Volltext Seite (XML)
B | AP I ER=VERARBEI TUNG Buchgewerbe - I Berliner Typographische Gesellschaft Ständige Adresse; Berliner Buchgewerbesaal, Lindenstr. 114. Vorsitzender: G. Könitzer, Steglitz, Kassenführer in Vertretung; Arndtstr. 33, II Georg Erler, Berlin-Schönebergs Königsweg 9, I Den geehrten Mitgliedern zur Nachricht, daß als erste Veranstaltung in den Vereinsferien in der letzten Sitzung ein Sommer-Ausflug zur Oberhavel beschlossen wurde. Derselbe wird am Sonntag, 9. Juli 1916, unternommen, und die Wanderung beginnt um 91/4 Uhr vom Spandauer Hauptbahnhof aus (Züge: ab Charlottenburg 830 und 847, letzterer auch ab Schlesischer Bahnhof 8 16 , Friedrich straße 827; ferner ab Lehrter Bahnhof 840). Der Ausflug führt durch den Spandauer Stadtwald nach Heiligensee und weiter nach Tegel, wo er gegen 5 Uhr nachmittags endigt. Rückfahrt mit Straßenbahn usw. Gäste willkommen. Mundvorrat für den Tag ist mitzubringen. * * * Der Berliner Buchgewerbesaal, Lindenstraße 114, ist an den Dienstagen 11. und 25. Juli und 8. und 22. August abends von 8 Uhr ab geöffnet; Vorstandssitzungen, Feldpost, Bücher austausch, Leseabende, wechselnde Ausstellungen; im übrigen bleibt der Saal während der Ferien geschlossen. Der Vorstand * * * Die letzte Sitzung vor den Sommerferien am 27. Juni war schwach besucht. Der Vorsitzende Herr Könitzer gab folgende Eingänge bekannt: von dem früheren Mitgliede Herrn Holland ein gebundenes Exemplar des ersten Jahrgangs der Feldzeitung der 3. Armee „Der Champagne-Kamerad"; vom Verband der Litho graphen und Steindrucker usw. die Jubelnummer der „Graphischen Presse“ zum 50 jährigen Bestehen dieses Verbandes; vom Deutschen Buchgewerbeverein der Geschäfts- und Rechenschaftsbericht für das Jahr 1915; von der Typographischen Gesellschaft zu Leipzig das Programm für die Tagungen; von Herrn Georg Erler je ein Exemplar der 300 jährigen Geschichte des Hauses F. A. Lattmann und der Festschrift zur Eröffnung des Neuen Emder Seehafens. Dem Vorschläge des Vorstandes entsprechend wird beschlossen, am Sonntag, 9. Juli, einen gemeinschaftlichen Ausflug zu veranstalten, der über Spandau durch den Stadtwald, eine Dampferfahrt nach Tegel und von hier zurück führt. Das Nähere soll bekanntgegeben ■werden. Hierauf berichtete Herr Könitzer über den Inhalt des von Dr. Alfred Heller verfaßten wissenschaftlichen Handbuches über die Grundlagen zu verlustfreier Betriebsführung von Buchdruckereien: Organisation der Buchdruckerei. Der Verfasser lege den Schwerpunkt auf Berechnung nach dem Druckpreistarif und auf die innere Betriebsorganisation; er gehe den Fehlerquellen nach, die bei dem Werdegang einer Druckarbeit bis zu ihrer Vollendung dazu führen können, daß ein Gewinn durch ■die Arbeit nicht erzielt wird. Der wirtschaftliche Erfolg entspreche nicht der technischen Entwicklung des Buchdrucks. Die Minder- ergebnisse seien vielfach auf die noch handwerksmäßige Betriebs weise zurückzuführen; die Verzinsung von Anlage- und Betriebs kapital, der Wert der Arbeitskraft des Prinzipals, die notwendigen Abschreibungen und sonstigen Generalunkosten sowie ein an- igemessener Unternehmergewinn würden nicht immer ausreichend in die Berechnung einbezogen. Gegenüber dem vor etwa 11 Jahren ■erschienenen Werke von Schigut in Wien über die Organisation ■des Buchdruckereibetriebes habe sich der Verfasser bei seinen Vor schlägen in bezug auf das Schreibwerk zwar beschränkt, indessen bleibe auch bei ihm noch reichlich Schreibwerk übrig, und es erscheine zuweilen fraglich, ob die Kontrolle nicht kostspieliger sei als die dadurch ermöglichte Ersparnis. Die Geschäftsführung nach kauf männischen Gesichtspunkten sei zwar zu empfehlen, dessen ungeachtet sei als Geschäftsleiter der kaufmännisch gebildete Buch- •drucker dem Kaufmann vorzuziehen, weil die Technik das Ent scheidende im Buchdruck sei. So großartig die Organisation des Buchdruckgewerbes nach außen sei, so mangelhaft sei sie im Inneren. ie oft teuer erkaufte eigene Erfahrung bilde die einzige Lehr meisterin des Einzelnen. Das Gewerbe habe sich den technischen Neuerungen nicht angepaßt. Der Betriebsunternehmer sei nicht immer in der Lage, nach freier Entschließung zu handeln, häufig sei das Kapital die Peitsche, die zur Konkurrenz führe. Durch Ver größerung des Betriebes über den Bedarf hinaus komme der Unter nehmer leicht in eine Zwangslage, er könne sich nicht mit der regulären Arbeit