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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 24.02.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188402245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840224
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-02
- Tag 1884-02-24
-
Monat
1884-02
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 24.02.1884
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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbo!te. Rr. 4V. Sonntag, den 24. Februar. Seite 6. schränken, wie in der Familie. Und was können die Eltern nicht für die Charaktereigenschaften ihrer Kinder thun, und gerade für die Charaktereigenschaften, welche für eine glückliche Berufswahl wichtiger sind als alle Talente. Oder wird ein in Bescheidenheit und Gehorsam erzogenes Kind seinen Geist auf eitele, unerreichbare Ziele richten? — Mrd eS nicht vielmehr guten Rathschlägen folgen und mit gegebenen Verhältnissen zu rechnen wissen. Und selbst glänzend beanlagten Jünglingen find vorzügliche Charaktereigenschaften, zumal Bescheidenheit und Unterordnung unter den Willen erfahrener, älterer Personen dringend nöthig, denn wie viel hochbegabte junge Leute er reichen ihr Ziel auS Mangel an guten Charaktereigenschaften nicht, indem sie der Eitelkeit, der Zügellosigkeit, ja selbst thörichtem Größenwahne verfallen. Mäßig, ja selbst schlecht begabte Jünglinge mit guten Charaktereigenschaften, mit Bescheidenheit, Gehorsam und Fleiß aus gerüstet, erreichen dagegen meistentheilS, wenn auch erst nach längeren Mühen ihr Ziel. AuS dieser kurzen Charakterisimng des Wesentlichen, was bei der Bemfswahl eine ausschlaggebende Rolle spielt, werden gewiß alle Eltern ihre Verhaltungsmaßregeln gegen ihre Kinder erkennen, und was sonst noch für die Zukunft des jungen Geschlechts nöthig ist, sind die bekannten Wahrheiten der Lebenspraxis. Niemand soll sein Kind zu einem Berufe zwingen, sondern nur mit guten Rathschlägen und Vorstellungen zu wirken suchen. Niemand soll aber ^auch sein Kind einen Beruf ergreifen lassen, der als ein Ausfluß der Eitelkeit über die Talente des Knaben oder das Vermögen der Eltern hinauSgeht. In allen Fällen ist es aber auch wichtig, sowohl mit den bisherigen Lehrern des Knaben und Jüngling-, als auch mit erfahrenen Männern des Berufs, den der junge Mann erwählen will, über die betreffenden Anforderungen und Aussichten auf eine gute Lebensstellung zu sprechen. Noch wäre auch in vielen Fällen, wo es sich um schwächliche oder kurzsichtige Kinder, deren es jetzt so viele giät, der Rath eines Arztes bei der Berufswahl wichtig. Denjenigen aber, welche Beamte, Lehrer, Offiziere u. s. w. werden wollen, empfehlen wir noch das Buch „Die Berufswahl im Staatsdienste", kaiserlichen RechnungSrath Dreger und erschienen in Verlag in Leipzig. «ächfifch-S. — Dem jüngsten Sohne Sr. kgl. Hoheit des Prinzen Georg dem kleinen Prinzen Albert, dessen Gesundheitszustand leider noch immer viel zu wünschen übrig läßt, ist auf Anrathen der Aerzte bis jetzt noch keine Mittheilung von dem Hinscheiden seiner Mutter ge worden. Der Prinz wird zunächst noch in der Meinung gelassen, seine verewigte Mutter sei auf Reisen gegangen. — Im Postpäckereiverkehr während der letzten Weihnachtszeit nahm Dresden unter den größeren Städten