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2 PAPIER-ZEITUNG Nr. 1/1916 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Bericht über die Hauptversammlung in Berlin, Papierhaus am 27. November Fortsetzung zu Nr. 103 10. Beantwortung und Besprechung eingelaufener Fragen: 1. Frage: Welche Mittel bieten sich in der Sulfitcellulose- Industrie zum Ersatz von teuer gewordenem Schwefel und Schwefelkies^ Geheimrat Professor l)r. Frank, Dr. ing. h. c., Charlotten burg: Unter den Rohstoffen, deren Zufuhr unsere Gegner im jetzigen Weltkriege zwecks Schädigung unserer militärischen und gewerblichen Leistungen zu hemmen suchen, nehmen .Schwefel und Schwefelkies eine wichtige Stelle ein, denn wenn wir auch das alte Schwarzpulver, in dessen Zusammensetzung der Schwefel unentbehrlich ist, für Kriegszwecke kaum noch benötigen, so ist doch für Herstellung der jetzt als Treib- und Explosivstoffe meist verwendeten Nitrokörper die Schwefel säure und die bisher noch meist mit ihrer Hilfe hergestellte Salpeter säure nicht zu entbehren, wie auch für zahlreiche andere industrielle Vorgänge Schwefelsäure und schweflige Säure durchaus notwendig sind. Zu den Industrien, welche schweflige Säure in großen Mengen benötigen, gehört als uns hier am meisten angehend die Sulfitzellstoff- Fabrikation. Da nun die Zufuhr der zur Herstellung von schwefliger Säure verwendeten Rohstoffe Schwefel und Schwefelkies, die uns zumeist vom Ausland kommen (Schwefel aus Italien, den Ver einigten Staaten und Japan, Schwefelkies aus Spanien, Portugal, Griechenland usw.) durch den Krieg teils erschwert, teils ganz ab gesperrt ist, so wurde es zu einer wichtigen Aufgabe der deutschen Wissenschaft und Technik, uns andere heimische Quellen dafür ebenso zu erschließen, wie uns dies bei den salpetersauren Salzen gerade zur rechten Zeit gelungen ist. Es kam hinzu, daß sich Zell stoff auch als geeigneter und gleichwertiger Ersatz für Baumwolle erwiesen hat, deren überseeische Zufuhr man uns ebenfalls unter dem nichtigen Vorwande, daß sie für unsere Herstellung von Sprengstoffen unentbehrlich sei, abzuschneiden versuchte. Daß auch diese, wie so viele andere von unseren Gegnern gemachten Angaben gegen besseres Wissen behauptet wurden, geht am klarsten daraus hervor, daß neben deutschen gerade englische und fran zösische Chemiker die Brauchbarkeit anderen als Baumwoll-Zell- Stoffs zum Nitrieren schon in den 1880 er Jahren festgestellt hatten. Auf Grund in den 1890 er Jahren von mir mit gut gereinigtem Sulfitzellstoff gemachter Versuche konnte ich dies hierfür auch noch besonders bestätigen, habe dabei aber festgestellt, daß in folge der ungleichen Dicke der Wandungen der Tüpfelzellen der Nadelhölzer für eine der flachen, bandförmigen Baumwollzellen völlig gleichkommende Nitrierung und Dichte des Erzeugnisses etwas größere Sorgfalt erforderlich war, eine Aufgabe, die von den deutschen Sprengstoff-Fabriken längst und so vollkommen gelöst ist, daß wdr jetzt in der gut vorbereiteten Zellstoffaser, so -weit dies nötig erscheint, einen vollkommenen Ersatz für nitrierte Baumwo'le besitzen, ein Grund mehr, unsere Zellstoff-Fabrikation leistungs fähig zu erhalten. Wenn wir nun auch in den Kieslagern von Meggen i. Westf. einen recht bedeutenden und trotz des Zinkgehalts des dort ge förderten Kieses für die Zellstoff-Erzeugung durchaus brauchbaren Rohstoff besitzen, und .wenn wir auch schon in füherer Zeit von der bei Röstung der Zinkblende entstehenden schwefligen Säure in flüssiger Form ausgiebigen Gebrauch gemacht haben, so sind diese Mengen doch für die jetzige Ausdehnung der deutschen Zellstoff- Fab.ikation nicht ausreichend, es war daher Sache der chemischen Technik, weitere inländische Quellen für die Massengewinnung von schwefliger Säure zu erschließen, eine Aufgabe, die neben vielen anderen auch von mir in Angriff genommen wurde, und über die ich Ihnen hier kurz berichten möchte. Wir besitzen in Deutschland unerschöpfliche und leicht zu gängliche Vorräte von schwefelhaltigen Mineralien namentlich in unseren ausgedehnten Gipsiagern. Der in großer Reinheit or- kommende kristallisierte Gips enthält neben 20,93 v. H. Kristall wasser in 100 Teilen: 32,56 v. H. Kalk und 46,51 v. H. Schwefel säure, welche letztere 18,6 v. H. Schwefel und 37,2 v. H. schwefliger Säure entspricht, so daß 100 Teile Gips nach ihrem Schwefelgehalt mehr als genügen würden, um 1 cbm stärkste Sulfitlauge her zu stellen. Da aber, um dies zu erreichen, ziemlich mannigfaltige An lagen und chemische Vorgänge, auf die ich später noch zurück kommen werde, erforderlich sind, so wandte ich meine Aufmerksam keit auf ein anderes schwefelsäurehaltiges Mineral, welches ein fachere und bequemere Verarbeitung ermöglicht, nämlich auf die von