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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 24.02.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188402245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840224
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-02
- Tag 1884-02-24
-
Monat
1884-02
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 24.02.1884
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Ckhe«.»»itz«r Anzeiger und Stadtdote« Nr. 47. Sonntag, de» 24 Februar. Seite 2. kassengesetz stecken noch tief in den AuSschußberathungen de- BundeS- rathe» und über den Regierungsantrag auf Verlängerung de» Sozialistengesetzes ist bi» jetzt überhaupt noch nichts Authentische» bekannt. ES ist daher noch unsicher, welcher Gegenstand den Reichs tag zunächst beschäftigen wird. — Da» preußische Abgeordnetenhaus trat am Donnerstag in die zweite Lesung der Provinzialordnung für Hannover rin, nachdem e» am vorhergehenden Tage die KreiSordnung im Ganzen genehmigt hatte. Das Hauptinteresse knüpfte sich an den Antrag de» Ab geordneten Windthorst, sowohl die von der Regierung vorgeschlagene Zusammenseins de» Hannover'schen Provinziallandtages, als auch die Beschlüsse der Kommission abzulehnen. Erster« verwirft nach Ana logie der Provinzialordnung für die alten Provinzen jede ständische Gliederung, während nach den Kommissionsbeschlüssen der Landtag auS je 27 Abgeordneten des Großgrundbesitzes und der Städte und aus 40 Abgeordneten der Landgemeinden bestehen soll. Für die Kommissionsbeschlüsse sprachen sich die Abgeordneten v. Rauchhaupt und Lauenstein auS, während Minister v. Puttkamer der den Kommissions vorschlägen zu Grunde liegenden Idee entgegentrat und erklärte, daß sich die Wege zur Schaffung der Provinzialordnung für die alten Provinzen als die zweckmäßigsten erwiesen hätten. Auch die Abgg. Kühler, von Heede, Hänel und Gneist bekämpften die Beschlüsse der Kommission; der Abgeordnete Windthorst, unterstützt vom Abgeordneten von Lenthe, verlheidigte seinen Antrag und forderte die Regierung zur Vorlage seines Gesetzentwurfes auf, welcher die bisherige provinzial ständische Verfassung der Provinz Hannover zur Grundlage nimmt. Bei der Abstimmung wurde zunächst der Antrag Windthorst verwor fen, worauf in namentlicher Abstimmung dir Kommissionsvorschläge mit 16b gegen l57 Stimmen abgelehnt wurden; das Centrum, die Polen und die konservative Fraktion (mit Ausnahme von sieben Mit gliedern) bildeten die Minorität. Artikel 1 der Vorlage wurde so dann genehmigt, worauf dieselbe auch in ihren übrigen Artikeln nach dem Regierungscntwurfe angenommen wurde. Vnglaud. Mit der Ablehnung des von den Konservativen im engli schen Unterhause gegen die Regierung beantragten Tadelsvotums hat das englische Parlament die egyptische Politik Gladstone's im Großen und Ganzen fanktionirt. Allerdings ist im Oberhause das konservative Tadels votum mit einer Majorität von 100 Stimmen durchgedrungen, das Hau» der Lords ist aber gegenüber dem der Gemeinen (common») von verschwindender Bedeutung und der englische Premier hat denn auch den betreffenden Beschluß des Oberhauses ganz einfach hinter den Spiegel gesteckt. Mit dem Unterhause ist'S freilich etwas anderes und wäre da» Tadelsvotum zur Annahme gelangt, so hätte sich Mr. Gladstone wohl oder Übel zur Demission bequemen