deS Reichspostgebiets nach Berlin und Leipzig, welche beide Städte den stärksten Päckereiverkehr Nachweisen, die fünfte Stelle ein, indem innerhalb der 14 Tage der Weihnachtszeit ausschließlich der Vororte 84,241 Packete aufgegeben und 82,459 Packete abgesandt wurden. — Nach den bestehenden Zollgesetzen dürfen leere Fässer, Säcke und dergl., welche in gefülltem Zustande nach dem AuSlande gegangen find, zollfrei wiederum in daS deutsche Zollgebiet eingeführt werden, wenn zweifelohne festgestellt ist, daß die fraglichen Fässer, Säcke rc., als Emballage für ausgeführtes Oel, Getreide re. benutzt worden find. Die Zollämter, die hierüber eine Kontrole zu führen haben, verlangen deshalb, daß ihnen die bezüglichen Sendungen bei der Ausfuhr vorgeführt werden. Es ist daher, wenn die zollfreie Medereinfuhr der Emballage gesichert werden soll, vom Versender jeder solchen Sendung eine genaue Deklaration nach Zeichen, Nummer und Stückzahl dem Frachtbriefe beizugeben und außerdem die Vor führung bei dem in Frage kommenden Grenzzollamte auf dem Fracht briefe ausdrücklich vorzuschreiben. .— Ueber außer Kurs gesetztes Papiergeld der alten Währung, welche- aber noch eingelöst wird, schreibt der „Jllustrirte Anzeiger für Kontor und Bureau": „Infolge mehrfacher Anfragen bezüglich der Werthlofigkeit einzelner Noten der alten Währung bringen wir nachstehend ein Verzeichniß von jenem Papiergeld, welches noch ein- durch eine kühne Drehung dem neidischen Wogenprall, der sie ganz nahe am Ziel in den wirbelnden Strudel hinabziehen wollte. Noch eine letzte, fast übermenschliche Anstrengung, noch zwei kräftige Ruder stöße, dann landete der Kahn unfern der Erhöhung, und ein lauter Jubelschrei aus vielen Kehlen übertönte fast das Brausen der toben den Fluth. Als sie wieder den festen Boden unter sich fühlte, schien Dore wie aus einem Traume zu erwachen. Doch sie mußte selbst nicht glauben, was ihr gelungen war; denn sie stürzte neben dem Hanjust nieder, den einige Männer auf einer schnell hergerichteten Bahre an's Land getragen hatten, horchte auf seiner Brust und tastete wie eine Zweifelnde über seinen Körper hin. Erst als sie sich nach einer Weile überzeugt halte, daß das Herz des Geliebten noch schlug, daß er wirklich dem Wellentode entrissen war, da schwanden auch ihr die Sinne und sie brach bewußtlos neben der Bahre zusammen. Ebenso wenig wie der Hanjust spürte Dore etwas davon, daß man sie eine Weile später in's Schifferhäuschen hinauftrug. In der Todesangst um den Geliebten hatte sie ihre körperliche Kraft zu einer solchen Höhe angespannt, daß die natürliche Folge dieses übermensch lichen Aufschwungs eine vollständige Ermattung sein mußte. MS man am anderen Morgen die Großmutter zur ewigen Ruhe bestattete, lag Dore noch in demselben todtenähnlichen Schlaf wie zu vor. Sie wurde von dem ganzen Vorgang nichts gewahr und kam erst viel später wieder zu sich. Xlll. Im Laufe des Tages war die Wunde deS Hanjust von den Merzten aus der Stadt schon zu wiederholten Malen untersucht und zwar nicht für vollständig ungefährlich, aber für heilbar erklärt wor den. Doch in seine vom Fieberwahn umnachtete Seele war während der ganzen Zeit noch kein Lichtstrahl wieder gefallen. Bewußtlos und matt von dem furchtbaren Blutverlust lag er seit gestern auf dem Bette deS