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älhimbnM Tagtblat! Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 4. September 204. 1881. "Waldenburg, 3. September 1881. Zum Fest der sächsischen Constitution. Morgen am 4. September feiert Sachse» die fünfzigmalige Wiederkehr jenes Tages, an welchem die noch heute gillige Verfassung durch König Anton I. gegeben wurde. Zu jener Zeit war der Staat, welcher im Allgemeinen die Vernunftform der menschlichen Gesellschaft sein soll, gewissermaßen hinter dem Volke zurückgeblieben und schien keine Bürgschaft für das öffentliche Wohl mehr zu ge währen. Die materiellen und geistigen Kräfte der Nation waren mächtig fortgeschritten, die Formen des Staates im Ganzen wie in vielen einzelnen Theilen zurückgeblieben. Größere Reife und Mün digkeit vertrug sich nicht mehr mit Bevormundung Zeiten des Mittelalters her. Die Intelligenz war selbst bei den unteren Ständen sehr ge wachsen, aber die Existenz des Landmannes, der mit dem Städter fast alle Abgaben trug, seufzte unter Herrenrechten und Servituten, die Entwickelung des Gewerbes unter dem Drucke veralteten Zunft zwanges, Handel nnd Fabrikwesen unter ungünstigen Einflüssen von außen und zum Theil nicht immer glücklich gewählten Maßregeln von innen. Die Literatur, das laute Denken der Nation, unterlag der Censur. Am unzufriedensten war der Bürger mit seiner städtischen Verfassung und Verwaltung, welche in der Regel mit Polizei und Gerichtsbarkeit zusammen in den Händen der privilegirten Corps der Stadträthe war, die sich aus sich selbst ergänzten, sich selbst zum Landtag deputirten und keine Rechnungen den Bürgern ablegten. Man klagte über Beamtendruck, über Ausschweifungen der Polizei aus ihrem ohne hin schon weiten Wirkungskreise, und höhere Beam ten zu verklagen war ein kostspieliges und selbst zweifelhaftes Mittel. Unter solchen Verhältnissen waren Unruhen im Volke, die nur einer kleinen Ursache bedurften, unausbleiblich, die denn auch 1830 und 1831 in den größeren Städten Sachsens los brachen. Im Jahre 1831 wurde vom constituirenden Land tage nach sechsmonatiger Arbeit eine den veränder ten Verhältnissen angepaßte Verfassung berathen, welche noch heute in Wirksamkeit ist. Der erste Ab schnitt derselben handelt von dem Königreiche und des sen Negierung im Allgemeinen, der zweite Abschnitt vom Staatsguts, sowie von dem Vermögen und dem Gebührnissen des königlichen Hauses, der drille Abschnittt von den allgemeinen Rechten und Pflich ten der Unterthanen, der vierte Abschnitt vom Staatsdienste, der fünfte von der Rechtspflege, der sechste von den Kirchen-, Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen, der siebente von den Ständen nach ihrer Organisation, ihrer Wirkjamteit, ihrem Zusammentreten zum Landtage und von dessen Ge schäftsbetrieb, der achte und letzte Abschnitt von der Gewähr der Verfassung. Dieses neue sächsische Staatsgrundgesetz wurde am 4. September 1831 im Thronsaale des königlichen Schlosses in Dresden den daselbst feierlichst versammelten Ständen nebst dem Landtagsabschied, vom Könige vollzogen, zur Aufbewahrung übergeben. "Waldenburg, 3. September 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser kehrt am 7. d. abends von den Manöver» des 10. Armeecorps bei Hannover zurück und begiebt sich bereits am Nachmittag des nächsten Tages zu den Kavalerie-Manövern nach Konitz. Die Blätter