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Nr. 7/1916 PAPIER-ZEITUNG 103 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Bericht über die Hauptversammlung in Berlin, Papierhaus am 27. November Fortsetzung zu Nr. 3 (Die 4: Frage, betreffend die Verwendung von Bisulfat anstelle von schwefelsaurer Tonerde, wird später abgedruckt, weil noch nicht alle Redner ihre Ausführungen berichtigt und eingesandt haben. Der Schriftführer.) ■5. Frage: Welche Harzersatzmittel haben sich bewährt? Herr Ferenczi verliest folgenden von einem österreichischen Mitglied eingelaufenen Brief: Bei der schwierig gewordenen Beschaffung von Harz, daher auch von Harzleim, sind die Preise für diese zwei Stoffe stark hinaufgegangen. Es ist daher natürlich, wenn man sich überall in unserm Fache Mühe gibt, Ersatzmittel für Harz und Harzleim zu schaffen. Haben doch schon lange vor dem Kriege infolge der Preistreiberei der Amerikaner mit Harz die reichsdeutschen Fach- vereine große Preise ausgesetzt, um die Chemiker zur Schaffung eines vollwertigen Ersatzmittels für Harzleim anzuspornen. Daß ein solches nicht gefunden wurde, beweist, wie schwer es ist, das Harz in der Papiererzeugung durch einen andern Stoff voll zu er setzen. Was jedoch in Friedenszeiten auf vielen anderen Gebieten nicl t gelungen ist, wurde während des Krieges durch den Umstand, daß Not erfinderisch macht, oft innerhalb der kürzesten Zeit gelöst. Es wurden für die wichtigsten Stoffe fast vollwertige Ersatzmittel sozusagen aus dem Boden gestampft und fast zur allgemeinen Ein führung gebracht. Geht doch jetzt sogar das Gerücht herum, daß man auf dem Wege ist, auch für Kautschuk Ersatz zu schaffen, und daß unser Fach berufen sei, dies zu tun: Man spricht, daß Reifen für Kraftwagen aus entsprechend zubereiteten Papierstoffen her gestellt werden. In der Fachpresse (s. Nr. 90 S. 1729 und Nr. 93 S. 1781 der Papier-Zeitung von 1915) wurde jüngst von „Tag"leim und Collodin als Papierleimstoffen berichtet. Es ist freilich ein großer Irrtum, wenn man dem Talkum leimende Eigenschaften zumutet, ich möchte fast sagen, andichtet. Talkum hat alle gegensätzlichen Eigenschaften, nur keine leimenden, und man muß sich wundern, daß es noch Leute gibt, die von einer leimenden Wirkung des Talkums sprechen. Dagegen dem Tierleim die Bedeutung als Leimmittel, dem Papierbrei zugesetzt, abzu sprechen, ist meinet Ansicht nach ein Unrecht. Nicht nur als Ober flächenleim hat der Tierleim oder hat Tierleimpulver seine Be rechtigung, sondern auch als Leimmittel im Holländer. Der erfahrene Papiermacher weiß, daß, wenn irgendein Papier durch verschiedene Umstände gar nicht leimfest zu bekommen ist, er beruhigt zu Tier leim greifen kann, um das angestrebte Ziel, freilich mit hohen Kosten, zu erreichen. Ich kann deshalb den Ausführungen in Nr. 90 S. 1729 nicht beipflichten. Wie schon erwähnt, ist das Schreibfestmachen des Papiers mit Tierleim nicht billig, es ist aber nicht zwecklos, wie der Verfasser P. in seinem Aufsatz sagt. Er behandelt auch das Collodin in seiner Leimwirkung zu unterschätzend. Bevor Collodin in großen Mengen hergestellt wurde und zum Verkauf gelangte, wurde es schon gewissermaßen als Geheimmittel von tüchtigen Papiermachern gegen das Stauben von Rollendruckpapier mit Erfolg angewendet. Das Stauben solchen Papiers rührt nämlich entweder von ungenügender Bindung der Füllstoffe oder von schlechter Bereitung des Holzschliffs hei. Dieser kann dadurch für Rollendruck papier ungeeignet sein, daß er entweder aus zu altem Holze her gestellt oder beim Schleifen zu rösch wurde. Collodin bindet nun sowohl die Füllstoffe als auch den Holz schliff von der gedachten mangelhaften Beschaffenheit. Hieraus geht hervor, daß ihm eine nicht zu unterschätzende Leimkraft innewohnt. Uebrigens lehren die Erfahrungen des Krieges, daß man früher auch bei Papier viel mit Einbildungen arbeitete. Wenn vor dem Kriege den Verlegern so mangelhaft geleimte Druckpapiere unter gekommen wären, wie man sie jetzt, durch die Not bedingt, her stellen muß, so wären diese Papiere, ohne sie auszuprobieren, dem Erzeuger zur Verfügung gestellt worden. Heute ergibt es sich, daß für viele Zwecke fast ungeleimte Papiere brauchbar sind, daß man also in der Friedenszeit gewissermaßen mit einem Teil des Volks vermögens Verschwendung getrieben und Summen europäischen Geldes unnötig den Amerikanern in den Rachen geworfen hat. Die Erörterung des Ersatzes für Harz und für schwefelsaure lonerde steht auf der Tagesordnung