Brandstifterjost, das man in einem engen Gelaß neben der Küche aufgeschlagen hatte. Der Grenzbäuerin gab die wunderbare Errettung ihres Einzigen alle entschwundenen Kräfte schnell wieder zurück. Wie eine barm herzige Schwester, die an sich selbst zu denken verlernt hat, stand sie bald am Lager des Sohnes, bald am Bette seiner kühnen Retterin. Sie konnte das ernste, bleiche Antlitz, sie konnte die blutunterlaufenen Hände nicht ansehen, ohne immer wieder auf's Neue heiße Thränen zu vergießen. — Was alles war an diesem Menschenkinde von jeher gesündigt worden! Sie wußte es nun und dankte Gott dafür, daß er es auch in ihre Hand gelegt hatte, in Zukunft ein großes Theil davon wieder gut machen zu können. Nicht so leicht als seine Frau vermochte sich Höfer nach der aus gestandenen Todesangst mit der beglückenden Wahrheit zu befreunden. Allmählich war ihm zwar die Sprache wieder geworden, aber er konnte sich nur mühsam von einem Ort zum andern schleppen. Was in ihm vorging, wußte Niemand. Sein Antlitz hatte noch immer dieselbe steinerne Unbeweglichkeit, und wenn es auch nicht mehr so geisterbleich war, erschien es dennoch um Jahre gealtert Man hatte noch kein Wort über die wunderbare Errettung des Hanjust von ihm gehört, jedoch die scheuen Blicke, die er zuweilen auf die Schlafende gelöst wird. Alles übrige Papiergeld der alten Währung ist bereit- verfallen. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß alle diese Noten absolut werthloS sind, die Möglichkeit der Einlösung ist noch vorhan den und würde beim Vorkommen einer derartigen Note eine Einsen dung an die betreffende Ausgabestelle immer gerathen sein. Noten der Bautzener Landständ. Bank zu 5 und 10 Thlr., Noten der Bremer Bank zu 5, 10, 25 und 100 Thlr., Noten der Breslauer Bank zu 10, 20, 50 und 100 Thlr. vom 1. Juli 1863. Noten der Chemnitzer Stadtbank zu 1 Thlr. l, ll. und III. Em. Noten der Danziger Privatbank. Noten der Darmstädter Bank. Noten der Frankfurter Bank zu 5, 10, 25, 50, 100 und 500 fl. Kassenscheine des Groß herzogthum Hessen zu I, 5, 10 und 59 fl. Noten der Leipziger Bank zu 10 vom 10. Juni 1866, zu 20 vom 1. März 1855, zu 50 und 100 Thlr. vom 1. Juni 1860. Scheine der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Kompagnie zu 1 Thlr. l. Em. von 1838 und 1839 II., III. und IV. Em. Noten der Magdeburger Privatbank (präkludirte) werden nachträglich noch eingelöst. Scheine der Mecklenburg-Schweriner Rentenkasse laut Verordnung vom 30. Niai 1870 zu 10, 25 und 50 Thlr. Noten des Grvßherzogthum Oldenburg zu 5 und 10 Thlr. (Gesetz vom 12. August 1860). Noien der Preußischen Bank zu 10, 25. 50, 100 und 500 Thlr. Kassenanweisungen deS Fürsten thum Reuß jüngere Linie zu 1 Thlr., Gesetze vom 7. Januar 1860 und 4. Juli 1870. Kassenbillets des Königreich Sachsen von 1867. Noten der Sächsischen Bank zu 10, 20, 59 und 100 Thlr. Kassen anweisungen des Fürstenthum Schaumburg-Lippe zu 10 Thlr., Gesetz vom 2. Januar 1857." — Die Freiberger Bergakademie, welche unter der Direktion des Herrn Oberbergraths Prof. v>-. Richter steht, ist die besuchteste derartige Anstalt in Deutschland. Sie zählt gegenwärtig nahezu 150 Studirende, von denen 91 auf Deutschland kommen (45 davon sind Sachsen), während 17 Nordamerika, 11 Südamerika, 9 England, 8 Rußland und die übrigen der