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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 17.10.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188410179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18841017
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18841017
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-10
- Tag 1884-10-17
-
Monat
1884-10
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 17.10.1884
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WM YWWMWMSVWMMW MWWWW Chemnitzer Anzeiger nnd Stadtdote. Nr. »48. Freitag, 17. Oktober 1884. Vei-e 3. achten find, und die» um so mehr, als auch ß 16 des ReichSwahl- gesctzeS vom 31. Mai 1869, wonach die Kosten für die Ermittelung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen von den Bundesstaaten, alle übrigen Kosten des Wahlverfahrens von den Gemeinden zu tragen find, seitens der Reichspostverwaltung gefolgert wird, daß die in An> gelegenheiten der Wahlen entstehenden Portokosteu der Reichshaupl kasse nicht haben auferlegt werden sollen. — Aus Anlaß der Beraubung eine- Geldbriefes, bei welcher die aufgeklebten Marken sauber abgelöst, durch einen Schnitt da- Geld herauSgenommen und die Marken wieder sorfältig aufgeklebt wurden, ist bestimmt worden, daß zwischen den Marken ein hinläng lich großer Raum gelassen werde, um eine Beraubung zu verhindern. In recht vielen Fällen kommt es auch vor, daß Absender auf ge wöhnliche Briefe, wenn soche durch eine Marke ftankirt werden können, eine Reihe von Marken kleben, z. B. für 20 Pfennig vier Fünfpfennig Freimarke». Da das Abstempeln der Briefe bei größeren Postanstalteu außerordentlich zeitraubend ist, >o wird damit den Beamten «ine unuöthige Arbeit zugemuthet. Häufig werden auch die Marken so aufgeklebt, daß sie den eingelegten Brief nur halb zur Unterlage haben, wodurch der Stempel auf der Marke immer undeutlich aus fallen muß. Der Brief sollte das ganze Kouvert füllen. — AuS Meerane wird uns die Mittheilung, daß dort die Geschäfte der Webstuhlfabriten seit acht Wochen nicht nach Wunsch gehen und eine beträchtliche Anzahl Weber zu feiern sich genöthigt sicht. Der Grund des schlechten Geschäftsganges soll darin zu suchen sein, daß die Firmen, welche ihre Webwaaren von den Fabriken in Meerane beziehen, ihren Winterbedarf vollständig gedeckt haben und für das kommende Frühjahr nur unbedeutende Bestellungen aufgaben Unter den drückenden Verhältnissen leiden namentlich die kleineren Geschäftsleute ganz besonders und kann man deren Wünschen nur zustimmen, die Geschäftsverhältnisse möchten sich nach so langer Pause endlich wieder einmal bester gestalten — Zum ArchidiakonuS an der Annenkirche in Dresden Wählte der Kirchenvorstand, wie die „DreSdn. Nachr." schreiben, in seiner gestrigen Sitzung nahezu einstimmig Herrn Stadtdiakonus Liesch ke aus Plauen i. V. — Nächsten Sonntag nimmt in Dresden eine Ausstellung der „bildlichen Darstellung der Uniformirungsepochen der sächsischen Armee" im Wachtgebäude zwischen den beiden Grenadierkasernen in der Albertstadt ihren Anfang. Die erste Serie, ausgestellt vom 19. bis mit 3l. Oktober, umfaßt den Zeitabschnitt vom 16. bis zum Schluß des 18. Jahrhunderts. Die