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chönbmgtr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinsnde Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 29. September 225 1881. Mit dem 1. October beginnt ein neues Abonnement > auf das „Schönburger Tageblatt." Neue Abonnements wolle man rechtzeitig bewirken. Neu cintrctende Abonnen ten erhalten auf Verlangen, soweit der Vorrath reicht, den Anfang der Erzählungen: „Die Brandstifterin" und „Schlaf; Schwarzeneck" gratis nachgcliefert. Redaktion und Expedition des Schönburger Tageblattes. *Waldcnburg, 28. September 1881. Das Ziel der Fortschrittler. Hinlänglich bekannt ist es, daß die Fortschrittler auf die Beseitigung Bismarcks hindrängen, hinläng lich bekannt ist aber auch, daß sie dieses Factum angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen mit aller Macht abzuleugnen versuchen, denn sie mögen wohl gemerkt haben, daß sie sich damit die Gunst der Wähler vollständig verscherzt haben. Interessant ist es daher zu erfahren, daß sich der Abg. Berger (Witten) in einer jüngst in Dortmund gehaltenen Wahlrede das Verdienst erworben hat, authentisch nachzuweisen, nicht nur daß die Parole „Fort mit Bismarck" von der Fortschrittspartei aus gegeben wurde, sondern auch, daß Herr Eugen Rich ter der ureigene Schöpfer dieses Rufes war. Hr. Berger sagte in seiner Rede, nachdem er die in liberalen Kreisen herrschende allgemeine Miß stimmung constaurt haue, ungefähr folgendes: „Was sollen wir nun thun? Sollen wir etwa, indem wir neuerdings Stellung nehmen, in den Ruf einstim men: „Fort mit Bismarck!" (Ruf: Wer hat das gesagt?) Ich danke für die Unterbrechung! (Heiter keit.) Also der mir unbekannte Herr wünscht zu wissen, wer die Worte: „Fort mit Bismarck" ge sprochen habe? Abg. Richter muß vergessen haben, daß er sie gesprochen hat, ich will deshalb den Be weis dafür liefern. Es erscheint in Berlin eine sogenannte „Parlamentarische Correspondenz der Forts hrittspartei", welche herausgegeben wird von den Herren Ludolf Parisius und Eugen Richter. Es war im Juli 1879, also unmittelbar nach Annahme des Zolltarifs und der großen Nieder lage der freihändlerischen Partei, als in dieser Nichter-Parisius'schen Correspondenz, dem osficiellen Organ der Fortschrittspartei, ein Artikel erschien, den die" „Volkszeitung" in Nr. 165 reproducirte, wo es wöltlich heißt: „Gegen diesen Andrang der Reac- tion (Schutzzoll) vermag nur eine geschlossene, rücksichtslose und systematische Opposition etwas, die sich nicht darauf beschränkt, von Paragraph zu Paragraph, von Tarifnummer zu Tarifnummer zu discutiren, sondern welche der Quelle nachgeht, von wo alle diese Dinge kommen. Der verstorbene Ziegler hat am 19. November 1869 ein Wort aus gesprochen, welches, alsbald von immer weiteren Kreisen des Volkes wiederholt, nach nicht allzulanger Zeit in Erfüllung gegangen ist. Jenes Wort paßt auch heute wieder, wenngleich es sich nicht mehr um Mühler, sondern um einen anderen und höheren handelt. Auch jetzt können wir discutiren, so viel wir wollen, cs hilft zu nichts. Es giebt keine andere Hilse, als daß man angesichts der Lage des Landes sich aufrafft zu dem, was wir sein sollen, zu Männern, die furchtlos und frei aussprechen, was das Land empfindet. Der Reichskanzler Fürst Bismarck muß fort von seinem Platze!" — (Heftige Unterbrechung! Rufe: Das hat Richter nicht unter schrieben!) Abg. Berger sortfahrend: Hr. Eugen Nichier und Hr. Parisius sind als Herausgeber die ser Correspondenz genannt