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Zchönburger TagMait und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Ps., unter Eingesandt 20 Pf. Mittwoch, de» 31. August 1»«1. *Wu «bürg, 30. August 1881. Der Kampf um's Gold. Wir meldeten vor einigen Tagen, daß die Reichs bank den Diskont um 1 Procent erhöht habe, wel chem Beispiele auch die Sächsische Bank unv der Leipziger Kassenverein gefolgt sind. Bereits vorher hatte die Bank von England den Discont von 3 auf 4 Procent, die Bank von Frankreich und die Belgische Nationalbank die Nate von 3'/r auf 4 Procent hinaufgesetzt. Was ist die Ursache dieser Erscheinung? Lediglich die vermehrte Nachfrage nach Gold, dessen Vorhandensein den Bedürfnissen durch aus nicht entspricht. Der Kampf um's Gold ist actuell geworden, die Krisis hat begonnen. In den jenigen Kreisen, wo man bisher die berechtigten Warnungen der Bimetallisten für „tendenziöse Schwarz malerei", für „Schwindel und Humbug" hielt, wird man jetzt vielleicht doch nachdenklich werden und an der eigenen Unfehlbarkeit zu zweifeln ansangen. Die furchtbare Logik der Thatsachen verschafft sich, wie die „Berl. Börs.-Ztg." schreibt, überall Gel tung, weder Vertuschen noch Schimpfen, weder Soet- beer noch Bamberger können gegen die brutale Ge walt des Unabänderlichen ankämpfen. Es ist nicht möglich, daß die Culturwelt eine Theorie auf recht erhält, die die gesammte Verkehrsentwicke lung auf das Schwerste gefährdet und deren so lange abgeleugneten schlimmen Consequenzen jetzt unverhüllt und offen zu Tage treten. Die Vor gänge, die sich auf dem Geldmarkt gegenwärtig vor bereiten und in deren Anfangsstadium wir erst ein treten, bieten den experimentellen Beweis für die Nichtigkeit des Hauptaxioms der bimetallistischenLehre, daß der internationale Goldmangel die Aufrechter haltung der Goldwährung gefährlich und unmög lich mache. Wie soll das enden, wo sollen wir mit diesem Disconlkrieg hinaus? fragt das genannte Blatt und antwortet: Das Schlimmste bei den jetzi gen Disconterhöhungen ist, daß sie nicht als tem porär zu betrachten sind. Wodurch soll denn die Goldreserve der Banken gestärkt werden, wenn die Goldnachfrage beständig wächst, das Deficit Europas immer mehr zunimmt? Daß weitere Discont erhöhungen folgen müssen, ist schon jetzt zweifellos, eine Herabsetzung, eine Rückkehr des bisherigen Zu standes kann nur eintreten, wenn der Kampf um's Gold aufhört, wenn die Restitution des Silbers durchgeführt ist. Hätte die Pariser Münzconferenz zu einem günstigen Resultat geführt, dann könnte von den jetzt drohenden Schwierigkeiten keine Rede sein, das mögen die beherzigen, die den Mißerfolg der Conferenz bejubelten. Wir würden jetzt unsere Schuld an Amerika in Silber zahlen können und die Menge der europäischen Circulationsmittel wäre hinreichend, um Italiens Begehr zu erfüllen. Tritt Silber wieder neben das Gold als gleichberechtig tes Geld, dann hat die Goldnoth ein Ende, denn diese ist nur eine Folge der Idee, die eine Hälfte der vorhandenen Geldmittel, das Silber, zu deposse- diren. Mit dem Golde allein kommen wir eben nicht aus, wir besitzen zu wenig Gold und so ent steht nothwendigerweise der Kampf um's Gold mit all' seinen verheerenden Wirkungen. "Waldenburg, 30. August 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der deutsche Kronprinz besuchte am 27. d. die Ausstellung in Frankfurt a. M. Der „Reichsanzeiger" bringt an seiner Spitze sol- siendes Schreiben