zweite Serie, ausgestellt vom 2. bis mit 16. November, umfaßt den Zeitabschnitt vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis auf die heutige Zeit. Die dritte Serie, ausgestellt vom 18. bis mit10. November, enthält Erinnerungsblätter an die sächsische Armee und zwar Portraits von sächsischen Regenten, Generälen, sowie viele historische Momente u. s. w. Die Zeit der Besichtigung ist an Wochentagen von früh 10 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr, an Sonn- und Festtagen nur bis 3 Uhr Nach mittags. Der Zutritt ist Militär- und Zivilpersonen kostenfrei gestattet — Am Donnerstag voriger Woche, früh, stand Fleischermeister Ernst Winter in Grünau bei Wildenfels munter und wohl auf, ging aber barfüßig in den Stall, um nach seinem Pferde zu sehen und hat sich erst darauf angekleidet und alsbald mit dem Zerlegen eines Rindes beschäftigt, wobei er am linken Arm und Bein vom Schlage gerührt und gelähmt wurde, so daß er gänzlich arbeitsun fähig ist. Wiederum eine ernste Mahnung, sich vom Bette aus mög lichst mit Schuhwerk und der nöthigfien Kleidung zu versehen. — In Döbeln hat sich am Montag Mittag in der Mulde die 30 Jahre alte ledige Zigarrenarbeiterin Emilie Marie St. aus Waldheim mit ihrem 8jährigen Knaben ertränkt. — Die Zwickauer Marienkirche besitzt einen hohen Schatz in einem Kruzifix aus Bergkristall mit Edelsteinen. Dieses Kruzifix! wird jetzt infolge einer Beschädigung bei einer Leipziger Firma restaurirt.! — Plauen. Von den eingegangenen 37 Konkurrenzentwürsen zur Errichtung eines Asylbaues wurden der Entwurf der Architekten Ludwig und Hülßner in Leipzig mit dem ersten Preise (b0-> Mk).! der Entwurf der Architekten Hänel und Dreßler in Dresden mit dem zweiten Preise (200 Mk.) ausgezeichnet, der Entwurf des Archi tekten Fuhrmann in Dresden ist zum Ankauf empfohlen worden. gehen, aber auch hier erkannte das Schöffengericht auf kostenlose Freisprechung und legte auch die dem Angeklagten erwachsenen noth wendigen baaren Auslagen deshalb ebenfalls der Staatskasse auf. weil Z360,11 Str.-G.-B. nur den bestrafe; der selbst ungebührlicher Weise ruhestöreuden Lärm errege, nicht aber denjenigen, der einen solchen Lärm dulde. — Eine originelle Brautwerbung, die am letzten Sonntag ihren glücklichen Abschluß vor dem Altar fand, ist in Petersburg, wie der „PeterSb. Listok" mittheilt, vor ungefähr zwei Monaten vorgekommen. Der Held derselben ist ein bescheidener junger Mann, Konstantin L . . . Skin, der erst vor Kurzem in ein dortiges Privatgeschäft eingetreten war und daher auch nur eine höchst geringe Gage bezog. Eines Abends, etwas später als sonst von feinem Dienst nach Hause zurückgekehrt, fand er auf seinem Tisch einen Brief von einer ihm unbekannten Dame, in welchem er dringend gebeten wird, am anderen Tage bei ihr zu erscheinen. Noch einigem Zaudern entschließt er sich auch zu dem Besuch. Wie groß ist aber gleichzeitig sein Erstaunen und seine Verlegenheit, als ihm die Dame, welche er zum ersten Mal sah, nach den üblichen Begrüßungsphrasen mic den Worten anredet: „Sagen Sie mir offen, ist Ihr Herz noch frei?" Ehe der junge Mann noch zur Besinnung gekommen -war, hatte ihm die Dame durch ihr liebenswürdiges