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Nr. 53/1919 Arbeiters übergehen, ohne daß dadurch seine Freizügigkeit be hindert wird, und der Verkauf des Anwesens ohne Nutzen nur an die Fabrik oder die Gemeinde erfolgen darf nach dem System des Bodenreformers A. Damaschke. Infolge des achtstündigen Arbeitstages müssen in den Papierfabriken eine Reihe neuer Arbeitskräfte eingestellt werden, w s sich besonders bei Fabriken auf dem Lande und in kleinen Städten schwierig gestalten wird. Hier ist aber die Durchführung der Bodenreform am lechtesten, und den Fabriken kann der Hinweis auf diese günstige Lebensweise als bestes Werbemittel für die Heranziehung der nötigen Arbeits kräfte dienen. Erst wenn die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter erfüllt sind, kann man daran gehen, ihnen geistige Nh- ungzu bieten. Ohne gesicherte Lebenshaltung kann d en Arbeitern die schönste Bibliothek und die beste Kunstdarbietung nichts nützen. Karl Wahle SpierGzeuaungu-Gcoßandel Meldepflicht für Papierstoff und Papier Nach einer neuen Bekanntmachung des Reichswirtschafts- ministeriums unterliegen Holzschliff, Sulfitzellstoff, Sulfatzellstoff, Strohzellstoff sowie Papier und Pappe der Meldepflicht. Auch die aus dem Ausland eingeführten Mengen sind zu melden. Als Stichtag gilt der erste Tag eines Monats. Mengen unter 1000 kg unterliegen nicht der Meldepflicht. Die Meldungen sind er st malig bis 15. Juli 1919, sodann binnen der ersten fünf Tage eines jeden Monats zu erstatten an den Zentralausschuß der Papier-, Pappe-, Zellstoff- und Holz stoff-Industrie in Charlottenburg, Neue Grolmanstr. 5/6. Der Zentral ausschuß wird ermächtigt, zur Deckung der Kosten eine Gebühr zu erheben, die der Genehmigung des Reichswirtschaftsministeriums bedarf. Arbeitstarif in der deutschen Papierstoff- und Papier-Herstellung Wie wir aus Nr. 25 des Wochenblattes für Papierfabrikation entnehmen, ist am 4. Juni 1919 zwischen dem Arbeitgeberverband der Deutschen Papier-, Pappen-, Zellstoff- und Holzstoff-Industrie (Sitz Berlin) einerseits, dem Verband der Fabrikarbeiter Deutschlands (Sitz Hannover), dem Zentralverband christlicher Fabrik- und Transport arbeiter (Sitz Aschaffenburg), dem Gewerkverein Deutscher Fabrik- und Handarbeiter (H.-D.) (Sitz Berlin) anderseits ein am 1. Juli 1919 in Kraft tretender Gesamtarbeitsvertrag abgeschlossen worden. Die wichtigsten Punkte dieses Vertrags sind die folgenden: Geltungsbereich. Der Geltungsbereich dieses Vertrages umfaßt das gesamte Wirtschaftsgebiet des Deutschen Reiches. Arbeitszeit. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen darf die Dauer von 8 Stunden nicht überschreiten. Arbeitslöhne. Für die Festsetzung der Löhne gelten besondere Lohnverträge, deren Geltungsdauer von derjenigen dieses Arbeits vertrages unabhängig ist. Ueberstundenarbeit. Die beiden ersten Ueberstunden werden mit einem Zuschlag von 25 v. H., alle weiteren mit 50 v. H. vergütet. Vertretungsarbeit für Beurlaubte gilt nicht als Ueberstunden. arbeit. Nachtarbeit. Für die regelmäßige Nachtarbeit wird kein Zu schlag gewährt. Sonn- und Feierlagsarbeit. Für die regelmäßige Sonn, und Feiertagsarbeit in Zellstoffabriken wird ein Zuschlag von 25 v. H. gewährt, desgleichen in Wasserkraft-Holzschleifereien an den zum Betrieb zugelassenen freien Sonntagen. Für alle sonstige Arbeit an