der Kaiserin an den Reichs kanzler: Da ich nach langer schmerzlicher Krankheit nunmehr durch Gottes Gnade in die Reconvalescenz trete, sehne ich mich von ganzem Herzen danach, hierdurch den tiefempfundenen Dank auszusprechen, den ich allseitig für die so große mich wahrhaft ergrei fende Theilnahme schulde. Von nah und fern, von Vereinen und Privatpersonen, von allen Stufen der Bevölkerung, wie aus allen Klassen der Gesellschaft, aus dem weiten Kreise aller Bekenntnisse und Stände und aus fremden Landen sind mir Zeichen jener Theilnahme zugegangen, die ihren Lohn trägt in dem Bewußtsein, mir wohlgethan zu haben, die ich aber nie vergessen darf, wenn es mir gelingt nach Wie derkehr meiner noch fehlenden Kräfte meinen Beruf an der Seite des Kaisers pflichtgetreu weiter zu führen. Damit dieser Dank warm und herzlich, wie ich ihn empfinde, Alle erreiche, die meiner so mitfühlend gedacht haben, ersuche ich Sie, das Vor stehende in entsprechender Weise bekannt zu machen. Coblenz, den 27. August 1881. Augusta. Bischof Or. Korum ist von Varzin, wohin er sich auf directe Einladung des Fürsten Bismarck begeben hatte, nach Berlin zurückgekehrt. Der „Germania" zufolge hatte Bischof Korum am 29. d. vormittags eine Unterredung mit dem Kultusminister. Korum wird vorläufig nach Straß burg zurückkehren, um von da nach der Erledigung der amtlichen Formalitäten den Einzug in Trier zu halten. Ein Deutscher, welcher Bulgarien bereist, schreibt von dort: „Deutschlands größter Gegner auf han delspolitischem Gebiete ist nicht Frankreich, son dern England, das an der wohlgespickten Tafel des ganzen Erdballes speist und uns armen, hungrigen Deutschen nicht den ärmlichsten Bissen gönnt, nicht ein Stückchen Samoa, nicht eine einzige Kohlenstation im Stillen Ocean. Ja, wenn wir Deutsche nur das Talent hätten, einfache Dinge einfach zu verstehen! Einem namhaften Herrn aus der Berliner Fort schrittspartei ist jüngst ein wenig Verstand hier ausgegangen, als er durch eine verfehlte Speculation hier mit 50,000 Mark ins Gedränge gekommen war und von der Berliner Reichsvertrelung vermittelst des Ansehens unseres Reichskanzlers noch glücklich herausgehauen wurde. Der Mann soll sehr klein laut geworden sein, als man ihn wegen der Partei parole: „Fort mit Bismarck" ein wenig ins Gebet nahm. Aus Altona sind auf Grund des kleinen Be lagerungszustandes wieder 21 Socialdemokcaten ausgewiesen worden. Oesterreich. Der in Pzremysl verhaftete russische Oberst Palicyn gestand, daß er nicht Bahn-Ingenieur, son dern thatsächlich activer Oberst der Genie-Truppe sei. Unter den saisirten Papieren befanden sich eine Correspondenz mit dem russischen Kriegsminister und Skizzen der Krakauer Befestigungen. Schweiz. Nach Berichten der „N. Zür. Ztg." haben die Schweizer und auswärtigen Socialisten in der Nacht vom Sonnabend auf Sonntag wieder auf Schloß Wyden getagt. Was beschlossen wurde, ist noch nicht bekannt geworden. Die Eintreffenden vermieden jedes Aufsehen und kamen zu verschiedener Zeit von verschiedenen Gegenden, speisten auch nicht gemeinschaftlich. Frankreich. Der „Temps" und die übrigen Officiösen geben nun zu, daß in Tunis eine allgemeine Erhe bung unmittelbar bevorstehe, und daß es in Algier nicht besser stehe. Das war also der Grund, weshalb die Wahlen so zeitig anberaumt wurden. Es stehen bedeutende Truppensendungen nach Algerien in Aussicht. Seit der Eroberung hat dort noch nie eine solche allgemeine Gähcung