Suche löschen...
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 16.11.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188411166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18841116
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18841116
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-11
- Tag 1884-11-16
-
Monat
1884-11
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 16.11.1884
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1trrte*KaI1«ngS«Blatt zmm „«hemvltzejr U«zer-er^ «Sie irrr», Sie irre«, Sora Renard! Ich will und erwart« «icht» mehr von dem Fürsten. E» ist genug geschehen I" rief sie er« schauernd, da st« den düsteren Raum durchflog. »O übergenug!" »So wollen Sie mich auf'» Neu« beschimpfen, sich aus'« Neue a« »einer Ohnmacht weiden wie damal« auf dem MaSkenfest? Blicken Eie um sich, e» ist Niemand da, der Ihren Triumph mit ftier« kann. Wir sind allein Sparen Sie die Mühe, Frau Gräfin, di« Zeit ist vorbei, wo Ihr Haß mich rrijen konnte!" »Sora —" »Vorbei, seit Hinterlist und Bosheit mich zur Berbrecherin ge stempelt!" Sie besann sich plötzlich, al» würde ihr di« Situation jetzt erst klar. »Wie, vergaß ich denn, daß die» ei« Gefängniß ist, und ich «ine Sefangeue darin? Nun erst kommt die Ungeheuer- lichkrit Ihre» Besuche» mir zum Bewußtsein I Wa» können Sie vor, haben? Geben Sie, gehen Sie," rief sie, sich stolz aufrichtend, während Clarissa» Gestalt tiefer zusammensank, „die» ist kein Ort für Ihre reine Tugend, für Ihren stolzen Namen I Da» Kind au» de» Volk, die verwahrlost« Waise, die Lumpenprinzessin kann sich «her mit seinem Schimpf abfinde«!" »Du fluchst mir?" — Angst preßte ihr die Worte unverpüud lich au». »Fluchen? Neinl Ich fluche nicht mehr. Einst, ja einst, gestern «och hätte mich die» eine Erleichterung, eine Art Entschädigung ge dünkt, jetzt müßte ich mich dazu zwingen. Ich weiß r« nicht, e» ««ß etwa» ander» in mir geworden seinl Wie wäre e» sonst mög lich, daß ich Ihnen gegenüber ruhig bleiben könnte, deren Eifersucht vor keinem Mittel zurückschreckte. Trotzdem werde« Sie mich mit Genugthuung verurtheilt sehen!" »Ich glaube nicht, glaubte nie an ihre Schuld!" — »Wirklich? Gerade Sie? Kommen Sie etwa nur, mich dessen zu versich«rn? — O, Gott, wie wird mir denn? Warum erscheint «ir Ihr Uebermuth wünschenswerter al» diese rätselhafte Theil «ahm«? Weshalb starren Sie mich so an, als wollten Sie jede« Zwg meine» Gesichte» in Ihr Gedächtniß eingrabe«? Warum sehen Sie selbst so bleich — so seltsam verändert au»?" Clarissa» Spiegel hatte e» ihr bereit» gesagt, daß sie in dieser «ine« Nacht um Jabre gealtert sei; Spuren, die kein Puder, kein« Schminke je fortwischen konnten. Aber sie dachte in diesem Augen blick nicht daran. »Ich komme, Ihnen Rettung zu bringen au« der Gefahr," sagte fl« endlich leise »Sie sollen da» Unglück nicht auskosten!" »Rettung? Mir? fragte Kora, ebenso erstaunt al» ungläubig »Haben Sir den Dieb ausfindig gemacht?" Die Gräfin zuckte zusammen. „Rein I" »Dann sehe ich nicht rin, wie —" Clarissa faßte sich schnell. „Ich bin bereit, den Juwelier so reichlich zu entschädigen, daß er seine Klage zurücknimmtI" »Frau Gräfin I" Kora» Busen bebte vor Unwillen. .Sie glauben, daß ich unschuldig bin, und wagen e» dennoch, mir da» Tingeständniß diese« Vergehen» aufzudrängen? War e» nicht genug, daß mein Geliebter so inen konnte? Ihm verzeih ich diese« Anmuthen, Ihnen «icht! —Wa» kümmern Sie überhaupt meine Leiden? Eile» Eie in den Schooß de» Glücke» zurück. Ich bleibe auf meinem Recht, auf meiner Ehre bestehen, bi» —" »Hören Sie auf mich!" Elarifla hatte offenbar an diese