müssen, denn einem oppositionellen Unterhaus« gegenüber wäre seine Stellung gar nicht haltbar gewesen. Nun aber, nachdem die liberale Majorität des Unterhauses ihr Ja und Amen zu der Gladstone'schen Politik in Egypten gesagt hat, wenn auch mit etwas beklommenem Herzen, hat der Premier gewonnene» Spiel und an ihm ist es, die errungenen Chancen nicht wieder zu verscherzen. Die günstigen Nachrichten, welche fortgesetzt über die Mission General Gordon's einlaufen, tragen viel dazu bei, die parlamentarische Stellung Gladstone's wieder zu befestigen und so kann er sich dazu gratuliren, daß er aus der egyp- tischen Affaire mit so heiler Haut davon gekommen ist. Rußland. Die Russen haben mit Merw offenbar wieder einen guten Bissen hinuntergeschluckt. DaS Gebiet der Tekke-Turk- menen, die sich, merkwürdig genug, aus eigenem Antriebe dem russischen Doppelaar unterwarfen, ist größer als ganz Preußen und wenn auch da» Turkmenenland meist nur aus sterilem Steppenboden besteht, so ist doch die ungefähr in der Mitte des annektirten Landes gelegene Oase von Merw desto fruchtbarer und reich an den ver schiedensten Produkten. In Politischer Beziehung ist aber der Besitz von Merw für die Russen ganz unschätzbar, sie sind dadurch den Thoren von Indien abermals um Hunderte von Meilen näher gerückt und nur noch Afghanistan trennt jetzt Indien, das verwundbarste Glied deS britischen Colonialreiche», von dem Westasiatischen Rußland, Grund genug für die Engländer zu ernsten Besorgnissen. — Die längstangekündigten Veränderungen in der russischen Diplomatenwelt find nunmehr erfolgt. Durch kaiserlichen Vkas wurden ernannt: Der bisherige Botschafter in Berlin, v. Saburow, zum Senator unter Be lastung im Ressort des auswärtigen Amtes, Fürst Orloff zum Bot schafter in Berlin, v. Mohrenheim zum Botschafter in Paris, Schischkin, bisher Gesandter in Athen, zum Gesandten in Stockholm. Italien. Die geheimnißvolle Attentatsgeschichte auf der italie nischen Maremmen-Eisenbahn hat sich nun soweit aufgeklärt, daß ein beabsichtigte» Verbrechen gegen König Humbert ausgeschlossen erscheint. Die Flasche, welche von Len „Attentätern* gegen den Gendarm Varicchio geschleudert wurde, war mit Feuerwerkspulver gefüllt, also mit einem im Vergleich zu Dynamit ziemlich harmlosen Stoff und auch die betreffende Eisenbahnstrecke selbst, welche der Jagdzug mit König Humbert zu passiren hatte, wies nicht das geringste Ver dächtige auf. Nichtsdestoweniger wird Signor Varicchio nahezu wie «in Nationalheld gefeiert, der Gemeinderath von Corneto, in dessen Nähe der Vorfall passirt ist, setzte dem genannten pflichteifrigen Be- amten sofort eine Gratifikation von 500 Francs aus und es fehlte nicht viel, daß auch die Deputirtenkammer dem Varicchio eine große Belohnung bewilligt bätte. Inzwischen hat, wie der Telegraph meldet, vor dem Gerichtshöfe in Rom bereits der Prozeß gegen die unbekannten Miffethäter in optima torrna begonnen, obwohl man von ihnen noch keine Spur hat, was allerdings stark an das Groteske streift. Tüd-Amerika. Der Friede zwischen Chile und Peru scheint auf recht wackeligen Füßen zu stehen In Peru hat sich der Guerilla führer Caceres offen gegen den neugewählten Präsidenten Jglesias empört und marschirt mit 7000 Mann gegen die Hauptstadt Lima Ein chilenisches Corps ist in aller Eile zusammengezogen worden, «r um Caceres zum