unter den Arabern geherrscht. Officiell wird aus Tunis gemeldet: Oberst Corread wurde am 26. August, als er das Lager von Erbain abgebrochen, um nach Hammamet zu marschiren, von 12,000 arabischen Reitern ange griffen. Er schlug dieselben nach dreistündigem Gefechte zurück. Die Franzosen hatten einen Todten und drei Verwundete, die Araber 15 Tobte und viele Vewundele. Corread bezog 40 Kilometer von Sabaltier eine äußerst günstige Stellung und sucht sich über die Stimmung der Einwohner Hammamets, wo jederzeit Truppen leicht landen können, zu ver gewissern. Der Befehlshaber des nahen tunesischen Lagers fetzte sich mit Corread in Verbindung, den selben seiner besten Absichten versichernd. Belleville, von welchem anläßlich der Wahl Gambetla's jetzt so viel die Rede war, bildet das Arbeiterviertel von Paris. Seit 1789 ist die Be völkerung dieser Stadttheile siebenmal hinunter an die Seine gestiegen, um dem jeweils bestehenden Regime gigantische Schlachten zu liefern; sie war es, welche die Bastille stürmte, die Revolution zum letzten Male gegen die Kanonen Bonaparte's vertheidigte, die den Thron Karl's X. stürzte, und das Bürgerkönigthum vertrieb, um wieder gegen einen Bonaparte zu unterliegen; die Massen von Belleville stellten die Septembriseurs, die Juni- und Communekämpser. Die geheime Furcht der Pariser vor diesen Verbündeten der „Freiheit" hat nie auf gehört und es blieb eine bis heute nicht ausgefochtene Streitfrage, ob die Lust am Verbrechen oder die politische Tollwuth mehr die Motoren dieser Er hebungen und der revolutionären Bevölkerung ge wesen seien. Belleville unterscheidet sich in nichts von einer schmutzigen hügeligen Landstadt, aber aller dings liegt es wie ein bitterer Contrast, hart an Paris. Die Häuser find elend, mit blinden Fenstern oder solchen ohne Scheiben, häßlichen Thorwegen oder sonst verlottertem Aeußern; es wohnen dort aber auch um 20 Francs monatlich mehrere Familien, wenn man von dergleichen sprechen darf, in ein paar winzigen Gelassen miteinander. Die Gassen laufen wie Waldwege auf und ab und anstatt über Wurzeln, stolpert man über losgelöste Steine, die ehemals Treppen waren; von einer Pflasterung ist nur in den Seitengäßchen der Rue de Belleville ein Versuch gemacht worden, den man wieder auf gegeben hat; bei Regenwetter mag man mit aller Mühe durchkommen. Eigentlich sollte man sagen, daß dieses Viertel einer türkischen Landstadt ähnlich sieht. Die Boutique mit ihrem Kram und die Ab- synthkneipe sind die Gesellschaftslocale; in schmutzi gen Speiselocalen, wo das Pferdefleisch appetitlicher ist, als das zweifelhafte Beef, füttern sich die Leute ab. Eine Verwahrlosung ähnlicher Art findet sich nur noch im Londoner Ostend, nur daß dieses be lebter ist in seiner Art und nicht schon zum Vorn herein durch die unheimliche Einsamkeit auffällt, die Belleville am Tage auszeichnet. England. Die Zustände Irlands sind durchaus nicht so zufriedenstellend, wie unter den obwaltenden Um ständen erwartet werden dürfte. Verhinderungen öffentlicher Verkäufe durch Zusammenrottungen von Pächtern, Widerstand gegen Execulion und Exmis sionen, Brandstiftungen, nächtliche Uebersälle durch vermummte Männer gehören noch immer zur Tages ordnung. Im Bezirk Clogan, Kings-County wurde ein Getreidefeld durch Niederrollen desselben mit einem Mühlsteine zerstört. Daneben nimmt das System des „Boykottirens" seinen ungestörten Fort gang, so daß mancher mißliebige Gutsherr und