und die Verfasser fast aller Artikel. Aber ich werde noch etwas verlesen, was hier als „Anmerkung" darunter steht und die Sache ganz klar stellt: „,/Anmerkung. Als vorigen Montag bei der Discussion zur Tabakssteuer ein Redner der Fortschrittspartei (es war dies Eugen Richter) denselben Gedanken in die ein fachen Worte kleidete: „Das geltende Regie- rungssystem muß aufhören, der Kanzler muß aushören zu regieren", da brach auf der rechten Seite laute Entrüstung aus. Aber gerade dieser schmucklose Satz hat im Lande, wie Briefe, Tele gramme, Zeitungsausschnitte aus Kreisen bekun den, mit denen der Fortschrittspartei bisher jede Verbindung fehlte, einen Widerhall gefunden, leben diger als manche große und sachlich inhaltsvolle Rede."" — Obwohl gegen diese actenmäßige Darlegung, wie unsere Leser mit uns finden werden, nichts zu machen ist, erklären die fortschrittlichen Wort führer immer und immer wieder, daß es eine verläumderische Behauptung sei, ihnen diese Worte zuzuschreiben; und damit werden sie auch fortfahrsn; denn je dreister eine Lüge aufgestellt und je conse- quenter sie wiederholt wird, um so eher findet sie Glauben. *Waldeuburg, 28. September 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Wie steht Bismarck zur Judenfrage? Im Verein der konservativen des zweiten Berliner Wahlkreises hielt Freiherr von Roöll, Herausgeber der schutzzöllnerischen „Volkswirthschafts-Correspon- denz", einen Vortrag. Ueber die Stellung des Reichskanzlers zur Judenfrage meint Herr v. Roöll: Wenn Fürst Bismarck sich auch nicht direct in der Sache ausgesprochen habe, so gehe doch aus dem ganzen Entwickelungsgang seiner Person hervor, daß er ein ganz energischer Antisemit sei. Seine frühe ren Reden zeigen, welche Verachtung er dem Juden thum entgegenbringt, wie sehr er von der Ueber- zeugung durchdrungen ist, daß es dem Gefühle des deutschen Volkes nicht entspreche, von einem Juden gerichtet zu werden (Bravo!). Ohne daß sich der Reichskanzler an der Bewegung betheiligt fuhr der Redner fort — löste er in der allerprägnan testen Form die Judenfrage, denn seine ganze Wirthschaftspolitik spitzt sich darauf zu, der ehrlichen Arbeit den Lohn zu verschaffen, der ihr bisher von einem Schmarotzerthum weggenommen wurde und wenn wir erst dahingekommen sind, dann wandern die Juden ganz allein aus. (Bravo!) Desyalb handelt es sich im praktischen Antisemitenthum zu nächst darum, daß man den Reichskanzler bei den Wahlen unterstützt. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Die Artikel der „Prov.-Corresp." über die „Sinnesänderung des Reichskanzlers" haben insofern mehrfache Ein wendungen erfahren, als behauptet wird, das halbamtliche Organ habe den Anfang der Wirth- schaftsreform des Reichskanzlers auf ein irrlhüm- liches Datum verlegt. Demgegenüber ist Folgen des zu bemerken: Bis zu den Attentaten im Jahre 1878 hatte Fürst Bismarck eine Steuerreform an gestrebt. Nach den Attentaten ist in der Wahlbewe gung von 1878 sofort auf die Notbwendigkeit der Wirthschaftsreform hingewiesen worden. Die kurze Session des Reichstags, welche lediglich dem So- cialistengesetz gewidmet war und in welcher die Nothwendigkeit der Wirthschaftsreform schon viel fach betont wurde, führte zu der bekannten Er klärung der 204 und vom 15. Dec. 1878 ist das Schreiben des Reichskanzlers an die Bundesregierung dalirt, welches die Grundzüge der zu erstrebenden Tarifreform darlegte, welche dann im Reichstage 1879 zum Gesetz erhoben wurde. Die „Prov.