bringen lange Berichte über die Auf ¬ nahme, welche Se. Maj. der Kaiser in Hannover gefunden. Se. Majestät der Kaiser hat, nachdem er vom Chef der Admiralität, General der Infanterie v. Stosch, einen diesbezüglichen Vortrag entgegen genommen, genehmigt, daß bei dem Flottenmanöver in Kiel der Segelschooner „Elbe" mittels eines vom Torpedodampfer „Ulan" abgeschossenen Fischtorpedos in die Luft gesprengt wird. Der deutsche Kronprinz ist nach Beendigung seiner Trupperbesichtigungen im Bereich der 4. Armee-Jnspection am 1. Sept, früh mit den Herren seines Gefolges im besten Wohlsein wieder in Ber lin eingetroffen. In Regierungskreisen ist man, wie die Kölner Zeitung erfährt, nicht sehr angenehm von den Enthüllungen des Prof. Ad. Wagner über das Tabaksmonopol berührt; man währe jedenfalls der öffentlichen Erörterungen darüber gerade jetzt und zumal unter Angabe des Zweckes, den Ertrag für Arbeiterversicherungskassen u. s. w. zu verwen den, gern aus dem Wege gegangen. Auch in Re gierungskreisen ist die Meinung, daß man mit dem Monopol ein leichtes Spiel haben werde, keineswegs ungetheilt zu finden; man hört vielfach versichern, die Frage sei noch gar nicht spruchreif. Das Sedansfest ist in Berlin „programmge mäß" verlaufen. Der Eindruck ist aber doch, als fei dasselbe allgemeiner begangen worden als in den letzten Jahren. Zu den beflaggten Straßen, Schul acten u. dergl. traten diesmal noch die von den Conservativen in allen Vierteln der Stadt veran stalteten Festlichkeiten mit Ansprachen, Musik rc., zu denen der Zutritt Jedermann, der von deutsch nationaler Gesinnung erfüllt ist, freistand. Nicht weniger als dreizehn große Lokale, darunter Kroll's Etablissement rc., waren für diese Festlichkeiten gemie- thel worden. Oesterreich. Vor einiger Zeit hat der Prager Stadtrath, wel cher sich ganz in der Macht der Czechsn befindet, den Beschluß gefaßt: die czechischen Kinder, welche deutsche Schulen besuchen, seien aus denselben zu entfernen und in czechischen Anstalten unterzubrin gen. Dieser Beschluß sanv damals die Begründung, die czechischen Kinder müßten in den deutschen Schulen geistig verkümmern. Aehnlich wie in Prag wollten an manchen anderen Orten die czechischen Communalbehörden czechischen Eltern verbieten, ihre Kinder in deutsche Schulen zu schicken u. s. w., so daß es an Streitigkeiten und Beschwerden nicht fehlte. Nunmehr hat der böhmische Landesschulrath, der unter dem Vorsitze des Statthalters, also zur Zeit des Feldmarschall-Lieutenant von Kraus, tagt, in dieser Angelegenheit endgültig entschieden und einen Erlaß an alle Vorsitzenden der Bezirksschulräthe gerichtet, in welchem er die Gesichtspunkte festsetzt, nach denen bei Aufnahme schulpflichtiger Kinder in öffentlichen Volksschulen in den sprachlich ge mischten Schulgemeinden Böhmens vorgegangen wer den soll. In diesem Erlasse wird das natürliche Recht der Eltern auf Erziehung der Kinder betont und hiermit entwickelt, daß es lediglich Sache der Eltern fei, die Wahl der Schule für ihre Kinder zu treffen. Den Schulleitern stehe nur das Recht zu, bei Aufnahmen, welche aus pädagogischen Grün den bedenklich erscheinen, den Eltern Vorstellungen zu machen. Die Entscheidung des Landesschulraths verdient die günstige Aufnahme, die sie namentlich in deutschen Kreisen gefunden, jedenfalls in vollem Umfange. Schweiz. Der russische Fürst Krapotkin ist ausgewiesen