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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 20.01.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188401201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840120
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-01
- Tag 1884-01-20
-
Monat
1884-01
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 20.01.1884
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<T-e«»itzer Mmzet-er und Stadtbole. Skr. L7 Sonntag. 20. Januar. Seite 6. führung von Arbeiterwohnhäufern für eine Unterbringung ihrer Arbeiter gesorgt. Diese Sorge ist freilich nicht immer eine besonders peinliche, denn der Fabrikinfpektor fand sich in einem Falle veranlaßt, die König liche Regierung in Bromberg um ihre Entscheidung zu bitten, ob der für ihre 310 Arbeiter eingerichtete Schlassaal einer Zuckerfabrik, der jedem Arbeiter einen Luftraum von 2,405 Kbm. zutheilte, zur Be nutzung fernerweit zuzulassen fei. Die Regierung verneinte die Frage und erließ, da auch anderswo ein ähnliches Zufammenpfropfen in den Schlafsälen Eingang gefunden hatte, ein „Polizei-Reglement, betr. die Errichtung von Arbeiterhäufern für Auswärtige Arbeiter", welches am 1. Januar 1883 in Kraft trat. Der Berichterstatter des Regierungsbezirks Magdeburg hebt hervor, daß ausschließlich für die Arbeiter der Zuckerfabriken und sonstigen landwirthschaftliche, Industrien Kasernen erbaut sind. In Schleswig-Holstei n werden die von den Gebrüdern Howaldt (Schiffswerft bei Kiel) getroffenen Wohneinrichtungen für ihre Arbeiter als hervorragende Leistungen be zeichnet. Die Firma hat eine vollständige Colonie, bestehend aus einer großen Anzahl Beamten- und Arbeiterwohnungen, einer Kirche, einem Krankenhause und einer Schule, für ihre Arbeiter errichtet resp. geplant. Auch sind große freie Plätze angelegt, von denen einige zu Spielplätzen, andere zu Gärten und Rasen-Anlagen bestimmt sind In einem Eisen hüttenwerk der H oh enz oller nschen Lande werden den unverheira- theten Arbeitern gute Wohnungen mit kleinen Gärten unentgeltlich überlasten. Verheirathete Arbeiter finden für einen alljährlichen MiethpreiS von 90—120 M. eine gute und geräumige Wohnung. — Ueber die Wohnverhältnisse der Arbeiter in den übrigen deutschen Staaten wollen wir daS Wesentlichste in einem zweiten Artikel mittheilen. Don den Wiener Mördern. Karl Schenk und Schlossarek haben bereits gestanden, Hugo Schenk dagegen leugnet jeden thätigen Antheil an denMord- thaten und schiebt alle Schuld auf die Genannten. Ueber das Vor leben dieses Letzteren erfährt man Folgendes: Hugo Schenk wurde bereits am 5. Dezember 1870 in Olmütz wegen Betruges zu Sjähri- gem schweren Kerker verurtheilt, welches Strafausmaß vom Oberge- richte auf 2^ Jahre herabgesetzt wurde. Die Angelegenheit betraf einen HeirathSschwindel, welchen Schenk in Littau ausübte, wo er sich der Wittwe Krcek als Bahndirektor in Warschau und polnischer Gutsbesitzer unter dem Namen „Fürst Wielodowski" vorstellte, der nur auf seinen Dienstreisen in Oesterreich sich Hugo Schenk nenne. Schenk bewarb sich damals um die Hand der 17jährigcn Tochter Marie Krcek, später gab er an, daß er in Wien bei der „Anglobank" eine Anstellung haben könne, die jedoch eine Kaution von 2000 fl. erfordere. Frau Krcek gab Schenk 1600 fl. in Staatspapieren und später in Wien 500 fl. in