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Friedensvertrag und Urheberrecht Von Justizrat Dr. Fuld in Mainz Im Verhältnis zu der Regelung, welche die Rechtsverhält nisse, die sich auf die gewerblichen Schutzrechte beziehen, durch den Friedensvertrag erfahren haben, kennzeichnet sich diejenige der urheberrechtlichen Rechtsverhältnisse durch verhältnis mäßige Einfachheit, was allerdings nicht auf verschiedentlicher Behandlung in dem Vertrage selbst beruht, sondern auf dem Unter schied, der in Bezug auf die Anerkennung und Antastung der geistigen und künstlerischen Urheberrechte einerseits, der gewerb lichen Schutzrechte anderseits, während des Kriegs bestanden hat. Nach Artikel 286 wird die Berner Konvention über den Schutz der literarischen und künstlerischen Urheberrechte wieder in Kraft gesetzt. Eine ausdrückliche Wiederinkraftsetzung wäre eigentlich nicht erforderlich gewesen, da jedenfalls in Deutsch land die Rechtsauffassung oberstrichterlich vertreten wurde, daß dieser Kollektivvertrag durch den Krieg nicht außer Kraft ge treten sei, insbesondere auch nicht im Verhältnis zwischen den Angehörigen der kriegführenden Staaten; es ist sogar während des Kriegs im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien ent schieden worden, daß die italienischen Urheber literarischer und künstlerischer Werke auch während des Krieges in Deutschland genau so geschützt sind wie die deutschen. Auf dem Boden des Berner Vertrags wird sich also der Schutz aller derjenigen Staats angehörigen, welche überhaupt zum Anrufen des Berner Ver trags berechtigt sind, auch in Zukunft abwickeln. , Artikel 306 des Friedensvertrages bestimmt, daß die lite rarischen und künstlerischen Urheberrechte vom Tage des Inkraft tretens zugunsten der Berechtigten wieder hergestellt werden. Jedoch wird die Ausnahme gemacht, daß diejenigen Maßnahmen, welche auf Grund der Ausnahmegesetzgebung des Kriegs ange ordnet waren, in den alliierten und assoziierten Staaten gegenüber den deutschen Angehörigen ihre Geltung behalten sollen. Des weiteren wird den deutschen Angehörigen jeder Anspruch auf Grund der wider ihren Willen während des Krieges auf Grund der Sondergesetzgebung desselben in den alliierten und assoziierten Staaten erfolgten Eingriffe in die geistigen und künstlerischen Urheberrechte versagt. Diese Ausnahmen von dem Grundsätze daß die geistigen und künstlerischen Urheberrechte in den bei Ausbruch des Krieges vorhandenen Stand wieder zurückversetzt werden sollen, ist praktisch nicht von solch erheblicher Bedeu tung, wie mehrfach geglaubt wird, sie ist es namentlich um des willen nicht, weil tatsächlich die Erlaubnis zur Benützung der geistigen und künstlerischen Urheberrechte deutscher Staats angehöriger, welche im Gegensätze zu den Bestimmungen der Berner Konvention stand, jedenfalls in den Hauptländern nicht erteilt worden ist. Es steht fest, daß in Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika keinerlei Lizenzen an gei stigen und künstlerischen Urheberrechten im Widerspruch zu den anerkannten Rechten gewährt wurden, während in England in dieser Hinsicht Bestimmungen erlassen worden, sind, welche auch bei weitestgehender Auslegung keineswegs mit dem. Inhalt der Berner Konvention in Einklang zu bringen waren und die dieserhalb auch in England selbst den Gegenstand einer lebhaften und abfälligen Kritik bildeten. In erheblicherem Umfange ist aber auch in England während des Krieges ein Recht zur Benutzung deutscher Urheberrechte, sei es solcher literarischen Inhaltes, sei es solcher künstlerischen Inhaltes, nicht erteilt worden. Aus Artikel 309 ergibt sich, daß nach Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten des Friedensvertrages die in den alliierten und assoziierten Staaten etwa vorhandenen Nachdrucke und Nach bildungen solcher Werke, welche an sich nach den Bestimmungen der Berner Konvention noch geschü tzt sind, nicht weiter vertrieben werden können, und daß die deutschen Inhaber befugt sind, gegen den ferneren Vertrieb derselben mit den in Betracht kommenden Rechtsbehelfen nach dieser Zeit vorzugehen. Dies gilt auch selbst verständlich bezüglich solcher Abbildungen welche von geschütz ten Kunstwerken auf Ansichtskarten us. enthalten sind. Im Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gilt dieser Artikel nicht. Artikel 306 des Vertrages enthält aber eine Bestimmung, welche die Möglichkeit zu einer ferneren Be schränkung der Urheberrechte bieten könnte, wenn nicht die tat sächlichen Verhältnisse der Verwirklichung derselben entgegen