Volltext Seite (XML)
bischen Landwirthschaftlichen Kreisvereins wurde als Mitglied des sächsischen Eisenbahnrathes der Vor sitzende, Herr Rittergutsbesitzer Seiler auf Neuen salz, als dessen Stellvertreter Herr Kreissekretär Bunde gewählt. — Für den Reichstagswahlkreis Marienberg ist in der Person des Herrn Rittergutsbesitzers v. Fink auf Nöthnitz ein Candidat aufgestellt worden, dessen Chancen sehr glücklich liegen. Herr v. Fink hat sich durch seine gemeinnützige Wirksamkeit (Hebung des Ackerbaues, Armenwesen, Verwundetenpflege u. s. w.) vor vielen Berufsgenossen ausgezeichnet. Seine patriotische, gutsächsische Gesinnung und die Biederkeit seines Charakters empfehlen ihn der erz- gebirgischen Bevölkerung in hohem Grade. — Dieser Tage ist in Zittau eine Mutter zur Haft gebracht worden, gegen die dringender Verdacht des Kindesmordes vorliegt. Dieselbe soll ihrem klei nen Kinde statt jeder anderen Nahrung nur Wasser verabreicht haben. Obwohl das arme Kind sofort der unnatürlichen Mutier abgenommen und in gute Pflege gegeben worden ist, hat es doch nicht mehr am Leben erhalten werden können. Man ^entsinnt sich, daß auch das erste Kind dieses Frauenzimmers vor einigen Jahren unter gleichen Symptomen ver storben ist. — In den Tagen vom 30. August bis einschließ lich 1. September findet in der Tonhalle zu Gera ein gemeinschaftlicher Verbandstag der Bäcker-Zweig- Verbände „Vogtland" und „Erzgebirge" statt. In Verbindung damit wird gleichzeitig eine Ausstellung von Maschinen, Geräthschaften, Bedarfsartikeln und Erzeugnissen der Bäckerei, Conditorei und Pfefferküch lerei veranstaltet. — Am 19. d. ist unweit des Ortes Neugomm- lau bei Greiz im Walde ein 4'/2jähriges Mädchen spurlos verschwunden. Dasselbe ist am 23. d. von 2 Knaben in dem sog. Ningelgraben des Thiergar tens noch lebend aufgefunden worden, starb aber nach xjner Stunde. Vermischtes. Eine neue Zeitung. Interessant ist die Mitthei- lllng, daß im Verlage von Brigl in Berlin vom 1. September ab eine ganz eigenartige Zeitung er sten Ranges ins Leben tritt: „Tägliche Rundschau", Zeitung für Nichtpolitiker. Herausgegeben wird das Neue Blatt von Friedrich Badenstedt und vielen sehr renommirten Mitarbeitern. Das Programm stützt sich auf die Ansicht, daß in allen Zeitungen der Politik — sogar in ereignißarmeu Zeiten — ein zu großer Spielraum geboten wird und daß selbst die telegraphischen Depeschen viel Werthloses veröffentlichen. Hunderttausenden von Zeitungslesern Würde mehr gedient sein, wenn nur die wirklich wichtigen und interessanten politischen Vorgänge stets rechtzeitig zu ihrer Kenntniß gelangten und sie dabei Von dem unfruchtbaren Parteistreit verschont blieben. Sehen sie sich doch oft nach stundenlanger Lectüre unserer Tagespresse zu dem Stoßseufzer gedrängt: „Heute steht doch wieder gar Nichts in der Zeitung!" Dem Bedürsniß dieser Hunderttausende will die „Tägliche Rundschau" entgegenkommen und Alles, Nias auf den zahlreichen Gebieten des modernen Lebens von Interesse sein kann, ins Auge fassen und ausführlich Mittheilen. Ein Probeabonnement für September kostet 1,3 Mark. Graf Wilhelm Bismarck in Dcbreczin. Auf seiner ungarischen Reise weilte Graf Wilhelm Bis marck am 20. d. Mts. als Gast des Landwehr- commandanten Grafen Csaky, in der kernmagyari schen Stadt Debreczin, wo an demselben Tage unter imposanter Theilnahme aller Gegenden des Landes eine Wanderversammlung des Landesver bandes