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2. Seilage M Zchöndurgn Tageblal!. M 283. Souutag, Se« L Dezember 1915. Dresdner Brief. Nachdr»« »erboten, —«. Dresden, 3. Dez. 1915. Der Winter ist ziemlich hart aufgetreten Selbst unsere Großstadt zeigte ein winterliches Bild und die Schneemengen waren kaum zu beseitigen. Das will waS heißen, denn für gewöhnlich merkt man in un- seren Straßen infolge der Salzstreuung und des schnei- len Beiseiteschaffens des Schnees herzlich wenig vom Winter Solcher Schneefall ist für die Stadtverwal tung weniger angenehm. Denn in schneereichen Win tern sind große Summen für die Schneebeseitigung auszuwenden. Es dürste interessieren, an der Hand von Zahlen nachzuweisen, was unsrer Stadt ein schnee reicher Winter kostet. In den letzten Jahren wurden die für diesen Zweck eingestellten Beträge nicht auf. gebraucht, sodaß größere Summen auf den nächsten Etat überschrieben werden konnten. Im Jahre 1909 Nahmen starke Schneefälle die städtischen Finanzen mehr als sonst in Anspruch. Die 90,000 Mk., die für die- sen Zweck bewilligt worden waren, wurden vollstän. dig aufgebraucht, desgleichen ein aus dem Jahre 1908 überschriebener Betrag von reichlich 73,000 Mk. und außerdem mußten noch 50,000 Mk. nachbewilligt wer- den, wovon mehr als 20,000 Mk. verbraucht wurden. Für die Beseitigung von Schnee und Eis mußten ins- gesamt 184.138 Mk. aufgewendet werden, dazu ka men noch reichlich 28,000 Mk. für Unterhaltung und Ergänzimg der Geräte zur Schneebeseitigung und für Kies, Sand und Salz zum Bestreuen der Straßen und Plätze. Der schneereiche Winter 1909 hat der Stadt 232,564 Mk. Kosten verursacht. In diesem Jahr« waren 3,075,741 Kubikmeter Schnee im Stadtgebiet gefallen. Davon mußten 67 591 Kubikmeter abge- fahren werden, wozu 30,749 Schneehilfsarbeiter ein gestellt werden mußten. Auch das Jahr 1907 war schneereich. Von 3,107,498 Kubikmeter gefallenen Schnees mußten 57,746 abgefahren werden. Dazu waren 20,951 Hilfsarbeiter erforderlich. Die Gefiamtkosten der Schneebeseitigung beliefen sich aus 175,250 Mark. In dem schneearmen Winter des Jahres 1905 erfor derte die Schneebeseitigung nur 53,000 Mk. In die sem Winter aber werden wir mit ganz beträchtlichen Summen zu rechnen haben. Der Mangel an geeigne ten männlichen Arbeitskräften hat diesmal bei ver Schneebeseitigung eine neuartige Erscheinung gezeitigt. In den letzten Tagen kannte man viele Schneeschippe rinnen auf den Dresdner Straßen und Plätzen in Tätigkeit sehen. Neben den weiblichen Schneeschippern haben wir in Dresden Straßenbahnschaffnerinnen, Kutscherinnen, Autoführerinnen, Briefbotinnen, Fenst-r- putzerinnen, Plakatkleberinnen u. a. m. Das ist der Kriea! Roman von C. Dressel. 52) ^"(Fortsetzung) Dann plötzlich rann ein schmerzliches Zittern über daS liebe, schöne Gesicht, die Angen öffneten sich ängst- sich suchend. Hastig griff er nach ihren vorgestreckten Händen „Was ist Ihnen? Sie haben schlimm geträumt, nicht wahr? Wie blaß Sie sind." Aber nun blühten Rosen auf ihren Wangen, und fit lächelte: „Es ist nichts — nichts mehr, lieber Freund. Wieder bringen Sie mir so schöne Blumen, — jedoch die Zeit der Rosen — sie ist nun bald vorüber." Sie senkte das Gesicht in den Strauß. In den Purpurkelchen sah er leuchtende Tropfen glitzern. „Warum weinen Sic, Marion," sagte er leise. Es gibt unvergängliche Lebensblüten, die ewige Liebe zeitigt sie. Marion, solche unwandelbare Liebe empfinde ich für Sie. Wollen Sie daran glauben?" „Ja," rief sie innig, und ihre feuchten Augen er glänzten, „denn das gleiche Gefühl lebt in mir geklärt und stark. Es hat nichts gemein mit einer