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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 05.04.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188504055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850405
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850405
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-04
- Tag 1885-04-05
-
Monat
1885-04
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 05.04.1885
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Unlkchallungs-Mtt M ..Eljemmher Anzeiger". Nr. SL. — Sonntag, 5 April. Verlags-Erpedttion: Hklexander Wie-e, Buchdruckeret, Lh«««ttz, Lhcatrrstraß« Nr. 4« (rh^maUge« «e,ir»gericht - gegenüber de« Laflno.) 1885. — 5. Jahrgang. Opfer der Leidenschaft. Erzählung von Heinrich Köhler. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten.) Der Briefbote gab ihr in diesen Tagen im Garten einen Brief, als sie mit ihrer Schülerin cben ins Haus gehen wollte; sie er kannte an der Ausschrift, daß er von ihrem Pflegebruder se, und ging, während die Kleine ins Haus trat, zurück zu einer Bank, um ihn zu lesen. Er schrieb nicht viel, denn das Schreiben, das Worte macher, gehörte nicht zu seinen Passionen — viel eher das Handeln Eine Stelle darin blieb nicht ganz ohne Eindruck auf sie, er sagte da: .Deine Beschreibung von dem jungen Grafen gefällt mir nicht, das heißt der Mann, so wie du ihn schilderst. Hüte Dich vor ihm" — das hatte er dick unterstrichen — .diese leichtlebigen, sonnigen Naturen besitzen eine Anziehungskraft für junge, unerfahrene Mädchen- gcmüther, die sie leicht gefährlich werden läßt, denn cs sind Egoisten, beherzige es wohl, Egoisten, die mit lächelnder Lippe Mädchenherzen brechen und sich noch' ihrer „Erfolge" rühmen. Du weißt, daß Du eine Heimath hast, daß mein Haus, das ich auch als das Dernrge betrachte, Dir jeden Augenblick offen fleht. Solltest Du noch mcht erkannt haben, daß Du in den Augen jener Leute nichts weiter als eine Waare bist, die sie nur nach dem Kaufpreis und der Leistungs- fähigkeit schätzen? Wenn Du es einsiehst, und Du wirst es ernsehen, dann komm zurück, zu dcmüthigen brauchst Du Dich nicht." Sie ließ die Hand mit dem Briefe finken und blickte darüber hinweg sinnend vor sich hin. Sie fühlte das Wahre an den Worten, das heißt ihrem Verstände drängte es sich als solches auf, rhr Herz, das ihr seil einiger Zeit manchmal wie ein fremdes vorkam mit all der Fülle von verschleierten unklaren Empfindungen, die sich darin regiert, dieses Herz sah die Welt um sich und das Leben und die Menschen nicht in einem so düstern Lichte, wie der zehn Jahre ältere Bruder, und das Herz ist am Ende immer der maßgebende Faktor bei der Frau. .Welcher beneidenswerthe Korrespondent versetzt Sie ru so sanfte Träumereien, Fräulein Sarnow?" sagte eine wohlbekann'e, ein schmeichelnde Stimme neben ihr. Sie fuhr erschreckt empor, und die heiße Röthe, die rhr Gesicht bedeckte, bewies, daß es mehr als nur die plötzliche Ueberiaschung war. die sie erregte. Unwillkürlich steckte sie hastig den Brief in Re Tasche. .Sie scheinen wich doch für schlimmer zu halten, als ich bin," sagte er mit einem Tone, der mit dem leisen, traurigen Vorwurf darin etwas Bestrickendes hatte, .fürchten Sie, daß ich die Indiskretion haben könnte, Ihnen das thcure Souvenir zu entreißen?' Es wäre nicht die größte — Indiskretion, die ich von Ihnen erführe," antwortete das