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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.08.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188408157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840815
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840815
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-08
- Tag 1884-08-15
-
Monat
1884-08
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.08.1884
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. Ghe««1tzer «»-eiDer ««^ Gt«»tb«te. Nr. LSI. Freitag. 18. ihr Fensteckin umspann und mit dem Haar an ihr« Stirn und « flüsterte s'. > Lanflumme »w gethellt. Deinen Aotheil übernehme ich zur Au», stattung, d« aodae wird für Salt« gerichtlich depouirt. Di« alten MöbU hi«,' « übersah mit flüchtigem Blick die einfache Siurichtuug d« Stube — »können daun auch gleich verlaust werden. Sie haben keinen Werth und wir müssen uns ohnehin modern ein- richten»* »Müssen wir da»?* fragte sie mechanisch. »Gewiß, da» versteht sich von selbst, kostbar brauchen die Sache« nicht zu sein, ab« neu und modern. — Nun kommt der dritte Punkt — »alt«!* Tr unterbrach sich und sah prüfend auf die Verlobte. Allein er konnte ans dem bleichen, stillen Gesicht nicht» entdecken, nur schien «» ihm plötzlich um viele Jahre älter geworden zn sein. Der kiud- Üch vertrauend« Ausdruck sehüe, mit dem e» sonst zu ihm aufgesehru Sr konnte e» sich nicht deuten und fuhr nach leichtem Räuspern Du mußt mir doch selber zngebru, daß e» so nicht mit ihm chen kann!* Ei« sah «rschrrckt aus, ihr bang« Blick schien zu fragen: wa» soll »nn noch komme»? »Sprich weit« — laß mich alle» hören! bat sie leise. Sr athmete tief und wie erleichtert auf. Sie war im Grunde doch vernünftig«, al» er erwartet Halle, er war auf Thronen und stürmische Szenen gesaßt gewesen. »Ich will dir und deiner verstor benen Mutter keine Borwürfe machen,* fuhr er freundlicher fort und setzte sich «eben sie auf» Sofa. Er wollte eine ihrer kalten, zittrrn- d«> Hände «greifen, ab« sie zog dieselbe unwillkürlich zurück und so War e» auch gut. „Frauenhände find ebeu nicht geeignet, einen Knaben von Wall«» Art zu ziehen, er ist trotzig, widersetzlich und hnrchau» uuleuksam geworden Wenn er nicht noch rechtzeitig mit Strmge und Festigkeit behandelt wird, geht er zu Grunde. Wenn wir heirathen, muß ja doch für eine anderweitige Unterkuast gesorgt werden n«d so habe ich denn die einleitenden Schritte getroffen, daß « im städtischen Waisenhaus« Aufnahme finden soll.* »Im städtischen — Waisenhause?* wiederholte sie, als wenn ste ihren Ohren nicht traute. »Ich denke, daß so am besten für ihn gesorgt sein wird,* fuhr er fort, ohne ihre Bemerkung zu beachten. „Die Künstlergrille wird ihm dort freilich auSgetriebeu werden, aber »ach den trüben Erfahr ungen, die deiu Bat« in dieser Laufbahn gemacht hat, werdet ihr da» kaum al» Unglück betrachten. Er hat die Erziehung dort ganz «msoust und wenn er die Anstalt verläßt, kann er sein kleine» Kapital unversehrt bekomme», um sich in der Welt zu etabliren.* Sie «mg mit Anstrengung, um ihm zu antworten, ab« dre Stimme klang dennoch rauh und gebrochen, als sie versetzte: „Es wäre also ganz unmöglich, daß « bei unS bliebe?* »Aber, liebes Kind, welch «in Einfall!* rief er aus, als sei da rin Gedanke, d« ihm noch nie gekommen wäre. „Wie sollt« ein Knabe von Waller» Eigenart in ein Hau» paffen, da» eben «st ge gründet wird! Er würde unS überall im Wege sein und sich selber m d« erbärmlichsten Weise heruwstoßen!