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2130 PAPIER-ZEITUNG Nr. 69/1919 Verfassung ebenso demokratisch sein muß wie die des Reiches. Auch im Gebiet des Freistaates wird die Mitwirkung der werk tätigen Bevölkerung in allen Fragen der Verwaltung und der Verfassung unumgängliche Notwendigkeit sein. Die Danziger Verfassung wird auch an der Frage der Verstaatlichung der Naturkräfte und des für die Allgemeinheit notwendigen Bodens nicht vorüberkommen; insbesondere wird sie den spekulativen Mißbrauch des Bodens zu verhindern suchen müssen, wenn nicht einzelnen auf Kosten der Allgemeinheit Gelegenheit bleiben soll, sich über Gebühr zu bereichern. Für die bisher staatlichen und Reichsbetriebe dürfte sich wohl, soweit sie von der Freistadt übernommen werden, eine gemischte Betriebsform empfehlen. In jedem Falle muß auf beiden Seiten, bei Unternehmern und Arbeitern, der gute Wille zum gegenseitigen Verständnis lebendig sein, wenn der Freistadt ihr schweres politisches Zwitterdasein nicht noch durch wirtschaftliche Kämpfe verschlimmert werden soll. Die Verhältnisse sind schwierig, der Rohstoffmangel hat große Betriebe lahmgelegt, und viele hundert Arbeiter sind schon in die Bergwerksbetriebe nach dem Westen abgewandert. Die Industrie in der Freistadt wird überhaupt keine leichte Stellung haben; die Schutzstaaten, besonders England und Amerika, werden sich bemühen, möglichst viele Fertigerzeugnisse nach Danzig und über Danzig nach Polen einzuführen. Dem Danziger Handel wird also die wichtige Aufgabe zufallen, die Verbindung zwischen dem Welthandel und Polen herzustellen, das Zwischen glied im internationalen Warenaustausch zu sein. Das darf natürlich nicht für die deutschen Kaufleute bedeuten, ihr Deutsch tum aufzugeben. Die Engländer liefern den besten Beweis dafür, daß man stark national empfindend einen sehr schwunghaften internationalen Handel betreiben kann. Und hiernach werden sich die Danziger deutschen Kaufleute hoffentlich auch richten. Den Polen ist allerdings nach ihren Presseäußerungen die Ver polung des Danziger Lebens ein sehr erstrebenswertes Ziel; sie sind auch damit nicht einverstanden, daß die Weichsel inter nationalisiert werden soll und wünschen deren polnische Ver waltung. Sie vergessen nur dabei, daß sie selbst für den Ausbau dieses größten östlichen Stromes nichts getan haben, und daß alle Arbeit, die den Verkehr auf der Weichsel verbessert hat, nur von den Deutschen geleistet worden ist, ja, daß die deutschen Regu lierungsarbeiten durch den Mangel jeder Mitarbeit im oberen Lauf der Weichsel zum großen Teil hinfällig wurden. Aus diesen Andeutungen geht zur Genüge hervor, daß die Danziger sich über die wirtschaftliche Entwickelung ihrer Heimat keinen übertriebenen Hoffnungen hingeben können. Einzelne sehen sogar völlig trostlos in die Zukunft. Ihnen gegenüber stehen ziemlich weite Kreise, die für Danzig goldene Tage voraus sehen, und die besonders der Handelsentwickelung unserer Stadt die .denkbar günstigsten Voraussagen machen. Hpnderte von neuen Firmen haben sich schon in das Handelsregister eintragen lassen, an den verschiedensten Stellen regt sich neues wirtschaft liches Leben, und selbst ausländische Fabriken erörtern den Gedanken, Zweigbetriebe im Freistaate zu erreichten. Die tat sächliche Zukunft wird wahrscheinlich in der Mitte liegen. Der Handel dürfte Aussichten zur Entwickelung haben, wenn er sich sehr rührt und seine früher erworbenen Stellungen sich bewahrt. Augenblicklich wird ihm das Leben durch die Tätigkeit vieler Außenseiter noch besonders schwer gemacht, die, ohne fach kundig zu sein, von den Fabriken leider mit allem beliefert werden, was sie verlangen. Für den deutschen Händler wird es notwendig sein, daß er sich für die Ansprüche, die an ihn gestellt werden werden, rüstet. Er wird dessen eingedenk sein müssen, einen Verbindungsposten inne zu haben, von dem aus Deutsche und Fremde befriedigt werden müssen. Da Danzig mit seinem Gebiet polnisches Zoll inland wird (Artikel 104 Nr. 1 des Friedensvertrages), so muß der Danziger Kaufmann auch in der Lage sein, die Ansprüche der nicht deutschen Einwohner dieses Gebietes zu befriedigen. Er wird also nicht in allen Dingen mit Vertretungen deutscher Fabriken auskommen, wenn er wünscht, daß wenigstens ein Teil des Geschäftes mit den Fremden ihm zufällt. Hierbei können sich natürlich Schwierigkeiten ergeben, die aber von den deutschen Fabrikanten mit Verständnis für die eigenartige Lage behandelt werden sollten. Es würde