Mädchen stolz, indem sie sich erhob und an ihm vorbei wollte. .Nur auf ein Wort, Fräulein Sarnow." .Nein, nein, ich habe mit Ihnen nichts zu sprechen!" .Aber ich mit Ihnen", sagte er mit dem Anflug eines Lächelns, und dann setzte er mit einem komisch dcmüthigen Ausdruck in Gesicht und Geberde hinzu: „Soll^denn dem armen Sünder jede Gelegenheit verwehrt sein, seine Schuld und Reue cinzugestehen?' .Ich glaube nicht, daßiSie sich sehr davon bedrückt fühlen", ant- wortrte Elise streng und strebte wieder an ihm vorbei. .Gut", entgegnete er in einem Ton, der weich wie unter einem inner» Beben klang, „Sie verurtheilen mich, ich habe es verdient, aber da ich einsehe, daß ich Ihnen eine Satisfaktion schuldig bin, so werde ich Sie im Salon vor meiner Mama um Entschuldigung bitten " Das Mädchen wich erschreckt zurück. .Vor Ihrer Frau Mama?" .Ja wohl," sagte er mit angenommenem Trotz. .O bitte, thun Sie das nicht, ich würde vor Scham sterben!" sagte sie mit gefalteten Händen, und die blauen Augen füllten sich mit Thränen und sahen flehend zu ihm auf. Er unterdrückte mit Gewalt ein Lächeln; es war doch gar zu komisch — nun war sie mit einem Male die Bittende geworden. „Wenn Sie mir gestatten, Sie um Verzeihung zu bitten —" .Sie haben es ja nun gethan," fiel sie ihm hastig und verwirrt in's Wort. .Und wenn Sie mir erklären, daß Sie mir nicht mehr zürnen, daß Sie Nachsicht —" „Nein, nein, nein!" fiel sie ihm heftig in die Rede, .das hieße soviel, als Ihre Handluvgsweise entschuldigen, beschönigen — Ihnen den Glauben geben, daß — daß —" Sie brach unter einem tiefen Enöthen ab und preßte in tödt- licher Verlegenheit die schmalen Hände gegen die wogende Brust. Der junge Graf sah mit einem leuchtenden Blick auf die holde Mädchengestalt, die in ihrer Verwirrung, mit den niedergeschlagenen Augen, einen unbeschreiblich lieblichen Anblick gewährte, dann sagte er mit weichem, traurigen Tone: .Sie verzeihen mir also nicht?" „Nein — nimmermehr!" „Dann," fuhr er im vorigen Tone fort, „zwingen Sie mich, mein eigenes Haus zu meiden, mich ganz auf meine Wohnung in der Stadt zu beschränken. Ich kann unmöglich hier Verkehren, wenn eine der Familie so nahestehende Dame, die Erzieherin meiner Schwester, mich haßt, wenn meine Gegenwart in ihr ein wider wärtiges Gefühl erregt." „Aber, Herr Graf," unterbrach sie ihn erschreckt, „was würden Ihre Mama, Ihre Schwester sage»?" .Ja," antwortete er traurig, „Sie würden sich freilich wundern, und ich würde Ihnen doch die Erklärung geben müssen —" „Nein, nein, nein!" „Dann müßte ich mir etwas Anderes ausdenken, vielleicht auf unbestimmte Zeit mich beurlauben, auf Reisen gehen — nach dem . Orient, nach Südafrika, oder zu dessen Papuas, die bekanntlich Menschen fleisch mit Vorliebe essen, ich fühle mich überhaupt seit einiger Zeit innerlich so angegriffen." „Nein, nein — das wäre schrecklich!" „Es hängt ja nur von Ihnen ab," sagte er bittend und mit einem Anflug von Trotz, während sein lächelnder Blick auf dem mit gesenkten Augen vor ihm stehenden Mädchen weilte. „Ich bin ein schlechter Mensch, ich weiß es, ich sagte eS Ihnen ja gleich, daß ich mich nur zur Strafe hier befinde. Aber ich hatte den ernstlichen Vor satz, mich zu bessern, nur geht das nicht mit einem Male, man fällt immer noch manchmal in seine Fehler zurück. Das heißt, diesen gerade habe ich zum ersten Male begangen." >. Er legte betheuernd die Hand auf die