* »Sr ist mir noch nie im Wege gewesen!* sagte sie leise. »Ab« mir!* schwebt« eS auf ftiuen Lippen, doch er unterdrückte da» harte Wort. »Du mußt nicht denken, daß ich meinen Schwager «nt« die Masse des Volk» herabfioßen will!* fuhr er überredend fort. »Damit wäre mir selb« am schlechtesten gedient. Da» Waisenhaus hat verschiedene Abtheilungen, seine befähigtesten Schüler schickt es in» Gymnasium und läßt sie da» Abiturientenexameu machen. Wenn Wall« das nicht erreicht, wird e» lediglich seine Schuld sein. Einmal zur Universität entlasten, kann er werden, wa» « will!* Eie sah ihn Wied« mit den starren, abwesenden Augen an, als mühe sie sich vergeben», den Sinn sein« Worte zu verstehen. »Sein Aufenthalt in deinem Hause würde dich nicht» kosten!* sagte sie. „Ich verdiene mehr, alS « braucht, ich würde ganz für ihn sorgen können. Di« Röche de» Zorns und d« Ungeduld stieg ans seine Stirn. »Ein für allemal, Kind, laß diese» Gedanken fallen!* sagte er scharf. »Und damit wir uns nicht läng« mit Spiegelfechtereien herumdrehen, sei e» denn gesagt: ich will den Jungen nicht in meinem Hause Hobe»! Ich habe mich mit dir verlobt — damals war keine Rede davon, daß ich Walt« mit in den Kauf nehmen müßte! Mein Haus nnd «ein Weib will ich für mich, nicht als Erziehungsanstalt für Heranwachsende Knaben, und wenn wir einmal eigene Kind« haben sollten. Will ich nicht, daß die Liebe und Aufmerksamkeit mein« Frau zwischen ihnen und einem Bruder gethellt wird. Wenn ich dir damit weh getha» habe, thut eS mir leid» ab« vergiß nicht, daß eS dein unbegreiflich« Eigensinn ist, der mich zum Anssprechen zwingt!* Eie nickte ruhig. „ES ist gut — ich weiß uuu, was ich zu thu» habe — e» ist nicht ganz leicht, ab« e» muß gehen! — Hast du mir sonst noch etwa» zu sagen?» Für heute wüßte ich nicht»*, «wilderte a erfreut, daß sie sich so schnell in da» Unvermeidliche fand. „Dn mußt die Sache nicht tragisch« nehmen, als sie ist, Kind!* setzte « sonst« hinzu, als « in rhr blasses, seltsam starres Gesicht sah. „Wie viele Knaben werdeu denn in öffentlichen Anstalten «zogen und warum soll Waller nicht ertragen, wa» Tausende ertragen! Es soll ja auch kein Abschied auf Leben und Tod sein, ich werde Sorge tragen, daß u uns zuweilen de» Sonntag» besuchen darf!* Sie antwortete nicht sogleich. »Bist du jetzt unser alleiniger Bormund?* fragte sie dann plötzlich. „Nein,* versetzte « verwundert. „Herr Bär ist uach wie vor «ner Bormund, doch wie gehört da» hierher?* »Ich wollte eS nur wissen — eS kam mir Alle» so veräudert vor! — Wenn du wir jetzt nicht» mehr zu sagen hast, könnten wir Wohl Abendbrot essen — Waller wird hungrig sein!* Schon Wied« Wall« — sie erschrak, als sie den Namen aus gesprochen hatte und sah fast fnrchlsam zu dem Verlobten aus, ab« er schi» r» überhört zu haben. »Ich will diese Hefte gleich au mich nehmen und morgen zum Direktor des Waisenhauses gehen*, sagte er. „Er braucht sie doch morgen nicht!* »Nein, bitte, laß das noch!* erwiedrrte sie und ihre Hand legte sich wie schützend auf dir Büch«. „Ich werde dir morgen früh durch Dorr Bescheid schicken!* Zwei Stunden später trat Anna an dar Bett de» Bruder», wie! Gardinen, die großen, dunklen Möbel, die kalt dreinschauenden Bilder, ihre Gewohnheit war. Sie hielt ihn für schlafend und erschrak, als die beängstigende Ueberfülle des Raune» drangen auf den Sprechen plötzlich seine Arme leidenschaftlich ihren Hal» umschlangen und der den ein. Eine schwüle Luft nahm ihm den Athem. Die Frau war Knabe in krampfhafte» Schluchzen ausbrach. „Ich habe gehört, was > ihm unheimlich, ihre Mhe bedrückte ihn. ihr gesprochen habt.