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Nr. 72/1916 PAPIER-ZEITUNG 1371 Papier-Spinnerei und -Weberei Das zweite Kriegs] ahr ist zu Ende gegangen und noch immer stehen unsere tapferen Truppen draußen im Feindes land und halten treue Wacht, damit unsere Heimat vor den Schrecknissen des Krieges verschont bleibt. Machtvoll werden von unseren Feldgrauen an allen Fronten alle feindlichen An- •stürme abgewiesen, machtvoll wird aber auch Englands Plan, •die deutsche Industrie, den deutschen Handel und Verkehr zu zerstören, von den daheim unermüdlich Schaffenden zu nichte gemacht. An Stelle der Rohstoffe, die nur aus fremden Ländern bezogen werden können, werden Ersatzstoffe mit gutem Erfolge angewendet. So stellt die Papierindustrie dem deutschen Webstoffgewerbe das Papiergarn als Ersatzstoff zur Verfügung. Je länger der Krieg dauert, je mehr die deutsche Regierung auf die richtige Verwendung und Verteilung der bisher ver wendeten und während des Krieges schwer zu beschaffenden Rohstoffe im Webstoffgewerbe Acht ..geben muß, desto mehr führen sich die Papiergarne für allerlei Webwaren ein. Waren es im Anfang des- Krieges nur wenige Firmen, die sich noch aus den Friedenszeiten her mit der Herstellung und Weiterver wendung der Papiergarne befaßten, so verwerten jetzt schon nahe an 100 Spinnereien und an 200 Webereien das Papier in der eben angedeuteten Weise. Zurzeit lassen sich genaue Zahlen über die Menge der erzeugten Papiergarne nicht angeben, erst wenn (vielleicht schon in absehbarer Zeit) zum Zwecke gerechter Verteilung der Papiermenge auch diese Industrie durch Ver ordnungen seitens der Regierung in geregelte Bahnen geleitet wird, wird es möglich sein, darüber Näheres zu erfahren und zu veröffentlichen. Der in unseren Nummern 13, 20, 22 und 25 und in Sonder abdruck erschienene Aufsatz „Papierstoffgarne, -zwirne und -gewebe” von Dr.-Ing. Heinke gab unseren Lesern eine kurze Uebersicht über die Geschichte sowie über die zurzeit übliche Herstellung der Papiergarne, über deren Verwendung als Fertig gut oder deren Weiterverwendung als Halbgut zu Zwirnen und Geweben. Die inzwischen sich stetig steigernde Einführung der Papiergarne in das Wirtschaftsleben läßt es geraten er scheinen. regelmäßig über Neuerungen in der Papierspinnerei und -Weberei, über das Patent- und Gebrauchsmusterwesen, über bemerkenswerte Aufsätze in anderen Zeitschriften Bericht zu erstatten. Früher waren in der Literatur die Bezeichnungen Papier stoffgarn und Papiergarn üblich, sie wurden öfter verwechselt. Nach Dr.-Ing. Heinke besteht der Unterschied zwischen beiden Garnen in der Art der Gewinnung der für die Garnherstellung notwendigen Papierstreifen. Während man bis 1907 die Streifen bildung beim Entstehen des Papiers auf der Papiermaschine vornahm, stellt man jetzt die Streifen ausschließlich durch Schneiden der fertigen Papierbahn her. Man nennt die Garne, die aus den auf der Papiermaschine hergestellten Streifen ent stehen Papierstoffgarne, und diejenigen, die aus Streifen Papiers entstehen, Papiergarne. Das Papiergarn hat das •Papierstoff garn völlig verdrängt, wir werden deshalb in der Regel nur die Bezeichnung Papiergarn verwenden. Anregungen aus unserem Leserkreise über dieses neue Gebiet werden uns willkommen sein, und für fachmännische Behandlung von Anfragen werden wir nach Möglichkeit sorgen. Die Schri/tleitung Das Papiergarn als Juteersatz. Von Ingenieur Arthur Günther. (Leipziger Monatsschrift für Textil-Industrie Nr. 1, Jahrgang 1916.) Der Aufsatz behandelt zuerst die Geschichte der Einführung der Papiergarne in Deutschland. Man erhält dabei einen Ueber- blick über die Schwierigkeiten, mit denen die Papiergarne bis zu ihrer vollen Einführung zu kämpfen hatten. Es traten zutage auf der einen Seite: Unklarheit über die richtige Verwendungsweise der Garne, unvollkommene Maschinen in Verbindung mit ungeübten Arbeitskräften, auf der anderen Seite hohe Anlagekosten, nament lich hohe Ankaufsgebühren von Patenten. Eine kurze Beschreibung der früheren (Papierstoffgarne) und jetzigen (Papiergarne) Her stellung der Garne schließt sich an, wobei bei der Herstellung der letzteren Garne zur Bestimmung der den Streifen zu gebenden Drehungen die in der Spinnerei allgemein übliche Formel • D = c VN auch für die Papiergarne vorgeschlagen wird. In dieser Formel bedeuten D die Zahl der Drehungen auf 1 m, c den Drehungs koeffizienten, der für die einzelnen Papiersorten bestimmt' werden muß, und N die metrische Feinheitsnummer des Garnes. Zum Schluß bringt der Verfasser eine Erzeugungs- und Drehungstabelle für Papiergarne, die auf den Tellerspinnmaschinen der Aktiengesell- schaft Hamel in Schönau bei Chemnitz gesponnen werden. N. Ein Verband Deutscher Papiergarnwebereien ist in Berlin ge gründet worden. Dem Vorstande des Verbandes gehören folgende Herren an; Prof. Dr. Ubbelohde (Deutsche Textilwerke, Karlsruhe), Direktor Fistmann (Pongs-Spinnereien und Webereien A.