Sonn- und Feiertagen beträgt der Zuschlag 50 v. H. An den hohen Festtagen (beiden Weih nachts-, Oster- und Pfingsttagen) erhöht sich dieser Zuschlag auf 100 v. H. Abstellung der Betriebe an Sonn- und Feiertagen. Die Maschinen werden an Sonn, und Feiertagen um 5 Uhr früh abgestellt, die Schicht- zeit endet um 6 Uhr. Ausgenommen sind die Betriebseinrichtungen, die aus technischen Gründen dauernd in Gang bleiben müssen. Zu- lässig sind ferner an Sonn- und Feiertagen; a) Arbeiten auf Grund besonderer gesetzlicher Ausnahmen. b) die notwendigen Instandsetzungsarbeiten (wie Sieb- und Filz einziehen, Auswechseln von Walzen), Ausbesserungs-und Reini gungsarbeiten, soweit sie nicht schon während der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Einschränkung der Erzeugung vorgenommen werden können. Ferien. Den Arbeitern wird unter Fortzahlung des Lohnes jährlich ein Erholungsurlaub gewährt, und zwar nach ununter brochener 1 jähriger Tätigkeit bei der gleichen Firma von 3 Tagen, nach 4 jähriger Tätigkeit von 4 Tagen, nach 6 jähriger und längerer Tätigkeit von 6 Tagen» Die Zeit des Urlaubs, der in der Regel in die Zeit vom 1. April bis Ende Oktober zu legen ist, bestimmt die Betriebs leitung unter möglichster Berücksichtigung der Wünsche der Ar beiterschaft. Die Arbeiter sind für die Urlaubstage zwecks Auf- rechterhaltung des Betriebes zu gegenseitiger Vertretung verpflichtet. Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsfrist unter liegt der freien Vereinbarung zwischen Betriebsleitung und der gesetzlichen Vertretung der Arbeiterschaft. Lohnzahlungen. Die Löhne für die in Stunden-, Tage-und Wochen- lohn Beschäftigten werden wöchentlich, und zwr Freitags, die Monats löhne am letzten Wochentag des Monats ausgezahlt. Zahltag und Zahlungsabschnitte können im Einverständnis mit der gesetzlichen Vertretung der Arbeiterschaft auch anderweitig geregelt werden, jedoch dürfen die Zahlungsabschnitte nicht über 14 Tage betragen. Einbehaltung von Lohn. Die Einbehaltung von Lohn als Sicher heit ist nicht statthaft. Zur Erleichterung der Lohnabrechnung darf der Lohn für drei Arbeitstage, bei besonderen Schwierigkeiten im Einvernehmen mit der gesetzlichen Vertretung der Arbeiterschaft für höchstens fünf Arbeitstage zurückbehalten werden. Die Verwendung der nicht ab gerechneten Lohnsummen zur Deckung von Strafen ist unzulässig. Bei Schadenersatzansprüchen wegen Vertragsbruchs gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Prämien. Erzeugungs- undandere Arbeitsprämien sind statthaft Die Prämien müssen mindestens jeden Monat verrechnet und spä testens bis zum 15. des folgenden Monats ausgezahlt werden. Sie bilden einen festen Bestandteil des Einkommens, der weder gekürzt noch in Abzug gebracht werden darf. Akkordarbeit. Akkordarbeit ist zulässig. Die Akkordsätze müssen so bemessen sein, daß die Akkordarbeiter in der regelmäßigen Arbeitszeit mindestens 20 v. H. über den Verdienst eines voll leistungs- fähigen Lohnarbeiters erreichen können. Werks- und Fabrikwohnungen. Mietverträge über Werks- und Fabrikwohnungen dürfen weder den Mieter noch seine Familie an den Fabrikbetrieb binden. Die Kündigungsfrist ist im Mietvertrag festzusetzen und darf nicht unter einem Monat betragen. Bei Auf lösung des Dienstverhältnisses ist bezüglich des Mietsverhältnisses die Kündigungsfrist des Mietvertrages