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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.09.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188309082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18830908
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18830908
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-09
- Tag 1883-09-08
-
Monat
1883-09
-
Jahr
1883
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.09.1883
- Autor
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»o» Strafkammer IN- Die RestaurateurSehefrau Julie Therese verehel- Eichelberger aus Niederhermersdorf (-»3 ahre alt) war des fahr lässigen Falscheids angeklagt. Die Eichelberger, welche früher Besitzerin des Haase'schen Gasthofs war, ist nach und nach gänzlich in Bermögensversall gerathen und nachdem sie den später eingegangenen Pacht der „Oberhermers- dorfer Schenken" wieder aufgegeben, war sie dem Besitzer dieses Grundstücks noch 83 Mk schuldig, wegen welcher Summe sie verklagt! wurde-! Es kam zur Auspfändung, doch dieselbe verlief resultatlos, da die vorhandenen Sachen von den Eichelberger'schen Kindern als ihr Eigenthum in eigenes Gewahrsam gebracht worden waren. Der Kläger trug nun darauf an, daß der verehr!- Eichelberger der Offenbarungseid abgenommen werde. Dieselbe wurde zum Schwörungstermine vorgeladen, erschien aber in demselben nicht. Am 1b Mai d- I wurde gegen sie Haftbefehl erlassen und daraufhin wurde sie vor Gericht geführt- Nachdem sie nun angegeben, was sie noch besitzt, beschwor sie, daß sie weiteres Eigenthum nicht habe- Diese Angabe erwies sich aber später als falsch und wenn die Angeklagte durch die Untersuchung von dem Verdachte des Meineids gereinigt wurde, so mußte sie doch zugeben, daß sie fahrlässiger Weise einen Eid geleistet habe, den sie bei größerer , Gewissenhaftigkeit nicht hätte leisten können. Die Angeklagte wurde des fahr lässigen Falscheids für schuldig erachtet und zu 1 Monat Gesängniß ver- urtheilt- Diese Strafe wurde aber als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet. Vermischtes. — Die Kunst, schöne Frauen zu portraitiren, bietet zuweilen Schwierigkeiten, von denen sich der ehrliche Mensch nicht träumen läßt. Jüngst erhielt ein Berliner Maler, welcher mit dem Pinsel und der Zunge gleich geistreich und gleich aufrichtig ist, den Auftrag, eine in literarischen Kreisen sehr geschätzte weibliche Schön heit zu malen. Mit lebhaftem Vergnügen unterzog sich der Künstler der Aufgabe, allein die Fortschritte standen in keinem Verhältniß zum Eifer des Malers und nach einiger Zeit schob dieser die Sitzungen weit hinaus und schien zuletzt alle Lust zu verlieren, das Bildniß zu vollenden. Die Dame beklagte sich bei ihrem Gatten über die Saum seligkeit und Unlust des Malers, und der Gatte fragte bei dem letzteren an, warum sich sein Eifer so schnell abgekühlt habe. — „Ich werde das Bild nie vollenden", erklärte Jener verdrossen. „Ihre schöne Frau hat jeden Morgen ein anderes Gesicht, sie Pfuscht mir zu sehr ins Handwerk". — Eine theure Ohrfeige hat dieser Tage ein Speisewirth in Berlin seinem Kellner verabreicht. Der Schlingel eilte sofort nach Empfang derselben wüthend zu den Beefsteak schmausenden Mittags gästen und rief: „Meine Herren, lassen Sie sich Ihr Pferdefleisch gut schmecken!" — „Pferdefleisch?" fragen die Gäste entrüstet und legen Messer und Gabel nieder. — „Ja, Pferdefleisch, kommen Sie mit mir in den Keller, ich will's beweisen!" — Nach fünf Minuten war der Speisesaal leer und blieb es bis heute; denn der Wirth konnte nicht klagbar werden gegen den Kellner. — Ein weiser Richter. Der Richter Krekel vom Distrikts