und vertrauen erweckendes Wesen bereits die Antwort entlockt, daß er vollkommen frei sei. „Sehen Sie," sagte sie ihm darauf, „ich habe ein einziges Kind, daS ich über Alles liebe, und diese meine Tochter ist in Sie verliebt. Sie sieht Sie von ihrem Fenster aus jeden Tag in den Dienst gehen, hat Ihren Namen erfahren, kennt Ihre Stellung, die Meinung Ihrer Freunde über Sie und liebt Sie, das weiß ich aus ihrem Munde, ausrichtig." Nach diesen Worten stellte die Mutter ihr« Tochter dem jungen Mann vor, dem sie vom ersten Augenblick an gefiel und noch an demselben Tage fand die Verlobung statt. L . . . skin ist jetzt nicht nur glücklicher Ehemann, sondern durch seine Frau auch Inhaber mehrerer Häuser. — Zwei Kommis der großen Modewaarenfirma Arnold Konstable u. Co. in New-Aork haben ihren Prinzi pälen durch Unterschleif in einem Zeitraum von kaum 8 Jahren nicht weniger als 2 Million Dollars gestohlen I Welch' ungeheuren Umsatz diese Firma hat, läßt sich daraus ermessen, daß diese am Waaren- konto begangenen Schwindeleien so lange Zeit unentdeckt bleiben konnten und man selbst in den kolossalen Beständen des Seiden- und SammetlagerS nu- durch Zufall das Manko entdeckte. — Ein Kuß. Aus einem amerikanischen Roman: „Es war Nacht, das licbeglühende Paar stahl sich aus dem Glanz des Mondes unter den Schatten einer Linde. Als ihre Lippen.sich berührten, gab es einen wonnigen Laut, als wenn eine Kuh den Hinterfuß anS dem Sumpfe herausziehtil" ... , ...—... Vermischtes. — Paul Lindau entwirft von dem Gasthofsleben in Warschau, das er gelegentlich der Drei Kaiser-Zusammenkunft kennen zu lernen Gelegenheit hatte, folgende Schillerung: Für den Fremden ist in Warschau vortrefflich gesorgt. In dem mächtigen „Europäischen Hof" ist man gut ausgehoben und auch die Ver pflegung in den verschiedenen Wirthschaften und Weinstuben der Stadt läßt nichts zu wünschen übrig. Einen eigenthümlichen Eindruck machte es aus uuS, daß in den beiden besten und von der besten Gesellschaft besuchten Weinstuben der Stadt, bei Steukowski und Bouquet, keine Tischtücher aufgelegt und keine Servietten gegeben werden. Die Schüsseln werden einfach auf ein Blatt Fließpapier, das über den Tisch gebreitet wird, gesetzt. Das erklärt sich so: eine Gaststube mit Tischtüchern, Servietten und Kellnern wird als „Restaurant" aufgefaßt und muß demgemäß Abgabe« zahlen; fehlt die Tischwäsche und das dienstthuende Personal, so ist die Gaststube nur ein Nebengemach zur Weinhandlung und die Steuer ist eine weit geringere. Es giebt daher auch keine „Kellner" in diesen Wirth schaften. Die Speisen werden uns durch jugendliche Handelsbeflifsene aus besonderer Gefälligkeit gereicht, und sie würden sich in ihrer Ehre tief gekränkt fühlen, wenn man ihnen das Trinkgeld nach dem des BerusSkcllners prüfendes Auge lüstern schielt, anbieten wollte. — Drei Personen erstickt. Der Tischlermeister Georg Thoman hatte kürzlich das neuerbaute HauS Nr. 17 in der Mohren- gaffe im Bezirke Favoriten zu Wien angekauft. Im Souterrain dieses Neubaues beabsichtigte Herr Thoman feine Werkstätte zu errichten; da jedoch die Wände noch feucht waren, wollte er dieselben vorerst mit offenen Kokesöfen ausheizen. Am Freitag Abends