Weigerung nicht gedacht, alle Qualen der Nach» kehrten mit ihr zurück. »Hören Ei« auf mich! Geben Sie den Stolz auf, er ist verderblich für Sie! Eie kennen die Welt «icht, Kora Renard! Sie wissen nicht, daß, wenn hinter diesem Diebstahl ein Bubenstück verborgen ist, dasselbe ohne Zweifel unsichtbar bleiben wird — v»r- lä«fig wenigstens I" »Vorläufig, sagen Sie? Gut! Ich bin bereit, meine Geduld gegen diese» »Vorläufig" zu setzen," sagte sie mit leuchtenden Blicken. »Könnte ich wich dazu verstehen, al» muthmaßliche Diebin höhnisch belächelt zu werden? dürfte der Fürst unter diesen Umständen noch daran denken, meiner zu begehren? Und ich ihn? Nein, komme wa» da mag, ich bleibe!" — Clarissa- Entsetzen stieg mit jedem Wort, da» Kora» Lippen voll und warm entströmte. Ihre Glieder fingen an zu beben, al» sie sich zur Bitte herabzwang. »Sie sollen nicht abhängig sein vom Fürsten, nicht abhängig von der Meinung der Welt! Willigen Sie ein, und ich opfere mit Freuden einen Theil meine» Ve, mögen», damit Sie sicher, unangefochten leben und vergessen können. Begehren Sie, nur hören Sie aus mich!" »Nie!" »Nie? Nie? Und wenn man Sie von hier vor die Schranken de» Gericht» führt und wieder zurück?" rief die Gräfin fast erstickt vo» innerer Peiu. „Wenn der UrtheilSspruch erfolgt ist gegen Sie? Die Gerechtigkeit ist oft blind. — Nein, nein, Sie dürfen e» nicht darauf ankommen lassen! Es wäre Wahnsinn, sich in diesem Fall auf sein Recht zu verlassen! Folgen Sie mir, ich bitte, ich beschwöre Si, .darum!" (Fortsetzung folgt) Der Herr General. - Nach dem Französischen von Baronin Anastasie de HauttzRodc. (Nachdruck verboten.) Sie erinnern sich vielleicht, daß man nach der Demission de» SriegSminister» Thibaudin den tapferen General Sabrejac für da» verwaiste Portefeuille der militärischen Angelegenheiten in Aussicht genommen hatte; aber Sie kennen da» seltsame Ereigniß nicht, welche» ihm ganz unvermuthet plötzlich den Weg zur Macht ver rammelte. Trotz seiner sechzig Jahre ist der General noch stramm wie ein Degen und fest wie eine Kanone. Eine» schönen Tage» kam ihm nun die köstliche Idee, seinen Lorbeeren ein Myrthenrei» beizumischeu, und sein immer scharfer Blick richtete sich im Feuer der Liebe auf «iue reizende junge Wittwe, die Baronin de Haut Boi». Der tapfere General, der fast ebenso viel Millionen al» Wunden besitzt, ließ sich der Wittwe vorstellen und bot ihr schnurstracks sein Herz, seinen Namen, seine Güter, seine Epauletten und seinen Rheumatirmu» an. Die Baronin lächelte, ohne Ja oder Nein zu sagen, und der Baron unternahm, durch diese erfahrungkgemäße Zurückhaltung er- muthigt, die Belagerung der schönen Baronin und unterstützte seine Angriffe durch ein Selbstbewußtsein, welche» keinen Zweifel zuläßt. Mittlerweile hatte Tbibaudin demissionirt und General Sabrejac schien berufen, da» Krieg- Portefeuille sür die Spitze seines glor reichen Degen- zu pflücken. Eine» Abend» warf er sich in seine Galauniform und "><g, die Brust besäet mit funkelnden OrdrnSsternen und bunten Vmubern, zum Diner beim englischen Botschafter Unterwegs fiel ih,i ein, daß er, wie er jetzt auSsah, in seiner Belagerung Erfolg haben könnte, und «r ließ seinen Wagen bei der Barouin.vvtsghr-n, chie er im reizend sten HauSnegtigö Mnz verschlaft,i an ihrem Kamine traf. Sie hatte «ine bi» in den Hellen Morgen hineinragende So>rv hinter sich. Der General legte Hut, Handschuhe und Degen mit den Manieren «ivlb» Edelmanne» von echtem Schrot und Korn attl da» Kanapee Dann unterhielt er die Dame von der Gluth seineSX. <en» und vo« Herrn Grevy, von seiner Liebe und von dem Ungesq di«'», von