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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 02.04.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188504026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850402
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-04
- Tag 1885-04-02
-
Monat
1885-04
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 02.04.1885
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'». .Dieses Mädchen wird Sie auf Ihr Zimmer führen und steht auch fortan zu Ihrer Verfügung, wenn Sie etwas wünschen. Morgen «ollen wir den Stundenplan besprechen, für heute mögen Sie sich ausruheri." Sie winkte entlastend mit der Hand und Elise verließ mit der Kleinen den Salon. Draußen faßte diese vertraulich ihre Hand und sah ihr mit einem herzlich bittenden Blick in die Augen. .Wollen wir gute Freundinnen sein?- fragte sie dazu. Elise beugte sich zu dem Kinde nieder und strich ihr liebkosend da» Haar aus der klugen Stirn. .Gewiß wollen wir da»*, sagte sie. .Dann nennen Sie mich Du, wenn wir allein sind und nicht Konstanz-, ich mag den Namen nicht leiden." .Und wie soll ich Dich sonst nennen?" .Elli, so heiße ich nämlich auch und so nennt mein Bruder mich immer." .Du hast wohl Deinen Bruder sehr lieb?" fragte Elise lächelnd. .Ja", antwortete die Kleine mit leuchtenden Augen. .O, er ist so ritterlich, sie bewundern ihn alle!" Elise beugte sich hinab und drückte einen Kuß auf den kleinen enthusiastischen Mund. .O, Sie sind gut, ich möchte, daß Sie mich auch lieb haben!" Elise ging nach ihrem Zimmer, das nach der Terrasse heraus lag, wie der Salon, und beschäftigte sich mit dem Auspacken ihrer Sachen. Dabei stand unwillkGlich das Bild des jungen, schönen OsfizierS ihr immer vor der Seele, der eine so allgemeine Bewunder ung zu erregen schien. Fast regte es sich in ihr wie leiser Trotz, vielleicht ein Aufbäumen gegen die gleiche Empfindung, die in ihr sich geltend machte. Sie wollte sich dem allgemeinen Zauber nicht unterwerfen, sie wollte jedenfalls erst prüfen, ob der Edelstein ein echter oder imitirter sei. II. Elise gehörte nicht zu den Langschläferinnen — es war am andern Morgen noch früh, als sie erwachte. Sie schlug die Gardinen znrück und der goldene Morgensonnenglanz fiel voll in ihr Gemach und zitierte draußen im Widerschein unzähliger Thautröpfchen, das große, täglich sich wiederholende Gotteswunder von einer mit Edel steinen besäeten Welt. Und die Vögel jubelten dazu im Garten, im Park und wenn ihr Gesang, sekundirt von dem leisen Rauschen der Blätter, ihr gestern Morgen an dem stillen Orte wie ein ewiges Requiem erschien, so war das Gefühl, mit dem sie es heute vernahm, ein fast entgegengesetztes. Die Elastizität der Jugend fing an, den Schmerz zu überwinden, wozu eine Ortsveränderung ja so wesentlich beizutragen vermag, und das Leben erschien ihr, wie die Welt da draußen, in einem neuen Hoffnungsgrün. Sie machte schnell ihre einfache Morgentoilette und eilte dann hinaus in den Garten, in dem noch kein menschliches Wesen sich aufzuhalte« schien. Sie sie liebte den Park, den Wald, die Einsamkeit unter den grünen säuselnden Wipfeln und wandte sich dorthin. Es mußte ein altes Befitzthum sein, das Schloß, und der Park dies Alter theilen denn e» standen mächtige Ulmen und Buchen darin und cs gab Stellen, wo man sich der Täuschung überlasten konnte, daß es wirkliche Waldeinsamkeit sei, die einen umfing. Sie kam an dem kleinen Weiher vorbei, an dessen Ufer Gruppen von Farrnkräutern