ließ er in die Souterraivlokalitäten einige dieser Kokesöfen bringen und beauftragte feinen Gehilfen Johann Hrabak und seine beiden Lehrlinge Franz Fischer und Anton Praschek, die Ausheizung durchzusühren und das Lokal zu überwachen. Die drei Arbeiter vollzogen den Auftrag ihre- DienstgeberS, und nachdem der KokeS in den Oefen brannte, verschlossen sie unvorsichtiger Weise alle Fenster des Raumes und blieben in demselben zu rück. Als am nächsten Morgen Herr Thoman kam, um Nachschau zu halten, fand er seine drei Arbeiter tobt auf dem Boden liegen Die Leichen waren bereits starr, und der Tod mußte mehrere Stunden vor Auf findung der Unglücklichen eingetretcn sein. Johann Hraback war 18 Jahre alt, zu Quon in Böhmen gebürtig; Franz Fischer war 12 Jahre und Anton Praschek 15 Jahre alt. Die Leichen der Erstickten wurden in die Todtenkammer des allgemeinen Krankenhauses gebracht. — Ein salomonisches Urtheil ist jüngst vom Schöffen gericht in Königshütte gefällt worden. Mehrere junge Leute hatten vor einiger Zeit in einer dortigen Restauration einen Kommers Veranstaltet, bei dem eS etwas laut zuging. Sie erhielten daher einen polizeilichen Strafbefehl wegen Verübung ungebührlichen und ruhestörenden Lärmens. Aus den von ihnen erhobenen Einspruch er kannte nun das Schöffengericht auf Freisprechung, indem es aussührte, jener Lärm sei zwar ruhestörend, nicht aber ungebührlicher Weise er- regt worden, da er ja vom Wirthe geduldet worden sei. Nun ließ die Polizei dem Wirthe selbst einen diesbezüglichen Strafbefehl !zu- Bismarck und Jules Favre. Der „GauloiS" ist in der Lage, ein Blalt auS dem demnächst zu ver öffentlichenden Werke der Grafen d'Höriffon, ehemaligen Ordonnanz-Offizier- des Generals Trochu, ttber die Belagerung von Paris wiederzugeben. Wir entnehmen ihm folgenden Bericht über die Zusammenkunft Jules Favre's mit dem Grafen ». Bismarck am 24 Januar l87l zu Versailles: Am Morgen dieses Tages hatte ich zu dem preußischen Vorposten in SövreS ein Billet Jules Favre's gebracht, welcher eine Unterredung mit dem Kanzler nachfuchtc Des Nachmittag um 5 Uhr war ich mit der bange er wartete« Antwort zurück: Herr v. Bismarck war bereit, Jules Favre im Lause des Abends »der den nächsten Tag zu empfangen. Wir machten uns sogleich auf, Jules Favre, sein Schwiegersohn und ich. Wir fuhren in dem Koupee des Kaisers, an dessen Schlägen die Wappenschilder auSgekraht worden waren. Schon hieß es, Jules Favre wolle mit dem Feinde unter handeln, und die wackeren Nationalgardisten waren entschlossen, ihn nicht durchznlassen. An de» Thoren, bei den Wachtposten drängte ich mich vor, füllte das Fenster mit meinem Körper aus und zeigte meinen Passirschein, während Jules Favre sich in der entgegengesetzten Ecke zu verbergen suchte... Von Sävrcs führte uns ein alter Rumpelkasten, den Reiter eskortirtcn, rasch »ach Versailles in das Hotel der Frau von Jcsse, welches Herr v. Bismarck bewohnte. Wir stiegen sogleich in das erste Stockwerck hinauf und fanden nnS deui Grafen Bismarck gegenüber. Er trug die Obersten-Uniform der weißen Kürassiere uud für mich lag ein schmerzlicher Kontrast zwischen diesem ttolob, der in seinem Rock eingepreßt war, mit der gewölbten Brust, den