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ZchimlmiM Tagl'blalt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 23. September 220. 1881. "Waldenburg, 22. September 1881. Der neue amerikauische Präsident. Das Mißtrauen, welches man dem neuen Präsi denten Arthur entgegenbringen zu müssen glaubt, scheint im amerikanischen Volke geringer zu sein, denn die Todesnachricht hat nicht gerade einen deprimirenden Einfluß auf die New-Iorker Börse ausgettbt. Ueberdies kann auch ein so fest ge fügtes Staatswesen, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika es sind, durch den Mord seines derzeitigen Oberhauptes politisch und wirthschaftlich nicht erschüttert werden. Durch die in der amerikanischen Verfassung vor- geschriebene Eidesleistung ist Chester A. Arthur das legitime Oberhaupt der Vereinigten Staaten bis zum 4. März 1885 geworden. Der Eid, welchen der neue Präsident auf Empfehlung des Cabinets noch Montag Nacht, unmittelbar nach der officiell erhaltenen Nachricht von dem Tode Garfield's, vor zwei Richtern des obersten Gerichtshofs des Staates New-Jork leistete, lautet nach der Con stitution: „Ich schwöre feierlich (oder betheuere), daß ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreu verwalten und daß ich nach bestem Vermögen die Verfassung der Vereinigten Staaten befolgen, beschützen und vertheidigen will." Präsident Arthur ist am Dienstag Mittag in Longbranch angekommen und im Hotel Elberon abgestiegen, wo sämmtliche Mitglieder des Cabinets und außerdem auch General Grant sich eingefunden hatten. Ueber den Lebenslauf Arthur's können wir folgen des mittheilen. Chester A. Arthur ist gerade einen Monat älter als Garfield. Letzterer wurde im November, Arthur im October 1813 geboren. Er ist also gerade 50 Jahre alt. Während Garfield sich in überaus harter Arbeit vom Kanalbootar- beiler durch Selbstbildung zum Dorfschullehrer empor arbeiten und dann erst in unbezwingbarer Energie sich seinen Weg bis zur höchsten Stelle, welche seine Nation zu vergeben hatte, Schritt für Schritt er kämpfen mußte, ist es Chester A. Arthur leichter geworden. Er erhielt seine Erziehung in Greenwich, wo er sich durch seine hervorragenden Leistungen in allen Fächern der Wissenschaft auszeichnete. Nachdem er seine Abiturienten-Prüfungen abgelegt hatte, trat Arthur in die Rechtsschule zu Albany im Staate New-Jork ein und wurde bald darauf als Verthei- diger zugelassen. Arthur nahm stets großen Antheil am politischen Leben und bereits als Knabe von 14 Jahren rühmte er sich, der Partei der Whigs anzugehören. Als Compagnon des New-Iorker Advokaten E. D. Culver betheili^te sich Arthur sehr lebhaft an der Antisklaverei-Agitation und sungirte auch auf der Antisklaverei-Convention zu Syracuse als Delegirter der Stadt Newyork. Seit Organisirung der republikanischen Partei gehörte Arthur derselben an. Während des Krieges erwarb er sich als General-Quartiermeister und Miliz-Inspektor des Staates Newyork große Ver dienste um die rasche Organisirung der Milizen dieses Staates und ward dafür von dem damaligen Präsidenten Lincoln nach dem Kriege zum General ernannt. Nach dein Kriege kehrte Arthur wieder an den Schreibtisch zurück. Neben seiner Thätig- keit als Anwalt vernachlässigte Arthur durchaus nicht die Politik, der er sich mit großem Eifer widmete. Am 21. November 1872 wurde er von dem Präsi denten Grant zum Hafenzoll-Collector von New-Jork ernannt, am 20. Juli 1878 jedoch von dem Präsi denten Hayes abgesetzt, weil