Brust. „Und er erschien Ihnen nur klein einer Gouvernante gegenüber — einer Art Aschenbrödel, wie S-e sagten —" „O, ich bitte Sie," fiel er ihr wie erschreckt ins Wort, „das habe ich doch nicht im Ernst gesagt? Sie — ein Aschenbrödel? Und wissen Sie nicht, daß Aschenbrödel nachher eine Prinzessin wurde?" „Das steht im Märchen." „Auch das Märchen kann zur Wirklichkeit werden. Aber zuerst müssen Sie mir verzeihen, Ihre schönen Augen dürfen mich nicht mehr so eisig anblickeu, wie in den letzten Tagen, ich kann es nicht ertragen. Nehmen Sie hier diese Rose von mir als Versöhnungs zeichen an, sie ist von demselben Strauch, wie die neulich, die Sie so grausam vor meinen Füßen sterben ließen." Er kniete theatralisch vor ihr nieder, da sie mit der Antwort zögerte und hielt ihr in den gefalteten Händen die Rose empor. „Um Gotteswillen stehen Sie ans, wenn uns Jemand sähe." „Nicht eher, als bis Sie mich erhört haben." „Wenn Sie versprechen, nie, nie wieder —" „Nein, gewiß nicht." „Dann will ich Ihnen nochFciumal verzeihen." „Aber die Rose müsse» Sie auch annehmcn, als Symbol — als Friedenszeichen, und die Hand müssen Sie mir geben " Sie nahm die Rose und er die Hand, die sie ihm zwar zu entziehen suchte, was ihr aber nicht eher gelang, als bis er sie mit zahlreichen, stürmischen Küssen bedeckt hatte. Dann floh sie nach ihrem Zimmer und stand mit klopfendem Herzen und die Hände gegen die wogende Brust gepreßt lange am Fenster, ehe sie sich beruhigen konnte. Vergessen war das Memento, das sie in der Tasche trug, die berauschten S nne wußten nur eins: daß die Welt so schön, das Leben so süß, so hoffnungsgrün und das Herz, o das Herz so voll, Dresdner Brief. (Nachdruck verboten.) Dresden, 2. April 1885 Es scheint fast, als kämen wir in diesem Jahre gar nicht aus dem Festjubel heraus. Kaum daß die Fahnen, welche zu Kaisers Geburtstag an allen Gebäuden flatterten, herabgenommen worden sind, so wurden dieselben arch schon wieder an all den Masten und Stangen befestigt, um für den 1. April wieder zu floriren; nicht etwa, daß am Ersten des April die Hauswirthe flaggen, weil der im Kalender von ihnen roth angcstrichene Tag zu ihren Feiertagen zählt, während er für die gewöhnlichen Menschenkinder eher zu den „Fast'togcn gerechnet zu werden verdient, sondern die großartigen Vorbereitungen galten der Feier des 70. Geburtstages unsers Reichs kanzlers. Die vielen Kommerse mit ihren Reden und Toasten, welche gestern allüberall gefeiert wurden, gaben Zengniß davon, daß dieser Tag ein Festtag für das deutsche Volk geworden ist. Aber wie anders sieht es auf den Straßen aus; man möchte fast glauben, die ganz- Stadt solle ausgeräumt werden! Welche Kontraste treten da nebeneinander auf; hier steht der große geräumige Möbelwagen mit allem Komfort einer eleganten Wirtschaft bepackt, daneben die Sprosscnkarre mit einer alten Bettstelle und einem zerfallenen Schrank nebst ein paar großen Blumenstöcken. Eine alte Frau trippelt hinterher, die Katze auf dem Arm; dort geht der Junggeselle, wollte sagen der „Gartzon", den Vogelbauer, den Schlafrock und die unvermeidliche lange Pfeife in der Hand und ist gewiß am schnellsten scrtig mit seinem Umzug; hier sicht man einen Dicnstmann eine große bunt gemalte Lade oder Truhe, mit plump geklextcn „Blumen" ver ziert, tragen, ein junges, schlicht gekleidetes Mädchen wandelt nebenher, die zieht gewiß zum erstenmale an, denn sonst hätte