breiten Schultern, stretzend von Gesundheit und Kraft, dem Vertreter Deutsch lands, »nd zwischen dem gebückt einhergehenden, hageren, langen, in seine« Ueberzieher schlotternden Advokaten, dem Vertreter Frantreichs, welchem das weiße Haar über die Backen Herabhin». Nach dem üblichen Austausch v»n Höflichkeiten sagte Jules Favre, er sei gekommen, die in Ferneres abge brochenen Unterhandlungen wieder auszunehmen. Bismarck aber platzte her aus : „Die Lage ist nicht mehr dieselbe und wenn Sie an Ihrem damaligen Prinzip festhallen: „Keinen Zoll breit unseres Gebiets, keinen Stein unserer Festungen", so ist es überflüssig, weiter zu reden. Meine Zeit ist kostbar, die Ihrige auch, und ich sehe nicht ein, warum wir sie vergeuden sollen." Dann änderte er den Ton uud sagte: „Sie sind seit Ferritres stark ergraut, Herr Minister". JuleS Favre deutete auf die Regierungssorgen hin. „UebrigenS", fuhr Bismarck fort, „sind Sie z« spät gekommen. Dort hinter jener Thür steht ein Abgesandter Napokeon's III., und ich will mit ihm unterhandeln." ES wäre schwer, die Verwirrung und den Schrecken zu malen, welche diese einfachen Worte auf den Minister hervorbrachten. Der Kürassier ermaß mit einem einzigen Blick den ungeheuren Bortheil, den er errungen hatte, und sprach, indein er beständig die Augen auf die Thüre geheftet hielt, die vielleicht nur zu einem Wandschrank gehörte, weiter: „Warum sollte ich denn eigentlich mit Ihnen unterhandeln? Warum sollte ich Ihrer Republik einen Schein der Gesetzlichkeit gewähren, indem ich mit ihrem Vertreter einen Vertrag abschließe Im Grunde sind Sie nur ein Hausen Empörer! Ihr Kaiser hat, wenn er zurückkommt, das Recht, Sie als Berräther und Rebellen niederschießcn zu lassen." — „Wenn er aber zurückkommt," rief Jules Favre außer sich, „dann giebt eS Bürgerkrieg, dann haben wir die Anarchie!" „Wissen Sie denn das so genau? UebrigenS sehe ich nicht ein, wie der Bürgerkrieg uns Deutschen schade« könnte." „Fürchten Sie sich denn nicht davor, Herr Graf, uns zum Aeußersten zu treiben, unseren Widerstand noch erbitterter zu machen?" „Ach ja, Ihr Widerstand," ries der Kanzler mit schallender Stimme, „Sie find wohl stolz aus Ihren Widerstand? Daß Sie es nur wissen, mein Herr, wenn Herr Trochu ein deutscher General wäre, so ließe ich ihn noch heute Abend erschießen. Man Hot kein Recht, hören Sie mich wohl an, man hat kein Recht, angesichts der Menschheit, vor dem Anrlitz Gottes um eines armseligen, militärischen Ruhmes willen eine Stadt von mehr denn zwei Millionen Seelen der HungerSnolh Preis zu geben. Die Eisenbahnschienen sind von allen Seiten abgeschnitten und wenn wir sie nicht binnen zwei Tagen — was gar nicht sicher ist — «iederherstellen können, so werden Ihnen jeden Tag Hunderttausend Personen wegsterben. Sprechen Sie nicht von Ihrem Widerstand, denn es ist ein Verbrechen!" Und noch sehe ich ihn, wie er ausstand, als wollte er Abschied nehmen, und die Hand aus den Knopf der Thür legte, hinter welcher der Vertreter Napoleon's I>I. stehen sollte Auch Jules Favre sehe ich, wie er sich hastig erhebt, ihm nacheilt, seine Hand ergreift und ruft: „Nicht doch, Alles, was Sie wollen, nur wälzen Sie nicht auf Frankreich nach all