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Nr. 64/1916 PAPIER - ZEITUNG 1191 der Naßfilz nach Verlassen der Brustwalze bis nahe an den Erdboden und dann erst zur Spannwalze geführt wird, so daß die Arbeiter die Spannwalze von der vorderen Maschinenseite nicht sehen und erreichen können. In den neuen Unfallverhütungsvorschriften soll diese Filzführung vorgeschrieben werden. Bemerkenswerte Unfälle: In einem Betriebe ereigneten sich an Holzwoll-Hobelmaschinen innerhalb kurzer Zeit ein schwerer und zwei tödliche Unfälle da durch, daß im Augenblick des Lockerns des Holzstückes zur Aenderung der Schnittfläche das Holzstück vom Messerschlitten erfaßt und mit großer Gewalt herausgeschleudert wurde. Trotz der vereinten Bemühungen der Fabrikleitung, des technischen Aufsichtsbeamten und des Gewerbeinspektors war es nicht möglich, einen wirksamen Schutz ohne gänzlichen Umbau der Maschine zu erreichen. Auch Rückfrage bei dem Aufsichtsbeamten der Bayerischen Holzindustiie-Berufsgenossenschaft blieb ohne Ergebnis. Die Fabrikleitung ordnete infolge der Unfälle das Tragen von Lenden schürzen aus fester Pappe an. Derartige Schürzen hindern jedoch die Arbeiter sehr an der freien Bewegung und werden deshalb nur mit Widerstreben getragen, auch bieten sie keinen wirksamen Schutz, da die Flugrichtung der geschleuderten Holzstücke verschieden ist. Das rasche Aufeinanderfolgen der drei Unfälle war umso auffallender, als an den Maschinen seit Jahren kein nennenswerter Unfall vor gekommen ist, und die verletzten Arbeiter schon längere Zeit die Maschinen bedienten. In einer Pappenfabrik wollte der Kollergangführer während der Nacht ein neu eingebautes Vorgelegelager auf Warmlaufen beob achten. Obwohl er vom Boden aus das Lager anfühlen konnte, benutzte er hierzu eine etwas zu lange Leiter, die er zwischen die Vorgelegewelle und die Wand stellte. Infolge des geringen Zwischen raumes zwischen Welle und Leiter wurde der Verletzte von der Welle an den Kleidern erfaßt, herumgeschleudert und getötet. Ein Maschinengehilfe, der die abgerissenen Papierbahnen nach der Trockenpartie überführen sollte, beugte sich zu weit über die Brustwehr vor, so daß er am Arm erfaßt und in die Walzen gezogen wurde. Durch den Diuck sprang die Leitwalze des Trockenfilzes aus dem Lager. Infolge dei Erweiterung des Zwischenraums fiel der Verletzte auf den Filz und wurde von diesem mitgenommen, so daß der Kopf zwischen Trockenzylinder und Filztrockner ein geklemmt wurde. Auf den Unfall wurde man erst durch das Heraus springen der Filzleitwalze aufmerksam, weshalb es trotz des so fortigen Abstellens des Motors nicht mehr möglich war, den Maschinengehilfen zu retten. Ein Arbeiter, der ein in einer Mauer sitzendes Fußlager zu ölen hatte, stellte sich, statt eine vorschriftsmäßige Leiter zu benutzen, auf das große Handrad des Schützenaufzuges, der unter der Trans mission angebracht war. Er wurde mit den Kleidern von der Welle erfaßt und totgequetscht. Ein Kollergangführer betrat, ohne seine Mitarbeiter verständigt zu haben, früh morgens vor Beginn der Arbeit das Biet des Koller ganges, um diesen zu schmieren. Ein anderer Arbeiter, dessen Maschine von dem gleichen Triebwerk angetrieben wurde, setzte den Motor in Bewegung, wodurch der Kollergangführer umgeworfen und getötet wurde. Ein Saalmeister betrat den Abnahmetisch eines Querschneiders, um eine Schraube am Messerbalken anzuziehen. Nachdem diese Arbeit beendet war, befahl er die Inbetriebsetzung