Rückzuge zu zwingen und daß sich hieraus neue Verwickelungen zwischen Chile und Peru ergeben können, läßt sich unschwer einsehen. Skachrichten au- Chemnitz und Umgegend. Chemnitz, den 23. Februar 1884. — Wie man I ört, geht die Verwaltung der Reichsbank mit dem Plane um, für ihre hiesige Filiale ein eigenes Gebäude zu errichten und ist man gegenwärtig mit der Wahl eines geeigneten Bauplatze» beschäftigt. In Leipzig hat die Reichsbank zu gleichem Zwecke das Areal der alten Peterskirche erworben und soll daselbst alsbald der Bau eine» stattlicken Gebäudes zur Aufnahme der Leip ziger Reichsbankstelle in Angriff genommen werden. — r. Der hiesige Protestanten.Verein veranstaltet nächsten Mittwoch, 27. Februar, einen Vortragsabend, an welchem ein hervor ragender, freisinniger Kanzelredner Berlins, Herr Pastor Schmeidler, über den Vorreformator „Huß" sprechen wird. Schmeidler, der sich in der deutschen Protestantenwelt durch seine gediegenen, scharfsinnigen und hochernsten Vorträge und Reden auf den verschiedenen Protestanten - lagen die Hochschätzung seiner Gesinnungsgenossen erworben, wird hoffentlich auch hier Gelegenheit finden, in einem recht zahlreichen Hörerkreis der Sache unsere- Protestantismus einen ersprießlichen Dienst zu leisten Wir machen alle Freunde und Mitglieder des Vereins auf den interessanten Bortrog aufmerksam. — v. Der „Verein für Chemnitzer Geschichte" hielt gestern im Börsensaale einen Bortrags-Abend ab, bei welchem Herr Realschuldirektor vr. Sammler au» Rochlitz, Ehrenmitglied und früher langjähriger Vorsitzender de» Vereins, da» Referat übernommen hatte. Als Grundlage hatte der Herr Referent „Den Anfang und die Blüthezeit der Tuchmacher-Innung in Chemnitz" gewählt «nd führte nun in interessanter, anregender Form die Tuchmacher in Chemnitz in der Zeit von Anfang deS 1b. Jahrhunderts bis zum Jahre 1524, dem jähen Ende der Gewerkschaft infolge eine» Auf standes gegen den Magistrat, der zahlreich erschienenen, gewählten Zuhörerschaft vor. Das Leben dcr Tuchmacher, die Wohl das vor nehmste Gewerbe zu jener Zeit in Chemnitz bildeten und deren Stolz und Sich-Aufblähen, deren Bevorzugung so manchen Streit jener Zeit herbeigeführt, begleitete der Herr Referent von der umständlichen, mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpften Ausnahme in das Gewerbe durch die Knappen- und Meisterjahre mit ihren Leiden und Freuden, wie sie die Innung bietet, bis zum Tode, wo sie, in das Gewand eines Franziskanermönches gehüllt, den Himmel-Pförtner Petrus noch zu täuschen sich bemühen. Interessant und die damaligen Zeitver hältnisse besonders beleuchtend, erschien unS der Streit der Tuch macher und Schneider im Jahre 1470, auf welchen der Herr Vor tragende besonders einging und wobei er die parteiische Haltung der Regierung zu Gunsten der elfteren durch einen Auszug aus alten Urkunden nachwie». Von vielem Interesse waren auch die mancherlei und scharfen Strafen, mit denen das Tuchmachergewerbe die Mitglieder zur Erfüllung der Jnnungsgesetze zwang. Der Vortrag, der sowohl vom schärfsten Verständniß und Eindringen in die Ideen alter Zeit, wie vom umfassendsten Studium und ausdauerndsten Fleiße beredtes Zeugniß ablegte, fand denn auch den gebührenden, lauten Beifall aller Anwesenden. — Im Kaufmännischen Verein findet nächsten Donners tag den 28 Februar, im Saale des