man ihn beschuldigte, der Durchführung gewisser Reformen Hindernisse in den Weg gelegt zu haben. In diese Zeit fällt auch die Entstehung der Freundschaft mit dem Senator Conkling. Am 1. Dezember 1880 wurde Arthur zum Vizepräsidenten gewählt. "Waldenburg, 22. September 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In Karlsruhe hat am 20. d. nachmittags 4^/s Uhr im Musiksaale des Schlosses die Civiltrauung der Prinzessin Victoria mit dem Kronprinzen von Schweden durch den Bürgermeister vr. Gün ther, welcher als Standesbeamter sungirte, stattge funden. Bei diesem Acte waren anwesend: Ihre Majestäten der König und die Königin von Schweden, Ihre k. k. Hoheiten der Kronprinz und die Kron prinzessin, die Prinzen Oskar, Karl und Eugen von Schweden, der Erbgroßherzog, sowie die Prinzen Ludwig und Wilhelm und die Prinzessin Wilhelm von Baden. Zu der kirchlichen Feier, welche um 51/2 Uhr in der Schloßkirche statlfand, waren auch die Minister, die Generalität, die Spitzen der Civil- und Militärbehörden, die Standesherren, die Excellen- zen, der Oberbürgermeister, die Räthe erster und zweiter Klasse, die höheren Richter und Vertreter des Officiercorps geladen. Bei oem Festzuge vom Mar morsaal zur Schloßkirche wurde die Prinzessin-Braut von Sr. Majestät dem Kaiser und Sr. Majestät dem König von Schweden geleitet, der Kronprinz von Schweden von Ihrer Majestät der Königin und von der Herzogin von Koburg; dann folgten Ihre königliche Hoheiten der Großherzog und die Groß herzogin, der Kronprinz von Dänemark mit Ihrer k. k. Hoheit der Kronprinzessin, Se. k. k. Hoheit der Kronprinz mit der Großfürstin Michael, der Groß fürst Michael mit der Prinzessin Wilhelm und der Großherzog von Hessen mit der Erbgroßherzogin von Mecklenburg-Schwerin. Ihnen schlossen sich die übrigen Fürstlichkeiten an. Beim Eintritt des Zuges, dem di« Hofchargen veranschritten, in die Kirche er- tömen die Klänge der Orgel, wahrend die Herr schaften zur Rechten und zur Linken im Schiff der Kirche ihre Plätze einnahmen. Dem Altar gegen über nahm das Brautpaar Aufstellung. Prälat Doll vollzog die Trauung. Als Text für die Traurede war I. Buch Moses, Capitel 12, Vers 2 gewählt, welcher auch bei der Trauung des Großherzogs zu Grunde gelegen halte. Beim Wechseln der Ringe wurden 36 Kanonenschüsse gelöst. Nach Beendigung der Trauung erfolgte die Einsegnung Ihrer kgl. Hoheiten des Großhsrzogs und der Großherzogin, der Großherzog trug einen Silberzweig, die Groß herzogin einen Silberkranz. Ihre Majestät die Kai serin wohnte der feierlichen Handlung in einer von Blumen verdeckten Loge bei, an welche Se. Majestät der Kaiser mit Ihrer Majestät der Königin von Schweden »ach Beendigung der Troung herantrat. Der Kaiser hatte der Trauung stehend beigewohnt. Der Zug verließ sodann in der erstgedachten Reihenfolge wie der die Kirche und begab sich »ach dem rothen Zimmer, wo die Cour des diplomatischen Corps stattfand und dann nach dem Marmorsaale zur De- silircour. Nach der Cour fand im Schlöffe Fami liendiner und Marschallstafel statt. Die Stadt war glänzend erleuchtet. Der Kaiser hatte am 21. d. vormittags in Karlsruhe des Unglück, als er von einem Portale des Schlosses in den Hauptportal gehen wollte, auf offener Straße zu fallen. Zwei in der Nähe stehende Frauen und Lakaien eilten sofort herbei, hoben den greisen Monarchen auf und brachten ihn in das Schloß. Schaden hat unser Kaiser glücklicherweise nicht davon getragen. Der gegenwärtige Unterhändler zwischen der