Baarem Schenk stellte der Frau Krcek dort einen älteren, hageren Herrn als Direktor der Anglobank vor. Derselbe gratulirte der Frau Krcek zur Herrath ihrer Tochter. Schenk erklärte bei der Verhandlung, daß dieser Herr ein Franzose Namens Dupreffoir sei. Gleichzeitig hatte Schenk damals Bekanntschaft mit einer gewissen Anna Hammer aus Rosenberg angeknüpft und um deren Hand angehalten. — Aus Schenk's Jugend ist zu erwähnen, daß er schon als Kind sehr grausam war. Er fing Vögel, stach ihnen die Augen aus und ließ die Thiere wieder fortflattern; Katzen warf er auf eine heiße Heerdplatte und ergötzte sich an den Schmerzen der Thiere. — Aus Mährisch-Weißkirchen wird vom 15. d. geschrieben: Gestern erfolgte die Verhaftung der hier lebenden Mutter des Karl Schlossarek, welche in zweiter Ehe an Fiaker Parma verheirathet ist, der ebenfalls in Gewahrsam genommen wurde. In d:r Wohnung der Genannten wurden eine große Anzahl von Effekten aufgefunden, welche Eigenthum der ermordeten Josephine Timal gewesen sein sollen und welche die Eheleute Parma von Schlossareck erhalten haben wollen. Auch ist eS der Gendarmerie gelungen, eine bereits in andern: Besitze befindliche goldene Damenuhr, welche gleichfalls von Jose phine Timal herrühren soll, zu faisiren. Es dürfte vielleicht von Interesse sein, die näheren Umstände bei Auffindung der Leiche von Josephine Timal zu erwähnen Weißkirchen besitzt in seiner an Naturschönheiten so reichen Umgebung, nicht weit von dem Kurorte Teplitz, auch eine Naturseltenheit, das soge nannte „Gevatterloch", einen trichterförmigen Spalt von großer Tiefe, auf besten Boden sich ein schlammiger Tümpel befindet, dessen Tiefe bisher noch nicht fcstgestellt werden konnte Dieser Ort zieht durch seine Merkwürdigkeit Touristen von nah und fern an, und es ist im Sommer bei trockenem Wetter ein Abstieg bis zu dem Tümpel möglich. Dort nun bemerkte am 17. Juli v. I. ein Student den Kopf und theilweise auch den bekleideten Körper einer weiblichen Per son; er machte hiervon rasch die Anzeige, die Leiche wurde herausge holt und der Obduktion unterzogen. Dieselbe ergab einige kleine Wun den, welche ebensowohl bei einem Kampfe als bei einem Absturz durch Anschlägen an den vorsprlngenden Felswänden verursacht sein konnten; die Verwesung war schon sehr weit vorgeschritten, und die Leiche dürfte bereits zwei Monate im Wasser gelegen haben. Kleidung und Wäsche waren noch so ziemlich erhalten und letztere mit den Buchstaben ,,.l. 1'." gezeichnet. Der Fall erregte allgemeines Aufsehen, und es wurden allerlei Vermuthungen über die Person der, wie man annahm, Verunglückten laut, welche aber keine Bestätigung fanden. Nun ist der mysteriöse Vorfall aufgeklärt; Karl Schlossarek mußte die Gegend und somit auch das „Gevatterloch" kennen, er mußte wissen, daß der im Grunde desselben befindliche Wassertümpel seine Opfer erst nach Monaten, oft auch gar nicht mehr herausgiebt, und darauf bauten die Mörder ihren Plan zum Verderben des armen Mädchens. Dadurch, daß sie nicht im Hotel, sondern in der Wohnung des Schlossarek ab gestiegen waren, entzogen sie sich leicht den damals angestellten Nach forschungen. Der Photograph Hölbling, welcher auch mit der Aufnahme der Verbrecher im Polizei-Gcfangencnhause betraut ist, hat gestern Hugo Schenk in fünf Stellungen porträtirt. Es ist unglaublich, mit welcher Frivolität