gericht in Missouri fällte jüngst ein merkwürdiges Urtheil gegen einen jungen Mann, der ohne alle Schulbildung und eines geringen polizei lichen Vergehens angeklagt worden war. Der Richter diktirte ihm eine Strafhaft zu, die so lange währen solle, bis er schreiben und lesen könne. Ein zweiter Angeklagter, der weniger unerzogen war, wurde gleichzeitig zur Haft für so lange Zeit verurtheilt, bis er jenem die erforderlichen Künste beigebracht hatte, und siehe da, nach den ersten drei Wochen war der erstere im Stande, ziemlich gut nach Dictando zu schreiben, was die Entlassung von Lehrer und Schüler zur Folge hatte. — Antwort bezahlt! Wie das „W. F." mittheilt, sandte vor einigen Tagen der Bauer A. Krupa aus dem Dorfe Grzensko im Kreise Przeworski folgendes Telegramm nach Wien: „Sr. Maj. Franz I. in Wien. Meine Gattin, Mutter von sechs kleinen Kin dern wurde zu sechs Tagen Arrests verurtheilt. Bitte um Begnadi gung. Antwort bezahlt!" — Die Depesche hatte zur Folge, daß der Kaiser dem Richter von Przeworski Auftrag ertheilen ließ, unverzüglich Bericht über den Fall nach Wien einzusenden. — Für Jschia. Krupp in Essen spendete für Jschia 8000 Mark. Das Erdbeben auf Java. Noch immer fehlen ausführliche Nachrichten ans Java, obwohl die telegraphische Verbindung nicht gestört ist. Daß es noch an Einzel heiten über den Verlauf des entsetzlichen Naturereignisses fehlt, dürfte, da ja die Meisten, welche aus nächster Nähe Zuschauer waren, um- „Seinem Aeußeren nach gehört cs in unsere Hausapotheke." „Befindet sich dieselbe in der Nähe?" „Hier in dem Nebenzimmer, welches dieses Gemach mit dem Zimmer der Gesellschaftsdame verbindet." In dem Auge des Richters blitzte es eigenthümlich auf. „Ich wünsche die Apotheke zu sehen." Der Graf machte eine kurze Handbewegung nach der betreffenden Thür. Der Richte« schritt voran, die klebrigen mit Ausnahme des Grafen folgten ihm. Dort, auf einem eleganten Roccoccotischchen stand die im gleichen Stile gearbeitete große Schatulle, aus deren geöffnetem Innern die mit Silberkapseln verschlossenen Gläschen in schöner Ordnung hcrvor- blitzten. Der Beamte trat herzu, das leere Fläschchen paßte genau in die eine Oeffnung, der Keine Schlüssel stak in dem perlmutterver- zierten Schloß. Der Richter trat in die Thür zurück. „War es nicht unvor sichtig, Herr Graf, den Schlüssel an der Apotheke stecken zu lasten?" fragte er mit leisem Vorwurf. „Medicamente können in der Hand eines Unkundigen oft gefährlich werden." Der Graf hatte am Fenster gestanden und blickte, wie aus einer Zerstreuung erwachend, auf. „Die Apotheke war stets verschlossen," sagte er mit Nachdruck. „Wer führte den Schlüssel zu derselben?" „Das gnädige Fräulein," platzte die Zofe heraus. „Die gnädige Frau litt häufig an Zahnschmerzen und deshalb mußte der Schlüssel stets zur Hand sein." Der Richter wußte genug, er kehrte in das Wohnzimmer zurück Er trat an die auf Geheiß des Grafen wieder zugeschlagene Scha tulle mit dem Schmuck und klappte den Deckel auf. Das höchst zarte, schwache Schlößchen war, ohne daß eine Spur von der Art der Oeff nung zurückgeblieben war, zersprengt. „Wollen Sie die Güte haben und mir angeben, Herr Graf, was von dem Inhalte des Kästchens außer dem bereits recognoscirten Schmuck sonst noch fehlt?" wendete er sich an den Grafen, indem er auf das durcheinander geworfene Innere des eleganten Kastens deutete. Der Graf zuckte die Achseln. „Meine Frau besaß sehr viel Schmuck," sagte er kalt, „ich habe mich nie um denselben gekümmert und wurde beim besten Willen nicht im Stande sein, auch nur ein fehlendes Stück namhaft zu machen." „So können es vielleicht die Frauen." Die Zofe