begnügen, sondern müsse der Arbeit nachlaufen, um die Betriebsmittel voll auszunutzen, und das verleite dann zu Unterbietungen. Von großem Einfluß auf den Ertrag des Betriebes sei der Wechsel zwischen Zeiten mit Mangel an Arbeiten und solchen, in denen mit Ueberstunden gearbeitet werden müsse. Und doch werde oft über die Lasten hinweggesehen, die hieraus erwachsen; es liege in vielen Fällen eine Selbsttäuschung vor, die durch richtige Betriebsorganisation vermieden werden könne. Wie die Betriebs organisation beschaffen sein müsse, dafür könne der Vielgestaltig keit der Betriebe wegen eine Anleitung nicht gegeben werden. Der Verfasser lege seinen weiteren Betrachtungen einen gemischten Betrieb mittlerer Größe zugrunde und gäbe für die Organisation schematische Darstellungen, indem er den Gang einer Arbeit durch die verschiedenen Betriebszweige, die an der Fertigstellung be teiligt sind, schildere und stelle die handwerksmäßige der mehr kauf männischen Betriebsweise gegenüber. Vielfach fehle es an einem Empfangsraum für die Kundschaft, wo die Bedienung in Ruhe erfolgen könne, so daß der Auftraggeber die Ueberzeugung gewinnt, daß sein Auftrag eine sorgfältige Erledigung findet. Wenn die Aus führung in der gewünschten Weise .Schwierigkeiten bereitet, solle man nicht gleich sagen „das geht nicht“, sondern durch Gegen vorschläge, die den Preis und die Lieferzeit nicht berühren, den Kunden von seinem Verlangen abzubringen suchen. Ausführliche Schrift proben auszugeben, sei nicht ratsam, weil man damit Geschäfts geheimnisse preisgäbe; dafür möge man Teilproben für die ver schiedenen Arten von Arbeiten herstellen. Die Funktionen des Betriebsleiters und des Faktors einer Person zu übertragen, empfehle sich nicht; der Faktor gehöre in den Betrieb und solle auch bei zahl reicherem Personal nicht selbst mitarbeiten. Wo es der Umfang des Geschäfts erfordere, möge ein Korrektor beschäftigt werden. Da, der Faktor die volle Verantwortung trage, dürfe er auch nicht übergangen oder seine Anordnungen nicht durchkreuzt werden. Weiter werde dann die Leistung der Maschinen eingehend behandelt und empfohlen, bei der Preisberechnung stets den Voranschlag mit der Ergebnisberechnung zu vergleichen, um etwaige Fehler aufzufinden und später vermeiden zu können. Den Einkauf solle der Prinzipal sich selbst vorbehalten und dabei berücksichtigen, daß bar gekaufte Maschinen schon im ersten Jahre einen Gewinn bringen. Das Bestreben müsse darauf gerichtet sein, den Buch drucker aus der Zwangslage zu befreien, daß er Arbeiten auch unter ungünstigen Bedingungen übernehmen muß, um seine Existenz zu fristen. Dazu mußten die Organisationen der Prinzipale er weitert werden zu Produktionsgemeinschaften, die dafür sorgen, daß das Gesamtgewerbe gewinnbringender wird. Auch die ge meinsame Kreditbeschaffung sei eine der idealen Forderungen des Verfassers. Die Spezialdruckereien sollten sich zu gleichmäßiger Berechnungsweise vereinigen und die vorwiegend mit Satzarbeit beschäftigten nicht mit solchen in Wettbewerb treten, bei denen der Druck die Hauptrolle spielt. Um Aufklärung zu schaffen, müßten, so schloß der Redner seine Ausführungen, Preisberechnungen ver öffentlicht werden, wie dies z. B. der „Deutsche Buch- und Stein drucker" bei Gelegenheit seines Preisausschreibens getan habe. Das Hellersche Buch stelle eine fleißige wertvolle Arbeit dar, und die darin gegebenen Anregungen verdienten allgemeinere Beachtung. Sodann gab Herr Erler einen Bericht über die Neuerwerbungen der Bücherei der Gesellschaft insbesondere über die Bücher „Allerlei über Speise und Trank“, ein vornehm ausgestattetes illustriertes Werkchen, das zu einem Abendessen der Maximilian-Gesellschaft gedruckt wurde; den mit Erläuterungen versehenen „Katalog der zweiten Ausstellung von Kostbarkeiten und Seltenheiten der Königlichen Hausbibliothek", herausgegeben von der Maximilian-Gesellschaft; die Neuhochdeutsche Grammatik von Bauer-Duden; „Dr. E. Albert aus Anlaß seines sechzigsten Geburtstages, Uebersicht über seine Erfindungen" und „Die deutschen Drucker des fünfzehnten Jahrhunderts" von dem Oberbibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin Prof. Dr. Voullime, der in einer längeren Abhandlung über Gutenberg nach weist, daß weder das Geburtsjahr noch das Todesjahr des Alt meisters bisher mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Die Sitzung wurde um 11% Uhr geschlossen.