sie gewiß eine Kommode mit Toiletten - Spiegel und Sonnenschirm und würde sicherlich nicht neben dem Dicnstmannc so gottvergnügt hcrgehen, sondern sagen: „Das schaffen Sie mir Straße so und so viel hin! Verstehen Sie mich?" So könnte man noch viel solcher Bilder, die sich immer und immer wiederholen, und deren jedes wiederum seinen Roman für sich hat, wiedergeben. Doch genug davon! Ich hatte mit einem Festbericht angefangen, und wie viele Feste und Erinnerungen, welche für Dresden von Interesse, sind in den letzten Tagen begangen worden. Da ist das 10jährige Jubiläum unseres Körner-Museums, welches eine Zierde unserer Stadt "«b in historischer Beziehung geradezu unschätzbar ist; ein ebenfalls löchriges Jubiläum feierte der .Gemeinnützige Verein" der mit seinem Jahresberichte ein ganzes Stück Geschichte des Pereins- mit herausgab. Eine weniger heitere Erinnerung war der 31 Marz, indem vor 40 Jahren an diesem Tage die Hoch- fluth der Elbe eine Höhe erreichte, welche alles in Schrecken versetzte und unsere älteste Brücke, die Augustusbrücke, wanken machte, ja einen Theil davon in Trümmer legte. Wir stehen nun mitten in der „stillen Woche"; Theater und Konzerte bei uns sind sämmtlich geschlossen und alle Welt rüstet sich für die Feiertage. Die Sonne blickt so freundlich und erwärmend auf uns hernieder und cs war nur ein dunkler Schatten, der vor wenigen Tagen unseren Horizont noch einmal verdüsterte, gerade so unheimlich als heute Abend der Moud von unserer Erde beschattet wurde und bei dieser Gelegenheit der Verfinsterung mit einem blut- rothen Schein überzogen war. Aber das Morgenroth bricht sich doch Bahn und läßt sich nicht durch Nacht und Düster aufhalten; es geht Alles seinen ewigen Kreislauf und nur der Mensch allein ist so oft kleinmüthig und verzagt. Wie schwer muß es dem armen Steinbrecher im Postaer Steinbruche bei Wehlen wohl gewesen sein, als er, vier Tage und vier Nächte verschüttet, von Tausenden von Zentnern gebrochenen Sandsteins lebendig begraben wurde und nur durch die unermüdliche Aufopferung und anstrengende Arbeit braver Arbeiter nach dieser entsetzlichen Zeit, als schier keine Hoffnung ihm mehr winkte, dem Leben und den Seinen wiedcrgegeben wurde. Mit welchen Ge fühlen wird der Mann die Osterglocken läuten hören und den Auferstehungsmorgcn feiern, nachdem er selbst von den Tobten wieder auferstanden ist! Wer mit dem Dampsschiff auf der Elbe die Sächsische Schweiz durchfährt und die Sm-dsteinbrüche sieht, hat von diesen Stand punkten aus gar keinen klaren Begriff von den Größcn-Verhältniffrn derselben. Nur wenn man selbst in die Steinbrüche geht, wird man gewahr, wie mächtig solch eine Wand ist, die von Menschenhand ab gelöst wird; viele Meter weit wird dieselbe unterminirt und dann, wenn das eigne Gewicht sie nicht mehr trägt, stürzt sie donnernd herab; zuvor aber werden erst ausgeblasene Eier oder thönerne Pfeifer,stiele untcrgestellt, um zu sehen, wenn diese brechen, die Wand sich senkt und Vorsicht nöthig wird; doch der Regen, der von oben her oftmals in die Spalten eindringt, vereitelt manches Mal diese Vorsichtsmaßregeln und plötzlich bricht die Wand unerwartet hernieder in das Thal, mit einem Getöse, als wenn Tausende von Kanonen zu gleicher Zeit abgefcuert würden; so wiederholt sich dieses Schau spiel immer wieder und Unglücksfälle sowohl als glückliche Errettungen werden auch ferner an der Tagesordnung bleiben. Nun werden die Osterfeiertage kommen und die Pforten der Natur werden sich öffnen, um all den Zauber und Liebreiz zu zeigen, der in der kleinsten Blüthe enthalten ist und von der Natur in so über schwenglicher Fülle gespendet wird; überall tritt neues Leben auf und Freude und Jubel schallen allerorten. Im „Zoologischen Garten" hat die „Königliche Familie des ThierreichS neue Familienfreuden erlebt und zwei junge Löwen so weh, so wonnig in der Menschenbrust schlagen kann! Ts mußte die Jugend sein, die Jugend und der Sonnenschein und all der Sommerduft da draußen — an das gefährliche Spiel, das ihr Herz umstrickte, nein, daran dachte sie nicht. — An demselben Tage traf der junge Graf seine Schwester allein im Garten, er nahm sie bei der Hand und führte sie mit sich fort. „Du hast mir und der Mama vor einiger Zeit einen Wunsch ausgesprochen, Elli", sagte er zu ihr, „kannst Du Dich noch darauf besinnen?" Die kleine Schwester sah mit zärtlichen Blicken an der großen» schlanken Gestalt des Bruders, der ihr Abgott war, empor. „Was könnte das sein?" fragte sie, sich besinnend. „Es geschah bei Gelegenheit eines Ausfluges, den ich und einige Kameraden von mir mit der Baronin Brunowsky machten", entgegnete er lächelnd. Die Kleine klatschte fröhlich in die Hände und rief dazu: „Ja, ja, jetzt weiß ich es! Es gefiel mir so schön, wie Frau von Brunowsky so stattlich zwischen den hübschen Husarenoffizieren zu Pferde saß. Du rittest neben ihr, ein prächtiges Paar, und ich dachte, wie schön es sein müßte, wenn ich so an Deiner Seite dahin traben würde." „Nun, und hast Du den Wunsch noch?" „Ja, ja — aber —" „Aber?" .Wenn ich reiten lernen sollte, dann möchte ich es nicht allein, Du könntest mich nicht immer begleiten, die Mama hat es ganz aus gegeben, und immer nur mit einem Reitknech.t das ist langweilig." „Sollte sich nicht vielleicht ein Ausweg finden?" fragte er. Sie dachte eine Weile nach, dann sagte sie: „O ja, ich wüßte schon einen, wenn Fräulein Sarnow sich entschließen wollte —" „Vielleicht thut sie es — Dir zu Liebe, wenn Du sie recht sehr bittest. Du mußt ihr sagen, daß eS schon längst Dein Wunsch ge wesen sei, und daß es die Mama Dir nur unter der Bedingung gestatten würde, daß sie Theil am Reitunterricht nimmt. Mir ist, als hätte sich Mama einmal so ausgesprochen." „Dann bitte ich sie, bis sie mir den Gefallen thut." „Und höre — noch einen kleinen Scherz. Sage ihr nicht, daß ich Euch den Unterricht selbst gebe, laß sie in dem Glauben, unser alter Stallmeister thäte es." „Aber das ist ja eine Unwahrheit" „Närrchen, um einen Scherz handelt es sich! Was sollte eS denn weiter sein?" „Nun ja, etwas Böses, ist allerdings nicht dabei, ich werde eS so machen." Und sie machte es so, sic half in ihrer Arglosigkeit die Jntrigue einfädeln, die dem jungen Offizier Gelegenheit, und so prächtige Gelegenheit, zu täglichem Verkehr mit dem Mädchen bieten sollte.. Elli schmeichelte der Lehrerin und Freundin die Einwilligung ab, sich an dem Sport zu betheiligen, und diese zu geben wurde Elise schon darum nicht schwer, weil sie selbst Interesse dafür hatte und eS wirklich der Wunsch der Gräfin schien, daß sie daran theilnehme. Hätte sie gleich im Anfang gewußt, wer der Lehrer sein würde, daun hätte sie vielleicht, wie der Graf ganz richtig vermuthete, das Anerbieten abgelehnt, als sie es aber eist im letzten Augenblick er fuhr, da war es zu spät