der Gewerbevereine Ungarn feierlich er öffnet wurde. Die Notabuitäten der Stadt, welche, nebenbei bemerkt, als Hort des Protestantismus in Ungarn zu betrachtenZ ist, wetteiferten in Liebens würdigkeiten gegen den Sohn des deuschen Reichs kanzlers und stellten ihm sogar das Paradegespann der Stadt zur Verfügung, auf welchem Graf Wilhelm vom Bürgermeister der Stadt, Herrn Emmerich v. Sünosy, selbst nach dem naheliegenden Hortobagy, behufs Besichtigung des städtischen Gestüts, gebracht wurde. Längere Zeit unterhielt sich der Graf mit dem Herrn v. Sunosy über die Verhältnisse der ^formirten Kirchengemeinde, wobei ihn das Zu- sammenwohnen so vieler Protestanten besonders luteressirte. Warnung. An das königl. Polizeipräsidium zu Berlin ist die Bitte ergangen, durch Circular alle Gemeinden in den Provinzen zu ersuchen, durch geeignete Organe davor warnen zu wollen, daß sich Mädchen allein und mit geringen Subsistenz- witteln nach der Residenz wagen, wenn sie sich nicht vorher schon einer festen Stellung bei einer Familie versichert haben. Um keinen Preis solle man verlockenden Anzeigen Glauben schenken, eben sowenig auch den Mittheilungen von Mädchen, die, nachdem sie bereits dem Laster verfallen sind, nun auch Gefährtinnen aus der Heimath durch unrichtige Nachrichten über Erwerb und Verdienst zur Uebersiedelung nach der Residenz verleiten wollen. Diese Anzeigen, durch welche nachweislich fortdauernd Mädchen aus der Provinz und namentlich vom Lande veranlaßt werden, sich nach Berlin zu begeben, wo ihnen „Stellung und Beschäftigung mit lohnendem Verdienst" offerirt wird, gehen zumeist von „Seelen verkäuferinnen" aus, denen nach kurzer Zeit die nach Berlin verlockten Mädchen tributpflichtig werden. Fleischmehl aus Handschuhleder. Es spukt seit einiger Zeit im Anzeigentheile mehrerer landwirth- schaftlicher Fachblätter ein Inserat von Emanuel Meyer in Berlin, der als „Fleischmehl" incl. Sack loko Berlin zu 4 Mk. für 50 IcA. als Mastfutter für Hornvieh und Schweine anzeigt, vr. Shoxlet in München untersuchte dasselbe und fand auch nicht eine Spur von Fleischsubstanz darin, er stellte viel mehr fest, daß es nur 25 — 30 Procent Stoffe thierischer Abstammung enthält, die sich als Hand schuhleder entpuppten. Es ist dies das sogenannte Stollmehl der Alaungerbereien und besteht aus dem Gerbebrei (Weizenmehl, Alaun und Salz) untermischt mit den beim Recken des Handschuhleders entstehen den Abfällen desselben. Bei dem Preise des echten Fleischmehls von 16 Mk. für 50 Ic^. liegt die Verführung zum Ankauf des fälschlich ebenso benann ten Surrogates sehr nahe; die Landwirthe mögen sich daher bei etwaigen Offerten dieser Mitteilung erinnern. Ein biederer Sachse aus einer Provinzialstadt kommt nach Berlin. Vom vielen Sehen müde, will er sich durch etwas Besonderes stärken und bestellt in einem feinen Restaurant „Hasenbraten." Der selbe wird ihm gebracht, doch strömt das Häschen einen so starken Haut-Aoüt aus, daß unser Klein städter bedenklich daran herumschnüffelt. Der auf wartende Kellner eilt, als er die Verlegenheit des Gastes bemerkt, sofort zurück und fragt mit unschul diger Miene: „Ist der Hase wohl nicht gut, mein Herr?" — „Ach, Hern L>e, sehen Se," erwiderte schüchtern der Gast, „kut und weech is er, aber — nähm Se's nich ibel — bas Dhierichen muß Se in etwas getreten sein!" Französische Wahlscene. Der Candidat hat die Tribüne bestiegen. „Meine Herren," beginnt