früheren Herzenstäuschung. Damals, Herbert, —" sie verstummte peinvoll „Warst Du meinem Bruder verlobt." Er legte den Arm um sie und sah ihr zuversichtlich in die blauen Augen. „Ich weiß das, Liebste, und ich fragte nicht nach dem, was war. Aber auch Du sieh nicht mehr zurück auf die Schmerzen der Vergangenheit, sondern mit mir frohen gläubigen Blickes der Zukunft entgegen, die auch uns Leidgereiften noch blühende Wunder bieten mag." Enger schmiegte sie ihre Hand in die seine, und dann sagte sie ernst: „Lieber, so ganz bedingungslos kannst Du mich trotzdem nicht haben. Da ist zunächst meine Luise, sie mußt Du schon mit in den Kauf nehmen. Ich ver danke ihrer Treue viel, ihre Vereinsamung wäre mir ein schwerer Gedanke." „Liebstes Kind, darum sorg' Dich nicht, Deine Freundin soll allezeit ein warmes Plätzchen an unserem Herd finden. Lasten wir sie entscheiden, ob sie sogleich mit uns herübrrgehen will, denn ein, zwei Jahre wird mich die Kindermund zu den Leistungen der Zrau im Kriege. Und nun steht Weihnachten vor der Tür. Wenn auch der Krieg sein eigenartiges Gepräge dieser Zeit gibt, o ist's doch Vorweihnachten wie im Frieder. Weihnachtsausstellungen aller Art sind an der Tages ordnung. Im Erdgeschoß des neuen Sendig-Hotels hat der Dresdner Künstlerbund seine Weihnachtsmeffe eröffnet. Ausgestellt sind Gemälde, Zeichnungen aller Art, plastische Werke und kunstgewerbliche Arbeiten. In seinen behaglichen Klubräumen Johann Georgen-Allee 13 hat der FrauenkluL Dresden 1910 eine Weihnachtz- auLstellung veranstaltet. Ausgestellt sind eine Füll« schöner, zarter und farbenfroher Gebilde der Kunst und des Kunstgewerbes. Alles von weiblicher Hand. Die unter der Not der Zeit schwer ringenden Künstlerinnen und Kunstgewerblerinnen haben es wahrlich nicht leicht, denn Kunst und Krieg wollen nicht recht zusammen gehen Deshalb muß auch so manch' Schaffender sein eigentliches Gebiet notgedrungen verlaffen, um Dinge zu schaffen, die den Ansprüchen der Gegenwart gerecht werden, und die vor allem leichter einen Käufer fin den. Aber das eiserne Muß ist eine gute Lehrmeiste rin: so viel wertvolles, schönes und gediegenes Kön- nen, das zu anderer Zeit kaum geweckt worden wäre, macht sich schaffend frei und bricht sich neue Bahnen. In den Räumen unter dem U.-T.-Ltchtspielhaus, Wav senhausstraße 22, wird in der Zett vom 6. bis 19. Dezember eine Verkaufsausstellung erzgebirgischer Spiel waren aus Seiffen u. U., die aus dem vorigen Jahre noch in guter Erinnerung ist, abgehalten. Um auch einen anderen Zweig unsrer sächsischen Volkskunst in schweren Tagen zu unterstützen, hat die Ortsgruppe Dresden des Landesverbandes für Christlichen Frauen- dicnst in Sachsen eine Ausstellung von handgeklöppel ten Spitzen in der Galerie Arnold, Schloßstraße, ver anstaltet. Ein Rundgang durch die stimmungsvoll weihnachtlich hergerichteten Räume, denen der Verein für Sächsische Volkskunde einen gemütlich-heimatlichen Nahmen gab, zeigt des Kostbaren und wahrhaft Künst lerischen die Fülle. Köstliche Handarbeiten, die jedes Frauenherz entzücken muffen, zarte Gebilde der Spitzen- , Lösung meiner Unteruebmungen wohl noch in Amerika festhalten. Danach niag meine liebe Frau entscheiden, in welchem Erdwinkel sie seßhaft werden will. Zieht sie's nach Deutschland zurück, soll's mir recht sein. Ich wär's zufrieden, mein Leben im alten Vaterlande zu be schließen, denn das neue — jetzt kommt mir mitunter vor, als sei es doch nur Surrogat gewesen " „Wenn ich Deine Frau werde, Herbert —" sagte Marion, einen zögernden Nachdruck auf das „wenn" legend. „Da ist nämlich noch ein anderer Punkt, den Du