des Quer schneiders, ohne zu beachten, daß er zwischen der Abnahmezange und dem Messerbalken stand. Infolgedessen wurden ihm beide Unter schenkel gequetscht und das linke Bein außerdem gebrochen. In gleicher Weise verunglückte ein anderer Arbeiter einige Wochen später in demselben Betrieb. Eine Reihe von Unfällen ereignete sich beim Schließen der Entleerungsschieber an Kollergängen, indem die Arbeiter versuchten, die Führungsrinnen für den Schieber während des Ganges mit den Fingern von dem anhängenden Stoff frei zu machen. Ein jugendlicher Arbeiter wurde mit dem Kopf zwischen Bogen abnehmer und Messerbalken eines Querschneiders eingeklemmt gefunden und starb an dem erlittenen Schädelbruch. Der Unfall hergang konnte mangels unmittelbarer Zeugen nicht einwandfrei festgestellt werden. Jedenfalls ist der Getötete, der mit Ausfegen des Arbeitsraumes beschäftigt war, unter den Bogenabnehmer gekrochen, um Papierschnitzel aufzunehmen und beim Wieder aufrichten von dem wagerecht sich bewegenden Bogenabnehmer mit dem Kopf gegen den Messerbalken gedrückt worden. Ein Arbeiter geriet beim Vorlegen eines Hemmschuhes mit dem Kopf zwischen die Puffer zweier Eisenbahnwagen, so daß der Kopf vollständig zerquetscht wurde. Bei den Aufräumungsarbeiten nach einem Fabrikbrand wurde unter dem Schutt die Leiche eines Arbeiters gefunden. Der Arbeiter hatte bei Ausbruch des Brandes mit anderen Arbeitern die Fabrik verlassen, war später aber anscheinend wieder zurückgekehrt, um seinen Rock zu holen, denn die Leiche wurde mit dem Rock über dem Arm an der Stelle gefunden, an der die Arbeiter ihre Kleidungs stücke aufzubewahren pflegten Ein Arbeiter wurde in einem leeren Kocher, in dem er Aus besserungsarbeiten vornehmen sollte, tot aufgefunden. Die elektrische Lampe, die in den Kessel hineingelassen worden war, brannte noch und der Tote lag über sie gebeugt. Die Untersuchung ergab, daß die äußere Lampenfassung einen kleinen Fehler hatte, und der Tod durch den elektrischen Strom — Drehstrom von 220 Volt — herbei geführt worden war. Dieser Unfall zeigt, wie gefährlich auch Schwachstromleitungen werden können, insbesondere wenn — wie hier — durch Herabsetzung der Leitungswiderstände der Strom durch den ganzen Körper geleitet werden kann, was bei Arbeiten in Kesseln, bei denen der Körper häufig mit breiter Fläche an der Kesselwand anliegt, sehr leicht möglich ist. Ein Arbeiter, der an dem Antrieb einer Kondenswasserpumpe eine Reparatur auszuführen batte, wurde neben der Pumpe liegend mit einem Schädelbruch aufgefunden. Er starb noch am gleichen Tage. Da Anzeichen eines voiausgegangenen Schlaganfalles nicht vorhanden waren, ist anzunehmen, daß der Verletzte ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand gefallen ist. Beim Einsetzen eines neuen Papierballens unter die Packpresse fiel plötzlich die hochgezogene Preßplatte herunter und zerquetschte den Kopf des über den Ballen gebeugten Arbeiters vollständig. Die Preßplatte war vorher zu hoch gehoben und derart gegen das Obeigestell gepreßt worden, daß die Befestigungsschrauben ge sprungen waren. Schluß folgt. Preiserhöhungen 1454. Schiedspruch Schiedsprüche werden kostenfrei gefällt und ohne Namen der Beteiligten veröffentlicht Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit mit der Geschäfts bücherfabrik Y bezüglich des Preises für Kuvertpapiere, worüber Sie Ihren in Nr. 35 abgedruckten 1443. Schiedspruch fällten. Es steht aber noch die Frage offen, ob