* stieß er heftig in abgebrochenen Sätzen aus.! Plötzlich beherrschte ihn nur der einzige Gedanke, sich von ihr »Laß mich gehe», laß mich in» Waisenhaus gehen! Ich will nicht zu entfernen. Für den Augenblick war ihm Alles gleich, Ursache und ü, sein Hau», ich mag sein Brot nicht essen, er gönnt mir'S nicht. > Wirkung. Gegenwärtige» und Zukünftiges. Fort, nur fort! — Die Mutt« ist todt und du mußt mit ihm gehen, da will ich ins ^ Rasch wandte n sich zum Gehen. Aber in demselben Augenblick Waiseuhcm» — und vielleicht, wenn ich mich recht gut führe, lassen! durcheilte Maria das Gemach, fiel vor ihm nieder und klammule sich p, mich auch täglich eine Stunde zeichnen!* an seine Hand. Der Jammer de- Knaben löste den starren Druck auf der ^ . ,,Geh' nicht, — bleib, — bitte, — vergieb! — Eine Frage — Schwester Herz, ihre Thränen fielen auf sein lockige» Haar. „Sri «ne" — , ^ ^ ^ „ rnhig, Walter, weine nicht, mein liebrS Herz!* flüsterte sie chm zu. l „Komm — sagte er sanft, halb m Rührung, halb m Hoff- Zh verlasse dich nicht, wir beide, du und ich. gehören zusammen!*> nung. ,und zog sie zum Sitzen nieder. ihr tausend süße Dinge zu, die nur sie verstand. So hatten sie oft »ud oft zusammen geplaudert, da Nochtwiud wußte, wo a da» Mädchen and, wenn die Licht« im kleinen Hause «losch«, waren! Ab« da» ollte ja uuu alle» au» und vorbei sei», der moderne Mensch lebt nicht in rebenumrauven Hütten, « verkauft die Hütte auf Abbruch und zieht in ein große», steinernes Hau»! (Schluß folgt.) ,,«h da» — lieben!" Bon Herma» Heibert. (Nachdruck »erboten) Ach, schon lauge war'» nicht mehr wie ehedem, und mm hielten hre Finger ein Blättchen Papi«, auf da» sie imm« von Neuem ihre thränendrn Blicke richtete: ^ las oefto, quericko mio? I-o «sperr»! mit desos! — kunobitu* Endlich erhob sich die Dame, ging langsam au den Schreibtisch ihres Manne» und schob da» zufällig entdeckte Billet au seinen Platz zurück. Eine schönere, imposantere Frau, eine vornehm«« Erscheinung war nicht denkbar. Weiße» Haar und — ein vollkommen jugend liche» Gesicht; sanft gerölhete Wangen, blaue, aber dunkle Augen und kohlschwarze Brauen. Und das Alle» umrahmt von dem spanischen Spitzeotuch, das wundervoll abstach gegen da» hrllgeblümte seidene Kleft», da» die vollendete Gestalt umschloß. — Gräfin Maria von Lope lebte seit einem Jahr in Madrid, wo hin ihr Gatte als Attache der Gesandtschaft von Paris auS ver setzt war. Sechs Jahre waren Beide Verheirathel. Es schien kein glück lichere» Paar zu geben, und doch verwandelten sich in dies« Zeit eben- holzschwarze Locken in silbernes, mit wenigen duullen Streifen ver mischte» Haar. Als der Graf, d« angeblich zu einem Din« geladen war, spät Abends nach Hause kam» fand er seine Frau noch im gemeinsamen Wohnzimmer. Sein Eintreten bemerkte sie nicht, und als er ihr näh« trüt, hörte er sie sanft athmeu. Sie war «„geschlafen. Lauge stand er vor dem schönen Bilde; endlich berührte er ihre Schultern und weckte sie < „Du bist noch auf?* „Ich erwartete Dich und schlief endlich ein.* »Ist etwa» vorgefallen? War Besuch hier?* Sie schüttelte den Kopf. „Wünschest Du noch etwas? Deine Chocolade?