Elysiums ein Fastnachts- Vergnügen statt, das nach den bisher getroffenen Einleitungen ein recht gelungenes zu werden verspricht. Das hierzu gewählte Komitee stellt ein Programm auf, das in buntem Wechsel Musik-PiL;en, Ge sangs- und deklamatorische Vorträge, Aufführungen u. s. w. bietet Herr Lasch wird seinerseits auf besten Stoff bedacht sein und es steht somit zu erwarten, daß der Besuch wiederum ein überaus zahlreicher sein wird. —n. Ortsverein deutscher Kaufleute und Techniker. Die gestern Abend im Vereinslokal im Hötel „Union" abgehaltene Versammlung war eine von Gästen besonders zahlreich besuchte. Ein Mitglied sprach über das Thema: „Der Geschäftsreisende" und legte die Entwickelung des Reisendenwesens und die Bedeutung und Noth- wendigkeit des Geschäftsreisenden für die gesammte Handelswelt in klaren und treffenden Worten kurz dar. Redner kam zu Ende seiner Ausführungen auf die Bestimmung im neuen Gewerbegesetz, betref fend körperliche Untersuchung der Reisenden, zu sprechen und unter warf hierbei dieselbe einer eingehenden Kritik. Die sich an den Vortrag anschließende Diskussion, an der sich auch die Gäste sehr lebhaft bctheiligten, drehte sich im Wesentlichen um den vom Vor tragenden zuletzt erwähnten Gegenstand, wobei sich die Meinung gel tend machte, daß Petitionen bezüglich der Aufhebung der erwähnten Bestimmung sicherlich die allgemeinste Unterstützung finden würden. — Der Allgemeine Turnverein zu Kappel veranstaltet zum Fastnachtsdienstag im Saale des Gasthauses zu Kappel zum Besten seines Turnhallenbaufonds eine größere Abendunterhaltung mit sehr gewähltem Programm. Da der sehr strebsame Verein stet» bemüht ist, nur Gutes zu bieten und die zu erbauende Turnhalle auch der Gemeinde zum Schulturnen zur Verfügung stellen will, so Wünschen wir demselben eine recht reichliche Einnahme, damit er recht bald zur eignen Freude und zum Wohle der Gemeinde seinen Wunsch von Erfolg gekrönt sieht. — Wie aus einem Inserat in heutiger Nummer zu ersehen, wird der Wirth des Restaurants „Holsatia", Blankenauerstraße 40, in seinen großen Räumlichkeiten in nächster Zeit etwas, was in Chemnitz „noch nie dagewesen sein soll", zur Darstellung bringen, und verfehlen wir nicht, das Publikum schon jetzt hierauf aufmerksam zu machen. — * Ein höchst bedauerliches Unglück ereignete sich vor gestern Nachmittag in einem an der Aue hier gelegenen Hofgrund- tück. Ein kleines 3 Jahre altes Mädchen, welches ohne genügende Aufsicht in dem Hofe herumspielte, trat auf eine schlecht verdeckte Senkgrube, fiel hinein und ertrank. Ein Hausbewohner, der den Unfall bemerkt hatte, beeilte sich, das Kind, dessen Füße noch auS der Grube herauSreichtcn, herauszuziehen, leider war das Leben schon entflohen. —* In einer an der Jakobstraße gelegenen Restau ration erregte vergangene Nacht ein mit anwesender Eisendreher durch sein ungebührliches Betragen den Unwillen der Gäste, sowie des Wirthes, sodaß man denselben schließlich an die Luft setzte. Auf der Straße setzte dcr Mann aber sein Lärmen in verstärkter Weise fort und suchte gewaltsam wieder Einlaß in die Restauration zu er langen. Dem Ruhcgcbot eines dazu kommenden Sicherheilsbeamten leistete er ebenfalls nicht Folge, sodaß der Letztere ihn nach dcr Polizeiwache abzuführen versuchte. Der Krakehlcr leistete aber durch Einstemmen und Umsichschlagen den größten