den deutschen Fabrikanten schaden, wollten sie ihren bisherigen Vertretern die Aufnahme fremdlän discher Vertretungen erschweren; sie würden manche alte Ver bindung verlieren, die sich bei Anpassung an die neuen Verhält nisse recht gut weiter ausbauen läßt. Die fremdländischen Fabriken werden wahrscheinlich weniger scharfe Bedingungen stellen, durch die deutsche Erzeugnisse ausgeschlossen werden, denn es leuchtet ja ein. welch großen Nutzen auch der fremdländischen Fabrik die alten Verbindungen und der geschäftliche Ruf den be stehenden Firmen gewähren können. Nicht alle deutschen Häuser aber beweisen den notwendigen Weitblick bei der Behandlung dieser Fragen. Man sollte es nicht für möglich halten, daß einzelne Fabrikanten heute schon Danzig als Ausland betrachten und damit eine große Verbitterung gegen sich säen. Das völlig halt lose Gerücht, nah dem Danzig eine eigene Währung erhalten soll, veranlaßt manches Haus Akkreditive beim Kaufe zu verlangen öder Vorherbezahlung auszubedingen. Man hört auch von höheren Preisen und längeren Lieferfristen, mit denen die Danziger Firmen dafür gestraft werden, daß sie gegen ihren Willen bald nicht mehr zum Deutschen Reich gehören werden. Vorläufig aber sind die Danziger noch Deutsche! Vor wichtige Entscheidungen werden durch die Aenderung der politischen Verhältnisse alle diejenigen Fachorganisationen gestellt, die bisher als Zweiggruppen der verschiedenen Reichs verbände in Danzig und Westpreußen wirkten. Durch die Zer stückelung Westpreußens ist natürlich den provinziellen Organi sationen das Todesurteil gesprochen. Für die Danziger erwachsen neue Aufgaben. Es wird nicht möglich sein, daß die Fachgruppen in Danzig alles das durchzuführen vermögen, was im Reich zweck mäßig und wünschenswert ist. Danzig wird, dies muß man sich bei der.Erörterung dieser Frage klar vor Augen halten, zollpolitisch mit den polnisch werdenden Teilen Westpreußens und mit Polen enger Zusammenhängen als mit dem Reich. Wenn also die Fach verbände auch fernerhin die Absicht haben, die Gesamtheit aller Fachgenossen unter Ausschluß aller politischen Fragen zusammen zufassen, werden sie auch fremdländische Händler als Mitglieder aufnehmen müssen. Und der Zusammenschluß, der möglichst lückenlose Zusammenschluß aller Fachgenossen des Wirtschafts gebietes, wird auch in Zukunft erstrebenswert und notwendig sein. Es sei nur daran erinnert, daß sich schon jetzt viele Stimmen erheben, die neben der politischen Körperschaft eine aus den verschiedensten Berufen zusammengesetzte zweite Kammer wünschen, um für wirtschaftliche Fragen ein Sachverständigen parlament zu schaffen; und es sei hingewiesen auf die unumgäng lichen Tarif Vereinbarungen und Tarifverhandlungen mit Ange stellten und Arbeitern, die garnicht anders als von Organisation zu Organisation möglich sind. Die Fachverbände werden im Gebiet der Freien Stadt selbständig handeln müssen, und sie werden ihre Organisation auf eigene Füße zu stellen haben. Es bleibt dabei natürlich wünschenswert, daß die Beziehungen zu den Reichs organisationen durch Gedankenaustausch aufrecht erhalten bleiben, und daß sich zwischen ihnen gewissermaßen Arbeits gemeinschaften herausbilden. Für die deutschen Kaufleute in Danzig kommt eine besonders arbeitsreiche und verantwortungsvolle Zeit. Sie sollen es verstehen, unter voller Wahrung des nationalen Standpunktes möglichst viel von dem über Danzig hinweggehenden Zwischenhandel durch deutsche Kanäle zu leiten, eine Aufgabe, die ganz besonders viel Fleiß, Tüchtigkeit, Takt und Festigkeit verlangt. Wir wollen hoffen, daß die deutschen Kaufleute in Danzig sich diesen Anforde rungen gewachsen zeigen, und daß Danzig auch in der Zukunft bleibt, was es bisher von allen Anfang an war: eine deutsche Stadt' SpierGezeuaungu-oßfandel Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Am 20 August 1919 verschied unser langjähriges Mi tglied Herr Max Sembritzki in Gloggnitz, Techn. Beirat der Papierfabrik Schlöglmühl. Seinehervorragenden Leistungen auf dem Gesamt gebiete der Papiermacherei, sein warmes Interesse für unsere Vereins bestrebungen und die persönlichen Eigenschaften des Heim gegangenen werden uns immer unvergeßlich bleiben. Dr. Max Müller, 1 Vorsitzender Schwefelpreise in Sizilien. Der „Sole“ vom 2 August enthält die jetzt in Sizilien gültigen Höchstpreise für Schwefel. Je nach der Beschaffenheit und dem Gewinnungsorte schwankt der Preis für 100 kg zwischen 43 Lire für die besseren Sorten und 41 Lire für rohen Schwefel.