ernsthaft bedenken mußt. In dem Moment, wo Du mir den Ehering ansteckst, verwandle ich mich und bin nicht viel mehr als eine arme, kleine Kirchenmaus." Er lachte herzlich. „Hab ich's nicht gedacht? Du bist ein Märchenkind. Natürlich muß nun der gütergesegnete Prinz kommen und die arme schöne Fee erlösen. Du ein ziger Narr, was frag' ich denn, ob Du reich oder arm seiest. Dich allein will ich, Du goldene, süße Frau. Gottlob, daß ich Dich in ein Haus führen kann, das meiner Perle würdig sein soll." Dann saßen sie unter den Rosen Hand in Hand und redete» wie alle Liebesleute süßen Unsinn und ernstes Planen durcheinander. Darüber merkten sie nicht, wie die Sonne schwand und schwarzes Gewölk heranzog. Erst als ein heftiger Windstoß an den Rosen riß und einen Schauer bunter Blätter über den Balkon wirbelte, sagte Marion unruhig, mit einen besorgten Blick auf den veränderten Himmel: „Wir bekommen ein Gewitter." „Bangt Dir?" Du weißt ja, unsere Rosen welken nicht. Und wir sind hier geborgen, oder schickst Du mich hinaus?" „Eigentlich mich. Ich müßte von rechtswegen im Tiergarten sein. Wollte ja dem kleinen Eberhard die Gold- Uche füttern helfen. Nun sitzt er da und wartet; dies Kind ist von einer seltsamen Zähigkeit, wenn es sich um «in Versprechen meinerseits handelt und ich hatte den armen Schelm ganz und gar vergessen. Am liebsten setzte ich mich in eine Droschke und holte ihn her, das würde ihn dir Enttäuschung verschmerzen lassen." „Wäre indes wohl eine nutzlose Mühe, mein Herz, denn die Schmidt, die ja eine vernünftige Person ist, »ird längst mit ihm im Hotel sein. Ich tröste ihn nachher mit etwas Hübschem und bringe ihn Dir später her. Ja, tu dem armen Jungen so viel Liebes, als Du kannst, ich bin nicht eifersüchtig auf einen Todgezeichneten. Denn das ist er. Die scheinbare Besserung, welche Günter zu bemerken glaubt, wird keine dauernde sein, wie mir leider sein hiesiger Arzt vertraute." Der erste Blitz zuckte aus dem schwefelgrauen Gewölk. Sie traten in den Salon. Luise kam herzu und nahm die nicht unerwartete Neuigkeit des Verlöbnisses mit warmer Herzlichkeit auf. Es rührte sie tief, daß man sie als Dritte im Bunde gelten lassen wollte.» Doch hielt sie es für richtiger, die Amerikafahrt der Glücklichen nicht zu teilen. Man solle sie ruhig hier in der allen Wohnung belasten, bis man sich später, so Gott wolle, in einem schönen geräumigen Heim wieder zusammen finden würde. * * In voller Sonne vor dem gleißenden, dampfende» Master stand Eberhard. Seine schläfrigen Augen fahe» müde dem Spiel der Goldfischchen zu, dessen muntere Beweglichkeit in dem Grade nachließ, als die Hände des kleinen Futterspenders sich leerten, und als nichts mehr zu erhaschen gab, was einiger Anstrengung lohnte, flüchtete eins nach dem andern unter die kühlen Schlupfwinkel unter dem Mummeln, im Ried zurück. Die weiten Ringe, die sie im wilden Jagen gezogen, zerflossen allmählich, und endlich hörte jede Bewegung aus. Der See lag in schläfriger Ruhe.. Auch dem Jungen fielen fast die Augen zu. Sie konnten den gleißenden Sonnenglanz im Wasserspiegel nicht mehr ertragen. „Komm doch endlich her, Eberhard. Du darfst nicht so lange in der glühenden Sonne stehen," rief ihm Frau Schmidt von ihrer Bank aus zu. » Mit zögernden, langsamen Schritten kam er Hera». Obwohl er des Fahrstuhls nicht mehr bedurfte, war doch von leichtfüßiger Beweglichkeit keine Rede bei ihm. Er er müdete leicht und mußte vor Ueberanstrengung gehütet werde». Und gerade jetzt sah das schmale kleine Gesicht sehr echauffiert aus. Selbst die Stirn, von der er de» Matrosenhut weit zurückgeschoben, war heiß gerötet.