und künstlich geordnete Steinpartien mit rie selnden Kaskaden einen malerischen Anblick gewährten, dann ging sie weiter und erreichte endlich am Ende des Parkes einen Pavillon. Derselbe stand, von den grünen Armen des Jasmins und Flieders umschlungen nicht weit von dem hohen Stacket, das den ganzen Park umschloß; eine Treppe führte hinauf zu der kleinen Gallerie, die rings um das zierliche Häuschen lief, nicht weit davon befand sich in dem Stocket «ine kleine Thür, die in's Freie führte. Elise eilte die Treppe hinauf und stand dann freudig staunend vor der schönen fielen Perspektive, die sich hier dem Blicke bot. Weit lag das freie Feld vor ihr, von einem silbern glänzenden Streifen durchschlängelt, der ein kleiner Fluß war, links und rechts am fernen Horizont von Wald umgrenzt. Gerade,« sah man die Stadt liegen, Wer deren Häusermecr sich mehrere Kirchthürme hoch hervorhoben, wie mahnende AusrufungSzeichen des weit über dem Gewirre der Alltäglichkeit thronenden ewigen Gottesgedankens. Die Hände auf das Geländer gestützt, stand sie eine Weile in der Betrachtung des BildeS vor sich versunken, vor dem alle auf Leinwand gemalten als ein fader Abklatsch erblaffeu, ob auch die Kunst es sich zur Aufgabe stellt, die Natur zu korrigiren, dann sagte sie unwillkürlich laut vor sich hin: .Schade, daß ich kein Perspektiv bei mir habe!" .Erlauben Sie, daß ich Ihnen damit diene," bemerkte eine Männerstimme hinter ihr, deren weicher, sonorer Klang etwas unge mein Sympathisches hatte. Das Mädchen wandte sich schnell um und blickte in das lächelnde Gesicht des jungen Offiziers, des vielbewundcrten Sohnes des Hauses. Sie fühlte, wie ihr das Blut in's Gesicht stieg und ärgerte sich darüber, aber sie konnte dessenungeachtet über ihre Befangenheit nicht gleich Herrin werden. »Welch reizende Ueberraschung!" sagte dieser dafür um so ge wandter, »am Ende des Reviers finde ich die allmächtige Beherrscherin, die Fee des WaldeS I" „Ich bin nichts weniger als das," entgegnete das Mädchen mit einem feinen Lächeln, „wenigstens habe ich bisher immer gehört, daß man die Stellung einer Gouvernante weniger als die einer Herrschenden, als — als —" Sie stockte verlegen. „Als — als eine Art Aschenbrödelrolle betrachtet," vollendete er mit seinem liebenswürdigen Lächeln und seiner verbindlichen Haltung, die im Verein mit der weichen, sich ins Herz schmeichelnden Stimme einen unnennbaren Zauber ausübten. „Aber warum das paffende Bild so geflissentlich stören? Der Verehrer des schönsten Gebildes der Schöpfung sieht nicht die Stellung, die eine zufällige ist, sondern nur das Weib." Elise sagte nichts darauf, nur ein Erröthen mochte dem Kavalier als Antwort dienen, sie war noch nicht bewandert genug im Verkehr mit Männern — ein arglos, harmloses Herz. »Also ich habe die Ehre, Fräulein Sarnow vor mir zu sehen, von der mir meine Schwester gestern Abend schon mit so vielem Enthu siasmus sprach?" sagte er in leichterem Tone „Auch wir sind unS keine ganz Fremden mehr, darf ich es hoffen?" »Insofern Sie sich auf die gestrige Begegnung auf der Land straße beziehen, nein." Er nickte lächelnd. »Und die Freundin meiner Schwester soll auch die meine sein, unterschreiben Sie den Pakt?" Er hielt ihr eine weiße, frauenhaft zarte Hand entgegen, der man es nicht angesehen hätte, daß sie die Kraft hatte, das feurigste Pferd zu bändigen. Das Mädchen hielt erröthend ihre Hand zurück. »So schnell schließt man doch kein Freundschastsbündniß, Herr Graf," sagte sie mit einem reizenden