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WntmM TlinMU Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 24. September 221. 1881. Bekanntmachung, die Reichstagswahl betr. Die für die bevorstehende Reichstagswahl aufgestellte Wählerliste für die Ttadt Waldeuburg, welche einschließlich der exemten, in der Stadt- stur gelegenen Grundstücke der Herrschaft Waldenburg einen einzigen Wahlbe zirk bildet, liegt vom S8. dieses Monats an zu Jedermanns Einsicht in der hiesigen Rathsexpedition aus. Unter Bezugnahme auf A 8 des Wahlgesetzes für den Reichstag vom 31. Mai 1869 und § 3 des zur Ausführung dieses Gesetzes unterm 28. Mai 1870 erlassenen Reglements wird solches hierdurch bekannt gemacht und besonders darauf hingewiesen, daß etwaige Einsprachen gegen diese Liste binnen 8 Tagen nach Beginn der Auslegung bei dem unterzeichneten Stadtrathe anzubringen sind und daß nur Diejenigen zur Theilnahme an der Wahl berechtigt sind, welche in der Wählerliste verzeichnet stehen. Waldenburg, am 21. September 1881. Der Stadtrath. I. V. Limmer, Stadtrath. Rr. "Waldenburg, 23. September 1881. Ein Absagebrief. In Rom hat sich, wie wir bereits mitgetheilt haben, ein Ereigniß vollzogen, welches daselbst das größte Aufsehen erregt; der römische Priester Graf Campello, Domherr der Peterskirche in Rom, ist nämlich zur reformirten Melhodistengemeinde über getreten. Nie in Rom ist ein so hoher Würdenträger unter den Augen des Papstes der römisch-katholischen Kirche abtrünnig geworden. Tags zuvor wurde Campello zum Papste beschieden, welcher ihn ver gebens von seinem Vorhaben abzubringen versuchte. Campello, der 40 Jahre alt ist, gehört einem alten Adelsgeschlechte in Spoleto an. Seine Brüder sind Offiziere in der päpstlichen Nobelgarde. Ein Enkel mar Kriegsminister unter Pius. Ein anderer Campello war italienischer Minister des Aeußeren unter dem Cabinet Ratazzi im Jahre 1867. Im Valican herrscht die größte Verstimmung wegen des Eindrucks dieses Ereignisses im Auslände. In Nom geht das Gerücht von dem Uebertritt noch zweier Domherren der Peterskirche zum Protestantismus. Die päpstliche „Voce della VeritL" zeigt den Ueber- tritl Campello's kurz an und beklagt den Apostaten, aber nicht die Kirche, welche dennoch fortlebe, zumal sie schon bedeutendere Männer als Campello ver loren habe. Graf Paul Campello, das ultramontane Oberhaupt der Familie, veröffenlicht einen Schmäh brief, worin er bedauert, daß der Domherr den Familiennamen in den Koth zog, obgleich der Apostat persönlich charakterlos sei. Dann bezeichnet der Brief den Uebertritt des Domherrn als Heuchelei, da derselbe erwiesenermaßen keinerlei religiöse Ueber- zeugung besitze. Der Absagebrief des Grafen Campello, der an Campello's Vorgesetzten, den Cardinal Barromeo, gerichtet ist, hat folgenden Wortlaut: „Ehrwürdige Eminenz! Bereits in den letzten Lebensjahren Pius IX. wollte ich schon den jetzigen Brief schrei ben. Die Rücksicht auf den hochbejahrten Mann und meine persönliche Dankbarkeit gegen denselben verhinderten die Ausführung meiner Absicht. Als Pecci Papst wurde, hoffte man eine bessere Zukunft für die Kirche und das Vaterland. Die Hoffnung wurde getäuscht. Ich folge heute meiner unwider stehlichen Pflicht als Christ und Bürger. Das Ge wissen verbietet mir, länger einer Institution anzu gehören, welche ihre Priester von der bürgerlichen Gesellschaft wie eine indische Kaste trennt. Die jüngste gegen Curcis Buch geschleuderte Verdam mung, welche gleichzeitig jede auf den neuen Papst gesetzte Hoffnung vernichtete, bewies, daß der Par- teihaß in der Kirche unversöhnlich ist, trotzdem die Geschichte lehrt, daß solche Verdammungen weit mehr den Richter als den Verurtheilten treffen, dem sie vielmehr zur Ehre gereichen. Solche Dinge beweisen aber, daß die Kirche zum schlimm sten aller Tyrannen wurde, welcher, nicht zu frieden mit einfachem Stillschweigen, die Stimme der Verfolgten zu ersticken versucht, seitdem die Zeiten nicht mehr gestalten, die Klagen in Todes röcheln für immer zu beseitigen. Die neusten Ver dammungen beweisen zur Evidenz, baß der Jahr hunderte lange Streit nie aufhören wird, daß jede Versöhnung zwischen Kirche und Staat, wie dieselbe j jedem ehrlichen Bürger und Christen vorschwebt, - unmöglich ist. Wenn also eine Versöhnung un- I möglich ist wegen der Hartnäckigkeit des Hauptes > des Katholizismus, einer Hartnäckigkeit, auferlegt ! von dem System, welches die Lehre Christi mit I maßloser Habsucht ausbeutet, wenn wegen Mangels an triftigen Gründen die Priesterschaft den Kampf fortsetzt aus Eigensinn, ohne Rücksicht auf das sociale Unheil, welches dadurch augerichtet wird, ohne Be- dachtnahme auf die Niederlage der christlichen Idee, welche dadurch herbeigeführt wird, so muß man er klären, daß solche Blindheit seinesgleichen nur im Judaismus wiederfindet. Das beweist die letzte Allokation Leo's XIII., ein Gemisch von Heuchelei und Uebertreibung, durch welche man Italien