Widerstand und wurde cs erst nach Hinzukommen eines zweiten Beamten möglich, denselben zu Arrest zu bringen — cb. Ein hiesiger Uhrmacher verunglückte gestern am Bahnhofe in Flöha. Derselbe, auf einer Neise-nach Dresden begriffen, war auf der genannten Station ausgestiegen und sprang bei der Rückkehr ins Koupce auf das Trittbrett des sich bereits langsam in Bewegung setzenden Zuges. Hierbei verlor er jedoch das Gleichgewicht, kam zum Stürzen und brach leider ein Bein. Erst mit dem Abendzuge konnte der Bedauernswerthe nach Chemnitz zurücktransportirt werden. —». Humor in dcr Schule. In einer Schule hiesiger Um gcgend läßt ein Lehrer kürzlich seine Schüler Hauptwörter mit der Endung „schaft" bilden, nachdem er die Bedeutung und Ableitung derartiger Substantiva hinreichend erklärt hat. „Eigenschaft", „Rechen schaft", „Bürgerschaft" >>. s w. werden richtig genannt und der Bor rath an Wörtern mit dcr verlangten Endung scheint nahezu erschöpft zu sein, wenigstens strengen sich die Köpfe der Keinen Sprachforscher bereits vergebens an. Da meldet sich mit siegesgewissem Ausdruck auf dem Gesichte noch Einer, der auf Befragen des Lehrers mit lauter Stimme das Wort „Stiefelschaft" nennt. —d>. Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden. Das konnten auch sie sagen, jene beiden Handwerksburschen, die da neulich die F—straße herein unserem lieben Chemnitz zusteuerten. Zwar herrschte mollige FrühlingSlust, „die Sonne schien so hell und heiter", aber unsere beiden Reisenden sahen nichts weniger als heiter aus, „der Kampf um's Dasein" hatte ihnen deutliche Spuren aufgedrückt und namentlich bewies die Fußbelleidung der beiden, daß Fortuna ihre Pfade nicht allzuhäufig mit Rosen bestreut hatte; denn obschon besagte Fußbekleidung augenscheinlich zur Kategorie der Stiefel zu zählen Waren, konnte man sie doch auch mit einiger Wahrscheinlichkeit als Sandalen bezeichnen, mürrisch hatten sich Oberleder und Sohlen getrennt und neugierig lugten die Zehen dcr Insassen in die weite Welt hinaus. Am Wegweiser angekommen, setzte sich dcr Eine lebens müde unter diesen hin und sagte mit Wchmuth in Ton und Gcberde: „Ach Jott, so traurig iS et mich lange nich jejangen, aber," setzte er mit einem Anfluge von Kourage hinzu, „ich will man een Hundsfott sinn, wenn dett nich bald een Ende nimmt!" .... Ter Leidrns- gefährtc, an den die Worte gewissermaßen gerichtet waren, schaute weniger verzagt in die Zukunft, fast leuchtend flog es über seine Züge, al» er in der gemüthvollen Mundart der Sachsen dem Ge fährten erwiderte: „Nee, Anton, so fix derf'n m'r die Flinde nick in'S Korn schmeißen, sunst krieg'n m'r die Bolizei off'n Hals, un nach'n," fuhr er, mit einer gitterartigen Fingerbewegung vor dem Gesichte, fort, „sitz m'r in der Klemme, denn unsre Babiere sin nich zum Besten, an Bettelzinken iS kee Mangel, sieht grade auS wie die Diring'sche Landkarte." „Ja woll," sagte der Spreeathener, „aber wat thun?" „Fechten miss m'r," klang e» zurück. „Fechten! dett iS jut, aber wo? Du kannst Dir ja vor Pickelhauben kaum retten!" „Das thut nischt," entgegnet« ihn tröstend der Sachse und entwickelte nun dem staunend Zuhörenden einen Feldzugsplan» der einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Der Bruder Brandenburger folgte hierauf willig dem Gefährten und ordnete feine berechtigten Gefühle als Angehöriger