Schweiz, Polen, Oesterreich- Ungarn, Italien, Spanien, Norwegen, Ostindien und Japan angehören. — In Riesa hat ein Tischlerlehrling seinen Eltern bitteres Herzeleid bereitet. Der 17 jährige Bursche hat u. A. sich zu zwei verschiedenen Malen durch Wechselsälschung Geld im Betrage von zusammen 900 Mark zu verschaffen gewußt und dasselbe in wenigen Tagen bis auf 430 Mark in lüderlicher Weise durchgebracht. Der jugendliche Taugenichts wußte sich anfangs seinen Verfolgern geschickt zu entziehen, bis eS schließlich gelang, ihn in Oschatz, als er eben mit der Bahn in einem Koupee zweiter Klasse nach Leipzig abdampfen wollte, festzunehmen. — In Zwickau ist wieder eine neue Innung, die Färber- Innung für Zwickau und Umgegend, auf Grund der HZ 97 folg, der Gewerbeordnung errichtet und deren Statut von der Regierungs behörde bestätigt worden. Bis jetzt sind daselbst zwei neue Innungen, die der Baugewerken und der Färber entstanden, während drei Innungen, die der Schuhmacher, Schornsteinfeger und Bäcker, sich auf Grund des neuen Jnnungsgesetzes reorganisirt haben. — Die jetzige Zeit der „Bockbierfeste" ist reich an so manchen sich im Dunkel der Nacht abspielenden Episoden, von denen sich eine in voriger Woche in Dresden vorgekommene durch beson dere Originalität auszeichnet. Die Helden der Geschichte sind vier Bürger, welche der Einladung ihres „Stammwirthes" zu „echtem Bock mit Rettig gratis" getreulich Folge geleistet hatten und wie an genagelt saßen, nachdem Mitternacht längst vorüber war und die an deren Gäste den Heimweg angetreten hatten. Der Wirth sagte sich, gegen Stammgäste und namentlich gegen solche gute wie diese muß man kulant sein und bestellte e-ne Droschke. Nachdem die Ladung glücklich geborgen, bezeichnet der Wirth dem Kutscher die verschie denen Wohnungen der Insassen, und das Vehikel fuhr in die Nacht hinaus. Mn Stündchen war vergangen, der Wirth hatte sein Lager aufgesucht und befand sich im süßen Schlummer, als der schrille Klang der Hausglocke ertönte. Aergerlich fuhr der Gastwirth in den Schlafrock und begab sich vor das Thor Hier hielt nun der biedere Droschkenmann, den Schlag geöffnet und, indem er auf einen fast unentwirrbaren Knäuel im Jnnem der Droschke wies, den Wirth auredend: „Heernse, mein guter Herr L , die Herrn sein mr alle durchenander gefalln, die müssen Se mr erscht noch e mal sortirn!" warf, sagten bei ihm mehr als genug. Und in der Nacht, als die Base der Dore einmal die Wohnstube verlassen hatte, um nach ihren beiden auf dem Heuboden ruhenden Zwillingen zu sehen, da erhob er sich leise aus dem Lehnstuhl und schleppte sich mühsam bis an das Lager des Mädchens. Dort blieb er eine Weile stehen. Dann war es, als zerreiße der auf seinem Herzen liegende Bann, als käme ihm endlich Erlösung aus schwerer innerlicher Noth. Sein ganzer Mensch zitterte, er, der selbst am Grabe seiner Mutter keine Thräne vergossen hatte, er weinte jetzt so laut, daß es der mittlerweile zurückgekehrten Base durch Mark und Bein ging. Damit aber niemand, am wenigste« der reiche Grenzbauer selbst, merken möge, daß sie einen Einblick in sein Herz gethan, entfernte sich die Base leise wieder von der Thüre und wartete in einer Ecke des Hausflurs so lange, bis sie deutlich vernahm, daß sein schwerer Schritt den Lehnstuhl wieder erreicht halte. — Ebenso