dem bisherigen Mißgeschick noch die Schande, «inen Bonaparle er- tragen zu müssen!" Und als sie sich gesetzt hatten, fing Jules Favre an, die Vortheile der Republik zu preisen, des unperföhnlichen Regiments, welches allein die harten oder schmählichen Bedingungen zu tragen vermöge, ohne darum gestürzt zu werden, welches alle!» im Stande sei, Deutschland die Durchführung der Verträge zu sichern u. s. w. u. s. w. Bismarck lächelte. Fünf Minuten später war das doppelte Prinzip einer Gebietsabtretung und einer Kriegsentschädigung ausgestellt. Es war sieben Uhr, Herr v- Bismarck lud uns zum Diner ein, und wir stiegen in das Erdgeschoß hinunter. Etwa zwölf Offiziere und Kanzleibeamte warteten in großer Uniform. Ich erinnere mich, daß der Tisch sehr reichlich versehen, mit massiven Silberbestecken eines Reisenecessaire- gedeckt und mit nur zwei Kerzen auf leeren Flaschenhälsen beleuchtet war Dieser vielleicht berechnete Umstand allein gemahnte an das Lagerleben. Graf Bismarck, welcher Herrn Jules Favre noch immer nicht als Bevollmächtigten, als Minister behandelt hatte, hieß mich zu seiner Rechten Platz nehmen. Ich war verwirrt und warf einen fragenden Blick aus den Minister, der resignirt sagte: „^Uvr invn onianb!" Und er setzte sich zur Linken des Kanzlers, welcher sogleich mit tüchtigem Appetit zu essen und, immer sprechend, Bier und Champagner auS einem großen silbernen Becher mit seinem Namenszuge zu trinken begann. Die Unterhaltung wurde von der ganzen Gesellschaft in sranzösischcr Sprache geführt. Groß war mein Erstaunen, als Graf Bismarck plötzlich zu mir sagte: „Herr v. Hörisson, ich sehe Sie heute nicht zum ersten Male. . . . Warten Sie! Ja, eS war in Baden-Baden im Jahre 1866 auf dem Perron des Meß- mer'schen . war in der welch» vor B „ ES ist großartig?" Welch' erstaunlicher Main" Der arme Jules Favre saß indessen eingesunken, unter seinen Haaren begraben, auf seinem Stuhle. Wem» man das Wort an ihn richtete, so rüttelte er sich wie au« einem Traume auf. und von Zeit zu Zeit wischte er sich die Augen mit der Serviette. .Gewiß ich ehrte diese» patriotischen Schmerz, aber ich hätte doch gewollt, daß er sich zurückhaltender zeigte, und um den Eindruck zu verwischen, fing ich mit dem Beneralstab nach Pariser Art zu prahlt« an. „Glauben Sie doch nicht, sagte ich u A., „daß wir so ausgehungert sind, wie erzählt wird. Wir be sitzen überdies eine Leichtlebigkeit, eine Elastizität, die macht, daß wir da lachen und scherzen, wo andere Völker sich niederschmettern lassen," —- Nach dem Diner begaben wir uns wieder in den Salon der ersten Stoa man begann dl» Klauseln der Friedenspräliminarien festzusetzen. erkesund Gericht-Halle. —tr. Strafkammer I vom 14. Oktbr. Der Schiefer- und Ziegeldecker Edmund Christian Frommhold au» Lhemnttz (I8S7 geboren und bereit» vorbestraft) wurde für schuldig erachtet, sich einer versuchten Nöthiauna und der Bedrohung schuldig gemacht zu haben und deshalb erhielt er 2 Monate Befängniß zuerkannt. Der Strumpfwirker Gustav Emil Wagner auS Oberlungwitz (>8S7 geboren und noch unbestraft) war angeklagt, am 4. August d.J. seinen damaligen Hauswirth durch Bedrohung mit dem Vergehen der Körperverletzung genöthigt zu haben, von