der Kammer, vom Senat und vo« den große, di« er durchsühren wollte, wenn er am Ruder sein würde Doch nach etwa zehn Minute« vernahm sein überraschte» («an könnte sagen: empörte»! Ohr ein seltsame» Geräusch, hell und leicht, rhythmisch, aber ohne Harmonie. Er betrachtet bestürzt die Bar,»in. Sie schlief Da« war nicht sonderlich schmeichelhaft. Aber die Liebe ist nachsichiig. Süße» Kind!" murmelte der General. Sie hat Wohl viel ge tanzt und die Herren Dichter mögen sie «icht wenig gelangweilt haben. Daß man doch diese« Federvolk bei jeder Soirä haben muß. Ich will sie nicht Wecken. — Schon sechs Uhr vorbei. E» ist Zeit daß ich mich zum Gesandten begebe. Er nahm Hut, Handschuhe und — doch sei« Degen, der war gefangen. Die Baronin hatte sich darauf gesetzt. Der General wurde warm. „Ich brauche doch den Degen", flüsterte er in Angst. ,Wa» thun? Ich kann die Baronin nicht schütteln, wie einen Pflaumeubaum. Wenn ich sie riefe? Madame! Madam! Erlauben Sie meinen Degen! — Nicht». Sie schläft wie ein Murmelthier. — Eine Idee! Eine Idee! Der General näherte sich dem Fenster und warf die marmorne Diana, ein der Baronin hinterlassene» Meisterwerk de» Doppelkünst ler» Dorö, an die Scheiben, daß diese klirrend zerbrachen, während der Pfeil der göttlichen Jägerin seine Spitze einbüßte. Die junge Wittwe ließ sich «icht störe«. Die Hände in einander gefaltet und die rosige« Lippen halb geöffnet, den schönen Kopf fest in die mit Goldspitzen umsäumten Kissen gedrückt, schlief sie, wie im Himmel droben die Engel schlummern müssen im Sonncnglauze. »Welch' herrliche» Weid!" murmelte der General zwischen den Zähnen. „Aber wie befreie ich meinen Degen? Er bemerkte in der Ecke de» Saale» ein Pianino. »Hurrah!" ries er. »Da» ist mein Retter!" Und nun begann der General mit schier teuflischer Gewalt einen kraftvolle« Marsch zu klimpern, dann hielt er ein, wischt« da» Gla» mit seiner Lorgnette und sah nach der Baronin Diese hatte sich nicht geregt Sie schlief noch immer. Wa» thun? Ihre regelmäßigen Athemzüge zeigten, daß ihr Schlaf immer tiefer, immer fester wurde. Eine Locke ihrer schönen Haare schlängelte sich über den schnee igen Hal» und ihr feiner Arm wiegte sich in der Luft. In ihrem Kindermündchen, da» sür Traumküsse geöffnet schien, sah man Perlen zähne schimmern. Man konnte meinen, daß sie den Engeln zulächrlte. »Donnerelement I" schrie der General, „sie ist wahrhaft schön Aber wenn ich da so stehe, bleibt mein Degen gefangen und r« ist schon drei viertel auf Sieben." Der General setzte sich wieder an'» Pianino und begann mit der Wildheit der Verzweiflung da» Lied zu hämmern: „Mit Trommeln und Trompeten Rückt an da» Regiment. Trara, trara, trara!" Die Baronin war unempfindlich. Nicht eine Miene bewegte sich an ihr. Nur einen Fuß streckte sie über den Teppich hin, einen wunderbaren Fuß, so klein, so zart, so rund, daß der General m-lsas vuleiio hinschielrn mußte. »Welche» Füßchen I" rief er bewundert aus E» hätte in meiner Hand Platz. Aber dieser Fuß giebt mir meiueu Degen nicht zurück! Das ist ja kein Schlaf, da» ist Lethargie. Schon sieben Uhr vorbei. — Da» ist nicht die Baronin de Haut-Boi», da» ist da» schlafende Dornröschen. . . Und der Lord er» »riet mich . . .1 Wenn ich „Feuer" riese? Nein, ich könnte sie erschrecke» und meine Heirath würde zu Wasser. Ich will «» nun mit einer kräftige«, vibrirenden Arie versuchen; mit etwa» Pa.riotischem. Halt! Wa», singe ich nicht di« Marseillaise! Ich glaube, die Baronin ist rin wenig Legitimifiin. Da» wird sie grwiß wecken." Und der Baron intouirte mit volle» Lungen die Hymne von Rouget l'JSle: Allons, eokaotv äs