Volltext Seite (XML)
1370 PAPIER-ZEITUNG Nr. 72/1916 Preisaufschlag in Kriegszeiten In Freundeskreisen wurde behauptet, daß kein Kaufmann das Recht habe, während des Krieges mehr Nutzen zu nehmen, als in Friedenszeiten, daß also, wenn er beispielsweise 1 Zentner Tüten, die in Friedenszeiten 8 M. kosteten, mit 10 M. verkauft, er heute, falls 1 Zentner 26 M. kostet, im Verkauf nur 28 M. nehmen darf. Hat er ferner z. B. noch Tüten in einzelnen Größen zu 8 M. Einkauf am Lager, so seien diese zu 10 M. zu verkaufen, obwohl die neue Ware gleicher Größe z. B. 28 M. kostet. Ist dies der Fall, und wie weit trifft dies auch bei Selbstfabrika tion zu? Tütenfabrikant und Papiergroßhändler. Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Für die Be antwortung dieser Frage kann zunächst auf die Antwort in Nr. 70 auf S. 1327 (betreffend „Preiserhöhung für Lagerware”) Bezug genommen werden, welche die Voraussetzungen erörtert, unter denen nach der gegenwärtigen Gesetzgebung und Recht sprechung ein Verkaufsgewinn als zulässig oder als übermäßig anzusehen ist. Danach kommt es vor allem darauf an, ob die zu verkaufende Ware zu den Gegenständen zu rechnen ist, auf welche die BRVO (Bundesratsverordnung) vom 23. Juli 1915 Anwendung findet. Diese Frage wird im vorliegenden Falle zu bejahen sein, sofern es sich bei den Tüten um „Gegenstände des täglichen Bedarfs” im Sinne der VO handeln sollte, was nicht ausgeschlossen erscheint. In diesem Falle wäre ein Ver kauf derselben zu einem einen übermäßigen Gewinn ent haltenden Preise als strafbar und nichtig anzusehen. Bei Gegen ständen, welche bereits vor dem Kriege gehandelt wurden, wird bei der Beurteilung der Frage, ob der erstrebte Gewinn als übermäßig anzusehen ist, im allgemeinen der Gewinn vor dem Kriege als Maßstab heranzuziehen sein. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß bei solchen der Gewinn im Kriege dem Gewinn vor dem Kriege stets absolut gleich bleiben müsse. Vielmehr kommen für die Entscheidung der Frage nach der Uebermäßigkeit des Gewinnes nachstehende vom Reichsgericht in den bereits früher zitierten beiden Entscheidungen in der neuesten Nummer der Juristischen Wochenschrift (1916 S. 1131 Nr. 29, S. 1132 Nr. 30) aufgestellten Grundsätze in Betracht. Danach sind zu den eigentlichen Selbstkosten der Anschaffung oder Herstellung der Ware zunächst die Betriebsunkosten, und zwar sowohl die etwa auf die hergestellte Ware entfallenden besonderen Betriebsunkosten als auch der darauf entfallende Anteil an den allgemeinen Betriebsunkosten des Geschäfts (Miete für die Geschäftsräume, Löhne für die Angestellten, Unterhalt der Betriebsmittel, Reklame usw.) hinzuzurechnen. Erst nach Abzug dieser Unkosten läßt sich ermitteln, welcher Gewinn als Reinertrag übrig bleibt, und nur dieser Reinertrag kommt für die Frage, ob ein übermäßiger Gewinn im Sinne des § 5 der BRVO vom 23. 7. 1915 vorliegt, in Betracht. Dieser Reingewinn ist dazu bestimmt, den Unternehmerlohn, den Kapitalzins und die Risikoprämie zu decken. Der Unternehmer- lohn stellt die Vergütung der vom Unternehmer selbst geleisteten Arbeit dar, die Risikoprämie die Entschädigung für das Risiko des Unternehmens. Hiervon ausgehend gelangt das RG zu dem für die Frage der Uebermäßigkeit grundlegenden Satze: „Ein Reingewinn, der nicht höher ist, als daß er Unternehmerlohn, Kapitalzins und Risikoprämie deckt, sofern diese sich in ange messenen Grenzen halten, ist niemals übermäßig.’’ Je nachdem also eines dieser drei Elemente des Reingewinns infolge des Krieges Steigerung erfahren hat, wird der Reingewinn gegen über demjenigen vor dem Kriege erhöht werden dürfen. Diese Voraussetzung wird hinsichtlich des Unternehmerlohnes dann gegeben sein, wenn der Geschäftsinhaber oder Fabrikant er höhte persönliche Arbeit gegen früher aufzuwenden hat; hin sichtlich des Kapitalzinses dann, wenn das in dem Unternehmen stehende Kapital für sich selbst einen höheren Zins bringen könnte, und hinsichtlich der Risikoprämie dann, wenn das Risiko des ganzen Unternehmens infolge des Krieges gewachsen sein sollte. Liegt keiner dieser Gründe für Erhöhung des Rein gewinns vor, so kann gleichwohl der Gewinn als solcher, also der sowohl den Reingewinn als auch die Vergütung der Be triebsunkosten umfassende Unterschied zwischen Herstellungs- und Verkaufspreis (Bruttogewinn) sich im Kriege erhöhen, sobald diese Betriebsunkosten, z. B. infolge gesteigerter Löhne, größer geworden sind. Nach diesen Grundsätzen wird zu ent scheiden sein ob und inwieweit der vor dem Kriege an den Tüten erzielte Rohgewinn von 2 M. im Kriege erhöht werden darf. Die Steigerung des Einkaufspreises rechtfertigt solche Erhöhung nicht, sofern die übrigen für die Höhe des Brutto gewinns und Reingewinns maßgebenden Umstände im Kriege die gleichen geblieben sind wie vor dem Kriege. Sollten die hier in Rede stehenden Tüten nicht als unter die BRVO vom 23 7. 1915 fallend anzusehen sein, so würde, wie bereits in Nr. 70 ausgeführt ist, ein Verkauf mit über mäßigem Gewinn dennoch, weil gegen die guten Sitten ver stoßend als nichtig anzusehen und die Frage, ob übermäßiger Gewinn vorliegt, nach den gleichen Merkmalen zu entscheiden sein. Aus Vorstehendem ergibt sich zugleich, daß die noch zum Einkaufspreise von 8 M. vorhandenen Tüten mit dem bisherigen Gewinn von 2 M. zu verkaufen sind, falls keine der angegebenen Voraussetzungen vorliegt, welche Erhöhung des Gewinns recht fertigen würden, und der Gewinn von 2 M. nicht selbst bereits etwa als übermäßig anzusehen wäre. Erschwernisse der Ausfuhr Die Verordnung des Bundesrats vom 16. März 1916, die das Verbot enthält, Sendungen nach dem neutralen Ausland zu fran kieren, hat so tief und empfindlich eine ganze Reihe deutscher Aus fuhrfirmen getroffen, daß ihre sofortige Aufhebung oder wenigstens weitgehende Milderung als ein dringliches Gebot erscheint. Infolge der bedauerlicden Tatsache, daß die Markvaluta so stark gesunken ist, haben viele Käufer des neutralen Auslandes veranlaßt, in Deutsch land große Bestellungen zu machen, weil sie eben durch den tiefen Markkurs bei uns billiger kaufen, wie z. B. in England, Holland usw. Die Verbilligung des Einkaufs tritt aber für das neutrale Ausland in größerem Umfang nur dann ein. wenn die Fracht bei Abgang der Ware — es handelt sich um Waggonsendungen — bezahlt und die Rechnungen in Mark atsgestellt werden. Sobald die Fracht vom Empfänger der Ware bezahlt werden muß, rechnet die Bahn sie zum derzeitigen Kurs um. wodurch sich der Preis der Ware ganz außer ordentlich verteuert. Um diese sehr wesentliche Preissteigerung zu vermeiden, hat man versucht, die Frachtkosten