im eigenen Sturz mit in den Abgrund ziehen wollte, um solcher Weise die langersehnte Herstellung der weltlichen Herrschaft herbeizuführen. Die Erkennt- niß dieser Sachlage benahm mir meine bisherigen Vorurtheile. Ich verlasse deshalb die Reihen des römischen Klerus, um von heute ab in jenen des reinen unverfälschten Evangeliums Christi zu kämpfen, getreu meinen Gelübden, zur Beruhigung meines Gewissens, damit ich mit freier Stirn ohneHeuchelei als Christ und als italienischer Bürger ohne die Maske des Vaterlandsverräthers bekennen kann. Euer Eminenz werden meinen Entschluß nicht unlauteren Motiven, nicht etwa unbefriedigtem Ehrgeiz, nicht der Rache für erlittene Unblll zuschreiben. Ich habe keine Kla gen gegen meine bisherigen Kollegen im Kapitel, denen ich, niemand ausgenommen, ein freundliches Andenken bewahren werde. Die Würde eines Dom herrn der ersten Kirche der Welt war von mir so hochgehalten, daß keinerlei Ehrgeiz mich zur Erstre- bung anderer Ehren verführen konnte. Nur die schon erwähnten Gründe verursachten meinen Ver zicht, außerdem aber auch der Ekel vor dem stupiden Leben in einem Kultus, welcher täglich fünf- bis sechsstündiges unsinniges Faullenzen in der Kirche bedingt, ein Leben, welches von jedem vernünftigen Menschen nur als sinnloser Götzendienst, als er niedrigende Tagedieberei betrachtet werden kann rc. rc. Rom, 13. September 1881. Euer Eminenz ergebenster Graf Heinrich von Campello." "Waldenburg, 23. September 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Se. Maj. Kaiser Wilhelm, der König von Schweden und die übrigen Fürstlichkeiten besuchten am 22. d. Mittag die Kunst- und Kunstgewerbe- ausstellug in Karlsruhe. Professor Goetz bat das grobherzogliche Paar, die Ausstellung als eine Hul digung des Landes und als einen glücklichen Erfolg der weisen Negierung anzusehen und schloß mit einem dreifachen Hoch auf das kronprinzliche Paar, in welches auch der Kaiser und der König von Schweden lebhaft einstimmten. Der Großherzog richtete Worte des Dankes an den Kaiser und den König von Schweden für ihr Erscheinen; die badi sche Industrie werde daraus einen neuen Antrieb schöpfen. Der Großherzog schloß mit einem drei fachen Hoch auf den Kaiser und den König von Schweden. In Karlsruhe hat am 21. d. auch ein Festzug stattgefunden; derselbe ist bei dem zuletzt eingstrete- nen Kaiserwetter glänzend verlaufen. Die Herr schaften standen auf dem Balkon und ließen den Zug vorüber. Der Kaiser und der König von Schweden gaben wiederholt ihre Freude über die Zusammenstellung des Zuges kund, welcher in sechs Abtheilungen alle Gewerbe, Stände und Trachten zur Darstellung brachte. Drei Hochzeitszüge, die grüne, silberne und goldene Hochzeit, die entsprechen den Ehepaare darstellend, brachten alle Landestrach ten zur Anschauung. Begeistertes Jubel- und Hurrah- rufen tönte den Defilirenden entgegen. In den Straßen waren ungeheure Menschenmassen, aber die Ordnung war musterhaft. Nach Schluß des Zuges entbot der Großherzog den Festausschuß ins Schloß und dankte demselben gleichzeitig mit dem König und dem Kronprinz von Schweden auf das Herzlichste. Abends fanden Hofball und Bankette der Vereine, wie Volksbelustigungen statt. Der hochconservative „Reichsbote" will von Er richtung einer päpstlichen Nfintiatur in Berlin nichts wissen, weil er es für eine schmerzliche Demüthi- gung für unsere evangelische Kirche ansieht, wenn der Vertreter des Papstes unmittelbar mit dem Könige dem „summus 6xi8eoM8" der evangelischen Kirche verkehrt, während die Vertreter der evange lischen Landeskirche nur an die Minister gewiesen werden und die Beschlüsse der Generalsynode erst die Censur der Minister passiren müssen, ob sie überhaupt vor die Angen des Königs und „8ummu8 8xi8ovxu8" gelangen dürfen. Die evangelische Landeskirche würde bei Zulassung eines Nuntius in Berlin auf die Lösung des bisherigen sumepisko- palen Verhältnisses dringen müssen. Die Zulassung des Nuntius in Berlin würde ein verhängnißvoller mit den ganzen preußischen Traditionen brechender Schritt sein, vor dem nur gewarnt werden könnte. Eine amtliche Bekanntmachung des Ober-Präsi denten der Rheinprovinz im „Reichs-Anzeiger" zeigt an, daß Or. Korum als Bischof von Trier die landesherrliche Anerkennung erhalten habe und seine Amlsthätigkeit am 23. d. M. beginnt und damit zugleich die Amlsthätigkeit des Kgl. Commissarius für die bischöfliche Vermögensverwaltung in der Diözese Trier, Negierungsrath Breden, erlischt. Bischof Korum ist am 22. d. nachts in Begleitung der beiden ältesten Vicare der Münsterpfarrei von Straßburg nach Koblenz abgereist, wo er in der Kastorkirche die Messe celebriren und dem Ober präsidenten der Rheinprovinz einen Besuch abstatten wird. Nachmittags fand in Trier der Einzug und Empfang im Paulinus-Pfarrhause statt. Die Umarbeitung des Arbeiter-Unfallver sicherungsgesetzes ist in lebhaftem Gange, indessen vom Abschluß noch ziemlich weit entfernt. Die