einzuhalten. Mit der Aufgabe einer Werks- oder Fabrikwohnung ist die Lösung des Arbeitsver hältnisses nicht verbunden. Der Mietzins darf vom Lohn nicht ab gezogen werden, sondern ist an eine vom Vermieter zu bestimmende Zahlstelle zu entrichten. Mietverträge, die den vorstehenden Bestim mungen zuwiderlaufen, treten außer Kraft. Strafen. Die Verhängung von Strafen ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Grundsätze für die Verhängung von Geldstrafen, von Strafversetzungen uhdanderen Strafen werden im Einvernehmen mit der gesetzlichen Vertretung der Arbeiterschaft aufgestellt. Gesetzliche Vertretung der Arbeiterschaft. Für die Wahl der ge setzlichen Vertretung der Arbeiterschaft gelten die gesetzlichen Be stimmungen. Schiedsausschüsse. Kommt bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Einigung nicht zustande, so ist der Schieds ausschuß anzu rufen. Dieser wird aus 6 1 ‘ersonen und ebensoviel en Er satzleuten gebildet. 1 er Arbeitgeberverba ml entsendet in diesen 3 Ver treter und 3 Ersatzleute, die am Vertragsabschluß beteiligten Ge werkschaften auf Grund der Zahl ihrer in den Betrieben der Gruppe beschäftigten Mitglieder zusammen ebenfalls 3 Vertreter und 3 Ersatz leute. Der Schiedsausschuß wählt nach dem Grundsätze der Parität 2 Vorsitzende und 2 Schriftführer, die für jede Sitzung wechseln. Der Schiedsausschuß gibt sich seine Geschäftsordnung selbst. Gegen den Spruch des Schiedsausschusses können beide Teile bei dem Tarif amt Berufung einlegen. Kommt ein Schiedspruch nicht zustande, so ist das Tarifamt zuständig. Tarifumt. Das Tarifamt setzt sich aus 5 Vertretern des Arbeit geberverbandes und 5 Vertretern deram Vertragsabschluß beteiligten Arbeitnehmerverbände zusammen. Das Tarifamt urteilt als letzte Instanz über alle aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden-Streit- fragen. Arbeitseinstellungen. Streiks oder Aussperrungen dürfen stets erst dann erfolgen, wenn die Beratungen des Tarifamts zu keiner Einigung geführt haben. Alle Schiedssprüche des Tarifamts erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit und sind für beide Teile bindend. Ihr Wortlaut ist in den Verbandsblättern zu veröffentlichen. Bei Stimmengleichheit gilt ein Schiedsspruch als nicht zustande gekommen. In diesem Falle steht beiden Parteien das Recht zu, das Reichsarbeits- ministerium oder eine andere gesetzlich noch zu errichtende Stelle um Vermittlung anzurufen. Koalitionsrecht. Weder der Unternehmer oder dessen Angestellte noch die Arbeiter oder deren Verbände dürfen die Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeiters beeinträchtigen. Insbesondere darf die Koalitionsfreiheit nicht dadurch geschmälert werden, daß einem Arbeiter wegen Nichteintritts in einen Arbeitnehmerverband über haupt oder in einen bestimmten Arbeitnehmerverband irgend welche Nachteile angedroht oder zugefügt werden. Ebensowenig darf mangelnde Zugehörigkeit zu einem Arbeitnehmerverband einen Grund für Nichteinstellung oder Entlassung bilden. Allgemeine Bestimmungen. Die Bestimmungen des Abkommens vom 18. Dezember 1918 bleiben in Geltung, soweit sie nicht durch diesen Vertrag als erledigt zu betrachten sind. Arbeitsordnungen oder einzelne ihrer Bestimmungen, die mit diesem Vertrage im Wider spruch stehen, verlieren mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages ihre