l» p»rri« .... Himmel! Die Baronin regte sich. Sie seufzte, öffnete ein Auge, chloß e» wieder, legte ihr reizende» Köpfchen auf die andere Seite, treckte ihr Aschenbiödelsüßchen noch Weiler von sich »»d begann wieder zu schnarchen, wie ein baSkischer Tambour. »Baronin, meinen Degen! Viertel acht. Ich muß zum Diner. Sie wissen doch, daß mich der Lord erwartet... Da» ist unglaublich Diese» Weib ist ein Murmelthier." Der Degen war ganz vergraben unter den tiefen Falten des eleganten HauSkleide» der Wittwe. Man sah nur die Spitze und den Knopf „Versuchen wir'»!" sagte der General plötzlich, wie ein Mann, der einen außerordentlichen Entschluß gefaßt Er kniete zu Füßen der Wittwe nieder und begann mit sachter Behutsamkeit den Degen hervorzuziehen Er gab nach, er glitt ... er war frei. Die Ba ronin schlief noch immer „Gelungen!" sprach der General mit triumphirendem Lächeln. „Aber mit bloßem Degen kan» ich beim Diner nicht erscheinen. Nun an die Scheide!" Und sachte, wie den Degen, versuchte er die Scheide hervorzu ziehen Da erwachte die Baronin und sah erschrocken auf. Wa» sah sie? Den General, zu ihren Füßen knieeud, bleich, mit wildem Blick und veistörten Zügen, den nackten Degen schwingend. »Zu Hilfe!" schrie sie und riß an der Klingel. Die Diener schaft stürzte herbei und umschloß den General, welcher auf den Schwall vo» Fragen, der ihn wie ein Wolkenbruch überfluthete, nicht zu antworten vermochte. »Unglücklicher!" rief die Baronin. »Was wollten Sie thuu? So reden Sie doch! Wa» wollten Sie?" „Donnerwetter, meinen Degen! Sie saßen darauf Ich zog ihn hervor, die Scheide vliev " »Und Sie wollten mich tödten?" »Nein, ich wollte zum Diener beim englischen Gesandten. Man ist gewiß schon bei Tische Halb acht! Ich eile! Aus Wiedersehen, liebe Baronin!" Und der General stürzte davon, Möbel und Bediente, die ihm im Wege standen, bei Seile werfend. Nach zwei Ohnmächten hatte sich die Baronin von dem Schrecken erholt, ergriff die Feder und schrieb an den Präsidenten de» Kabinet»: »Mein Herr! ES läuft ein Gerücht, daß sie den General von Sabrejac in Ihr Ministerium bemfen wollen. Ich betrachte es als Pflicht, Ihnen das traurige Ereigniß zu berichten, dessen Schauplatz mein Salon soeben gemesen ist. Der General ist plötzlich wahnsinnig geworden und mit Schmerz füge ich hinzu, daß seine Tollheit eine der gefährlichsten ist. Er hat meinen Salon geplündert und hat mich ermorden wollen. Wenn Sie durch diese Katastrophe einen loyalen und wcrthvollcn Mitarbeiter verlieren, verliere ich meinen besten Freund. Genehmigen Sie rc " l er General wurde nicht Minister. Doch hüte man sich, ih» zu bedauern. Er hat heute rin rei zendes Weibchen, da» ihm mehr weuh ist, als alle Portefeuille» der Regierung. 'Nachdem die Baronin ihren Jrrthum erkannte, sah sie rin, daß sie dem General sür den verlorenen Ehrenposten Ersatz schuldig sei. Und so sie hat ihm ihr Jawort gegeben. Wiener Brief. Original-Feuilleton von Max Viola. ^ verboten.) Wien, 13. November- mmtlichen hiesigen Einspänner-Kutschern, in Wien draußen im Reiche Droschkeuk»tscher genannt - , ist eine gewaltige Erneute ausgebrochen und zwar infolge Verkennung hre» eigentlichen Berufe». Seit einigen Tage» meinen sie nämlich» nicht dazu erkoren zu sei«, ihr« Gäule auzutreibe«, sondern um auf dem hohen Bock da« hohe 0. zu probireo. Geht ein Me»sch an ihrem Standplatz vorüber, der durch einen kühngeschweiftr« Zylinder oder durch ein glattrasirte» Gesicht einigermaßen wie ein Theater« direkter auSfieht, s» wird da» Jagen nach dem hohen 6. nur um s» krampfhafter, denn die Herren Kutscher möchten alle durchau» al» Phäuomrnal-Tenore