der Mörder sich dabei benahm. Ec lachte und scherzte in einemfort, sagte, er wolle sich keinen Vertheidiger nehmen, denn der Galgen sei ihm ohnehin gewiß, doch solle man ihm lieber eine Prämie geben, da er die Welt von so vielen alten Jungfern befreit habe; er habe noch vier i» petto gehabt, die demnächst darangekommen wären; hätte die Polizei ihn nicht jetzt erwischt, so wäre es ihr später sehr schwer ge worden, denn in acht Tagen hätte er wieder von Wien fort wollen, in An gelegenheit seines „Geschäfts". Er bat, man solle sein Porträt dem Ex- Vizekönig von Egypten senden als das Bildniß eines Mannes, der einen Harem von abgelagerter Waare zu säubern verstehe. Als Herr Hölbing ihn vor der Aufnahme ersuchte, eine etwas heitere Miene zu machen, sagte er, wenn er nicht immer ein vergnügtes Gesicht mache, so seien jene Herren — dabei wies er auf die Sicherheits männer — daran schuld. Er fuhr dann fort zu scherzen, als wäre er in einem Salon. Seine Manieren waren ganz elegant und degagirt, und sein Gesicht ist dmchaus unverfänglich. — Aus Pest wird ge meldet, daß dort vor zwei Jahren kie Cäcilie Abwechsler ermordet und beraubt wurde. Seit dem Tage ihrer Ermordung war auch ihr „Bräutigam" verschwunden. Das Signalement dieses angeblichen Bräutigams Paßt theilweise auf Hugo Schenk. Das Verhör mit Pongracz, dem Mörder von der Mariahilf, verlief bis jetzt re ultallos, da ein Gcständniß des Jnquisiten, der mit größtem Raffinement die Fragen beantwortete, nicht zu erzielen war. Er leugnete mit Beharrlichkeit, doch gab er zu, zur kritischen Zeit in der Mariahilferstraße gewesen zu sein. Alle Nebenumstände, welche man ihm vorwirft und vorhält, giebt er mit großer Gelassenheit zu, doch die Hauptsache bestreitet er mit kalter Entschiedenheit. Es ist keine Hoffnung vorhanden, daß man Pongracz zu einem Gcständniß bringen werde, doch führen alle bisherigen Angaben zu dem sicheren Schluffe, daß Pongracz mit Hilfe Anderer das Mordattentat voll führte. Am gravirendsten ist die bestimmte Erklärung des unglück lichen Eifert selbst, der zu feiner Schwiegermutter, Frau Göbel, äußerte: „Jetzt war er da, der mir ..." — hier setzte er in seiner inneren Erregung ab und wies mit der Hand nach feiner schweren Verwundung. — „Hast Du ihn nur bestimmt erkannt, täuschst Du Dich vielleicht nicht? — „Gewiß habe ich mich nicht getäuscht, ich habe ihn bestimmt erkannt, und wenn ich ihn auch nicht nach scinem Aeußeren erkannt hätte ich hätte ihn bestimmt an der Stimme allein erkannt." Auch der kleine, sehr leidende Enkel sagte seiner Groß mutter: „Ich habe ihn gleich an den Augen erkannt, ich habe mich vor ihm gefürchtet " In der That besitzt Pongracz ein paar stechende Augen, abschreckend und furchtbar im höchsten Grade, und es ist be zeichnend, daß sich dem Kinde das Abschreckende dieser Augen der art eingeprägt hatte, daß es an denselben den Mann wieder erkannte. and kehrte voraussichtlich erst gegen Morgen zurück. Und seine Kinder trieb Hardenberg auS dem Zimmer, denn ihre Theilnahme schien ihm erheuchelt. Er hatte ja Niemand geliebt als Einen, und dieser Einer fluchte ihm heut. Nun war es still um ihn her. Nur die Uhr pickte eintönig ihr Tick-Tack — es kommt die Zeit, es kommt die Zeit, und das Gericht bricht an. ^ „Luft, Luft!" rief er und griff mit den Händen empor. Von dem Kopfende seines Bettes löste sich eine