* »Ich danke — Doch! — Anton mag Zigaretten bringen. Während der Graf sich der Thür zuwandle, ging e» unruhig durch sein Inneres. Seine Frau hatte heute etwas Unheimliches fiir ihn. Ihre Stimme klang fremd, und ihr Blick war kalt, fast furcht: erregend. »Do bist nicht wohl? Mich dünkt, Du bist blaß, — angegriffen. — Zigaretten ans meinem Zimmer * Der Dien«, dem dieser letzte Satz galt, entfernte sich wieder. Sie hatte chm nicht geantwortet, aber sie ergriff ein Buch, blätterte darin und schüttelte abermals den Kopf. — Nun wiederholte er seine Frage und trat ihr näher. Seine Hand glitt leise über ihr Haupt. Da schrie sie auf, erstickte aber den Schrei ebenso rasch, weil der Diener die Thür öffnete. Noch einen Augenblick, dann waren sie allein. — „Um Botteswillen, was ist Dir, Maria? Bitte, sprich. Du hast «ich erschreckt.* Er neigte sich zu ihr und wollte sie küssen. Aber sie wehrte chm heftig, «hob sich rasch und ging mit aufgeregten Schritten üb« den weichen Teppich. Nun war es an dem Grafen, einer mißmüthigen Stimmung Raum zu geben. Er ließ sich wortlos in einen Sessel nied«, ent zündete die Zigarette und ergriff eine Zeitung. Die Vorhänge des übeneich auSgestattelen Gemaches waren fest zugezogen. Die seidentapezierten Wände, die großen Gemälde, die unzähligen, überflüssigen, aber reizvollen kleinen und großen Dinge ringsum wurden nur spärlich beleuchtet. Eine niedrige Lampe au» purpurrothem Alabaster, die auf einem mit Büchern und Bildern beladenen Tische stand, warf nur »iu uvthdürftigeS Licht auf die nächste Umgebung. Als Maria ihren hastigen Schritt hemmte und sich — immer lumm — iu ein« dunklen Ecke niederließ, sagte d« Graf, die Zei tung fallen lassend und zu ihr hinüderschaueud: „Brich doch dieses räthselhafte Schweigen. WaS ist'»?* — Keine Antwort. Noch einmal fragte «; jetzt kurz, heftig — fast befehlend. — Da klang es leise, ab« bestimmt ans der Tiefe: .Weshalb fragst Du? — Du weißt's doch am Besten!* — Ja, iu diesem Augenblick wußte er, worum e» sich handelte, und während « die erstaunte Mieue auf seinem Angesicht frsthirU, sann er, wie er ihrem Verdachte begegnen könne. Zunächst ab« galt s, sich Gewißheit zu verschaffen. »Ich weiß? — Was soll ich wissen? — Willst Du Dich nicht erklären? Bekümmert Dich etwa», wenn Du nicht krank bist? Bin ich die Ursache Deiner Trauer, Deiner Mißstimmung?* Sie neigte da» durch da» Dunkel schimmernde weiße Haupt. Er sah'S, säst ohne aufzublickeu. „Ich? Maria?* „Ja!" klang es leise. „So sprich.* „Nein, an Dir ist es." Voll Ungeduld, — voll gemacht« Ungeduld, — ganz mit jener Reizbarkeit, die den Männern mehr noch eigen, als den Frauen, wenn sie sich getroffen fühlen, sprang er auf. „Gute Nacht denn. — Dieses Gespräch ist zwecklos, sinnlos. — Ward Dir die Sprache, um in unverständlichen Sätzen etwas anzu- deuten, da» ich nicht verstehe?" Auch jetzt blieb Alle» drüben stumm. Die Gegenstände im Zimmer, die schweren, von Parfüm durchsättigten Portieren und sich der Knabe allmählich wieder ini Ab« sie erhob sich nicht, umklammerte noch fester seine Rechte und sagte in einem unendlich zärtlichen Ton, aber hastig, zitternd, In ihren Armen weinte Schlaf , Run saß sie am offenen Fenster ihre» Stübchen» und der laue Wind drängend: tz« Sommernacht trug den scharfen Dust der blühenden Rosen au» dem .) Abend Nachbar»garten herüber. Der Nachtwind spielte mit dem Rebenlaub, da-, Mal. — Panchtta. mein Schatz? Ich hoffe, und küsse Dich zehntausend 1881. Seit» 6. „Uebtrgehen wir Alle», «xü. — Liebst Du da» Weib, da» Dich heute mit den Worten: „Ich küsse Dich zehntausend Mal" zu ich eotbot?" Eine so ungeheure Spannung trat auf das Gesicht der Frau, »aß wohl ein Künstler hätte lausche» mögen, um diese sich Wied«, piegeluden Reflexe de» Innern auf einem menschlichen Antlitz mit dem Stifte zu fixiren. — Zärtlichkeit, Furcht, Eifersucht, Verzweiflung und Hoffnung, — Alle» wechselte und vermischte sich zugleich. — Die dunklen Augen brannten, in hastend« Ungeduld wogt« ihre Brust, ein Schau« flog üb« ihre in dies« demüthigeu Stellung hinreißend schöne Gestatt. „Liebst Du das Weib?