-G., Olden kirchen (Rheinland), Neuwerk (Rheinland), Direktor Hilgner (Mechanische Baumwollweberei G. m. b. H., Fulda). Die Ver sammlung wählte zum Geschäftsführer den Rechtsanwalt Dr. Paul Speck aus M.-Gladbach. Die Geschäftsstelle des Verbandes befindet sich in Berlin W 8, Unter den Linden 35. Papiergarn in Skandinavien. Das deutsche Papiergarn hat in Skandinavien Aufmerksamkeit erregt. Die Kopenhagener Zeitung „Politiken“ besprach es und stellte Proben in ihrer Telegramm halle aus, und der britische Generalkonsul in Kopenhagen hat Muster des deutschen Papierbindfadens an die Cömmercial Intelligence Branch des Board of Trade eingesandt, wo sie im Anfragenzimmer in London E. C., 73 Basinghallstreet, zu sehen sind. Als Ersatz für den knappen und teuren Bindfaden verwendeten besonders in der Weihnachtszeit manche Kopenhagener Geschäfte zum Um schnüren der Pakete Baumwollschnüre. Ueber die seit einiger Zeit in Västervik, Schweden, arbeitende Papiergarnfabrik und die kürzliche Gründung der Osakeyhtiö Abies zu demselben Zweck in Helsingfors, Finland, auch über den Plan einer solchen Fabrik in Norwegen (Sarpsborg) wurde hier schon berichtet. Auch in Däne mark trägt man sich mit einem solchen Plan, da größere Einfuhr des deutschen usw. Papiergarns nicht zu befürchten ist; es wird nämlich als „nicht besonders genannte Arbeiten aus Papier oder Papierstoff“ mit 0,70 Kr. für 1 kg verzollt. Zeitschriftenschau Verkaufsbedingungen und Prüfung von Papier, Papierstoff- garnen und -geweben. Von Dr.-Ing. W. Heinke, Dresden. (Deutsche Seiler-Zeitung, Nr. 27 und folgende, Jahrgang 1916.) Die Arbeit gibt eine kurze Uebersicht über die allgemeinen Verkaufsbedingungen des Papiers, über die Prüfung von Papier und Papiergarnen und der dazu nötigen Vorrichtungen, Apparate und Hilfswerkzeuge. In dem Aufsatz wird Prüfung von Papier garnen nach folgenden Bedingungen, von‘denen die meisten dem. Papierfachmann bekannt sind, vorgeschlagen 1. Prüfung auf Rohstoffe. 2. Bestimmung der metrischen Feinheitsnummer N des Garnes. 3. Bestimmung des Durchmessers des Garnes. 4. Bestimmung der Breite, Dicke und des Quadratmeter gewichts des dem Garne zugrunde liegenden Streifens. 5. Bestimmung des scheinbaren und wirklichen Einheits gewichts des Papiers. 6. Bestimmung des Porositätsgrades des Papiers. 7. Bestimmung der Völligkeitswertziffer des Garnes. 8. Bestimmung der Drahtzahl und der durch das Zusammen drehen verursachten Verkürzung des Streifens. 9. Beurteilung der äußeren Beschaffenheit des Garnes. 10. Bestimmung der Festigkeit und Dehnung des Garnes a) der normalen Zerreißfestigkeit und Dehnung, b) des Falzverlustes, cj der Knitterfestigkeit, d) der Wasserfestigkeit nach Dr. Heinke. 11. Bestimmung der Leimung und Leimfestigkeit des Papiers. 12. Bestimmung der Feuchtigkeit. 13. Bestimmung des Aschengehalts und damit der Füllstoffe des Papiers. Büchertisch Auf dem Gebiete der Papiergarnindustrie sind zurzeit außer den von verschiedenen Fachzeitschriften herausgegebenen Sonder abdrücken im Buchhandel nur folgende 2 Werke erschienen: 1. E. Pfuhl, Papierstoffgarne. Dieses Werk ist im Jahre 1905 erschienen und behandelt namentlich in eingehender Weise das Verfahren zur Herstellung von Kronschen Silvalingarnen. Das Verfahren ist wohl kaum noch in der beschriebenen Weise in An wendung. Das Buch ist daher veraltet. 2. Dr.-Ing. W. Heinke, Papierstojfgarne und -gewebe, Verlag: Berg & Schoch, Berlin, 1916. Dieses Werk gibt die Geschichte, Herstellung und Verwendung dieser Game bis in die neueste Zeit wieder. 3. Außerdem ist in unserem Verlage der in der Papier-Zeitung erschienene Aufsatz „Papierstoffgame, -zwirne und -gewebe“ von Dr.-Ing. Wilh. Heinke, Dresden, als Sonderabdruck in Buchform erhältlich. (Preis 1 M.) Der Aufsatz behandelt in knapper Form das Gebiet der Papierspinnerei und -Weberei.