nickte. Sie kannte den Schmuck Stück für Stück, allein — es fehlte sonst nichts, die kostbaren Gegenstände waren nur durcheinander geworfen, als habe eine Hand etwas Werthvolles auf dem Boden des Kästchens gesucht. Der Richter ließ sich die Broche zeigen, welche die Gräfin ge tragen, dieselbe war etwas verbogen, an der Spitze schien eine Spur vertrockneten Blutes zu sein. Er wickelte dieselbe ein und legte sie zu seinen Acten. Dann wendete er sich wieder an den Grasen. k-s „Ich wünschte auch die Leiche der Frau Gräfin zu sehen, Herr Graf." gekommen sind, weniger zu verwundern sein, als daß wir auch noch so wenig über den Umfang des angerichteten Schadens wissen. So viel scheint festzustehen, daß blos diejenigen Theile von Java und Sumatra, welche die Sundastraße begrenzen, nämlich der Bezirk Bantam in West-Java und die sog. „Lampongschen Distrikte" auf Süd-Sumatra, verwüstet worden sind; Batavia dagegen, sowohl die Stadt als der an Bantam angrenzende Bezirk gleichen Namens haben nur wenig gelitten. Der Verlust an Menschenleben ist weit größer als ursprünglich angenommen wurde. Wenn auch in den letzten Jahr zehnten ein Theil der Bevölkerung von West-Java angeblich wegen annehmender Fruchtbarkeit des Bodens nach den mittleren und östlichen Bezirken der Insel ausgewandert ist, so betrug doch die javanische Bevölkerung der Nordhälfte des Bezirkes Bantam noch immer eine halbe Million und allein in den Städten Anger Tjiringin lebten etwa 6t',000 Menschen. Alles in allem wird man sich nicht weit von der Wahrheit entfernen, wenn man annimmt, daß durch den Aschenregen und namentlich durch die Fluthwelle zwischen 7^,000 und 100,000 Menschen ums Leben gekommen seien. So ist beispielsweise das Fort von Anger mitsammt der ganzen hauptsächlich aus Europäern be stehenden Garnison weggeschwemmt worden. Der General-Gouverneur von Niederländisch-Jndien hat Herrn Levisohn Norman, ein Mitglied des Rathes von Indien, mit ausgedehnten Vollmachten nach Bantam gesandt, um den Umfang des angerichteten Schadens festzustellen und vorläufig alle geeignet erscheinenden Maßregeln anzuordnen. Während die bisher eingelaufenen kurzen Telegramme blos von Java sprachen, erfährt man jetzt, daß das Unglück auf Süd-Sumatra kaum weniger groß ist. Telok-Betong, die südlichste nicht weit von der Sunda- Straße gelegene Stadt in den Lampongschen Distrikten, ist gänzlich zerstört worden. Einstweilen ist es aber unmöglich, sich der an die Sunda-Straße angrenzenden Südküste von Sumatra zu nähern, weil das Meer dort von einer ungeheuren Bimsstein-Schicht überdeckt ist. Ein Telegramm an das Algemeen Handelsblad meldet: „Der Zustand in den Lampongs ist entsetzlich: 5 Meilen weit landeinwärts ist alles verwüstet und die Tobten zählen nach Tausenden. Auch ist cs un möglich, die Gegend zu besuchen, weil die überlebenden Einwohner, welche den Holländern wegen Atschius die Schuld an dem Unglück beimessen, aufs äußerste erbittert sind." Diese letztere Bemerkung hat für denjenigen, der die Verhältnisse in Niederländisch-Jndien kennt, eine besondere Bedeutung. Sollte sich in Niederländisch-Jndien, wo den vielen Millionen von Eingeborenen kaum ebensoviel Tausend Europäer gegenüberstehen, die Ansicht verbreiten, daß das Unglück von einer strafenden Gottheit gesandt sei, so könnten daraus ernste Unruhen entstehen. (Während alle bisherigen, als authentisch anerkannten Be richte bloß von vulkanischen Ausbrüchen in der Sunda-Straße sprechen, enthält die englische Zeitung Daily News vom 3. September einen 1' 2 Spalten langen Bericht, der sozusagen die ganze Insel Java in ein einziges Feuermeer verwandelt, sintemal er den Ausbruch von einem