-Corr." hat daher in richtiger Weise die Zeitfolge des Her vortretens der Reformziele des Reichskanzlers be zeichnet. Die Reichs-Schulcommission hat, wie der Hann. Cour, mittheilt, am 19. ihre Berathungen unter Vorsitz des Geheimraths Bonitz aus Berlin in Braunschweig eröffnet. Sachsen ist durch den Geh. Schulrach SchlömUch, Baiern durch den Geh. Rath Giesebrecht, Württemberg durch Ministerial-Director Or. v. Bockshammer, Mecklenburg durch Schulrath Hartwich und Braunschweig durch Oberschulrath Or. Eberhard vertreten. Die Sitzungen finden im her zoglichen Ministerialgebäude statt. Am Sonntag ward in Hannover ein national liberaler Parteitag abgehalten, der recht zahlreich aus allen Theilen der Provinz besucht war. Hr. v. Bennigsen hat als Vorsitzender einen von ihm verfaßten Wahlaufruf verlesen, der sich im wesent lichen an den allgemeinen Aufruf der Partei anschließt, denselben in einer halbstündigen Rede begründet, dafür reichlichen Beifall geerntet und darauf, ohne daß irgend welche Discussion beliebt worden wäre, den Ausruf acceptiren lassen. Erwähnenswerth ist vielleicht, daß im Aufrufe selbst wie in der Moti- virung mit keinem Worte vom Tabaksmonopol die Rede ist, obgleich dasselbe doch die Lebensinteressen verschiedener Districte der Provinz aufs engste berührt. Einen eigenthümlich n Eindruck ruft die Nachricht hervor, daß die Cigarrenarbeiler von Hamburg, Altona und Ottensen — deren ungefähr 4000 sind — eine Versammlung zum Mittwoch eingeladen und das Tabaksmonopol auf die Tagesordnung ge- sekt haben und zwar auf Veranlassung der Social- dcmokraten. Es ist die ausgesprochene Absicht der selben, die Durchführung des Tabaksmonopols zu unterstützen. In der letzten tumultuarischen Wahlversammlung der Fortschrittspartei wurde dies von dem socialistischen Führer Hoeppner mit den Worten ausgesprochen: „Obgleich ich ein Gegner der Bismarck'schen Regierung bin, nehme ich dennoch das Gute von ihm. Wenn wir heute das Tabaks monopol nicht bewilligen, so bleiben wir unter der Herrschaft des mobilen Kapitals und die Noth wird immer größer werden. Ich bin Monopolist; alle Industriezweige sind heruntergekommen und der tüchtigste Arbeiter kann sich nicht mehr ernähren." Der Vorsitzende des Vereins für deutsche Recht schreibung, Prof. Michaelis, theilt mit, daß nunmehr, nachdem auch das Großherzogthum Hessen sich für die Putlkamer'sche Orthographie ausgesprochen, die neue Rechtschreibung in allen deutschen Staaten eingesührt sei; es existire keine Schule mehr in Deutschland, in welcher nicht die neue Orthographie gelehrt und in allen Klassen angewandt würde. Der Unterschied erfolge nach verschiedenen Lehrbüchern gleicher Methode, nur Bayern habe sich einige be sondere Ergenthümlichkeilen vorbehalten. In allen Ministerien und Reichsverwaltungen sei gleichfalls die neue Rechtschreibung eingeführt. Im Monat August d. I. sind gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres aus Rußland, Oester reich-Ungarn und dem Vereinigten Staaten von Nordamerika in den freien Verkehr des deutschen Zollgebiets weniger ein geführt worden: an Weizen 184,747 Doppel-Centner, an Roggen 411,335 Doppel-Centner, an Hafer 24,021 Doppel-Centner, an Gerste 69,576 Doppel-Centner, an Mehl 17,733 Doppel-Centner. Diese Zahlen sprechen deutlich für den Schutz, welchen der Zoll unseren deutschen landwirthschaftlichen Zeugnissen gewährt. Dänemark. Einem Telegramme des „Standard" aus Kopen hagen zufolge sind die dänische Behörden benach richtigt worden, daß von den Nihilisten und Feniern