ständen. Jeder der alliierten und assoziierten Staaten hat sich nämlich das Recht vorbehalten, die literarischen und künst lerischen Urheberrechte deutscher Staatsangehöriger, die vor dem Kriege entstanden waren, oder während des Krieges entstanden sind oder später entstehen, im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der nationalen Verteidigung oder zum Zwecke der Sicherheit der Behandlung der Urheberrechte der eignen Staats angehörigen in Deutschland gewissen Beschränkungen zu unter werfen, insbesondere Lizenzen zu deren Ausübung zu erteilen oder sie auch selbst auszuüben; auch zu dem Zwecke der Er füllung der Verpflichtungen, welche Deutschland überhaupt in dem Friedensvertrag übernommen hat, können die alliierten und assoziierten Staaten dieses Recht ausüben. Diese Beschrän kung ist außerordentlich weitgehend, namentlich auch, weil hierdurch die Sicherung der Erfüllung irgendeiner Verpflichtung herbeigeführt werden soll, welche in dem Friedensvertrag seitens Deutschlands übernommen ist. Allein es ist richt zu befürchten, daß gerade auf dem urheberrechtlichen Gebiete die Voraussetzun gen für den vorbehaltenen Eingriff praktisch werden. Eine Be schränkung des geistigen oder künstlerischen Urheberrechts zum Zwecke der nationalen Verteidigung wird sich kaum denken lassen, und auch unter dem Gesichtspunkte des allgemeinen Interesses dürfte es außerordentlich schwer sein, einen Fall zu konstruieren, in welchem sich auch nur. einigermaßen haltbare Gründe für die Erteilung einer Zwangslizenz zur Ausübung des Urheberrechtes an einemgeschützten Schriftwerk oder Kunstwerk aufstellen lassen. Da auch anzunehmen ist, daß sich in allen Ländern eine sehr starke Bewegung gegen jede Nichtanerkennung des Urheberrechtes gel tend machen würde, und da mit größter Wahrscheinlichkeit darauf gerechnet werden kann, daß Bestrebungen zur Erweiterung des Staatenkreises, in dem bisher die Berner Konvention güt, überall nachhaltige Förderung erfahren werden, so wird aller Wahrschein lichkeit nach die eben erwähnte Bestimmung bezüglich der geistigen und künstlerischen Urheberrechte keine praktische Be deutung annehmen, auch nicht in England. Bezüglich des Verhältnisses zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist zu bemerken, daß die Vereinigten Staaten die Berner Konvention nicht unterzeichnet haben, und daß auch die w’ährend des Krieges mehrfach laut gewordene Anregung, es möge gelegentlich des Friedensvertrages der Anschluß der Ver einigten Staaten an den Berner Unionsverband herbeigeführt werden, keinen Erfolg gehabt hat. Maßgeblich sind daher im Verhältnis zwischen den beiden Staaten die Bestimmungen, welche in der Proklamation des Präsidenten Taft vom 8. Dezember 1910 enthalten sind, durch weiche den deutschen Staatsange hörigen ein Schutz für die Dauer von 28 Jahren in den Vereinigten Staaten unter der Voraussetzung gewährt wird, naß sie den Bestimmungen über die Einsendung von Pflichtexemplaren und die Anbringung des Schutzvermerks (des Copyright-Vermerks) rechtzeitig nachkommen. Es ist in Zweifel gezogen worden, ob diese Bestimmungen noch zu gunsten der Reichsangehörigen an wendbar sind. Würde es sich um einen Staatsvertrag handeln, so wäre die Frage zu verneinen, da in Deutschland sowohl als auch in andern Ländern feststeht, daß die zwischen zwei krieg führenden Staaten vorher abgeschlossenen Staatsverträge mit dem Augenblick des Kriegsausbruchs automatisch außer Kraft treten und so lange außer Kraft bleiben, bis das Wiederinkraft treten vereinbart ist. Der Schutz der Reichsangehörigen bezüg lich ihrer geistigen und künstlerischen Urheberrechte in den Vereinigten Staaten beruht aber nicht auf einem Staatsvertrag, sondern auf der soeben erwähnten Proklamation des Präsidenten Taft, und diese ist während des Krieges weder direkt noch indirekt zurückgenommen worden, so daß nicht in Zweifel gezogen werden kann, daß die Reichsangehörigen, wenn sie den genannten Be dingungen genügen, die in der Proklamation erwähnten Befug nisse auszuüben berechtigt sind. Lizenzverträge, welche bezüglich der Ausnutzung literarischer urd artistischer Werke vor dem Kriege zwischen den Angehörigen der Ententestaaten und deutschen Angehörigen geschlossen worden sind, gelten mit dem Ausbruch des Krieges als aufgehoben, jedoch hat der Lizenzinhaber das Recht, innerhalb einer Frist von 6 Monaten vom Tage des Inkrafttretens des Friedensvertrages an von dem Lizenzgeber die Einräumung einer neuen Lizenz unter den Bedingungen zu verlangen, welche von dem zuständigen