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chMmi TagelililU Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 30. September 1881. Mit dem 1. October beginnt ein neues Abonnement auf das „Schönburger Tageblatt." Neue Abonnements wolle n>an rechtzeitig bewirken. Neu eintretende Abonnen ten erhalten auf Verlangen, soweit der Vorrath reicht, den Anfang der Erzählungen: „Die Brandstifterin" und „Schloß Schwarzeneck" gratis nachgeliefert. Redaktion und Expedition des Schönburger Tageblattes. ^Waldenburg. 29. September 1881. Die Altersversorgungsanstalt. Als im Jahre 1878 das Socialistengesetz ange nommen wurde, war man trotzdem überzeugt, daß dieses Gesetz ein unzulängliches Mittel sein würde, die Socialdemokratie wirksam zu bemämpsen, viel mehr erwartete man dies nur von posiliven Vor schlägen, welche die Lage der arbeitenden Bevölkerung dauernd zu bessern vermöchten. Diese posiliven Vorschläge sind nunmehr wenig stens theilweise von unserem Reichskanzler gemacht worden, und zwar ist dies vor allem die Arbeiter- Unfallversicherung, ferner soll noch hinzukommen die Altersversorgungsanstalt und noch mehrere der gleichen Institutionen zu Gunsten der Arbeiter. Ziehen wir die obligatorische Altersversorgung in den Kreis unserer Betrachtung, so kann die erste Empfindung beim Gedanken an eine Versorgung des bisher unversorgten Alters, wenn wir von der kümmerlichen Versorgung durch die Armenunter stützung absehen, nur die der Befriedigung und Bewunderung darüber sein, daß in unsern Tagen und in unserm Vaterland ein Erlösungswerk voll bracht werden soll, an welches selbst die hochgeprie senen Civilisationen oer Griechen und Römer nicht einmal dachten, und welches auch der christlichen Cultur trotz zweitausendjähriger Dauer nicht ge lungen ist. Die Durchführung dieses Gedankens wird freilich seine Schwierigkeiten haben, aber selbst wenn wir bei dem ersten Versuche, diesen großen ruhmreichen Gedanken zu verwirklichen, Fehler begehen sollten, würden wir vor der Weltgeschichte mit Ehren bedeckt sein, während uns verdiente Schande treffen würde, wenn wir aus Superklugheit das große Werk hinausschöben und anderen Nationen den Vor rang überließen. Großes ist nie vollbracht worden ohne festen Glauben daran. Ja, zur Schande der menschlichen Klugheit und des gelehrten Wissens muß es jedesmal, wenn große Gedanken und Neuerungen auf das Nein der ge lehrten Dünkelhaftigkeit stoßen, bezeugt werden, daß es immer die schriftgelehrten Kritiker, Neinsager und Besserwisser waren, die von den großen Dingen weniger begriffen als das natürliche Gefühl der Nichtgelehrten. Der Stifter der christlichen Religion wurde wohl von dem nichtgelehrten Volke, aber nicht von den Schriftgelehrten begriffen. Selbst Georg Stephenson, der Erbauer der ersten Eisenbahn, wurde von den gelehrten Technikern seiner Zeit nicht unter stützt, sondern behindert; sie bewiesen ihm, daß seine Erfindung unmöglich sei und daß sie im besten Falle nur Unglück stiften werde. Stephenson, ein Nichtge lehrter,glaubte aber an seine Idee, und weil derGlaube Berge versetzen kann, hat auch der Stephenson'sche Glaube Berge versetzt. Auch der Bismarck'sche Re formgedanke und der Glaube Bismarck's daran wird Berge, ja er wird ganze Gebirge, ja ganze Welt theile versetzen, wenn nur die große leider zu kri tische deutsche Nation an den großen Gedanken, an ihren Kanzler und an ihre eigene große Leistungs fähigkeit glauben wollte. Wenn die Industriellen ihm sagen: Deine Idee ist