Anflug von Schelmerei. Er sah sie mit einem leuchtenden Blick an, der dann in einen bittenden und zugleich komisch schmerzlichen überging, und sagte dazu in entsprechendem Tone, ohne die Hand zurückzuziehen: „Haben Sie Schopenhauer gelesen, mein Fräulein, daß Sie solche Skeptikerin sind?" »Nein," entgegnete sie lächelnd. »Dann athme ich auf," sagte er mit einem bestechend liebens würdigen Gesichtsausdruck; »wird die neue Hausgenossin auch dem Majoratsherrn die Hand zu einem herzlichen Willkommengruß aus seinem Besitzthum versagen?" „Solcher Machtstellung muß ich mich freilich beugen," entgegnete Elise lächelnd und legte erröthend ihre schmale Rechte in die dar gebotene Hand. Er hielt sie einige Sekunden fest und beugte sich galant auf die feinen Finger. „Diesen rosigen Fingerspitzen sieht man den intimen Umgang mit Tinte und Kreide wahrlich nicht an, sie sind die einer geborenen Aristokratin." Das Mädchen zog die Hand schnell zurück, es war das erstemal, daß die Lippen eines Mannes sie berührt hatten. Sie sah sich ängstlich nach einem Ausweg um, aber sie konnte auf der schmalen Gallerie nicht an ihm vorbei. „Ich muß zurück ins Haus," sagte sie mit einem schüchternen Aufschlag ihrer blauen, sinnigen Kinderaugen. „O. eS ist noch früh, noch ruft Sie keine Pflicht. Ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Erlauben Sie mir, gleich den Wirth zu spielen und Ihnen im Park »nd Garten alles Sehenswerthe zu zeigen." „Ich habe mich schon umgesehen," sagte sie zögernd und befangen. „O, fürchten Sie sich unter meinem Schutz?" entgegnete er mit einem übermüthigen Ton. „Kommen Sie nur, es wird mir ein Vergnügen sein." Sie gingen Beide hinab, unten strauchelte des Mädchens Fuß an einer Baumwurzel und der junge Offizier zog ihren Arm unter den seinen. „Sehen Sie wohl, daß Sie meines Schutzes bedürfen? bemerkte er lächelnd. Elise litt es eine Weile, als er aber im Gehen ihre Hand er griff und die schmalen Finger küßte, sagte sie erröthend mit ihrer reizenden Schelmerei, indem sie ihm den Arm entzog: „Ich glaube, daß ich doch so sicherer bin." (Fortsetzung folgt.) Fürst Bismarck. SedeukblSttcr zum siebzigste« Geburtslage. Bon Pros. vr. Adalbert Horawitz*). (Nachdruck verboten.) Periklcs und Cäsar, Richelieu und Mazarin, Cromwell und Pitt! Was künden diese Namen? Einen seltenen Verein von Ernst und Größe, eine Fülle von schöpferischen Plänen und genialer, ener gischer Durchführung! Die Höhepunkte staatlicher Macht, weltbe herrschender Entwickelungen, nicht zuletzt unvergeßliche Kulturgc- staltungen sind durch sie für alle Zeiten bezeichnet. Ein ebenbürtiger deutscher Staatsmann aber fehlte bisher dem glänzenden Kreise. Erst unser Jahrhundert hat ihn in herrlicher Vollendung gestellt Unschwer erkennen wir in seinem Wesen einzelne Eigenthümlichkeiten der Obengenannten; dennoch ist er in der Totalität und in der durch diese bestimmten Erscheinungsformen seiner Natur ein ganz Anderer — denn er verleugnet eben nie die Art des norddeutschen Stammes, dem er entsprossen. Nicht mit dem attischen Olympier, noch mit dem verschlossenen Julier, nicht mit der grausamen Härte Armand du Plessis oder der italienischen Transaktionsschlauheit Mazarin's läßt sich der Mann vergleichen, dessen Jubelfest ganz Deutschland am 1. April feierte. Und finden wir auch manchen Zug in den Staatsmännern germanischer Art, der auch ihm zukommt, so tritt doch das Verschiedene viel schroffer hervor und zeigt, daß die Ana logie hier versagt; wir stehen eben vor