die Firma 60 grammiges Papier, wie bestellt, oder 70 grammiges, wie von uns angenommen und bestätigt, zu bezahlen hat. Wir haben uns mit unserem Abnehmer geeinigt, auch diese Frage durch Ihren Schiedspruch entscheiden zu lassen. Einliegend empfangen Sie nochmals den gesamten Briefwechsel. Wie daraus hervorgeht und laut Aufstellung (Beilage 24) hatte unser Abnehmer 6000 kg Briefumschlagpapier 60 g/qm schwer bestellt. Wir erwiderten, daß wirnur mindestens 70 g schwer liefern können, und bestätigten dementsprechend. Die heutigen Arbeitsverhältnisse in unserem Betrieb machen uns die Herstellung leichterer Papiere unmöglich. Trotzdem wir die Papiere nur mit 70 Gramm Schwere angenommen und bestätigt haben, will sie unser Abnehmer nur wie 60 grammige bezahlen. Wir bestreiten die Berechtigung dieses Anspruches und unterwerfen uns Ihrem Schiedsprüche. Papierfabrik X * * * Im Anschluß an Ihren Schiedspruch vom 30. März, dem ich mich unterworfen hatte, haben sich jetzt wieder neue Streitpunkte er geben. Nach dem letzten Urteilsspruch schreibt mir die Papier fabrik, sie könne die bestellten Papiere nicht wie bestellt 60 g/qm (wie die Fabrik schon schriftlich bestätigte) sondern 70 g/qm schwer liefern. Ich erklärte mich mit dem schwereren Papier einverstanden, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß das Papier wie 60 grammig berechnet würde. Heute verlangt die Fabrik das volle Gewicht bezahlt. Dadurch, daß mir die Fabrik seinerzeit erst drei Wochen nach Auftragserteilung die Preiserhöhung von 10 Pf. aufs Kilo mitteilte, sind mir schon über 1000 M. Schaden entstanden, die Fabrik kann nun doch nicht verlangen, daß ich bei demselben Auftrag weitere 600 M. Schaden erleiden soll. Aus dem Papier werden Briefumschläge hergestellt, welche nicht nach Gewicht sondern nach Stück bezahlt werden; für dieses Papier liegen Aufträge vor, welche auf Grund der früheren Preise ohne Aufschlag berechnet sind. Ich bin der Ansicht, daß die Fabrik entweder 60 Gramm schwer liefern mußte, wie sie bestätigte, oder den Schaden tragen muß, welcher mir dadurch entsteht, daß ich jetzt statt 60 Gramm schwerem Papier 70 Gramm schweres verwenden muß. Ihrem Urteilsspruch werde ich mich unterwerfen. Y, Geschäftsbücherfabrik Die Papierfabrik teilte nach Empfang des in Nr. 35 abge druckten Schiedspruches der Briefumschlagfabrik mit, daß sie das Papier, zu dessen Lieferung mit 60 g/qm Schwere sie durch den Schiedspruch verpflichtet ist, nur 70 g/qm schwer her stellen könne, nicht leichter. Die Geschäftsbücherfabrik er klärte sich telegraphisch mit dieser Aenderung ,,unter Vor behalt aller Rechte und Schadloshaltung” einverstanden, schrieb aber nicht, wie sie behauptet und der Deutlichkeit halber hätte tun sollen, daß dasPapiertrotzdemnur so bezahlt werden solle, wie wenn es 60 g/qm schwer wäre. Die Papierfabrik faßte die Genehmigung so auf, daß die Briefumschlagfabrik das Papier nach dem wirk lichen Gewicht bezahlen wolle, wie es im Papiergeschäft üblich ist. Beide Teile waren also bei Abschluß des Geschäfts über dieselbe Sache verschiedener Meinung. Da einerseits die Brief umschlagfabrik von der größeren Schwere des Papiers keinen Vorteil hat, die Papierfabrik anderseits dafür erhöhte Rohstoff kosten aufwenden mußte, entscheiden wir, daß das Papier so bezahlt werden muß, wie wenn es 65 g/qm schwer geliefert worden wäre. Von dem Gewicht des 70 g/qm schwer gelieferten Papiers sind also bei der Berechnung 5:0,7 = 7 v. H. abzuziehen.