der Ausübung des ihm gesetzlich »»stehenden Reten tionsrechts abzusehen. Wagner verließ nämlich an jenem Tage seine bisher innegehabte Wohnung, ohne vorher den rückständigen Miethzins zu entrichten. Sein Hauswirth erklärte ihm deshalb, daß er verschiedene Gegenstände al» Pfand innebehalten wollte; Wagner bedrohte ihn aber und infolgedessen sah sich der Verletzte genöthigt, ihn mit den Sachen ziehen zu lasten. Der An geklagte wurde zu 2 Wochen Gesängniß verurtheilt. Der Feuermann Oskar Robert Schilde aus Ehemnitz «wiederholt vorbestraft) war des im Rückfalle verübten Diebstahls angeklagt und dessen für schuldig erachtet, wurde er zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus, 3 Jahren Ehrverlust und zur Stellung unter Polizeiaufsicht verurtheilt. Die Färbergesellen Friedrich Paul Zumpe auS Pulsnitz und Hermann Mangold aus Pöstyen in Ungarn haben am 4. August d. I. gemein schaftlich dem Gastwirth Sch. auS HartmannSdorf auS einem Büffetschranke ein KIstchen mit 100 Stück Zigarren im Werthe oon b Mk. SO Pf. gestohlen. Sie wurden der ihnen beigemessenen Strasthat für schuldig erachtet und zu je 1 Woche Gesängniß verurtheilt. - ,, Strafkammer IV> vom 14. Oktbr Der Fabrik-und Handarbeiter Ernst Josef Hilbert auS Schlettau (!866 geboren und wegen Exzesse» schon ein Mal vorbestraft) stand am 4 August d. I. vor dem Schöffengericht zu Scheibenberg unter der Anklage, am 6. April d. I. aus dem „Echeiben- bera" in Gemeinschaft mit noch mehreren Anderen den Zigarrenarbeiter D. geschlagen und körperlich verletzt zu haben. Hilbert wurde der ihm beige- mestenen Körperverletzung fit, schuldig erachtet und zu 2 Wochen Gesängniß verurtheilt. Hiergegen legte er Berufung ein, behauptend, daß er D. nicht geschlagen habe. Der Gerichtshof hielt sich jedoch »on der Schuld des An saaten überzeugt, setzte aber dessen Strafe auf 1 Woche Gesängniß herab. Strafkammer II. vom 1b. Oktbr. Der Dienstknecht Hugo Kramer aus Mittelfrohna war der Urkundenfälschung in Verbindung mit Betrug angeklagt. Es lag ihm zur Last, einer Frau R. für seinen Prinzipal, den Mühlenbesitzer M. in Mittelfrvhna einen Sack Weizenmehl 0 für Weizen mehl 00 verkauft und zum Zwecke der Täuschung die mit 0 versehen« Etiquette daeurch verändert zu haben, daß er darauf 00 onbrachte. Nach dem Gange der Beweisaufnahme konnte aber der Gerichtshof nicht zur Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten gelangen, vielmehr naPn er an, daß Kramer die alsche Bezeichnung irrthümlich auf den Sack gebracht habe. Kramer wurde >aher freigesprochen. Der ArmenhäuSling Friedrich Wilhelm vurich aus Otten.dorf (ein nicht weniger als >2 Mal, darunter mehrfach mit Zuchthau» vorbestraftes Subjekt) war de» Bettelns und der Bedrohung mit einem gemeingesährlichen Verbrechen angeklagt. Nachdem er monatelang bettelnd herumgezogen ist, hat er am 22. August d. I. die Drohung ausgesprochen, das Gut des GutSbe- itzers L- in Ottendorf in Brand setzen zu wollen- Er war de» ihm Beige« mcssenen geständig und auf die Frage des Vorsitzenden, warum er L. bedroht habe, gab er an, daß dies aus Dummheit geschehen sei „Aurich'S Fritz" — sagte er — „ist nicht so schlecht. Jemand da» Gut anzubrennen, Dumm heit ist'S