Gestalt, die da zusammengekauert gesessen hatte. Er kannte diesen schlurfenden Schritt, er kannte dies leise Murmeln mit sich selbst, er wußte, es war die Mitschuldige an dem größten Verbrechen seines Lebens. Mutter Augustin stieß die Fenster auf, von draußen kam der duftige Frühlingshauch herein und der lustige Klang der Hochzeits musik; schon dämmerte am fernen Horizont die Morgenröthe, ein frischer Windzug wehte durch die Natur und erwachend sang hierund da ein Vöglein im blühenden Fliederstrauch. „Na, wie's scheint, geht'» zu Ende," sagte die Alte, l ie an fein Lager getreten war und forschend auf sein Antlitz geblickt hatte. „Dann will ich's Ihnen nur sagen, vielleicht treten Sie so leichter vor Ihren Richter. Mit dem Betrug war nichts, es wurde keiner betrogen als sie selbst — ich Hab' die Kinder nicht vertauscht, wie Sie befohlen. Ich Hab' ein Gewissen und wollte solche Schuld nicht auf mich nehmen. Der Baron ist der Baron, und der Erich ist Ihr Sohn, wie es sich gehört." Hardenberg machte eine Bewegung mit der Hand und wandte den verlöschenden Blick auf ihr Gesicht. Eine furchtbare Wahr- heitSprobe. „Na, ich werd' nicht lügen, der Tod sitzt Ihnen ja aus der Stirn", sprach sie, unwillkürlich einen Schritt zurückweichend. „Ich wollte blos dem Herrn Erich, der mir das Leben gerettet hat, den unmenschlichen Neichthum verschaffen, den der Taugenichts, der Baron Adolf, nicht verdient; darum ging ich zu der Baronin. Also von der Schuld können Sie sich rein wissen und nun sehen Sie zu, daß cs Ihnen in dar Ewigkeit gut geht. Sie waren ein schlimmer Herr und Ihre Kinder haben nicht viel Gutes von Ihnen gehabt — na, aber nun will ich Ihnen das Herz nicht schwer machen, eS ist ja gleich aus mit Ihnen." Und sie beobachtete ihn wieder forschend und nickt« mit dem Kopfe, als wollte sie sprechen: „Gänzlich aus, gänzlich aus!" und dann kauerte sie wieder auf ihrem Platze nieder und schlief all mählich ein. Den, den er sein Leben lang gequält, dem er keine frohe Stunde gegönnt, den er noch heute enterbt, — der war sein Sohn. DaS Restchen Liebe, das sein Egoismus ihm gelassen, hatte er an einen Fremden verschwendet! Draußen stieg flammend die Sonne empor, die ganze Schöpfung strahlte in röthlichem Licht; die Vögel jauchzten dem neuen Leben entgegen, und lustiger klangen die Weisen des HochzeitreigenS vom unteren Dorfe her, während der alte Hardenberg seinen letzten Athemzug aushauchte. Vierzehntes Kapitel. „Die Baronin ist todt!" Mit der Nachricht kam gegen Morgen der Besitzer des Hauses in die Stube „Eben bringt ein Bote die Nachricht in's Dorf." „Na, mit dem hier wird's auch wohl so weit sein", sprach Mutter Augustin, schlaftrunken sich aus ihrer Ecke emporrüttelnd. „Ja richtig, dem thut kein Zahn mehr weh. Na, beten wir ein Vaterunser, wie es guten Christen geziemt." Wenige Stunden später hielt der Wagen des jungen Freiherr» vor dem Haufe. Baron Adolf redete nicht, wie sonst, die Leute vor der Thür freundlich an. Er erwiderte mit kaum merklichem Kopf neigen ihren respektvollen Gruß und fragte nur, ob er den jungen Herrn Hardenberg sprechen könne. Sein bleiches Antlitz, die ge- rötheten Augenlider, die fest zusammengcprcßten Lippen deuteten auf eine in tausend Schmerzen durchwachte Nacht. Die Geschwister befanden sich nebst der jammernden Wiltwe, welche die Festkleider noch nicht abgelegt hatte, in