eine» GroßstaateS der höheren Einsicht de» geographisch geringeren Kollegen unter. So wanderten sie ein und daß die Taktik des Sachsen zum Siege geführt, bewies der Abend des Tages, denn der Kvssensturz in der Dämmerstunde ergab als Resultat der Be mühungen „25 Silbergroschen", wie der Brandenburger jubelnd be- meckte, und vergnügt eilten Beide, die „Penne" zu erreichen, um nach den Entbehrungen der letzten Tage ein lukullisches Mahl zu Hallen. '> — Ein ähnliches, nur etwas tragischer verlaufenes Geschichtchen wie das kürzlich aus Oschatz berichtete, wonach ein „armer Reisender" das zum Mahle erhaltene Sauerkraut in die Stiefel des Hausherrn geschüttet hatte, wi d uns aus dem nahen Ebersdorf gemeldet: „Eines schönen Mittags, als ein hiesiger Gutsbesitzer mit seiner zahl reichen Familie nebst G,siüde>zu Tische sitzt, bitten zwei arme Rei- sende um „etwas Warmes zu essen". Der Hausherr, eine mitleidige Seele, läßt den Bittenden -in" einer sauberen Schüssel eine Portion gut bereiteten Kartoffelbrei- und Brod verabreichen. Die beiden Bur schen setzen sich damit auf den unteren Theil der Treppe. AuS der nun laut werdenden Fröhlichkeit der beiden schließt der Geber, daß das Mahl vortrefflich munden müsse, und denkt in« Stillen: „Die müssen aber verhungert sein!" Um sich augenscheinlich von dem Appetite der fröhlich Schmausenden zu überzeugen, sieht der Landwirth durch die Spalte der wenig geöffneten Stubenthür. Aber — was muß er sehen! Nach Maurerart, den Löffel als Kelle benutzend, wer- >en die Kerle den guten Kartoffelbrei an die Treppenwand. Diese» frevelhafte Vergnügen nahm nun aber auf der Stelle ein Ende; denn im Nu stand der Gutsbesitzer vor den Verblüfften und gerbte den Misselhätern das Fell dermaßen, daß sie ohne Dank und Abschied eiligst das bekannte Zimmermannsloch und das Weite suchten. Sie hatten etwas ordentlich „Warmes" erhalten." SächstfcheS. — Ihre königl. Hoheiten Prinz Georg und Prinzessin Mathilde reisen nächsten Dienstag nach Meran zu mehrtägigem Besuch des z. Z mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Antonia, Schwster der verstorbenen Prinzessin Georg, dort weilenden Ver wandten, deS Erbprinzen Leopold von Hohenzollern. — Meerane. Seit Einrichtung der Naturalverpflegung von Seiten des hiesigen Vereins für freiwillige jArmenpflege ist zwar nur erst ein halber Monat verflossen, allein schon heute läßt sich versichern, daß die Einrichtung nicht ohne Resultat geblieben ist. Es ind nämlich bis zum 18. Febr. 362 Durchreisende mit Speisemarken versehen worden, und Letztere wurden auch in der Herberge zur Heimath in Mittags- oder Abendkost zu beinahe gleichen Theilen um gesetzt. Die eigentlichen Bummler sind seltener geworden und die Sonntage zeigen eine geradezu auffällige Abnahme an Ansprechern, denn am ersten Sonntage im Februar erschienen 9, am zweiten nur 6 und am dritten nur noch 2 Ansprecher an der Zahlstelle, während Wochentags im Durchschnitt 23 eine Speisemarke in Empfang nahmen. — Ein ungetreuer Postbeamter wurde in Dresden entdeckt und verhaftet. Es ist der 25 Jahre alte Hilfsbote Ehren- haus (machte allerdings diesem Namen keine Ehre), welcher über führt ist, Briefe erbrochen und die darin enthaltenen Gelder und Werthgegenstände entwendet zu haben. Bei Durchsuchung der Kleider fand man bei Ehrenhaus einen scharf geladenen sechsläufigen Revolver und Patronen. — Leipzig. In Betreff der Bewerbung hiesiger Architekten um die Festbautcn auf dem Platze für das 8. Deutsche Bundesschießrn sei kurz mitgethcilt, daß in der Sitzung des Zentralausschusses am 21. Februar die Pläne mit den Motto'S „Getroffen!"