wenigstens bis zur Grenze bei Abgang der Ware zu zahlen, doch erhebt neuerdings die Bahn in solchen Fällen einen Frachtzuschlag von 40 v. H. Die Bestimmung der Regierung soll den Zweck haben, die Valuta zu heben. Bei Waren, die das neutrale Ausland nur aus Deutsch land beziehen kann, wie Farben, ist das Verfahren der Regierung nicht besonders nachteilig, denn die Käufer sind auf uns angewiesen und müssen die geforderten höheren Preise und Frachten zahlen. Ganz anders liegt es aber bei denjenigen Waren, die einem Ausfuhr verbot nicht unterliegen, deren Versand also aus wirtschaftlichen Gründen geboten erscheint, die aber das neutrale Ausland zu billigen Preisen auch aus anderen Ländern holen kann. In solchen Fällen wäre es unserer Ansicht nach bedeutend wichtiger, den Verkauf nach dem Ausland soviel wie möglich zu fördern. Die Summen, die wir dadurch unserem Lande zuführen können, würden einen nicht zu verachtenden Ausgleichsbeitrag für die Valutaverluste darstellen. Da die Markvaluta heute ungefähr die gleiche geblieben ist, wie vor mehreren Monaten, haben sich alle Regierungsmaßnahmen zur Valutahebung nicht bewährt. Doppelt hart werden nun aber diejenigen Firmen betroffen, die schon vor Erlaß der Verordnung Abschlüsse mit dem neutralen Auslande getroffen hatten und nun gehalten sind, sie auszuführen, obschon von einem Nutzen nicht mehr gesprochen werden kann. Hier liegt ein Fall einer so unnötigen und schädlichen Härte der Regierung vor, daß der Herr Reichskanzler sofort eingreifen müßte. Wie wir erfahren, haben sich die „Aeltesten der Kaufmann schaft von Berlin" in dieser Angelegenheit an den Reichskanzler gewandt, um diese den deutschen Handel und die Industrie schwer schädigende Bestimmung zu beseitigen. Darauf soll nunmehr amt lich mitgeteilt worden sein, daß bei einer Anzahl von Artikeln, die an der Grenze oder an einer Binnenstation umgehandelt werden, im Verkehr nach Deutschland von der Erhebung des-40 prozentigen Zuschlages abgesehen werden soll. Die entsprechenden Ausnahme- tarife sollen alsbald eingeführt werden. Dieses Entgegenkommen der Regierung, deren Absichten wir vollauf verstehen und würdigen, halten wir für völlig unzulänglich, denn es beseitigt nicht die Schädi gungen der einzelnen deutschen Unternehmer, sondern kann besten falls eine gewisse Einfuhr aus dem Ausland fördern. Die Vereinigung zur Förderung deutscher Wirtschaftsinteressen im Ausland hat darum in einer Eingabe an den Herrn Reichskanzler die Aufhebung der Bundesratsverordnung vom 16. März dieses Jahres, oder doch die volle Beseitigung des Frachtzuschlags von 40 v. H. gefordert. ,, Deutscher Dienst. Nachrichtenblatt der Vereinigung zur Förderung deutscher Wirtschaftsinteressen im Ausland“ Unlauterer Wettbewerb? Zu Nr. 69 S. 1299 Die einsendende „Papierwarenfabrik” ersucht uns, auf Grund ihrer Angaben die Antwort zu berichtigen, die wir auf die Anfrage aus dem Felde in Nr. 64 auf Seite 1195 erteilt haben. Wenn die Angaben der Papierwarenfabrik richtig sind, und wir haben keine Veranlassung, daran zu zweifeln, so erklären wir gerne, daß unseres Erachtens eine Klage des Einsenders aus dem Felde gegen die Papierwarenfabrik wegen unlauteren Wett bewerbs aussichtslos ist, und daß er gegen die Papierwaren fabrik Ansprüche mit Erfolg nicht geltend machep kann.