die Ursache des wirthschaftUchen Marasmus unseres armen Volkes genau erkannt hat, gewählt werden möge. Wir meinen, daß die Arbeiter keinem Bessern ihre Stimme geben können. *— Der Zitherspieler Papkoy aus Wien, welcher morgen Dienstag Abend im Schönburger Hof hier ein Concert geben wird, soll Erstaunliches auf seinem Instrument leisten und ist sonach ein genußreicher Abend zu erwarten. — Auch beim Schluss« des zweiten Bestand jahres der am 1. October 1879 in Zwickau eröff neten Herberge zur Heimath war eine nicht unerhebliche Steigerung dec Zahl der Herbergsgäste zu verzeichnen. Während im ersten Bestandjahre die Zahl der Herbergsgäste sich auf 4587 belief, fanden im zweiten Bestandjahre 5287 Gäste Übernacht in der Herberge Aufnahme. Aus dem Sachsenlaude. — Der Empfang unseres Königs bei der An kunft in Wien (1. Oct.) wahr sehr feierlich. Auf dem geschmückten Perron des Nordwestbahnhofes hatten sich außer dem sächsischen Gesandten von Helldorf der Statthalter von Niederösterreich, von Possinger, der Landescommandirende Frhr. von Philippovic, die Feldmarschallleutnants Frhr. von Jovanivic und Monde, der Polizeipräsident von Wien, Ritter von Marx und viele andere hohe Be amte eingefunden. Eine Ehrencompagnie vom Jnf.-Reg. Wilhelm III., König der Niederlande, war mit Fahne und Musikkapelle ausmarschirt. Se. Maj. Kaiser Franz Joseph, welcher über der Mar schallsuniform das Band des Großkreuzea vo n sächsischen Albrechtsorden, trug begrüßte den wenige Minuten vor 9 Uhr eintreffenden König Albert aufs Herzlichste. Se. Maj. der König nahm zu Rechten des Kaisers die Parade über die zu seinem Empfange ausgerückte Ehrencompagnie ab; die Kapelle spielte dabei die sächsische Volkshymn". Darauf fuhren die Majestäten in offener Equipage nach Schönbrunn, wo in der kleinen Galerie nachmittags zu Ehren unseres Königs Galadiner stattfand. Die Abfahrt zu den Jagden in Steiermark erfolgte am Sonntage. — Mit dem 1. October sind es 25 Jahre, daß das auf Mündlichkeit und Oeffentlichkeit gegründete Strafverfahren und die dadurch bedingt gewesene Behördenorganisation im Königreich Sachsen ins Leben trat. Die erste öffentliche mündliche Haupt- Sie sich durch die Schauspielerin haben blenden lassen . . . ." „So kennen Sie auch das Aktenmaterial?" Dieser Ausdruck war ihr fremd. Eben wollte sie eine diesbezügliche Frage an den Juristen stellen, als sich ihr instinktiv der Gedanke aufdrängte, daß in den Akten etwas die Kirchner Compromittirendes enthalten sein müsse. „Thkilweise ja — doch ist da» durchaus kein Geheimniß. Eine Verwandte von mir hat viel in dem Hause in Berlin verkehrt, i» dem die Kirchner gewohnt hat, ehe sie nach unserer Stadt kam. Unter uns gesagt, Herr Amtsrichter, gewundert habe ich mich, daß man dem Kirchner die Erlaubniß zur Verheirathung mit dieser — dieser na, ich will es lieber nicht sagen — gegeben hat." „Jh auch", bestätigte der Amtsrichter, „wenn ich auch der Meinung bin, daß Kinder sür ihre Eltern nichts können." „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme." „Das habe ich mir allerdings auch gesagt, aber man hat dem Allen damals nichts beweisen können, und so mußte er von dem Verdachte der Brand stiftung wegen mangelnder Beweise freigesprochen werden." Die Hand der Wirthin zitterte vor Aufregung, als sie diese Worte hörte. Um ihre Aufregung mehr zu verbergen, nahm sie ihr Glas und entnahm demselben, nachdem sie mit verlockendem Blick ihren Gast angesehen, einen tüchtigen Schluck. „Die Schlechtigkeit hat sich auf die Kinder vererbt." „Leider." (Fortsetzung folgt.)