worden, weil er auf dem letzten Anarchistencongreß in einem Toast zur Ermordung des deutschen Kaisers aufgefordert hatte. Man soll von Berlin aus auf dieses Treiben des Führers der im Auslands leben den russischen Nihilisten aufmerksam gemacht haben. In London vertrat der revolutionäre Fürst die Genfer Anarchisten. Frankreich. Aus allen, wenngleich vielfach einander wider sprechenden Nachrichten geht doch deutlich hervor, daß ganz Tunis in Aufruhr gegen die Franzosen ist. Der französische Ministerpräsident von Tunis, Roustan, trifft am Sonnabend, und Albert Grevy, wie der „National" in letzter Stunde erfährt, im Laufe der Woche in Paris ein. Rußland. Am 27. d. M. (8 September) wird die Commission zusammentrcten, welche unter der Oberleitung des unermüdlich thäligen Ministers des Innern die Frage zu lösen hat, wie der Trunksucht des Volkes gesteuert werden kann. Zu dieser Commission ge hören u. A. 24 Mitglieder der Semstwa und De- putirte aus Polen. In einer zweiten Commission, zu welcher ebenfalls Mitglieder der Semstwa hinzu gezogen werden sollen, beabsichtigt der Graf Jgnatieff die Judenfrage zu behandeln. Leider ist dieselbe ungemein schwierig, da die große Masse der pol nischen Juden, von der Lilianes israMlo zu Paris aufgeregt, durchaus nicht aufhören will, einen Staat im Staate zu bilden, sondern gegen die Absicht der Regierung, aus den Juden russische Staatsbürger mosaischer Religion zu bilden, auf das Heftigste opponirt. Aufgeklärte, gebildete Juden, welche der Regierung das Wort reden und ihre Landsleute , auffordern, sich durch Redlichkeit und Wohlwollen auszuzeichnen, werden von ihren eigenen fanatischen Stammesgenossen mit wahrem Hasse verfolgt. Trotz des Dementi der „Agence Russe" ist die frühere Combination, daß Jgnatieff Minister des Aeußeren, Schuwaloff des Innern wird, Thal- fache. Jgnatieff hat Freitag den Abschied einge- reichfi der vom Kaiser am Sonntag angenommen wurde. Loris-Melikofs's Berufung wurde nicht an genommen, weil er nicht von seinem Programm ab weichen wollte. Woronzoff-Daschkoff ist zum größ ten Einfluß gelangt und hat die Berufung Schu- waloff's durchgesetzt. Jgnatieff wurde der Vorwurf gemacht, kein Programm gegen Dutschland erkennen zu lassen und in einzelnen Maßregeln zu liberal und ohne System vorzugehen. Dies sei dem Kaiser sehr unliebsam, er wolle Jgnatieff aber nicht fallen lassen, aus Dankbarkeit für die Hergestellle Ruhe im Innern. Türkei. Ein Jradeh des Sultans verfügt die sofortige Vornahme der Grenzregulirung an der monte negrinischen Ostgrenze. Man bringt diesen Ent schluß mit der bekannten Absicht der Pforte i i Zu sammenhang, demnächst die Regelung der Tribute und der Frage der Schuldantheilübernahmen auf die Tagesordnung zu setzen und einigen Mächten den Einwand der noch unbeendeten Grenzregulirung zu entziehen. Vor Kurzem hatte sich nämlich Eng land unter Hinweis auf die noch ausständige Rati- fizirung der bulgarischen Grenzbestimmung gegen die von der Pforte beabsichtigte Regelung des bul garischen Tributs erklärt. Seither hat ein Jradeh diese Ratification angeordnet und die Pforte unter ließ nicht, England aufmerksam zu machen, daß dieses Hinderniß bereits entfernt sei. Amerika. Hn New-Jork fühlt man sich beunruhigt, daß der Vicepräsident Arthur, von welchem man, sehr im Interesse der eigenthümlichen politischen und moralischen Stellung, in welcher er sich zur