einer ganz eigenartigen Bildung des deutschen Volksgeistes. Und doch an Einen, an einen Gewaltigen, an einen der Größten und Machtvollsten, die je im deutschen Volk gelebt, gemahnt es uns, wenn wir uns in des eisernen Kanzlers Wesen vertiefen. Ist das nicht jener massige körperliche Unterbau für mächtiges Wirken des Geistes, den wir auch bei Luther finden? Sind es nicht derselbe innige Glaube und das feste Vertrauen auf Gott, das den Witten berger Professor wie den deutschen Adeligen hinaustreibt in unge heuere Gegensätze mit der Welt, wenn sie auch voll Teufel wäre? Ist es nicht die unversiegbare Frische echten Lebensmuthes und aus der Tiefe des Gemüthes quellende Ueberzeugung, die jenen zum wirk samsten Schriftsteller seines Volkes, den Kanzler aber zum größten politischen Redner seiner Zeit gemacht haben? Und ist sie nicht Beiden gemein, die unvertilgbare, alte germanische Kampfeslust, die beide Recken oft mit Berserkerwuth zu grimmigen Streichen ausholen läßt? Aber auch die so kühne, oft von aufbrausender Heftigkeit er füllte Sprache Beider, die Alles beim rechten Namen nennt und die Wucht der Rede welche — um ein Wort Luthers zu gebrauchen — wie Donner und Blitz, Wind, Erdbeben und Feuer dahinbraust, daß Berge umgestürzt und Felsen zerbrochen werden, sie sind in beiden Heroen gleich stark vertreten. Nicht minder der kernige, prächtige Humor, der namentlich in den jüngeren Jahren Beider mit elemen tarer Leichtigkeit überall hindurchbricht. Doch genug davon! WaS an der Analogie nicht stimmt, erklärt sich wohl daraus, daß Luther vom theologischen Standpunkt ausging, der Kanzler dagegen begreif licherweise vor Allem Politiker ist. Ich meine aber doch, daß die Zusammenstellung mit dem Reformator des Kirchenthums nicht als ein bloses Spiel zu betrachten ist, sondern daß sie so manche Seite in dem Wesen des Reformators des deutschen Staatslebens besser zu erschließen vermag. Nach diesen vorläufigen charakterisircndcn Bemerkungen soll es versucht werden, ein Bild der Entwickelung des einzigen Mannes zu geben, welcher den Traum der Besten verwirklicht und den Lichtern und Denkern Europa's ihr staatliches — wie wir zu Gott hoffen — recht dauerhaftes Heim gezimmert! — * Genealogie und Geburtsstätte der Bismarcks sind mit der preußischen Geschichte unlöslich verbunden. Das bürgerliche Geschlecht, dem der Fürst entstammt, gehörte der Gilde der Gewandschneider und Tuchmacher zu Stendal an. Herbert (um 1270) gilt als der erste urkundlich nachweisbare Ahnherr. Es war ein energisches Geschlecht, dem der Kamps gegen die katholische Hierarchie im Blute lag; seit Rule von Bismarck, dem Gründer des Stendaler Gymnasiums, waren mehrere Generationen der Familie im Kirchenbanne. Mit Klaus von Bismarck (um 1315) wurde das Geschlecht ein schloßgesefsenes, das auf Burgstall, unbekümmert um die Exkommunikation, sich seines Daseins erfreute. Die Bismarcks gehörten zu den Wenigen vom Adel, welche zu den neuen Herrschern in der Mark, zu den Hohen- zollern, in ein freundschaftliches Verhältniß traten. Später mußten sie ihr liebes Burgstall seiner reichen Wälder halber dem Kurprinzen überlassen, dafür ward ihnen Schönhausen zu Theil. Der Tausch ward nicht mit Freuden begrüßt, doch mit unverminderter Treue diente die Familie ihrem Fürsten. August Friedrich fiel als Oberst in der Schlacht bei Czaslau (1742), eine lange Reihe von kräftigen *) Aus diese vorzügliche Arbeit des verdienten Historikers lenken wir ufn Männern steht unter Friedrichs und seiner