schnell als das Wasser gestiegen, sank es auch wieder. Am Morgen nach der Errettung des Hanjust sahen die Gebäude vom Grenzhof wieder ein gutes Stück aus den Wellen und am Nachmittage hätte man vom jenseitigen Ufer aus ohne jegliche Gefahr schon wieder bis zum Wohnhaus gelangen können. Nachdem Dore in der Dämmerung neu gestärkt und mit dem vollen Bewußtsein des Geschehenen erwacht war, kam eine solche Bangigkeit über sie, daß man eher hätte glauben können, sie habe eine unaustilgbare Schuld auf sich geladen als eine großartige Helden- that vollbracht. Aber die Grenzbäuerin verstand sich jetzt auf dies scheue verschlossene Gemüth. Sie ging der Dore nach und führte die anfangs heftig Widerstrebende in das Gelaß zu ihrem in heißer Sehnsucht harrenden Sohne. Kurz zuvor hatte sie demselben die ganze Geschichte seiner wunderbaren Rettung haarklein erzählt. Um dieselbe Zeit nun, in welcher sich im einsamen Schiffer häuschen zwei stolze unbeugsame Herzen, die jahrelang für einander in Stille gehegte Liebe durch Wort und Kuß gestanden, wurden in dem stromabwärts gelegenen Dörflein zwei Leichen gekündet. In der einen, deren Tod durch einen Schuß mitten in's Herz, erfoigi sein mußte» erkannte man den jungen Untersörster aus 1>em Kloster grunde , in der andern Martin, den Oberknecht vom Grenzhofe. Der Letztere hielt die Zügel der Pferde, die er! hat erretten wollen, noch in der Hand und verriqth durch sein friedliches, unentstelltes Antlitz, daß ihm in der Erfüllung seiner Pflicht ein guter sanstseliger Tod zu Theil geworden -'war. Der Strom hatte ihm also sein höchstes Begehren zu Schanden gemacht, doch man mußte jetzt wohl sagen, um sein treues Herz für immer vor einem viel größeren Leid zu bewahren. Martin wurde in dem stromabwärts gelegenen Dörflein beerdigt, seinen Schicksalsgenossen hingegen wollte man auf dem nicht weit vom Klosterhofe gelegenen kleinen Gottesacker bestatten. Er hatte den Wunsch dort ruhen zu wollen, brieflich gegen seine einzige, bei einer adeligen Familie in der Hauptstadt als Kindergärtnerin thätige Schwester ausgesprochen. Es war gegen Abend des dritten Tages nach der Ueberschwemmung, als sich der Leichenzug langsam über die wild zerhackte, von den Wafferfluthen durchwühlte Landstraße hinbewegte. Obgleich der Todte Vermischtes. — Nach den statistischen Ermittelungen des Verein- deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen. Produktion des Deutschen Reichs (einschließlich Luxemburgs) im Monat Januar 1881 auf 280062 Tonnen, darunter 168 940 Tonnen Puddelroheisen, 8708 Tonnen Spiegeleisen, 37 292 Tonnen Bessemer- 33 459 Tonnen ThomaSroheisen und 28 463 Tonnen Gießereiroheisen. Die Produktton im Januar 1883 betrug 278 995 Tonnen. — Eine sehrinteressanteEpisodeauS derJugend- zeit Alexander II. findet sich in den Aufzeichnungen ArtynowS, die zuerst im vorigen Jahre in dem Journal: „Vorlesungen der kaiserlichen Gesellschaft russischer Geschichte und Alterthums" erschienen, jetzt aber gesammelt in Buchform von dem Archäologen Titow heraus gegeben werden. Artynow erzählt, wie er eines Tages im Winter 1827/28 in Petersburg am linken Ufer der Fontanka entlang gegangen und unweit der Troizkoje Podworse einem Schlitten begegnet sei, worin ein nicht mehr ganz junger Herr und ein Knabe saßen, während vorn neben dem