Drittel aller 4d Vulkane Javas aufs eingehendste zu beschreiben weiß. Da aber die Namen von Bergen und Ortschaften, die viele Hundert Kilometer von einander entfernt sind, auf das unsinnigste durcheinander geworfen werden, so müssen wir diesen Bericht, wenigstens in der vorliegenden Form, wohl bis auf weiteres als eine dreiste Fälschung, und zwar als eine von solchen Leuten ausgehende Fälschung verstehen, die mit der Erdkunde Mf gespanntem Fuße leben.) Betrachtungen beim Anblick des neuen Schlachthofes. Von L. I. Nun stehen sie in voller Größe da, alle die stattlichen Gebäude des Neuen Schlachthofes, eine kleine Stadt für sich bildend; eines größer als das andere, aber alle durchgängig in gefälliger, eleganter Bauart, so daß man eigentlich glauben möchte, daß die Rinder und sonstigen Thiere, die drinnen ihren Opfertod finden werden, es sich zur Ehre schätzen dürften, in so schönen Räumen zu sterben. Roth, blutroth aber sind alle Mauern der Bauten, dadurch lasten sie schon von außen den blutigen Beruf errathen, dem sie dienen werden; nur Wandstreifen und Fenstereinfassungen zeigen sich in weißlich-grauer Färbung. Prächtig, fast zu Prächtig für ihre Bestimmung sind die hübsch eingerichteten Schlachtsäle, die im Vergleich zu dem engen, düsteren, traurigen Raum des alten Schlachthofes am Chemnitzufer einen wahr haft fürstlichen Eindruck mache«. Aber trotz alledem thut es doch einem zum Mitleid geneigten Herzen wehe, w?n«i>.Wan bedenkt, war für Ströme Blutes hier aus Küssenden TodBtvmstW, fließen werde« k Wieso manche ehrbare Kuh, die ihr Leben lang in Geduld und Sanftmuth an ihrer Kette lag oder stand, die den Menschen mit ihrer labenden Milch stärkte und erfrischte, die wohl auch bei ihrem Kleinbauer in Ermangelung eines Pferdes am Pflug mit zog und mit ihren Stallgenossinnen stets in schönster Eintracht lebte, sie wird hier sinken unter dem Mordbeile des Schlächters. Mancher brave Ochse wird trotz seiner ungeheuren Stärke unter den noch stärkeren Streichen des erfindungsreichen Menschen zusammenbrechen, und auch so manches — hm, wie nenne ich doch dieses Keine liebenswürdige, vierfüßige Thier, daß sich so gern und so behaglich in dem gewissen Stoff, den ich nicht nennen kann, herumwälzt, dieses Thierchen, das sein Lebtage nichts sagt, als französisch: „«ui! oui!" und also Wohl keine Seele mit Worten je beleidigt, das wegen seiner Abneigung gegen die — Reinlichkeit niemals ein Wässerchen getrübt und das man deshalb wohl das unschuldigste, harmloseste und beste aller Ge schöpfe nennen kann, nach seinem Tode aber auch das Delicateste ist, also auch die — entschuldigen Sie, schöne Leserin, daß ich es doch nenne — auch die — „Sau" wird hier ihr zartes Leben aushauchen unter dem Stahle des Fleischers. Wenn man so hier in den freundlichen Promenadenanlagen steht, und die schönen Gebäude beschaut, die alle von außen trotz ihrer rothen Ziegelmauern so harmlos, friedlich aussehen, möchte man kaum glauben, daß das Innere dieser hübschen Häuser der Schauplatz so vieler Gräuel sein wird. Aber man hat immerhin einen Trost bei dem Gedanken an all das Schreckliche; man weiß und sagt sich, die lieben, armen Thiere sind von Alters her daran gewöhnt, auf solche Weise zu enden. Damit beruhigt sich mein weiches, mitleidiges Herz und ich wende mich wieder durch das Lerchenthor zur Stadt zurück. Handelsregister. Amtsgericht Chemnitz. Aus der Firma O:w Flndeisen in Chemnitz ist ausgeschieden die Mitinhaberin Frau Christiane Ottilie verw. Findeisen geb. Mettler daselbst Aus der Firma Gebr- Franke in Chemnitz ist ausgeschieden Herr August Hermann Franke daselbst. Kunst und Wissenschaften. t Joh. Brahms