Nochfolger Jahnen, s» auch der Vater des Reichskanzlers, der biedere und pünktlich gewissen- hafte Rittmeister Ferdinand von Bismarck, der sich mit der schönen und geistvollen Luise Wilhelmine Menken (auS der bekannten bürger lichen Gelehrtenfamilie) vermählte und als Landwirth auf Schön- hausen lebte. Der Ort gehört eben nicht zu den romantischesten, wenngleich seine Umgebung große Erinnerungen wachruft; in der Nähe befindet sich ja Fehrbellin, in der Kirche von Schönhausen empfingen die Lützower den Weihesegen, eine literarische Reminiszenz aber bietet das benachbarte Stendal als Geburtsort Wiukelmann». DaS Dorf Schönhausen liegt in weiter Ebene, nur di« Kirche und das Haus der Bismarcks stehen auf einer Bodenerhebung. Das Schloß ist ein schmuckloses graugetünchtes Herrenhaus mit hohem, steilem Dache und zwei Stockwerken über dem Erdgeschoß, welches letztere ungewöhnlich dicke Mauern hat. Es macht mit seinem einfachen Rokokomeublement einen nicht ungemüthlichcn Eindruck, seine bürgerliche Einrichtung zeigt weise Be schränkung und Sparsamkeit; aber wie unter Anderem aus der Bibliothek und den Bildern ersichtlich, trotzdem ein Mitleben mit der Zeit. Daß so große Werke, wie das „Lkeatiuw Luropuouw" oder das immer noch brauchbare reichhaltige Zedler'sche Universallexikon aller Wissenschaften und Künste sich vorfinden, läßt die rühmenswerthe Sorge für geistige Ausbildung ebenso erkennen, als die Anwesenheit der Schriften Luthers den Protestantischen Charakter des Hauses, die Schriften Voltaire's und die Werke Fr. von Schlcgel's die Theilnahme an den Herdorbringungen der Ausklärungsphilosophie und der Ro mantik bezeugen. Auch der Park trägt die Spuren der Rokokozeit: hohe Weißbuchenhccken in schmalen geradlinigen Gängen, Lindenalleen, ebenfalls in geraden Linien. An der tiefsten Stelle liegt, von einem Graben oder Teich umgeben, von Baumkronen überragt, ein LusthauS. Hie und da steht eine Bildsäule von Sandstein, eine griechische oder römische Gottheit, welche die Zeit mit gelben Flechten bekleidet hatte, weiter hinten ein Herkules. Im Frühling ist der Park durch die in allen Gebüschen singenden Nachtigallen belebt, sonst liegt über ihm und dem Schlosse das durch die Unbewohntheit hervorgebrachte Gefühl der Verlassenheit. Schweden und Franzosen hatten hier als ungebetene Gäste ge- wirthschaftet; die Elfteren hatten das Innere des alten Schlosses niedergebrannt, die Anderen an dem Stammbaume der Bismarck ihre zivilisatorische Superiorität erwiesen, indem sie denselben mit Säbeln und Bnjonneten bearbeiteten, was freilich nicht hinderte, daß ein «och nicht auf der genealogischen Karte Verzeichnet« ihre ganze Nation nach Dezennien wirksamer behandelte. Die Kriegsstürme» welche auch der Familie von Schönhausen übel mitspielten, hatten sich endlich gelegt und der Wiener Kongreß — amüsirte sich. Während dieser Zeit trug sich zu Schönhauscn etwas sehr Gewöhnliches und doch unendlich Wichtiges zu. Im Schlosse befindet sich ein grau- getünchtes Schlafgemach, von dem ein rolher Vorhang von Kattun einen alkovenartigen Raum abtrennt. — In diesem Raume gab eS nun am 1. April 1815 gar große Bewegung. Ein Knabe ward hier geboren, der gewiß — anders können wir es uns beim besten Willen nicht vorstellen, — viel Lärm vollführie und arg gegen die Windeln strampelte. Wer hätte es damals gedacht, daß in diesem Kleinen der Rächer seines Vaterlandes geboren worden sei, der die Ränke der Pygmäendiplomateu, vor denen Preußen's Stein und Humboldt zu