Kutscher ein kleiner Bursche in der Uniform der Soldatenkantonisten saß. Alle Vorübergehenden blieben stehen, blickten dem Schlitten nach und grüßten. Auch ich grüßte, erzählte Artynow, und fragte: Wer ist es, der vorüberfuhr? Man sagte mir, daß der Knabe im Schlitten, der Cäsarewitsch, der Thronfolger Alex ander Nikolajewitsch. sei. Weiter unweit der Tschernyschewbrücke, gegenüber dem Perenlok beim Holzhofe des Kaufmanns Gronow, hatte sich soviel Volk aufgehäuft, daß man sich nur mit Mühe durch drängen konnte. Anfangs glaubte Artynow, eS brenne; er drängte sich in den Volkshaufen und hörte Folgendes: Es fuhr der Djadka (Erzieher) mit dem Thronfolger. Der Djadka traf einen bekannten Bojaren, stieg aus dem Schlitten und ging mit ihm zu Fuß daS Trottoir der Fontanka entlang zur Anitschkinbrücke. Der Kutscher mit dem Thronfolger fuhr hinten nach. Der Thronfolger, der sich augenscheinlich langweilte, allein im Schlitten zu sitzen, stieg auch aus und folgte seinem Erzieher zu Fuße auf dem Trottoir. In diesem Augenblick kam dem Thronfolger ein Kantonist (Soldatensohn) seines Alters entgegen. Was die Ursache des zwischen ihnen entstandenen Streites war, konnte nicht festgestellt werden. Man sah nur, daß beide ohne Mützen sich mit großer Erbitterung mit den Fäusten be arbeiteten und daß keiner dem andern weichen wollte. Obwohl die Stelle, an welcher dieser seltsame Zweikampf vorging, eine sehr leb hafte war, wagte es Niemand, die Kämpfenden zu trennen. Endlich meldete es Jemand dem Erzieher. Der lief erschreckt herbei und trennte die Kämpen. Nachdem er die Kleider des Thronfolgers wieder in Ordnung gebracht, setzte er ihn neben sich in den Schlitten; der Kantonist ward neben den Kutscher placirt, und so fuhren sie ins Winterpalais, wohin sie auch ohnehin fahren wollten. Dann erfuhr Artynow, daß dieser Kantonist aus der Kondukteurschule war, welche sich gegenüber dem Garten seines Verwandten Gratschew be fand. Der Inspektor dieser Schule, den Artynow kannte, erzählte ihm deS andem Tages über den Schluß der bemerkenswerthen Episode mit dem Kantonisten Folgendes: Der Vater des Kantonisten, ein verabschiedeter Soldat, war außer sich vor Verzweiflung, als er von der Geschichte hörte. Man kann sich also seine Freude denken, als ihm sein Sohn in einer Hofequipage gebracht wurde und gleichzeitig ein Geldgeschenk von 300 Rubeln, das ihm im Palais gegeben worden. Auf Grund des von.Kaiser Nikolaus vorgenommenen häuslichen Gerichts wurde der Thronfolger schuldig befunden und bestraft; der Kantonist jedoch freigesprochen und belohnt, da ihm Unrecht ge schehen war. — Altegyptische Strümpfe. In dem „Centtalblatt für die Textil-Jndufttie" finden wir folgende originelle Notiz: „Als man ein egyptisches Grab öffnete, fand man darin eine Mumie, die vor 2000 Jahren begraben wurde und ein Paar Strümpfe, welche beweisen, daß die Kunst des Strickens damals große Vervollkommnung erlangt hatte, denn jsie sind wirklich künstlich gearbeitet. Die Strümpfe sind aus feiner Schafwolle gemacht, zuerst wahrscheinlich weiß, aber jetzt braun durch das Alter. Die Nadeln, mit denen die Arbeit vollführt ist, waren anscheinend etwas dicker als diejenigen, welche jetzt in Gebrauch, und die Strickart ist lose und elastisch. Die Arbeit beginnt in der einfachsten Weise mit einem einzelnen