* fragte sie noch einmal, al» « nicht gleich antwortete, ab« versuchte, sie zu sich emporzuziehen. Maria — höre! — Sei verständig. Ich will Dir Alle» erklären.* — »E» bedarf dessen nicht,* flehte und drängte sie zugleich. — „Ich weiß genug, und wa» ich nicht weiß, ergänzt mein Instinkt al» Frau. — Sei wahr gegen mich! — Ach, Axel* Eie zerfloß in Thränen, sie weinte so bitterlich, daß seine Hände sich benetzten; — sie lag vor ihm wie eine büßende Magdalena, während « vor ihr hätte knieen, um ihre Verzeihung betteln sollen. — „Ach, Axel, ich kann ja Alle» verstehen und deshalb auch ver« zeihen. — Aber antworte mir, antworte mir: Liebst Do sie? Du erzählst mir, wie's gekommen, wie sie Dich umstrickte, — wie Du kämpftest, wie Du doch Deiu« Maria gedachtest, selbst im Rausch der Verirrung. — Gewiß, mein Geliebter. — Ab« sprich: Liebst Du sie denn so sehr — so* „Ah bah — lieben! Komm Maria — erhebe Dich, — ich will Dir* Ab« e» bedurfte keiner Aufforderung mehr. Wie ein Panther sprang da» Weib empor, trotzte das Haupt in den Nacken, und während ihre Gestatt unter dn leidenschaftlichen Erregung zu wachse» schien, warf sie die geballten Hände zurück und schrie . „Ah bah! lieben! — Also nur um einer Laune willen ver- nichtest Du unser Glück! Wie ein plumpes Thier zertrittst Du nn- schuldige Blumen am Wege. — O, — ein Stück meine» Leben», — meinen ganzen Reichthum, — meine Anwrüche an die Achtung und Liebe mein« Mitmenschen würde ich freudig hiogegeben haben, wenn Du mir gesagt hättest: „Ja, Maria. ich liebe dieser Mädchen, — hilf mir, wieder zu Dir zurückzukehren! Ich inte, aber ich war nicht schlecht. — Ich war verblendet, aber ich will mich zurückleitrn lassen zu einem Herzen, das doch, wie kein anderes aus dieser Welt, mir zärtlich entgegenschlägt!* — Ich hätte Dich saust umfaßt und Dich weinend an mich gedrückt. Ich hätte Dir die Hände geküßt und Dir auf Knien gedankt für solchen höchsten Beweis Deiner LiÄe. Aber,'^— bah lieben! Es gehört zum guten Ton in Euren Kreisen, neben einer ehrbaren Frau noch ein Spielzeug zu besitzen, bei dieser die besten Stunden zu vertändeln, und hier um ein Lächeln zu geizen, — hier fortzuwerfen jene köstlichsten Schätze der Zärtlich keit, an die wir allein ein Anrecht haben und für deren Gewährung wir Euch Männern doch täglich inbrünstig danken. — Und die» Wort — nein, ich werde jetzt und ich will reden! trennt uns auch für immer! — Es giebt in meinen Augen nicht» Verächtlicheres auf der Welt, als diese Mode der Leidenschaft. — Sie ist mehr als ein Ver brechen ; denn nur de» seichten Genusses bedacht, mordet sie Alle», — Glück. Wohlstand, Ehre, Frieden, Vernunft. — Und die Heftigkeit des Schwurs? — Ist nur der Eid vor dem Richter heilig? Ist er nicht heiliger als heftig vor dem Altar!?" — Sie hielt inne, erschöpft, überwältigt von der Anstrengung, ver zehrt von den Flammen, die in ihrem Innern wühlten und die wie ein glühender Strom in Worten sich herausgedrängt hatten. D« Graf stand vor ihr halb abgewendet. Er stützte die Hau!» an die Lehne des Stuhles und sprach auch jetzt