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[Zeitungsköpfe Von Professor Dr. Tesch in Köln Daß der allgemeine Wunsch nach Sprachreinigung in erster Linie das Zeitungsdeutsch betrifft, ist ganz natürlich, weil die Zeitungen einen unentbehrlichen Lesestoff bilden und in ihrer Ausdrucksweise vorbildlich sein wollen. Besonders sind es die Köpfe, auf die jetzt das prüfende Auge sprachlich sorgsamer Leute gerichtet ist. Sie finden hier einen scharfen Gegensatz, weil ein Teil der Blätter der Sprachreinigung folgt, ein anderer dagegen die alten Fremdwörter beibehält. Diese zwiespältige Be wegung springt auch auf die Leser über. Die einen von ihnen halten zwar mit ihren Aeußerungen zurück, entweder weil sie in sprach lichen Dingen gleichgültig sind, oder weil sie die Entscheidung für eine persönliche Angelegenheit der Verleger halten, andere dagegen greifen in die Bewegung ein, weil sie von der Zeitung, die sie halten, die Vertretung ihrer Ansichten auch in sprach- behen Fragen wünschen. Sie verlangen reines Deutsch und finden daher, daß in den Köpfen, die Fremdwörter enthalten, etwas nicht richtig ist. Man darf die ganze Frage nicht als einen Streit um Wörter oder für eine Liebhaberei von Sonderlingen halten. Der Krieg hat das Verhältnis unseres Volkes zu unserer Sprache vertieft. Die Sprachbewegung ist ein Teil der großen Geistesbewegung, die eine schärfere Ausprägung der deutschen Art will. Es kommt dabei auf die Prüfung an, ob Fremdes, das sie in sich aufgenommen hat, ganz mit ihrem Wesen vereinigt d. h. deutsch geworden ist, oder ob es als Fremdkörper unter uns ein Scheindasein führt. Das ist nicht ohne eine Selbstbesinnung möglich, die sich ins Innere wendet und von hier aus den Weg zu einer Neurichtung findet. Daß unser Volk mit ungeahnter Kraft um seine Freiheit und Selbstentwicklung kämpft, ist schon so oft gesagt worden, daß es hier nicht wiederholt zu werden braucht. Wohl aber muß darauf hingewiesen werden, daß auch unsere Sprache aus diesem Kriege mit einem Gewinn herauskommen und die Kraft be weisen muß, überflüssige Fremdwörter durch gute deutsche zu ersetzen. Freilich fällt hier die Frucht nicht leicht in den Schoß. Wenn irgendwo dann ist auch hier der Erfolg nur durch Mühe zu erreichen und besonders dem eigenen Willen abzuringen. Wir Deutschen kommen nicht leicht in Bewegung, namentlich nicht bei unseren sprachlichen Gewohnheiten. Hier haben wir in uns selbst manchen Widerstand zu überwinden. Niemand wird ohne beharrliche Selbstzucht fremd wort rein. Dazu kommt, daß wir die Säuberung von fremdländischen Ausdrücken nicht gut vornehmen können, wenn wir nicht in das innere Leben der Sprache eindringen. Gehen wir die Fremd wörter durch, die in den Köpfen der Zeitungen stehen, dann sehen wir bei den einen, wie beispielsweise Abonnement und Manuskript, ein Wandern der Wörter, weil sie einen ganz anderen Sinn als zur Zeit ihrer Einführung haben, oder wir stoßen auf Unschönheiten wie Publikationsorgan, die der Zunge schwierige Kunststücke zumuten, oder wir kommen auf besondere Zeichen der Abhängigkeit vom Ausland wie bei Inserat und Redakteur. Da die Sicherheit des Urteils demnach Von wissenschaftlichen Erörterungen abhängt, so scheint es geboten, bei einigen Wörtern, wo eine besondere Schwierigkeit für das Verständnis vorliegt, einen kleinen Streifzug durch die Wortgeschichte zu machen. Ungezwungen ergibt sich die Uebertragung von pro (Quartal. Diesem landstreichenden Fremdling haben die meisten Zeitungen schon längst den Garaus gemacht und bei denen, die den Ausdruck noch an ihren Köpfen haben, sieht dieser aus wie ein alter Zopf. Unbestritten ist es heute besser, die guten deutschen Ausdrücke Monats-, Vierteljahrs-, Jahrespreis zu brauchen, wenn es sich um eine Preisbezeichnung handelt, als auf das altertümelnde pro Quartal zurückzugreifen. Klar und einfach ist die Entscheidung für die Verdeutschung von Lokalblatt. Jeder weiß, daß in dieser Zusammensetzung das Wort Lokal eine Ortschaft oder Stadt bezeichnen soll, daß aber sonst im Sprachgebrauch darunter niemals etwas anderes als Laden oder Raum verstanden wird. Da der Inhalt des Wortes sich so sehr geändert hat, daß Lokalblatt genau genommen, jetzt einen ganz falschen Sinn gibt, so haben viele Verleger den fremden Namen in Ortsblatt umgewandelt. Diese Benennung, die mit einem veralteten Sprachgebrauch aufgeräumt hat und jedes Mißverständnis ausschließt, verdient allgemeine Aner kennung und Nachahmung. Ebenso folgt man dem Gebote des besseren Sprachgebrauchs und der größeren Verständlichkeit, wenn man für das Wort pränumerando im voraus zahlbar einsetzt. Auch hier liegt durch aus kein Bedenken gegen die Verdeutschung vor. Anstellungen pflegt man jedoch gegen den Vorschlag zu er heben, das Wort Rabatt durch Preisermäßigung, Vergünstigung, Vergütung, Nachlaß zu ersetzen. Aber die Behauptung, daß das ausländische Wort nicht entbehrt werden könne, weil es kurz und verständlich sei, hält vor den Gründen, die für die deutschen Ersatzwörter erhoben werden, nicht stand. Wer deutsche Wörter ablehnt, weil sie lang sind, der sollte doch bedenken, daß es uns Deutschen nicht gut ansteht, für das Linsengericht einer Silbe das Erstgeburtsrecht unserer Sprache hinzugeben. Wenn man durchaus auf der Kürze des Wortes besteht, dann kann unsere Sprache dieses Verlangen durch das Wort Nachlaß befriedigen, das den Vergleich mit dem Fremdwort allemal aushält. Dieser Einsicht haben manche Zeitungen sich auch nicht verschlossen und dem deutschen Wort den Vorzug gegeben. Sie brauchen Preisermäßigung anstelle von Rabatt und Nachlaßsatz an Stelle von Rabattarif. Mit größerer Hartnäckigkeit behauptet die Benennung Organ im Kopfe der Blätter ihren Platz. Mit welchem Rechte dies ge schieht, entscheidet die Frage nach der Bedeutung des Aus drucks. Was heißt Organ ? In der griechischen Sprache, aus der es stammt, bedeutet es Werkzeug, dann Teil eines ganzen. Be sonders auf Sinneswerkzeuge wurde es angewendet. Heute be zeichnet es auch den Vertreter einer Genossenschaft oder eine Behörde oder die Stimme eines Menschen. Was heißt nicht sonst noch alles Organ ? Wer es in einem größeren Fremdwörterbuch nachsieht, wird nicht ohne Erstaunen finden, daß das Wort 32 Bedeutungen hat. Seine Vieldeutigkeit ist zur Verschwommen heit geworden. Dem Sprachgefühl der meisten Menschen wider strebt es auch wegen seines fremden Klanges und Gehaltes. Unser Volk lehnt es ab und sagt dafür einfach Blatt. Denselben Ausdruck wendet es auch mit Vorliebe als Ersatzwort für solche Zeitungen an, die zu Mitteilungen an Verbände bestimmt sind und unter dem Namen Organ erscheinen. Die Abkürzung Blatt enthält nichts Bedenkliches, weil sie der sprachlichen Neigung entspricht, von der allseitigen Begriffsbestimmung bei der Wort bildung abzusehen und statt ihrer einen kurzen und flüssigen Ausdruck zu wählen. Ohne der Richtigkeit der Vorstellung zu schaden, haben schon viele Herausgeber diese Bildungsweise befolgt und an die Köpfe ihrer „Organe” Blatt oder Fachblatt gesetzt. Schwieriger scheint die Ausmerzung von Abonnement zu sein. Das Wort hängt mit dem Lateinischen bonus d. h. gut zu sammen und hat die Bedeutung gültig erhalten, die heute im französischen bon vorliegt. Im 18. Jahrhundert war Abonnement erst auf den Bezug von Lieferungswerken angewandt und wurde dann mit dem Auftreten der Zeitungen auch von diesen gebraucht. Der Ausdruck entstammt der Zeit, als die französische Sprache die Oeffentlichkeit in Deutschland beherrschte, und ist in seiner heutigen Anwendung ein trauriges Denkmal der damaligen Zurücksetzung unserer Sprache. Das steigende Streben nach ihrer Unabhängigkeit und die zunehmende Selbständigkeit unseres Geisteslebens haben zu dem erfreulichen Ergebnis geführt, daß viele Blätter Abonnement mit Preis, Bezugspreis verdeutscht haben. Da das deutsche Wort Kürze, Eindeutigkeit und Klang schönheit in sich vereinigt, so kann man ihm die Ueberlegenheit über das Fremdwort nicht bestreiten. Ebenso zeigt ein Blick in die Geschichte, daß auch das fremdsprachige Expedition nicht zum bleibenden Aufenthalt in unserer Sprache berechtigt ist. Es kommt von dem lateinischen expedire und ist eine Zusammensetzung des Verhältniswortes ex d. h. aus mit dem Hauptworte pes d. h. Fuß. Hiernach be deutet es den Fuß aus einer Schlinge losmachen. Aus dieser Grundbedeutung entwickelte sich der Sinn herauswinden, ab sondern, befördern. Im 16. Jahrhundert bedeutet Expedition Kriegszug, später Forschungsreise und dann den Ort, in dem etwas ab- und zugefertigt wird. Es schillert also in allerlei Farben. Daß dafür ein eindeutiges Wort erwünscht ist, wodurch eine klare Vorstellung der bezeichneten Sache übermittelt wird, liegt auf der Hand. Mit glücklichem Griff hat die Postverwaltung Ab fertigung dafür gewählt. Mit gleichem Geschick haben viele Zei tungsverleger ihrem Betriebe entsprechend sich für Geschäfts stelle entschieden. Nicht nur sprachlich, sondern auch sachlich ist dies Wort besser als Expedition. Denn es deckt die Reihe der Tätigkeiten, die in dem Zeitungsgeschäfte vorkommen mit seinem größeren Begriffsumfang als das weniger inhaltreiche Expedition. Schluß folgt,