groß und wir find dafür begeistert, aber Deutschland ist noch zu arm, die deutsche Industrie noch nicht gewinn bringend genug, um solche Lasten zu tragen, aber sorg dafür und hilf uns sorgen, daß wir die finanzielle Kraft dazu erlangen, bahne die Jnter- nationalität der Altersversorgung an, damit fremde, nicht mit solchen Zahlungen belastete Jndustrievölker uns im Concurrenzkampfe nicht besiegen, oder, wenn das nicht geht, so schütze uns durch höhere Zölle, hilf auch dabei, daß die deutsche Industrie durch überseeische Erweiterung des deutschen Wirthschafts- und Absatzgebietes lohnender wird — wenn die Industrie einmüthig und in dieser Weise vor den Kanzler hintreten wollte, sicherlich, wir würden ein geneigtes Ohr und eine hülfbereite Hand finden. In der Erweiterung des deutschen Wirthschafts- und Absatzgebietes, die nur durch eine wohlbedachte überseeische Politik und hauptsächlich durch die An lage deutscher Colonien erreicht werden kann, würden sich Deutschland neue Geldquellen von so unerschöpf licher Reichhaltigkeit erschließen, daß daraus die Alters versorgungsprämien mit spielender Leichtigkeit bestrit ten werden könnten. Aber Eins ist nothwendig: wir dürfen dem Reichs kanzler, auf den noch in späten Jahrhunderten unsere Nachkommen begeistert Hinaufschauen werden, in seinen wohlgemeinten Plänen nicht fortwährend hindernd in den Weg treten, nicht wie die deutsche Fortschrittspartei, die diesen Namen wenig mehr verdient, den Reichskanzler aus purer Principien- reiterei fortwährend bekämpfen, sondern müssen ihn zu unterstützen suchen, um die Möglichkeit herbeizu führen, daß seine großen socialen Reformgedanken zur Ausführung gelangen können. Und wenn all diese Pläne verwirklicht sind und ihre wohlthätigen Folgen sich zeigen, dann können auch wir mit bescheidenem Stolze uns rühmen, in einer großen Zeit gelebt und unseren kleinen An theil zur Herbeiführung derselben beigetragen zu haben. *Waldeuburg, 29. September 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist am 28. d. nachmittags im besten Wohlsein von Stuttgart nach Baden-Baden zurück- gekehrt. Die Blätter bringen Artikel über den wahrhaft herzlichen und begeisterten Empfang Sr. Majestät des Kaisers, welchem alle Herzen in Schwa ben entgegen schlügen. Die preußische Staatsregierung geht jetzt mit dem Gedanken um, die Privat-Feuerversicherungs- Gesellschaften zu Staatsanstalten zu machen, oder, wie man jetzt kurz sagt, zu verstaatlichen. Es soll dies nur als Mittel dienen, alle Privatgesell schaften zu beseitigen. Zunächst würden die Privat gesellschaften der Concurrenz der zum Staats-Institut gemachten vereinigten Provinzialgesellschaften nicht zu widerstehen vermögen. Die Staats-Feuerver sicherungs-Gesellschaft würde aber auch so bevorzugt werden, daß kaum ein directes Verbot der Privat gesellschaften nöthig wäre. Von regierungsfreund licher Seite macht man zur Unterstützung dieser Idee darauf aufmerksam, daß die bestehenden Privatge sellschaften zu einem sehr großen Theile in jüdischen Händen sind, welche sehr großen Gewinn aus den Versicherungen ziehen. Dieser Gewinn würde na türlich später in die Staatskasse fließen und zu Steuerentlastungen und Arbeiterversicherung verwandt werden können. Außerdem würde im Versicherungs wesen durch eine Verstaatlichung Vieles besser wer den. Mehrere Privatgesellschaften suchen bei Brän den nicht selten von den Verpflichtungen einer Ent schädigung oder einer genügenden Entschädigung loszukommen, und es