für irgend «in« Oper rngagirt werde«. Und diese» Unheil gestiftet zu haben, hat niemand andere» al» der Ham burger Tenor Bötel auf dem Gewissen Tausend Gulden für jede» Auftreten uns dazu rin schrankenloser Enthusiasmus, wie er vo« de» kritischen Publikum Wien» einem Sänger noch kaum' jemals entgegrn- gebracht wurde, da» hat den Wiener Rosseleukeru die Köpfe verdreht, und sie versuchen nun, ob e» ihnen nicht wie dem Kollegen Bötel, welcher bekanntlich da» ehrsame Handwerk eine» Droschkenkutscher» betrieb, bi» ihn Pollini entdeckte und zum Sänger au»bilden ließ, vom hohen Bock in die Oper zu kommen gelänge. Der polnische Tenor MierzwinSki, welcher vor einigen Monaten hier sang, hat un geheuren Beifall gefunden, Bötel, dieser persönlich unbedeutend« ebe- malige Droschenkutscher, wird noch unendlich mehr gefeiert, denn eine Stimme, wie er sie besitzt, wurde kaum noch gehört. Mit volle» Ansatz schmettert er seine glockenhellen, bewunderungswürdig reine« Töne in'» Hau» hinaus und keine Nuance diese» Glanze» geht ver loren, diese herrliche Stimme behält ihre Weichheit, ihre Rundung, ihren Schmelz, ihre zauberische Gewalt bi» hinauf zum hohen v. »So Etwa» war noch nicht da," sagt man sich in Wiener Kunst kreisen und Bötel wird denn auch gefeiert wie ein König E» ver lautet mit aller Bestimmtheit, daß ih« eine hier sehr bekannt« jung« Gräfin ihre Hand angetragen, er schlug sie jedoch au», da er noch aus der Zeit seine» Droschkenkutscherthums daheim in Hamburg ei» Liebchen sitzen haben soll. Ob er, der demnächst einen Weltruf und Hunderttausende besitzen wird, diese» Liebchen auch zu seinem Weib« machen wird, das ist allerdings noch fraglich. Neben Mötel spricht man heute noch vom allerneuesten Bild« Munkacsy'S »Christus auf Golgatha," welches gestern au» Budapest hier eingetroffen und im Künstlerhause ausgestellt worden ist. Da» Bild hat bereits einen Besitzer, der Pariser Kunsthändler Sedlmayr» hat es um sechSmalhundertfünfuudzwanzigtausend Francs angeknust. Herr Sedlmayer macht mit diesem Gemälde des ehemaligen Tischler- gesellen Munkacsy trotzdem kein schlechte» Geschäft. Er hatte e» i« Pari» ausgestellt, vom Entree verblieben ihm rei« hunderttausend Franc», in Budapest erzielte er einen Reingewinn von fü«f«nd» dreißigtauseud Gulden, in Wien, Berlin und London wird er »och mehr verdienen und wenn dann da» Gemälde wieder in Pari« er«» langt, hat es die Kosten längst eingebracht. DaS Gemälde hat, kaum in Wien angelangt, einen lebhaften Kunststrrit hcrvorgerusrn. Einzelne Kunstkritiker »einen, »Ghristu» auf Golgatha" sei entschiede» eine der herrlichsten Schöpfungen dieses Jahrhunderi», a»d«re be haupten wieder, desselben Maler» »Christ«» vor Pilot«»" sei viel bedeutender gewesen. So erhitzen sich die Gemüther und an» de» großkn Wortgefechte geht dich nur da» Eine hervor: daß Michael Munkacsy, dieser einst so kleine, unbeachtete ungarische Tischlergeselle» heute rutschieden einer der glänzendste« Maler der Jetztzeit ist. Mit eiserner Kraft hat er sich emparg-arbeitet «nd «nr mit eiserner Kraft läßt e» sich »orwärt« kommen! Bor vier Tage« Hat der Wiener Jokey Klub seine u««en Räume in einem der prächtigste» Wiener Paläste ««geweiht. Dieser großartige Palast gehört de« Wie«« Börsianer Wilhelm Zier«, der ihn mit eine« Aufwand vo« drei bi» vier Millionen Gulden erbauen ließ. Gerade zehn Jahre find «» her, ba war Herr Zierer ei« blutarmer Teufel, rin junger Buchhalter, welcher seine Stele verlor, weil er die Vermessenheit be saß. sich in die Tochter seine» Chef» zu verlieben. Dieser Chef hieß Lanzinger, besaß ein Vermöge« von einer Million «nd e» ist »selbst verständlich", daß er seinen Buchhalter au» dem Hause jagt«, d« dieser sich vermessen hatte, bi» zur Tochter de» Prinzipal» a»fz«- blicken. Der jung« Zierer war verzweifelt, es gelang ihm nicht eine andere Stelle zu gewinnen und er ent chloß sich, Börsianer z« werden. Mit schwerer Mühe gelang eS ihm, sich hundert Gulden aoszutreibe«, sür 70 Gulden löst« er sich eine Eintrittskarte zur Börse u»d die 30 Gulden, welche ihm nech blieben, bildeten da» „Kapital", mit welchem er seine „Operationen" begann. Die» war vor zeh» Jahre«, zu einer Zeit, da die Wiener Börse den Krach noch lange nicht ver schmerzt hatte. Aber dieser junge Zierer hatte sich geschworen, er müsse reich werden und er ward e» auch. Mau erzählt sich, daß er am erste« Tage, da er die Börse besuchte, huuderttanseud Golde» gewann. Mit diesen hunderttausend Gulden ging e» so rasch vor wärts, daß sich sein ehemaliger Prinzipal eines TageS ein Ver gnügen daraus machte, ihm seine Tochter zu geben, denn während Herr L-uzinger noch immer bei seiner einzigen Million saß, hatte Herr Zierer deren bereits fünf oder sich» im Vermögen. Heute ist Herr Lanzinger noch immer blo» einfacher Millionär, sein ehemaliger fortgejagter Buchhalter und nunmehrige Schwiegersohn aber besitzt drei der schönsten Paläste in Wien, er ist ein Börfenköuig geworden und sein Vermögen wird übereinstimmend auf zwölf bi» fünfzehn Millionen Gulden geschäht. Wenn das keine schöne Gege«d ist, dan» sind die Ufer des Komo-See» auch keine. In Wien giebt es aber auch unschöne Gegenden, wo sehr viel Geld verdient wird. Gestern wurde der Chef einer Bettelbrief- Fabrik eiugesperrt, in dessen Lokal sich die Wiener Bettler, welch« wohlthätige Leute mittelst Bettelbriefe beschwindeln, Rendezvous gebe«. Der Herr Chef heißt Petntsch-k und er instruirle da» Heer feiner Untergebenen, welche Wohlthäter sich am besten beschwindeln ließe«. Da» nunmehr von der Wiener Polizei „saisirtr" Geschäft muhte «im glänzende» gewesen sein, denn in der Wohnung de» Herrn Peiritschek fand man nicht weniger al» 51,000 Gulden in Bankgeld, Werth- papieren und Sparkassenbücheln, welche er durch'» Betteln verdient hat. Und da sagt man noch, die Geschäfte gingen schlecht! Zum Schluffe möchte ich noch ein kleine» Geschichtchen erzähle», daß in hiesigen Privatkreisen viel besprochen wird. Ein junger Kau^ mann und ein Doktor der Medizin warben um die Tochter eine reichen hiesigen Fabrikanten. Der Doktor ist arm, der junge Kauf mann reich; selbstverständlich hotte bei dem Fabrikanten der Kauf mann den Vorzug, obwohl Fräulein Melanie den Doktor «u» volle» Herzen liebt. Der junge Kaufmann hat zwei Reihen der schönste» Zähne, aus welche er unendlich stolz ist. Jüngst mußte er sich aber einen Zahn feilen lassen, und er ging zu einem Zahnarzt, «ine« Kollegen seine» Rivalen Dieser wollte seinem guten Freunde helfe» und als der junge Kaufmann die vielen falschen Zähne und Gebisse vor sich sah, da sagte der Zahnarzt: »Wa», diese Zähne find prächtig» von echten gar nicht zu unterscheiden. Die Tochter des Fabrikanten K. trägt seit vier Jahren ein von mir verfertigte» Gebiß. Sir kenne« si- doch! Ahnt e» Jemand! Fräulein K. ist da» Mädchen, u« welche» der junge Kaufmann ward; er wurde starr — läßt sich i« Hause de» Fabrikanten absolut nicht mehr blicken und der Doktor hat nun die best« Aussicht, ihr Gatte zu werden. Selbstverständlich hat Fräulein S. lauter gesunde Zähne «nd nicht einen einzigen falsche» i« Monde. verontwortlicher v. Müller t» Lyemoi». — Duck »»d ««lag »»» »exander Wted« t« »heomttz.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite