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Nr. 22/1918 PAPIER-ZEITUNG 489 Papiergewebe in der Krankenpflege Das Sanitätsdepartement des Kriegsministeriums bat unter dem 10. Februar eine Rundverfügung an sämtliche Armee-und Etappen ärzte versandt, in der es u. a. heißt: 1. Binden von gestärkter Gaze fallen im Heimatgebiete weg. 2. Verbandtücber, Häckselkissenbezüge, Sandsäcke, Handtücher, Schürzen, Segeltuch werden fortan aus Papiergewebe ange fertigt. Besonders widerstandsfähig ist das in Kette und Schuß auf Ringspinnmaschinen unter starker Drehung der Fäden ange fertigte Gewebe. 3. Bindenmull, Kambrik und Schirting in Stücken fallen weg,. ebenso die bisherigen planmäßigen Bindenaus Mull und Kambrik Es treten hinzu: Binden aus Papiergewebe. Die Zellstoffbinden (die sogenannten Kreppapierbinden) haben sich im allgemeinen gut bewährt, sie sind jedoch nur für einfachere Verbände verwendbar, wenig haltbar und vertragen kein Durchfeuch ten. Bei Transportverbänden müssen sie daher mit Papiergewebe binden umwickelt Werden. Weitestgehende Anwendung der Zell stoffbinden ist erforderlich, schon wegen des erheblichen Preisunter schiedes zwischen Zellstoff- und Papiergewebebinden. Zellstoff binden sind nach einmaligem Gebrauche zu vernichten. Die Papier gewebebinden sind als äußere Decklagen zum Schutze des Verbandes zu verwenden. Sie werden nur in Längen von 5 m*) hergestellt, weil Binden von über 5 m Länge sich wegen ihres Umfanges schwer pressen lassen, und die Preßstücke nicht in den hierfür vorgesehenen Räumen usw. der Sanitätsbehältnisse untergrebracht werden können. Papier gewebebinden können gewaschen werden und sind daher wiederholt zu verwenden. Die allgemeine Wasch Vorschrift für Papiergewebe ist, peinlichst zu beachten. Das gewöhnliche Papiergewebe eignet sich nicht für Gipsbinden, weil es in feuchtem Zustande nicht mehr die notwendige Reißfestigkeit besitzt. Für Gipsbinden ist daher ein besonderes Gewebe zu verwen den, das unter sehr großer Drehung des Papiergarns in feuchtem Zu stande gesponnen ist und auch in feuchtem Zustande seine volle Reißfestigkeit behält. Die Verpackung der Gipsbinden ist die gleiche wie bisher, ebenso der Aufdruck, nur tritt an Stelle des Wortes ,,Bin denmull” das Wort „Zellstotfgewebe" (amtlicher Ausdruck für Papiergewebe) und folgender Zusatz hinzu: „Zu beachten ■” Die Gipsbinden aus Zellstoffgewebe dürfen nicht in lauwarmes, sondern nur in kaltes Wasser eingetaucht werden; auch darf Alaun zum schnelleren Erhärten des Verbandes nicht zugefügt werden. Da die Zellstoffgewebe durch Bleichmittel (Chlor, schweflige Säure usw usw.) stark angegriffen werden, werden sie in rohem Zustande (Stubl- ware) ungebleicht, jedoch weichgemacht, beschafft. Die Brennbarkeit ist geringer als die des Verbandmulls. Die Vorsichtsmaßnahmen, die bisher für Verbandstoffe zu treffen waren, reichen daher aus. Damit beim Anwenden der Zellstoffgewebe keine übertriebenen Anforderun gen an diese Ersatzstoffe gestellt werden und bei der Behandlung sachgemäß verfahren wird, werden folgende Punkte hervorgehoben: a) Die Haltbarkeit der Stoffe aus Zellstoff ist gering. Besonders in feuchtem Zustande reißen die Papierstoffe sehr leicht. b) Keimfreimachen von feuchtem Zellstoffgewebe im Wasserdampf ist unter allen Umständen zu vermeiden. Wasserdampf schädigt trockenes Zellstoftgewebe nicht. c) Handtücher usw. aus Zellstoffgewebe dürfen nicht zu feuchten und warmen Umschlägen und nicht als Operationstücher ver- ' wendet werden. d) Die Wäsche- usw. -Stücke dürfen nicht ausgekocht werden, desgleichen sind Waschtrommeln nicht zu verwenden. e) Genauestes Beachten der Waschvorschrift ist unbedingt erfor derlich, da unvorsichtiges Waschen die Gewebe sofort unbrauch bar macht. f) Die Rohstofflage, die Herstellungsmöglichkeit sowie der hohe Beschaffungspreis verlangen größte Sparsamkeit und sorg fältigste Behandlung. , W aschvorschrijt\ a) In lauwarmer sehr verdünnter 1 proz. Sodalösung mindestens 12 Stunden einweichen 1 (Wärme von 50 0 darf nicht überschritten werden). b) Wiederholt spülen! c) In lauwarmem Wasser nur mit der Hand und einer weichen Bürste waschen. Noch unsaubere Stücke in lauwarmer 1—-2 proz. Seifenpulverlösung mit weicher Bürste reinigen. (Wasch- und Wringmaschinen dürfen nicht verwendet werden.) Auch kann eine 1—2 proz. Lösung von gleichen Teilen Soda und Seifen- pulver benutzt werden. d) Spülen! e) Leicht ausdrücken! f) Trocknen! gj Im Dampfe keimfrei machen! h) Trocknen, wonach die Stücke verwendungsfähig sind. Chemische Waschmittel wie Wasserstoffsuperoxyd und Kochsalzlösung dürfen zum Waschen und Entfernen von Blutflecken nur in sehr verdünnter Lösung benutzt werden. Im allgemeinen genügt zum Entfernen von Blutflecken längeres *) Für die bürgerliche Bevölkerung werden in der Regel Binden von 4 m Länge genügen. Eintauchen der Stoffe in lauwarmes Wasser, dem ein Auswäschen zu folgen hat. Keimwidrige usw. Flüssigkeiten (Karbolwasser, Sub limatlösung, Kresotin-, Kresollösung und Essigsauretonerdelösung) verändern Zellstoffgewebe nicht. Weingeisthaltige Flüssigkeiten (Seifenspiritus usw.) wirken auf die Haltbarkeit der Zellstoffgewebe nachteilig ein; die Reißfestigkeit wird hierdurch erheblichberabgesetzt. Zum Abtrocknen der Hände bei der Desinfektion der Hände mit Alkohol sind Handtücher aus Zellstoffgewebe nicht zu verwenden. Falls Abtrocknen der Hände erforderlich ist,, ist Zellstoffwatte zu benutzen. " . Deutsche Faserstoff-Husstellung Berlin, Ausstellungshallen am Zoo Wer die ausgestellten Maschinen in Betrieb sehen will, sollte die Ausstellung in den Vormittagsstunden besuchen. Sie ist täglich von 10 bis 8 Uhr geöffnet. In dem Pavillon der Nessel-Anbau- Gesellschaft wird eine mannig faltige Auslese von Gegenständen gezeigt, die aus reiner Nesselfaser hergestellt sind. Wir sehen Hemden und Beinkleider, Strümpfe und Handschuhe, Blusen und Kostümstofte, die von der Leistungsfähig keit der jungen Industrie ein überraschend günstiges Zeugnis ablegen. Es wird der Beweis geliefert, daß die Nesselfaser die Baumwolle, die sie an Festigkeit übertrifft, vollgiltig ersetzen kann. Unter Leitung von Direktor Hermann Schürhoff hat die Nesselfaser-Verwertungs gesellschaft, die seit Ende Januar mit der Nessel-Anbau-Gesellschaft verschmolzen ist, höchst aussichtsreiche Entwickelung genommen. In Fachkreisen wird erwartet, daß es gelingen wird, durch planmäßige Gewinnung und Verarbeitung von Nesseln die Baumwolleinfuhr zum Teil entbehrlich zu machen. Die Zukunft der Papiergarnverwendung. Hierüber schrieb der Papierfabrikdirektor Herr Josef Baudisch in Nrn. 7 und 8 der in Wien erscheinenden „Papier- und Schreibwaren-Zeitung”. Er führte in der Hauptsache aus, daß die Bevölkerung die spröden und wenig gefälligen Papiergewebe für Kleidungszwecke ablehne, und daß infolgedessen voraussichtlich nach dem Kriege die Verwendung von Papiergarn für Bekleidungszwecke bald aufhören werde. In Nr. 10 desselben Blattes erschien eine Entgegnung,, der wir folgendes entnehmen: Die Ersatzfaserindustrie steht erst am Anfang ihrer Entwicklung. Die in Deutschland gegründeten Forschungsinstitute für Textil- ersatzstoffe zeigen den ernsten Willen, die technisch-wissenschaftliche Grundlage der Ersatzstoffe auszubauen. Richtiges volkswirtschaft liches Denken sieht in der größtmöglichen Befreiung von ausländischen Faserstoffen eine Verbesserung unserer Handelsbilanz und eine Be festigung der heimischen Industriewirtschaft. Wir können zwar nicht ohne amerikanische Baumwolle oder indische Jute auskommen, jedoch wollen wir die Einfuhr ausländischer Faserstoffe um einige Hundert Millionen Mark herabdrücken. Dazu ist Vermehrung der heimischen Fasergewinnung, hauptsächlich ein vermehrter Anbau von Flachs und Hanf nötig, ferner können die vom Ausland bezogenen Faserstoffe gestreckt werden, indem sie mit Garnen aus Papier, Brennessel, Typha und Torf vermischt werden. Im Frieden wird die Rohstoffknappheit nach und nach abflauen, und dann werden anstelle der reinen Papiergespinste nach und nach Mischgespinste treten. Das ist eine Beruhigung für die papierverarbeitende Industrie, die sich so allmählich wieder ihren alten Rohstoffen gegenüber sehen wird. Sollten unsere Feinde aber später einen erbitterten Wirtschafts krieg gegen uns führen, dann werden wir in den eigenen Faserstoffen ein Mittel haben, um die Papierstoffe zu strecken. Die Mischgespinste werden für die Buchbinderei verwendbare Einbandstoffe liefern. Ueberfluß an Papiergarn für Bekleidungszwecke. Trotz Aufhebung der Bezugsscheinpflicht sind, wie der Frkf. Ztg. von der Reichsbeklei dungsstelle mitgeteilt wird, die Vorräte an Papiergarn zurzeit noch außerordentlich groß. Das der genannten Stelle für bürgerliche Zwecke zur Verfügung stehende Kontingent gebt in die Millionen Kilogramm, von denen augenblicklich kaum 10 v. H. angefordert sind. Die von manchen Zwirnereien ihren Kunden, das heißt den Webereien, gegen über vertretene Auffassung, Papiergarne würden nur für Heeres zwecke freigegeben, und selbst Anträge, die die Freigabe von Papier garnen für indirekte Heereslieferungen bezweckten, würden nur in beschränktem Maße genehmigt, ist also unrichtig. Allerdings müssen die von der Reichsbekleidungsstelle freizugebenden Papiergarne zu Bekleidungszwecken benutzt werden. Anträge auf Freigabe zur An fertigung von Luxusgegenständen, Teppichen und dergl., werden nur in Ausnahmefällen berücksichtigt. Papiergarn-Markt Auf der sehr gut besuchten Leipziger Garnbörse vom 8. März herrschte lebhafte Nachfrage nach Papiergarnen. In feinen Nummern kamen Geschäfte zustande, dagegen konnte die lebhafte Nachfrage nach starken Garnen nicht befriedigt werden, da die Spinnereien zur Herstellung dieser Garne der hierfür bestehenden unzulänglichen Höchstpreise wegen keine Lust zeigen. (Nächste Garnborse 14. Juni.) Auf dem Gammarkt in M.-Gladbach ist, wie man der Frkf. Ztg. vom 9. März schreibt, der Papiergarnabruf auf bestehende Kontrakte andauernd lebhaft, weil die Webereien noch reichlich Heeresaufträge haben. Die Nachfrage für bürgerlichen Bedarf ist dagegen schleppend.