der am 27. November in Berlin stattfindenden Hauptversammlung des Vereins der Zellstoff- und Papier-Chemiker. Zum Heile unseres Faches kann nur von ganzem Herzen gewünscht werden, daß diese Verhandlungen greifbare Ergebnisse zeitigen und dadurch zum Heile der Papiermacherei dienen. Sich auf die Gewinnung heimischen Harzes allzusehr zu verlassen, könnte meiner Ansicht nach leicht zu Enttäuschungen führen. Jos. Baudisch Dr. Max Müller verweist auf die Preise, welche von verschiedenen Seiten für einen guten Ersatz von amerikanischem Harz zur Leimung des Papiers ausgesetzt sind. Auf die neue Preisausschreibung der Harz-Verteilungsstelle hinweisend, würde es Redner für vorteilhaft halten, wenn nicht gefordert würde, daß die Bewerber um den Preis das Verfahren zu allgemeiner Verfügung stellen. Es erscheine zweckmäßiger, die Erfinder an dem Erträgnis des Verfahrens zu beteiligen, z. B., indem man ihnen dauernd einen erheblichen Anteil am etwaigen Reingewinn zusichert. Auch an den vom Verein Deutscher Papierfabri kanten vor Jahren ausgesetzten Preis muß erinnert werden. Dr. Pelzer: Der frühere Preis stand nur auf dem Papier. Das Problem war zu schwierig. Damals war Harz nicht über mäßig teuer. Wir haben jedoch jetzt, auch wenn der Krieg bald zu Ende ginge, keine Aussicht auf rasche Ermäßigung des Harzpreises. Beteiligung des Preisgewinners an dem Erträgnis ist ohnehin in Aussicht genommen. Dr. Müller erwähnt, daß die meisten fabrikmäßig hergestellten Papier-Leimstoffe auch Harz enthalten. Nur zwei Leime seien frei von Harz, der Mitscherlich-Leim und der neue Teerleim von Prof. Heuser. Prof. Heuser berichtet kurz über seinen Teerleim unter Hinweis auf den Aufsatz, der darüber in Nr. 94 der Papier- Zeitung von 1915 auf Seite 1800 enthalten ist. Er betont, daß der Leim, da er dunkel ist, sich nur für Papiere eigne, die nicht weiß oder von zarter heller Farbe sein müssen, wie Kraft- und Packpapiere, sowie alle dunkel gefärbten Papiere. Dr. Schmidt erwähnt, er habe im Verein Deutscher Zellstoff- Fabrikanten über den von ihm und Prof. Dr. Heuser bereiteten Teerleim gesprochen. Die letzteren größeren Versuche ergaben, daß man mit 21 v. H. des neuen Leimes (auf den Papierstoff berechnet) volle Leimung erzielt, und wenn die Papiere dadurch dunkel gefärbt werden, so kann man diese Erscheinung durch Wahl geeigneter Farbstoffe mildern. Der Teerleim ist kein Harz ersatz, sondern ein Mittel zur erheblichen Streckung des Harzes. Die Größe der Streckung schwankt von Fabrik zu Fabrik, je nach deren besonderen Umständen zwischen 1 : 3 und 1 : 5. Man kann also den Leim auf das Fünffache strecken, z. B. bei Packpapier. Prof. Heuser erwähnt, daß es in neuerer Zeit gelungen ist, Teerleim herzustellen, der weniger färbt. Herr Hans Bayer, Altdamm, hat Teerleim in größerem Umfange zu verwenden gesucht. Bei den Anfangsversuchen war der Verbrauch an Teerleim groß, 4 v. H. ergaben volle Leimung. Die zum Ausfällen benötigten Schwefelsaure-Tonerde- und Bisultfatmengen waren ebenfalls erheblich. Nach einiger Zeit gelang es' mit 2 v. H. Teerleim gut geleimte Packpapiere zu erzeugen. Nachteilig sind die durch den dunklen Teerleim sich ergebenden Farbunterschiede. Prof. Heuser: Bei der anfänglichen Unvollkommenheit der Fabrikations-Einrichtungen war es noch nicht möglich, einen Teerleim von stets gleichem Wassergehalt zu bereiten. Daher bei gleichen Zusätzen zum Papierstoff die Schwankungen in der Färbung. Diese Schwierigkeit läßt sich natürlich leicht beheben. Dr. Schmidt reicht Proben herum, die aus gleichem Stoff hergestellt, teils mit Harzleim und Teerleim, teils mit reinem Harzleim geleimt wurden. Diese Papiere wurden von Herrn Willi Schacht untersucht. Beide Arten von Papieren enthielten die gleiche Menge von Harz, und ihre Leimfestigkeit wurde nach dem Schwimmver fahren auf Tinte geprüft. Es ergab sich, daß die mit Teerleim und Harz geleimten Papiere wesentlich tintenfester wurden als die lediglich mit der gleichen Menge von Harz geleimten. Die Ver suchsergebnisse sollen bekannt gegeben werden. Herr Krawany teilt mit, daß Fichtenharz zurzeit in Oester reich recht knapp ist, dagegen werde der vom Redner hergestellte „Papierleim” viel auch für weiße Papiere verwendet. Er ent halte 40 v. H. Trockenstoff, und man könne mit 3% v. H. davon Schreibpapier ziemlich gut leimen. 100 kg kosten 30—35 M. Es sei allerdings nur ein Notbehelf. Dr. Müller empfiehlt zurzeit reichliche Verwendung von Tierleim, der in Mengen zur Verfügung stehe.