er, aber alle folgenden Worte blieben unverständlich, denn das Organ des Mannes reicht nicht weit. Plötzlich ruft ein Zuhörer mit Stentorstimme: „Das wundert mich gar nicht, daß ein Mann mit so schwacher Stimme die meinige haben möchte." Unter dem schallenden Gelächter der Versammlung verließ der Candidat die Tribüne. Allerlei. Am 12. d. schlachtete ein Metzger in Barmen eine Kuh, in deren Magen er nicht weni ger als 27 Gegenstände vorfand, darunter verschie dene Sorten gerader und krummer Drahtstifte, eine Haarnadel, einen Fingerhut, ein Stück Cement und verschiedene Münzen. Dabei war das Thier fett und kerngesund. — Nachdem das große Werk des Generalstabes über den Feldzug von 1870—71 fertiggestellt ist, wird jetzt in der kriegsgeschichtlichen Abtheilung des Großen Generalstabes ein „Kriegö- kalender" angefertigt, welcher den Zweck hat, sämmt- liche während des Krieges vorgekommenen Actionen an einander zu reihen und dabei ausführlich auf die bei denselben betheiligten Commandobehörden und Truppentheile Rücksicht zu nehmen, so daß eine gedrängte Uebersicht des Feldzugs gegeben und Jedermann zugänglich gemacht ist, während der Ka lender gleichsam eine Ergänzung des großen Werkes bildet. — Wie dem „Hannov. Cour." aus Norder ney gemeldet wird, ist eine der geretteten Damen, eine verheiratete Schwester der ertrunkenen Ge schwister Weiß, nachträglich an den Folgen des Un glücksfalles gestorben. Daß die genügenden Vor sichtsmaßregeln nicht getroffen waren, erhellt auch aus einem der „Köln. Ztg." zugegangenen Briefe eines Augenzeugen der Katastrophe, in welchem es heißt: Hätte sich auch nur ein einziges Retlungsge- räth an dem Badestrand der Damen befunden, so wären die Damen nicht ertrunken; aber es war nichts vorhanden, kein Boot, kein Seil, keine Stange, keine Rettungsgürtel, rein gar nichts. — Der Ma gistrat von Wien hat bereits seinen Vorschlag zur , Einführung der electrischen Beleuchtung erstattet und soll damit auf dem Graben mit 16 Flammen ' L 2000 Kerzen und auf dem Stephansplatze be- I gönnen werden. Die Locomobile zur electrischen / Beleuchtung soll nächst dem Stephansdome aufge stellt werden. — Der Obstertrag ist in Unter- franken, mit Ausnahme des „Werngrundes", wo heftige Stürme große Masse» des schönste» Obstes abschlugen, ein ziemlich ergiebiger. — Nach Mit- theilung eines Zugführers wurde am 22. d. vor mittags um 9 Uhr bei der Station Rhen (nahe bei Boppard am Rhein) eine Mutter mit ihrem Kinde von dem vorbeifahrenden Eisenbahnzuge todtge- fahren. Die Mutter schnitt oder rupfte am Eisen bahndamm Gras, während ihr etwa zweijähriges Kind in der Nähe spielte und dabei bis auf das Geleise geklettert war. Der Führer des heranbrau senden Zuges bemerkte das Kind; er ließ seine Pfeife schrill ertönen und suchte den Zug zu hem men. Da bemerkte auch die Mutter die Gefahr des Kindes; erschreckt sprang sie hinzu, griff nach dem Kinde, aber sie konnte nicht mehr zurück, sie glitt vielleicht auch aus, und über Mutter und Kind ging der Zug hinweg. Es war ein herzzerreißen der Anblick und viele Passagiere konnten sich der Thränen nicht enthalten. — In Paris haben 1600 Zimmerleute Arbeitseinstellung beschlossen, wenn ihr Lohn nicht auf 1 Francs pro Stunde erhöht wird. Außerdem fordern sie einen Normalarbeits tag von 10 Stunden im Sommer, 8 Stunden im Winter, und Bezahlung von 2 Francs für jede Stunde Mehrarbeit. — An der isländischen Küste wurde vor