gewesen, daß ich das gesagt; es ist nun aber so, wenn man een'n getrunken hat, da wird man im Kopse dumm." Der Angeklagte machte einen höchst drolligen Eindruck, er zeigte sich indeß iauch recht renitent, namentlich beim Verhör de» Zeugen, den er der Abwechslung halber manchmal mit „mein lieber August", manchmal aber auch in verletzender Weise anredete. Der Gerichtshof verurtheilt« Aurich wegen BettelnS und Landzwangs zu 3 Monate» Gesängniß und 1 Woche Haft. Der Amtswachtmeister Franz Eduard Kretzschmar auS Frankenbera war angeklagt, am 3. September d. I. aus dem Amtsgerichtsgebäude daselbst einen Untersuchungsgesangenen auS Fahrlässigkeit haben entweichen lasten Er wurde indeß von der Anklage freigesprochen, da ihm nach Lage der Sache eine strafbare Fahrlässigkeit nicht zur Last gelegt werden konnte. Bericht des Schlacht- und ViehhofS zu Chemnitz. Vom 16. Oktober. Auftrieb: SS Rinder, 277 Landschweine. 30 Bak-, 170 Schaf-, 227 Kälber, 2 Ziege«. Am Rindermarkt gestaltete sich das Geschäft bet annähernd unveränderten Preisen mittelmäßig. Schweinemarkt. Beim Marktbeginn entwickelte sich ein recht lebhafter Geichäftsverkehr, welcher jedoch bald abnahm, so daß im Durchschnitt ein mittelmäßiger Geschäft zu verzeichnen ist. Preis« nicht verändert. Schaf- und Kälbermarkt Der Schasmarkt verlies bei etwas niedrigeren Preisen langsam. — Für Kälber wurden heute etwa-höhere Preise als am letzten Markttag gezahlt- Preise: Rinder: II. Qual. 56 - 60 M auf 100 Pfd. Schweine: Landschweine S0-b3Mk., Bakonier 47 lebend Gewicht bei 40 Pfd. Tara per Stück. Schafe: lOO Pfd. lebend Gewicht 31—34 M. Kälber: 100 Pfd- lebend Gewicht 34-36 Mk. Telegramm. (Fortsetzung zu den auf Seite 1 befindlichen Telegrammen.) Brau «schweig, 16. Oktober, 11 Uhr 42 Min. Die letzte» Nachrichten über das Befinden des Herzogs lauten wieder weniger günstig. Die offiziellen „Braunschweiger Anzeigen" melden von gestern: Eine wesentliche Hebung der Kräfte des Herzogs hat nicht stattgefuuden. Die Aerzte konstatirte» eine« Magenkatarrh. Der Herzog hatte eine unruhige Nacht. Puls relativ gut. Verantwortlicher Redakteur: Ur. pbil. O. Müller in Chemnitz. Vereins-Anzeiger. Allgemeine Kriegervereinigung. Freitag, den 17. Oktober, Mit gliederversammlung bei Kamerad Weiblmann, Holzmarkt 9. Bürgergesangverein. Donnerstag, den 16. Oktober, Versammlung im Bereinshause. - Erzgeb. Bartenbauverein. Donnerstag, 16. Oktober, Versammlung im Bereinshause. Handwerker-Verein. Donnerstag, 16. Oktober, dritter Familienabend im Bereinshause. Kaufmännischer Verein. Donnerstag, den 16-Oktober, Abends 8 Uhr im Börsensaale fünfte Wocheuversammlung. Militärischer Veteranen-Berein. Donnerstag, 16. Oftober, Haupt versammlung bei Grundmann. Ortsverein deutscher Kaufleute. Freitag, 17. Oktober, Versammlung in den „Drei Raben", große Brüdergafse. Sächsische Fechtschule. Freitag, 17. Oftober, erster Familien-Abend in der Linde. »L8 >eu«8lv io IftiMilliitüi'li'iEe»! fertigt in guter feiner Arbeit, und empfiehlt den geehrten Damen dieselben nach jeder Mode, und wird die Anlernuvg bei Entnahme gratis ertheilt. Hochachtungsvoll k. L. Linzs, kMM, vretaaffk 7. A ..He- -L
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