preu ßischen Regierung und der römischen Curie, Herr Di. v. Schlözer, welcher am 20. d. aus Rom in Berlin eintraf, ist am 21. d. früh zum Reichskanz ler Fürsten Bismarck nach Narzin abgereist. Der interimistische Leiter des auswärtigen Amtes, Unterstaatssekretär Ör. Busch, hat am 20. d. abends an den amerikanischen Geschäftsträger Mr. Sidney Evnett in Berlin eine Note gerichtet und demselben darin die aufrichtige Theilnahme der kaiserlichen Regierung an dem schweren Verluste ausgesprochen, welcher Volk und Regierung der Vereinigten Staaten getroffen. In der am 21. d. stattgefundenen Generalver sammlung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn wurde die Offerte der preußischen Regierung mit 117,463 gegen 91,538 Stimmen abgelehnt und ein Amendement, die Bahn dem Staate gegen eine fünfprocentige Rente anzubieten, mit 194,493 gegen 2290 Stimmen angenommen. In einem „Bismarck's Gegner und unsere auswärtige Politik" betitelten Artikel sagt die „Prov.-Corresp.": „Das Ministerium Bismarck, welches das unmöglich scheinende Ziel erreichte, zehn Jahre nach dem Frankfurter Frieden den po litischen Horizont für uns von dem kleinsten Wölk chen frei zu machen, ist eine Garantie unseres Friedens und der Friede die Vorbedingung einer schaffenden inneren Politik. Gegen das Ministerium Bismarck wählen und die Einführung einer parla mentarischen Regierung verlangen, heißt an dem Frieden des Landes rütteln." Die Fortschrittspartei beabsichtigt, keinen Wahlaufruf zu erlassen; die „Parlam. Corr." derselben schreibt in dieser Beziehung: „Die Fort schrittspartei steht bereits mitten im Wahlkampf und bedarf es daher für sie nicht eines besonderen Wahl aufrufes. Ziel und Richtung in diesem Kampfe sind der Partei gegeben durch die seit Jahresfrist auf 17 Provinzialparteitagen gefaßten Resolutionen, welche sich gegen die Vermehrung der Steuerlast und die Beschränkung der Freiheiten aussprechen und den entschiedenen Kampf gegen die herein brechende Reaction betonen. Selbstverständlich werden dagegen in den einzelnen Wahlkreisen be sondere Wahlaufrufe zu Gunsten der Candidaten der Partei in diesen Wahlkreisen erforderlich sein." Ein Berliner conservatives Blatt führt heute aus, wie unzweifelhaft die ganze socialdemokratische Bewegung nur in Folge unserer übertrieben kapi talistischen Gesetzgebung entstanden, durch welche die besitzende Klaffe in übermäßiger Weise begünstigt wird und die arbeitende Klaffe benachtheiligt ist und aus der Weigerung der besitzenden Klaffe, dem Ausbeutungssystem Halt zu gebieten und die Ver hältnisse der arbeitenden Klaffe zu bessern. Alle Versprechungen der liberalen Partei nach dieser Seite hin haben die Arbeiter nicht befriedigt, viel mehr nur ihre Unzufriedenheit erregt und sie der Socialdemokratie in die Arme getrieben. Die Ver sprechungen, welche nun seit einiger Zeit von Sei ten der Regierung und den Conservativen gemacht sind, haben dagegen die Wirkung hervorgerufen, daß eine nicht unbedeutende Anzahl von Arbeitern jetzt von dieser Seite eine theilweise Erfüllung ihrer Forderungen mit aller Bestimmtheit und mit Recht erwartet. Es dürfte dies unzweifelhaft von einer großen Bedeutung für die nächsten Wahlen sein. Da man nun annimmt, daß es bei den nächsten Wahlen in weit höherem Maße, wie bisher, zu Stichwahlen kommen wird, weil in sehr vielen Wahlkreisen mehr Parteien, wie bisher, concurriren werden, so werden in nicht wenigen Wahlkreisen die Socialdemokraten die Entscheidung herbeiführen.