hat Wien verlassen und wird seinen dauernde» Wohnsitz in Wiesbaden nehmen- t Dem englischen Hofdichter Tennyson steht eine starke Strapaze auf dem Pegasus bevor. Er hat von der Königin Victoria den Auftrag erhalten, ihren verstorbenen Kammerdiener Brown in einem Sonnet oder einer Elegie zu besingen. Lelegrrrm«-«: -cS Chemnitzer Anzeigers. (Nach Schluß der Redaction eingetroffen.) Siehe 1. Seite. Berlin, 7. September 12 Uhr Mittags Wie auS London: verlautet, erlitten die Franzosen eine neue Niederlage vor Hanoi. Wien. Trotz des Verbotes der gestrigen Volksversammlung fanden sich über hundert Arbeiter Abends im Versammlungslokal ein und be warfen die Wache mit Steinen. Unter Aufgebot von Militär und- Polizei wurde die Menge rasch zerstreut Zehn sind verhaftet. Sofia, 6. Sept. Dem Vernehmen nach ist eine Verständigung zwischen dem russischen Vertreter Jonin und dem Fürsten von Bul garien zu Stande gekommen, so daß die befürchteten Schwierigkeiten vorläufig beseitigt sind. Die russischen Generale bleiben wähMW-n Ausarbeitung der Verfassung im Amt. Bromberg, Donnerstag 0. September. Das Verbot der für nächsten Sonntag geplanten Theatervorstellung zur Sobieskifeier ist wieder aufgehoben worden. London, Donnerstag 6. September. Nach einer Meldung aus Shanghai von heute ist der neue englische Gesandte in China, Sir Harry Parkers, dort angekommen. — Die „Times" meldet aus Hong kong von heute, ein Korrespondent in Hai-Phong schriebe, die Fran zosen beabsichtigten, Kanton und Pakhoi zu blokiren, wenn die chine sischen Trupprn sich weigem sollten, sich von der Grenze zurück-' zuziehen. K i: - Der Angeredete sah mit unwilliger Ueberraschung lebhaft empor. „Warum das?" frug er, und seine Stimme Kang ziemlich barsch. „Meine Pflicht gebietet es mir" „Sie wollen doch aber einem angeblichen Diebstahle auf die Spur kommen, was kann Ihnen da die Tobte helfen?" Der Richter hob die Achseln. „Vor der Hand kann ich darüber keine Auskunft geben, Herr Graf, da ich bis jetzt nur noch Vermuthungen hege. Ich bitte also —" Er war dem Grafen einen Schritt näher getreten und sah ihn fragend an. Der Graf machte, wie vorhin, eine einfache Handbe wegung nach der Thür zu seiner Rechten, allein der Richter blieb stehen. „Ich bitte, mich selbst führen zu wollen, Herr Graf," sagte er ernst. Dieser schritt ohne Weiteres auf die bezeichnete Thür zu und öffnete. „Hier," sagte er und deutete auf das Ruhebett, auf welchem die Leiche lag. Ein Untersuchuugsrichter muß an Alles denken. Während der Graf vorausschritt, ging der Beamte dicht hinter ihm drein, wobei er seitwärts dessen Züge fixirte. Keine Muskel in demselben regte sich. Jetzt, da der Graf die Thür aufstieß, um den Richter einzu lassen, begegneten sich Beider Blicke. Der Graf schien dies mit Ver wunderung zu bemerken, allein keine Faser seines Antlitzes zuckte, sein Blick blieb kalt und höflich und doch — der Richter konnte sich die unwillkürliche Bemerkung nicht verbergen — lag in dem vornehmen Wesen des Mannes bei allem aristokratischen Schnitt etwas so Feines ein so weicher, warmer Ton, daß es schien, als müsse jeden Augen blick der Reichthum eines edlen, liebreichen Herzens durch diese kalte Maske brechen. Daß der Graf mit seiner schönen, lebenslustigen Gemahlin nicht glücklich gelebt, war in der Stadt bekannt, seine Ver schlossenheit konnte wohl nur eine Folge dieses Mangels an Glück sein, einem Weibe von edleren Eigenschaften und reiner, treuer Liebe wäre es vielleicht sehr schnell gelungen, diese Kälte zu verscheuchen und das Feuer heiliger, hochherziger Liebe Hervorbrechen zu lasten. Doch zu solchen Reflexionen war jetzt keine Zeit. Der Richter