—„Piff Paff Puff!"—und „Zentrum!" in dieser Reihenfolge mit den drei ersten Preisen von 1000 M., 800 M., 600 M. gekrönt worden sind. Einem weiteren Be schlüsse bleibt Vorbehalten, welcher Entwurf unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten zur Ausführung gelangen wird. Bei der Eröff nung der versiegelten Kouverts ergab sich als Verfasser der Pläne mit dem Motto „Getroffen!" Herr Architekt Roßbach, derer mit dem Motto „Piff Paff Puff!" Herr Architekt Härtel, und derer mit dem Motto „Zentrum!" die Herren Hannemann L Gründling, sämmtlich von hier. — Auf dem Bahnhof Zittau wurde am Donnerstag Abend der Hilfsweichensteller C leinen s überfahren und sofort getödtet. — Als Kuriosum berichtet man aus Döbeln, daß bei der dortigen Amtshauptmannschost ein Schreiben vom Stadtmagistrate zu Bamberg eingelaufen sei, mit der Adresse: „An das königl. preußische Landrathsamt zp'Döbeln, Königreich Sachsen". Unsere blauwcißen Nachbarn schätzen demnach über die Stellung Sachsens nicht ganz klare Begriffe zu haben. — Wie üble Folstrn ein unüberlegter Scherz haben kann, zeigt folgendes Beispiel: Ein Rittergutspachter in der Nähe von Roßwcin verlor beim Nachbausefahren von da zwei Pallete mit Stückhefen, wlch» von zwei desselben Weges kommenden Slovaken gefunden und mitgenommen wurden. Zufällig kehrten diese Beiden in dem WirthshauS des Wohnorts obengenannten Rittergutspachters ein uyh ,^zählten dort von ihrem Fund. In diesem Augenblicke erschien auch der Pachter selbst, legitimirte sich als der Verlierer ! er beiden Packet« und nahm eines davon an sich, während er das andere i cn beiden Slovaken mit der Weisung über ließ, sie sollten den Inhalt nur aufessen, es sei guter Käse. Die Slovaken ließen sich dies nicht zweimal sagen, sondern machten sich flink darüber her und ließen sich den vermeintlichen Käse gutschmecken. Kurze Zeit nur indeß verging, da fingen die Stückhefen in den Leibern dcr armen Menschen an zu wirken und trieben dieselben zu einer Besorgniß erregenden Dicke auf. Allen Anwesenden und nicht zum Mindesten dem Rittergutspachter selbst wurde bei dieser Wahr nehmung himmelangst, man schickte sogleich zum Arzt und eS gelang diesem auch, mittels sofort angewenoeter Brechmittel die Gefahr glücklich zu beseitigen. Reichlich beschenk und für die ausgestandene Qual entschädigt zogen die beiden Slovaken sodann ihres Wege» weiter — Annab erg. Bei den NestaurationSarbeiten in der St. Annenkirche hat man in den Seitenaltären in Nischen unter der Altardccke Zinnkästchen eingesetzt gefunden, deren Deckel durch ein Wachs-Siegel verschlossen war. Eines dieser Kästchen ist geöffnet und sein Inhalt untersucht worden. Es befanden sich darin keine, seidene Beutelchen, die inwendig zum Theil noch die ursprüngliche Farbe er kennen ließen und ein Pulver enthielten, das durch chemische Unter suchung als Knochenrest erkannt norden ist. Auch einige freie, etwa 1 Zentimeter lange nochensplitter fanden sich zwischen einem Pulver von zerfallenem Weihrauch in dem Kästchen. Wenn auch weitere
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