den Mineralogen als ,, Kieserit“ bezeichnete schwer lösliche, schwefelsaure Magnesia mit 1 Atom Wasser MgO SO 3 + HO (= Mg SO4‘+ H 2 O), welche sich in den Staßfurter und in anderen deutschen Kalisalz lagern in großen Mengen schichtweise zwischen den eigentlichen Kali- und Natronsalzen findet. Versuche, die bereits aus den Jahren 1861—62, dem Beginn meiner Tätigkeit in der Staßfurter Kali industrie, stammen, hatten mir gezeigt, daß die Schwefelsäure an Magnesia weniger fest gebunden ist als an Kalk, und daß sie daher aus dem Kieserit schon bei mäßiger Glühhitze unter Zurücklassung von. Magnesia (Magnesiumoxyd) ausgetrieben werden kann. Noch leichter findet diese Zerlegung statt, wenn man den Kieserit mit Kohle oder kohlenstoffhaltigen organischen Stoffen mischt, da unter deren Einwirkung die Schwefelsäure zu der leichter flüchtigen schwefligen Säure reduziert wird. Die nach dieser Richtung damals wenig beachteten älteren Versuche wurden später von Professor Heinrich Precht, früher in Staßfurt, jetzt in Hannover, in sehr sorgfältiger wissenschaftlicher Weise wieder aufgenommen, und er hat darüber im Jahre 1881 in der Zeitschrift „Die chemische Industrie" unter der Bezeichnung „Die Darstellung von Magnesia aus Kieserit" einen Bericht ver öffentlicht, laut welchem nach der Gleichung 2 Mg SO 4 + C = 2 Mg O + 2SO 2 4 CO2 die Bildung einerseits von Magnesia, anderseits von schwefliger Säure und Kohlensäure glatt erfolgt, wie Precht auch auf die Mög lichkeit der technischen Verwendung der schwefligen Säure hin weist. Diese in normalen friedlichen Verhältnissen kaum Erfolg versprechende Zerlegung und Verwendung des Kieserits würde in jetziger Zeitlage praktische Bedeutung namentlich für die Zellstoff- Industrie erlangen, da in diesem Falle nicht bloß die aus dem Kieserit gewonnene schveflige Säure, sondern auch die beim Kalzinieren zurückbleibende Magnesia für Herstellung der schon nach Ekmans Ermittlungen als besonders günstig wirkenden Magnesiumbisulfit lauge mit bestem Erfolge benutzt werden könnte. Bei der im letzten Sommer erfolgten Wiederaufnahme meiner hierauf bezüglichen Arbeiten hatte ich eine Veränderung und Ver einfachung der Apparatur in der Weise vorgesehen, daß das Glühen des Kieserit-Kohlegemisches nicht (wie früher von mir und von Precht angegeben) in Flammenöfen, sondern in geschlossenen Muffeln oder in Vertikal-Retorten vorgenommen werde, wodurch der Vorgang sich zu einem ununterbrochenen gestalten ließ, während gleichzeitig die Gewinnung von sehr hochgrädigem, nur mit Kohlen säure gemischtem Schwefligsäuregas erzielt und die sehr kost spieligen Kühlanlagen zum allergrößten Teil erspart wurden. Da ferner von dem mit der Gesamtleitung der deutschen Kaliindustrie betrauten Kalisyndikat die Preise des Kieserits verhältnismäßig billig festgesetzt waren, und 100 Kilo Kieserit bei einem Gehalt von 60—65 v. H. wasserfreier schwefelsaurer Magnesia die für Her stellung von 1 cbm Sulfitlauge mit 3,2 v. H. Gesamt-SO, nötige schweflige Säure liefern können, so bot sich damit die Möglichkeit, Sulfitlauge ungefähr zu demselben Preise herzustellen, wie er sich bei Benutzung von Schwefel zum normalen Preise von 10—11 M. und einer Ausbeute von 190 Kilo SO, auf 100 Kilo Schwefel be rechnet, während gleichzeitig die Vorteile der Gewinnung von Magnesiumbisulfitlauge mit geboten waren. Um aber dieses, selbst für die Zeit nach Beendigung des Kriegs zustandes so günstig erscheinende Verfahren der Zellstoff-Industrie mit Aussicht auf Erfolg, wie auch auf Ersatz der durch seine Ein führung immerhin entstehenden Kosten empfehlen zu können, mußte ich Sicherheit für dauernde Lieferung des Kieserits vom Kalisyndikat erlangen, stieß aber in diesem Punkte auf Hemmnisse, da mir das Kalisyndikat erklärte, daß es nach Wiedereröffnung der Ausfuhr von Kalidüngemitteln die gesamte Kieseritgewinnung in erster Reihe der Herstellung der hochgrädigen konzentrierten schwefelsauren Kalidüngemittel Vorbehalten müsse und daher weitere feste Lieferungsverpflichtungen umsoweniger übernehmen könne, als auch zurzeit schon größere Mengen von Kieserit an eine bedeutende chemische Fabrik in Süddeutschland zur Gewinnung von schwefliger Säure für die Schwefelsäure-Gewinnung fest zu gesagt seien. Obgleich nun die Verwendung des Kieserits füi die Schwefel säure-Fabrikation aus naheliegenden Gründen (Schonung der Blei kammern usw.) ein Material von möglichst geringem Chlorgehalt erforderte, während ein solches Hemmnis für die Darstellung der Sulfitlauge kaum in Betracht kommt, werden Sie es begreifen, daß ich mit Rücksicht auf die Mitteilungen des Kalisyndikats da von Abstand nahm, Ihnen dieses nach meiner Ansicht technisch sonst so aussichtsvolle Verfahren für den Großbetrieb zu empfehlen.