rückweichen wußten, einmal zu nichte machen und die Politik Talley- rand's mit ihren Folgen zerschmettern werde? Denn dieser Knabe wurde unser Bismarck! Doch davon konnte damals Niemand etwas ahnen. Jahre ver gingen, und Otto mußte die schweren Künste des Gehens, Sprechens, Selbstessens und endlich die des Lesens, Schreibens nnd Rechnens erlernen. Tapfer überwand er auch das Heimweh und — die Ge noffen im Plamann'schen, nach Jahn's Grundsätzen vorgehenden Institut zu Berlin; kernfest an Leib und Seele, erquickte er sich an Leibesübungen, wie an der Lektüre des immer jungen homerische» Epos und zog, als er in das Friedrich-Wilhelms Gymnasium aus genommen ward, sofort die Aufmerksamkeit des ausgezeichneten Päda gogen Bonell auf sich. Es verlohnt, der Worte des gediegenen Mannes zu erwähnen. Bonell sagte, als er den Knaben sah: »Ei, das ist ja ein nettes Jungchen, den will ich doch im Auge behalten." Das nette zwölfjährige Jungchen war aber auch fleißig, vor Allem interessirte es Geschichte, der es sich mit großem Eifer hingab. Aber es war auch tapfer, wahrheitsgetreu und aufrichtig fromm, Eigen schaften, die es aus der reinen und strengen Familieozucht mitbrachte und die durch Schlciermachers wirksamen Religionsunterricht bestärkt wurden. Endlich kam das Abiturienten Examen, wurde gut bestanden, dann folgte die roscnrothe Studentenzeit an der Georgia-Augusta in Göttingen, in der Otto seine Anlage zum gewandten Fechter in zahl- losen Mensuren ausbildete; hier war es auch, wo er sich mit seinem späteren politischen Gegner, mit Windthorst, maß. Damals schon stand in der Seele des reckenhaften Jünglings die Nothwendigkeit von Deutschlands Einheit mit apodiktischer Gewißheit fest, ihr zu Liebe duellirte er sich mit einem Engländer, der über den deutschen Michel spottete. Nach der lustigen Studentenzeit folgten Auskultatorexameu, praktischer Staatsdienst als Protokollführer am Berliner Stadtgericht und bei der königlichen Regierung zu Aachen (1836), wo er dem verführerischen Leben seinen Zoll zahlte Nach fünfzehn Jahren nannte er die Orte des fashionablen Lebens Stätten früherer Thorheit. Nun aber galt cs, denselben sich kraftvoll zu entwinden. (Fortsetzung folgt.) Zur Bismarckfeier. Einer Deiner schönsten Tage Ist Dir, Deutscher, heut' bescheert; Heut' verstumme jede Klage, Die Dein treues Herz beschwert. Ihn — des Reiches Stern — Preisen nah' »nd fern Alle treuen Deutsche heute, Denn es ist ein Tag der Freude Heute sind eS siebzig Jahr, Als der große deutsche Held, Der just Deutschlands Retter war, Hat erblickt das Lichtkder Welt. Treu und innig liebt Er das deutsche Land; Schwere Pflicht er iibt Fest »nd unverwandt. Er ist's, der das Reich erneuet, Der zerbrach des Erbfcind's Joch. Seine Weisheit uns erfreuet Trotz des Alters heut' auch noch. Ihm, dem großen Man», Der uns Ruhm gewann, Der unS gab des Friedens Krone, Deutschland stets mit Treue lohne. die ganz besondere Aufmerksamkeit unserer Leser. Obiges, von einem Schüler einer hiesigen Schulanstalt herrührendes, uns eingesandtes Gedicht bringen wir an dieser Stelle gern zum Abdruck- Es sind »ns ans unserem Abonncnten-Krcise verschiedene, aus das Reichs kanzler-Jubelfest bezügliche Dichtungen zngcgange», welche von gutem Patriotismus zeugen Leider gestattete der Raum nnscrcs Blattes eine» Abdruck dieser Ergüsse nicht. Verantwortlicher Redakteur Franz Götze In Chemnitz. — Druck und Verlag von Alexander Wiede in Chemnitz.
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