Faden, ein Selbstmörder war und kurz vor seinem Ende noch eine verbrecherische That begangen hatte, war die Betheiligung an seinem Begräbniß doch eine ungewöhnliche starke. Er mußte in der ganzen Gegend sehr beliebt gewesen sein; denn trotz der wenig gangbaren Wege waren junge und alte Leute von nah und fern herbeigekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Dicht hinter dem mit Blumen und Kränzen fast ganz bedeckten Sarge schritt auch der junge Lehrer. Er war in den letzten Tagen ein ganz Andrer geworden und kam sich vor, als ob er durch ein Wunder plötzlich von einer schweren Krankheit genesen sei. Was er für das unheilvollste Ereigniß in seinem Leben gehalten, sah er jetzt für eine glückliche Wendung an und was ihm früher nichts al» Verachtung und Groll einzuflößen vermocht harte, das verehrte er jetzt als ein berechtigtes und unantastbares Gefühl. Wohl hundertmal schon hatte er in Gedanken dem Todten für die an Haß grenzende Abneigung Abbitte gethan, welche er besonders im letzten halben Jahre im Stillen gegen ihn gehegt hatte Er empfand sogar das Bedürfniß, sein Verschulden an der jetzt ganz allein in der Welt stehenden Schwester des Verstorbenen einigermaßen wieder gut zu machen. In allen Stücken war er dem jungen uner fahrenen Mädchen behülflich gewesen, er hatte dafür gesorgt, daß der letzte Wille deS Försters genau erfüllt wurde und sie selbst in einer ihm befreundeten Familie herzliche Aufnahme fand. — Auch jetzt schritt er wieder in der Nähe der Schwergebeugten, über deren edles, fein geschnittenes Antlitz unaufhaltsam heiße Thränen hinabrannen. Als der Sarg am Klosterhof vorüber getragen wurde, entstand unter den Leidtragenden ein lautes Gemurmel. Einige junge Leute im Alter des Verstorbenen erhoben drohend ihre geballten Fäuste, Andere deuteten mit grollenden Geberden nach dem stolzen Gehöfte hin. Dies lag wie ausgrstorben da; nirgends war ein menschliche» Wesen zu erblicken. — Nur einmal — gerade als die Träger mit dem Sarge um eine Ecke der Umfassungsmauer bogen — wurde der Vorhang-4ines"Fensters der nach hinten gelegenen Oberstube etwas zurückgeschoben, und die Augen der Schwester des Verstorbenen sahen in ein bleiches, überwachtes Mädchengesicht. Obgleich der blonde Frauenkopf sofort wieder hinter der Gardine verschwand, hatte die Trauernde doch genug gesehen, um in's Schwanken zu gerathen und einer kräftigen Stütze zu bedürfen. Der junge Lehrer, welcher ihren Blicken und jeder ihrer Bewegungen gefolgt war, reichte ihr jetzt seinen Arm und führte sie. wie ein Bruder, bis zur Grabstätte und von da wieder zurück in ihr jetziges Heim. Während nun der Geistliche auf dem Friedhof an der offnen Gruft für den Selbstmörder und Verbrecher ein einfaches Gebet sprach, und etwa- später die schweren wassersatten Erdschollen auf den Sarg dumpf hinabrollten, saß Lenettand in ihrer Oberstube, verweinte sich die Augen und zerraufte sich das schöne blonde Haar. Dahin war die stolze Ruhe und Selbstbeherrschung, die sie in den letzten zwei Tagen vor aller Welt, selbst vor ihrem Vater zu Schau getragen hatte, dahin war auch die frevelhafte Kühnheit, mit welcher sie vor ihrem Gewissen zum Vertheidiger der eignen schweren Schuld hatte werden wollen. (Fortsetzung folgt.)
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