trat in das Gemach und schritt direkt auf das Lager der Tobten zu. „Die Leiche ist erst hierher gebracht worden?" frug er, nachdem Bette deutend. »Ja." „In welcher Lage befandZfich dieselbe, als Sie zuerst das Zim mer betraten?" Die Zofe, welche sich noch in dem Wohngemach befand, war schnell bereit, sich in die Causeuse zu setzen und die Lage nach zuahmen. „Die Dienerschaft sagte, die Toilette der Tobten sei nicht mehr ganz in Ordnung gewesen." Der Graf bestätigte dies mit dem Bemerken, daß dies Wohl eine Folge des Todeskampfes sein dürfte. Der Richter nahm diese Bemerkung hin, ohne etwas dazu zu sagen, bedauerte aber, die Leiche nicht mehr in der ursprünglichen Lage zu finden. Er klemmte seiiuLorgnon auf die Nase und beugte sich« über die Tobte, mit scharfem Auge jede Einzelheit an derselben- prüfend. Das schöne, jetzt wachsbleiche Antlitz erschien völlig ruhig,, hatte die Dame einen Todeskampf wirklich gekämpft, so schien sie wenigstens keine Todesangst dabei empfunden zu haben. Plötzlich bog er sich weiter vor. Er faßte die, die gefalteten- Hände umschließenden Spitzenärmel und lüftete dieselben — an der inneren Seite des rechten Armes, fast genau, wie bei seiner Unter- suchungsgefangenen, zog sich, nur nicht so stark, wie bei jener, ein Riß hin, der von einer Nadel herzurühren schien. Das Blut an der Brochenadel konnte also doch auch von der Gräfin selbst her rühren. „Haben Sie diese Verletzung am Arme ihrer Frau Gemahlin: bemeickt?" frug der Richter, sich nach dem Grafen umwendend. Dieser neigte Haupt. „Ja, der Riß war blutig, ich habe ihn: selbst ein wenig abgerieben." Der Richter schüttelte unwirsch das Haupt, das schien ihm offen bar nicht lieb zu sein. Er betrachtete genau die Hände der Gräfin es war sonst nichts an ihnen zu entdecken, er mußte seine Unter suchung vorläufig schließen. Bereits das Aktenbündel wieder unter dem Arm kehrte er sich- nach dem Grafen, der über die voraussichtlich baldige Entfernung des Mannes sehr erleichtert schien, zurück und sagte, ein Petschaft aus der Tasche holend: „Herr Graf, ich halte cs für nothwendig, diese Zimmer bis auf weiteres zu versiegeln. Haben Sie Gegenstände aus denselben für Ihren täglichen Gebrauch nothwendig, so bitte ich, diese anzugeben meine Pflicht gebietet mir jedoch, Ihnen diese Nöthigung in Ihrem. Hause aufzulegen." Ein Blitz, so jäh und flammmend, wie er nur aus de« Augen eines heißblütigen Menschen zu brechen pflegt, schoß aus denen des Grafen — der Herr schien denn doch seine Pflicht sehr weit aus zudehnen. Dann aber, wie sich besinnend, verbeugte er sich kalt gegen den Beamten und sagte mit Betonung: „Thun Sie, was Ihre Amtspflicht verantworten zu können meint; diese Zimmer und ihr gesammter Inhalt sind für mich ent behrlich." Der Beamte fühlte das Unbehagliche seiner Lage nur zu gut, allein nach den Vorgefundenen Spuren durfte er nicht säumen, eine weitere Untersuchung vorzunehmen — er zündete selbst eine Kerze an und bald waren die Zimmer der Gräfin und ihrer seitherigen Gesellschafts dame durch Siegel verschlossen und von den übrigen Räumen des Schlosses abgesperrt. Das erste, was der Amtsrichter that, als er wieder zur Stadt gelangt, war die Vorführung seiner Untersuchungsgefangencn. Das junge Mädchen war durch seine Verhaftung und den zugleich mit derselben ausgesprochenen Verdacht in einen Zustand höchster Er regung versetzt. Das ausdrucksvolle blaue Auge zitterte in krank hafter Spannung und der feine, jetzt etwas blasse -Mund erschien leise geöffnet, als ob die Beklemmung der Brust sich dadurch Bahn brechen könne. (Fortsetzung folgt' '.'-i Ä'Mil
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