bleibt dem durch einen Brand Betroffenen höchstens übrig, einen langwierigen Prozeß anzustrengen, vor dem sich wegen der Mühe und Kosten Biele scheuen. Wenn eine Privatgesell schaft in einem Orte Terrain zu gewinnen sucht, so befolgt sie häufig folgende Taktik: Dem ersten Ab gebrannten zahlt sie eine ganz übermäßige Entschä digung und sorgt dafür, daß das bekannt wird. Dann fallen ihr Viele zu, aber später bekommen die Abgebrannten höchst magere Entschädigungen. Alle derartigen Uebelstände würden bei der Staats versicherung wegfallen. Freilich würden wiederum neue Kategorien von Staatsbeamten geschaffen, de ren Stellen zudem fast nur mit Militäranwärtern besetzt werden würden. Wie sehr durch das Project und die von selbst sich ergebende Verstaatlichung des ganzen Feuerversicherungswesens die wirthschaft- liche und politische Macht der Regierung gestärkt würde, bedarf keines Beweises. Der Reichskanzler soll persönlich diesem Plane sehr geneigt sein. Auch unter demBeamten derProvinzial-Feuerversicherungs- Gesellschaften dürfte diese Idee manchen Sympathien begegnen. Wie man hört, wird die Reichsregierung trotz des abfälligen Votums des letzten Reichstages die den deutschen Volkswirthschaftsrath betreffende Position auch in den nächstjährigen Haushaltsetat wieder aufnehmen. Von einer nochmaligen Be rufung des preußischen Volkswirthschaftsrathes ist deshalb auch nicht die Rede, geplant ist dagegen der erstmalige Zusammentritt des deutschen Volkswirth schaftsrathes vor der Frühjahrssession des Reichs tages, vermuthlich zur Abgabe eines Gutachtens über den umgearbeiteten Entwurf eines Arbeiterun- > fallgesetzes. Denn allem Anscheine nach wird es auch bis zu jenem Zeitpunkte noch nicht möglich fein, die weiteren Pläne des Reichskanzlers bezüglich der Arbeiterversicherungskassen rc. so weit zu fördern, um sie dem Volkswirthschaftsrathe vorzulegen. Eine Steigerung des Militär-Etats steht wiederum in Aussicht. In den leitenden militäri schen Kreisen wird neuerdings wieder der Unter offizierfrage eine erhöhte Beachtung geschenkt. Es macht sich nämlich von Neuem ein Mangel an Unteroffizieren geltend, welcher dadurch, daß man sich mit Ersatzreservisten oder überhaupt mit Reserve mannschaften des Heeres behilft, nur nothdürftig ge deckt wir. Der Hauptgrund für die Abnahme eines ausreichenden Unteroffiziers-Bestandes soll auf mate riellem Gebiete zu suchen sein. Es richtet sich denn auch die Sorge der Militär-Verwaltung auf diesen Punkt (d. h. auf eine Erhöhung der Unteroffiziers- Gehälter), als man uns in Frankreich in dieser Richtung bereits einen erheblichen Vorsprung abge- wohnen hat. Anläßlich des Einzugs des Bischofs Korum in Trier sagt die „Prov.-Corr/': die Regierung sei erfreut, in der Fürsorge für die katholischen Unterthanen bei der Kurie ein so bereitwilliges Entgegenkommen gefunden zu haben, wie sich dies be züglich der Diözese Trier gezeigt, dürfe man hoffen, daß dieselbe Gesinnung auch den andern Diözesen zu statten komme, zunächst sei zu wünschen, daß den ersteren im Einverständniß der Regierung mit dem Papst ernannten Bischof vergönnt sei, nicht blos reichen Segen in seinem Sprengel zu stiften, son dern auch für das weitere Vaterland ein Bischof des Friedens zu werden, damit sich am Hofe die Erwartungen erfüllten, welche der Kaiser und der Papst auf ihn gesetzt haben. Der baierische Landtag ist am 28. d. durch den Prinzen Luitpold eröffnet worden. Oesterreich. Es scheint wieder einmal aus der Schule geplau-