dem Sterbczimmer. Erich machte eine Bewegung des Schreckens, als er den Baron so verstört eintreten sah, und er eilte ihm besorgt entgegen. Adolf preßte achtlos die dargebotene Hand „Ich weiß Alles war sein erstes Wort und dabei suchte er in den Zügen des Jugcnd- gespielen zu erforschen, wie weit dieser betheiligt sei. «Also man hat Dich nicht damit verschont!" rief Erich schmerz lich empört. „Mich? Sage, meine Mutter hat man nicht verschont. Ihr hat's das Leben gekostet." „Meinem Vater auch", sagte Erich, auf den Tobten weisend. Die Gewohnheit hielt sie noch in ihren Banden. Der Eine nannte seine Mutter, die ihn verzärtelt, der Andere seinen Vater, der ihn gequält hatte. Adolfs Blick fiel auf Agnes, die in der Nacht durch Erich von dem Thatbestand unterrichtet worden war. Er ging auf sie zu und faßte ihre Hand, die sie ihm, halb aufgelöst vor Verzweiflung, ohne Widerstreben ließ. „Da wir uns so gegenüber stehen, Agnes," sprach er mit bebender Stimme, „so laß mich Dir sagen, was Du mir vorhin viel leicht nicht geglaubt hättest: Du bist die erste und einzige wahre Liebe meines Herzens gewesen und nie, niemals hätte ich Dich ver schmerzen gelernt." Darauf sagte Erich bewegt: „Und mich laß eine Unwahrheit widerrufen, die ich beging, als mir eine furchtbare Entdeckung ge macht worden war, um ein Wiedersehen zwischen Euch zu verhindern. Sie hat Dich stets geliebt, Adolf, sie hatte mir damals kaum einen Tag vorher gesagt, daß sie Dich nie vergessen könne." „Du wußtest schon damals und — schwiegst," rief Adolf, Erich die Hand reichend. „O. ich sagte cs ja, Du würdest meine Mutier geschont haben, Du hättest sie nicht durch die entsetzliche Nachricht — Milder W int er. Die außerordentliche Milde diese- Winters giebt überall zu ungewöhnlichen Erscheinungen Veranlassung. In Annaberg machen sich bereits stellenweise an den Zweigen der Weide die filvergrauen Älattknospen bemerkbar, welche unter dem Namen „Kätzchen" bekannt sind und sonst erst gegen Ostern als erste Gaben des nahenden Frühlings aus Feld und Flur heimgebracht werden. Wie man aus Sebnitz mittheilt, blühen daselbst im Garten des Hotels „zur Stadt Dresden" bereits die Kirschen. — Die sozialdemokratischen Abgeordneten von Vollmar, Bebel, Liebknecht und Puttrich in der zweiten Kammer haben folgenden Antrag eingereicht ^ Die Regierung zu ersuchen, in thuulichster Bälde dem Landtage eine Gesetzvorlage zu unterbreiten, durch welche die Gesindeordnung vom 10. Januar 1835 aufgehoben und der Arbeitsvertrag zwischen Dienstboten und Dienstherrn allen übrigen Arbeitsverträgen gleichgestellt und lediglich den Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung unterworfen wird. — 400 Mark Strafe. Eines der Felder des Gutsbesitzer Förster in Dobra bei Dürrröhrsdorf grenzt mit einer Waldparzelle des dasigen Erbgerichtsbesitzers Kegel, altem prächtigen, vielleicht l20jährigem Bestände. Natürlich nimmt dieser Hochwald dem Förster'schen Felde ein gut Theil Lust und Licht weg. Das verdroß den 28 Jahre alten Sohn des Förster, den Wirthschaftsgehilfen G H. Förster, der das väterliche Gut übernehmen sollte, dermaßen, daß er zu vier bis sechs verschiedenen Malen 20 Stämme durch Losschlagen der Rinde, Ansägen und Loshacken der Wurzeln vorsätzlich beschädigte, wodurch die betreffenden Bäume cingingen und ein Schaden von mindestens 100 Mark erwuchs. Das