dazu. So fand das gefährliche Gift immer neue, weitere Gelegenheit, sich ihr ins Herz zu schmeicheln, und immer enger zog sich der verhängnißvolle Kreis um das ahnungs lose Opfer eines frevlen Spiels. IV. Das Gut der Baronin von Brunowsky lag eine Stunde von der Stadt und etwa ebensoweit von der gräflichen Besitzung ent fernt. Sic war die Wittwe eines der reichsten Grundbesitzer der Umgegend, denn außer dem stattlichen Landsitz, der ihr sozusagen als Hauptquartier diente, waren in den Besitz der schönen Frau durch den Tod ihres Gatten noch mehrere kleine Landgüter und ein prächtiges Haus in der Residenz, wo sie sich im Winter aufzuhalten pflegte, gefallen. Die Ehe war eine zusammengebrachte gewesen, eine Konvenienzehe vom reinsten oder richtiger unreinsten Wasser — sie geboren, kräftig und stark, zur Freude der Direktor Schöpft, der aber beständig in Angst lebt, daß nicht die hohe Wöchnerin dieselben, wie die vorjährigen, wieder verzehrt. Es können die Besucher des Gartens diese Feiertage die königliche Mutter mit ihren Jungen be trachten, wenn die Letzterer» bis zu dieser Zeit vor Liebe nicht ge fressen sind. Oskar Grellmann. (Nachdruck verboten.) Wiener Brief. Original-Feuilleton. Wien. I. April 1888. LI. V. Die vielzitirten ältesten Leute, welche sich bekanntlich niemals an Etwas erinnern können, gestehen diesmal ganz ernstlich, sie könnten sich keiner so bewegten Woche entsinnen, als der verflossenen. Außer diesen „ältesten Leuten" gab es aber auch junge, welche ihr Erinnerungsvermögen diesmal im Stiche ließ. Diese jüngeren, das waren die Reporter, Welche weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe hatten, sondern in einemsort auf den Beinen waren, um den Neuig keiten nachzujagen. Es gab aber auch ein hübsches Stück Arbeit: Verhaftung des Baron Potier wegen Landesverrathes, ein Fall» der in Wien geradezu unerhörtes Aufsehen erregte. Die Ermordung einer Wirthschafterin; Gefangennahme des Mörders. Selbstmord einer ganzen Familie durch Gasausströmung vergiftet. Tod des Kardinal Fürsten Schwarzenberg. Das Grubenunglück in Dombrau rc rc. Es war eine Woche, als ob sich die finstern Mächte verschworen hätten, die Bewohnerschaft Wiens in Aufregung und Schrecken zu versetzen. Dafür ist es nach den lärmenden und aufregenden Szenen im Parlamente ruhig geworden. Unsere Väter des Landes haben die Sitzungen geschlossen und sind heimgezogen zu ihren Wählern, um diesen alle die Wunderdinge zu erzählen, welche sic während ihrer Mandatsdauer vollführt haben und welche sie weiterhin zu vollführen gedenken, wenn sie mit dem Vertrauen der sehr geehrten Herren Wähler auch fürderhin beehrt werden sollten. Das Vertrauen kommt schon, aber wie sagt doch nur in „Othello" Jago zu Roderigo? „Thue Geld in deinen Beutel!" „Thue Geld in deinen Beutel." Wie lange ist es schon her. daß der Schwan vom Avon diese praktischen Worte geschrieben, welche heute befolgt werden müssen, wenn man zum Ziele gelangen will. Sie ist die Tochter eines kleinen, sehr kleinen Privatbeamten, aber von einer Schönheit, welche den klügsten Mann um seinen Verstand bringen kann. Wenn sie am Ring erscheint, am Arme ihres alternden Papa's einherschreitet, wenn ihre gluthoollen schwarzen Augen auf Jemand sinnend hängen bleiben, wenn ihre, einer aufgebrochenen Kirsche gleichenden Lippen ein begehrendes Lächeln ziert, da möchte
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