nicht, nachdem sie geendet. Ein verzehrendes Schluchzen traf sein Ohr, — ein Herz- erbarmendes Weinen. — Es schauderte ihn. Er kannte Maria» Charakter. Es war vorbei; — durch dieses eine Wort hatte er sie verloren, — unwiederbringlich verloren. — Die ganze Nacht brannte einsam düster die Lampe in dem ver lassenen, hohen Gemach. Ein unsichtbarer, boshafter Teufel versuchte in den Ecken zu kichern, zu triumphireu. Aber die Dinge ringsum erdrückten die dämonische Lache. Sie schienen sich in starrer Ruhe aufzutrotzen und standen da und trauerten mit jener grauenhaften, mystischen Resignation, die den tobten Dingen eigen ist. Wir wissen e» nicht, ab« wir glauben e» doch zu fühlen, daß ein empfindungsvolle» LA>en in den Gegenständen unserer Umgebung pulfirt. Acht Jahre später schritt Graf Lope, der seit einem Jahr de» Abschied genommen hatte und seitdem einsam auf seinen Besitzungen lebte, über eine d« Promenaden in EmS. Einmal ließ er sich auf eine Bank nieder und betrachtete die vorübergehenden Kurgäste. Es flog auch ein auffallend schöne», offen- bar den vornehmen Ständen angehörende» Kind vorüb«, mit dem eine einfach gekleidete Dame — ohne Zweifel die Gouvernante — Haschen spielte. Plötzlich stürzte die Kleine und berührte im Fallen die Knie des Grafen. Er hob sie auf; rin reizender, halb verlegener» halb freier Blick traf ihn. Es schoß da» rosenrothe Blut üb« die Wangen, stieg in die feingeschnfttenen Ohren und kämpfte an der weißen Stirn, über der schwarzes, weiches Haar flatterte. Ein Zopf ab« war fast silberweiß. — Da stieg's in dem Manne auf. Alte Gedanken kamen, brennende, zärtliche. Wo mochte gegenwärtig sein Wrib sein, von de« er ge trennt war seit langen Jahren? — Er drückte das Kind au sich und berührte seine Stirn. „Komm, Maria!* — rief nun die Gouvernante strenge und vorwurfsvoll. Bei dem Worte „Maria* erhob sich der Graf. E» schoß über seinen Körper ein heißer Strom. War diese» reizende Geschöpf etwa — ? Hastig und vergeblich eine ungeheuere Bewegung niederkämpfend, trat er auf die Sprechende zu. Er fragte, sie nickte, und nun warf er einen unbeschreiblichen Blick auf die holde Kleine, die ängstlich und verlegen die Vorgänge beobachtete. — Acht Tage waren vergangen. Graf Lope befand sich in ein« Tag und Nacht andauernden Erregung. Wie einst, al» « um seine spätere Frau warb, quoll es auf in seinem Innern. Oft schien ihm A2eS leicht und seine Wünsche rasch erfüllt; dann ab« fand wird« eine solche Hoffnungslosigkeit in seiner Brust Raum, daß er alsbald abzureiscn beschloß. Endlich raffte er sich gewaltsam auf. Sein Kind sah er wieder und der Zauber seiner Erscheinung beeinflußte unsichtbar, wie ein guter, für sein Glück herabgestiegener Geist, seine Entschlüsse. Er schrieb Maria einen langen, von Sehnsucht erfüllte» Brief. Alle», was er sagte, gipfelte in dem einen Punkte: Um unsere» Kindes willen. Und dann eine» Tages. — Er stand ihr gegenüber, er kniete nied«, er küßte sie und flüsterte in überströmender Empfindung: „Meine Frau, meine gute herrliche Frau! — Ach, und Maria, meine kleine Maria!* Dann plötzlich öffnete sich die Thür, feste Kinderarme umfaßten seinen Hals und ein süßer Mädchenmund drängte sich an seine Lippe». Und dann neigte sich die Frau zärtlich zu ihm herab, und er hielt umschlungen für - ganze Leben — die beiden Marien. verantwortlich« Redakteur: vr. pbil. Q. Müll« in Shemnitz. - Druck und Verlag von Alexander Wiede in Chimqjtz.
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