Kurzem ein Adler erlegt, welcher an einer fest um den Nacken gelegten Kette unter seinem Gefieder eine Kapsel trug. Nach Oeffnung dersel ben fand sich ein pergamentartiger Papierstreifen darin vor, welcher folgende Worte enthielt: „Gekauft und wieder in Freiheit gesetzt 1792 durch N. und C. Anderson in Falster, Dänemark." — Die Uni versitätsbibliothek in Bologna wurde auf Befehl des Ministeriums geschloffen, nachdem man entdeckt hatte, daß erhebliche Veruntreuungen seitens der Beamten stattgefunden haben. Namentlich erregte die Aufmerksamkeit die Ersetzung echter Dürerscher Holzschnitte durch moderne Nachahmungen. Der Spezial-Bibliothekar, welchem die Abtheilung der Kupferstiche u. s. w. anvertraut war, Hai die Flucht ergriffen und konnte bis jetzt nicht verhaftet werden. Derselbe dient in der Bibliothek seit 30 Jahren. — Or. Tanner soll nun wieder nicht todt sein; er ist weder in Amsterdam noch sonst irgendwo ge storben, so melden wenigstens amerikanische Blät ter. Es scheint sonach, daß die Todesnachricht nur verbreitet worden sei, um den vergessenen Hunger leider der Welt wieder ins Gedächlniß zu bringen. Selbstverständlich bereitet sich der berühmte Hunger doktor wieder auf eine längere Fastenzeit vor, die wie er verspricht, diesmal über 90 Tage dauern soll. Goldkörner. Wohl blühet jedem Jahre Sein Frühling, mild und licht, Auch jener große, klare, Getrost! er fehlt Dir nicht; Er ist Dir noch beschieden Am Ziele Deiner Bahn, Du ahnest ihn hienieden, Und droben bricht er an. Uhl and. Nur, wer die ganze Stimme der Natur Herausgehört, dem wird sie zur Harmonie. Leop. Schefer. Die Thorheit frägt: Neu oder alt? Die Weisheit forscht nach dem Gehalt. O blicke, wenn der Sinn Dir will die Welt verwirren, Zum ew'gen Himmel auf, wo nie die Sterne irren. Rückert. Bei starken Schlägen jauchzt ein muthig Herz, doch in der dumpfen Schwüle liegt Erschlaffung. Es ist zweifellos, daß mittelmäßig beanschlagte Menschen am häufigsten zu Ehrenstellen und Reichthum gelangen. Das ist gar nicht so merkwürdig. Ehre und Reichthum gleichen zwei Bergkegeln. Das Genie sprengt auf galoppirendem Renner den steilen Pfad hinan und kommt dabet meist zu Fall. Der Minderbegabte aber setzt vorsichtig Fuß vor Fuß und steht endlich oben am Ziele. Neueste Nachrichten. Wien, 24. August. Die „Neue freie Prcsse" er fährt, König Humbert von Italien werde Milte October Wien besuchen. — Die czechischen Blätter erklären, die Czechen würden gegen eine auf gesetz lichem Wege folgende Erhebung der deutschen Sprache zur Staatssprache keine Einwendung mehr machen. Paris, 24. August. Die „France" verkündet bereits in Rieseiiletteni, im zweiten Belleviller Be zirk sei Gambetta nicht gewählt und es werde eine Stichwahl stattfinden. Es seien ungesetzlicher weise Stimmzettel gezählt worden, die zwar den Namen Gabellas, aber auch Beschimpfungen seiner Gegner trugen und daher ungültig waren. Die Nachricht der „France" ist aber verfrüht. Morgen (25.) Nachmittag wird das Resultat der untersuchen den Commission verkündet werden. Petersburg, 23. August. Nachrichten aus Odessa und Rostow am Don berichten, daß die Juden, welchen das Aufenthaltsrecht fehlt, ausgewiesen und als Ausländer über die Grenze befördert wer den. Der von der „Times" dem Grafen Jgnatieff zugeschriebene Ausspruch, das Verlangen der Juden nach Gleichberechtigung sei ganz in Ordnung, der jüngst zu Tage getretene Judenhaß aber mache die