Schöffengericht Stolpen hatte in Betracht der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und deS von demselben umfassend abgelegten Geständnisses auf Geldstrafe er kannt und diese in Höhe von 400 Mark bemessen. — Der erzgebirgische Sängerbund (Dirigent Herr Musikdirektor Winkler in Chemnitz) beabsichtigt Ende Juni oder An fang Juli dieses Jahres ein Sängerfest in Annaberg abzuhalten, dessen Hanpttheil ein großes Kirchenkonzert sein dürfte. Die hiesigen Gesangvereine, welche dem Bunde angehören, sind im Begriff, die nöthigcn Vorarbeiten für dieses Unternehmen, dem gewiß die Sym pathien der musikliebenden Bevölkerung unserer Stadt nicht fehlen werden, zu bewältigen. — Der letzte Schneesturm hauste in der Gegend von Frauen stein fürchterlich. Die Post, welche Nachts !1 Uhr 20 Min. von Klingenberg dort cintreffen sollte, kam erst um 12 Uhr in der Nähe der Stadt an und blieb in einer unweit derselben befindlichen Straßen biegung, welche sich im Winter durch ganz außerordentlich hohe Schnee wehen auszeichnet, steck en. Genannte Stelle wird im Volksmunde, weil sie den Schnceauswerfern regelmäßig die erwünschte Arbeit in reichem Maße liefert, deren „Brotkappel" genannt. Vier vorgespannte Pferde brachten den Wagen nicht von der Stelle. Die Passagiere mußten infolge dcsscn aussteigcn und sich per peckes in die Stadt verfügen. Die Postsachen wurden mittelst Schlitten nach der Post gebracht. Der festgefahrenc Postwagen wurde am andern Morgen dem Orte seiner Bestimmung zugcführt. — In Bad Elster hat man im Jahre 1883 54075Billetszu Bädern verabreicht, gegen 51 814 des Vorjahres. Der Reinertrag des Bades 1882 belief sich auf 41 334 M.; für 1883 rechnet man auf eine nicht geringere Summe Die rasche Blüthe des BadeS er heischt jedoch immer wachsendere Ausgaben. So ist im Law tag be antragt, für den Neubau eines Cas'-Salons nebst Wirthschaftsge- bäude 46 00 ! M. zu bewilligen und mit gemeinjährig 23 000 M. als Extraordinarium transitorisch einzustellen. — Welche Gefahr die Behandlung der Wäsche mit im Wasser aufgelöstem Kugelblau bietet, mußte dieser Tage wieder eine Wäscherin in Dresden erfahren: Die arme Frau verspürte ein paar Stunden nachher an Finger und Hand heftiges Brennen und Jucken. Die Schmerzen nahmen dermaßen schnell zu, daß sie gezwungen war, die Arbeit niederzulegen, um sofort ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach ärztlicher Aussage soll sich bereits Blutvergiftung ein gestellt haben, hervorgerufen durch eine kleine unbedeutende Schnitt wunde am Zeigefinger der linken Hand, die durch das aufgelöste Kugelblau entzündet wurde. getödtet. Arme, arme Mama! Bald vielleicht wäre ihr Lcben ohne hin zu Ende gegangen, sie wäre in der glücklichen Täuschung gestorben, und nun mußten rohe Hände in ihr Herz greifen —" „Was sagen Sie? Die gnädige Frau ist vor Schreck darüber gestorben, was ich ihr gcstem erzählte?" rief Mutter Augustin, die bisher scheu bei Seite gestanden, indem sie sich angstvoll an Adolfs Arm klammerte. „Ach Du gerechter Gott, Du gerechter Gott — ich arme und elende Sünderin!" „Was will die Alte?" fragte der Baron, sie vornehm von sich abschüttelnd. „Sprechen Sie deutlicher!" mahnte Erich, der die Wahrheit zu ahnen begann und noch nie völlig an die Sache geglaubt hatte. „Sie haben der Baronin gesagt —" „Ja, ja, und die Unwahrheit Hab' ich gesagt Der alte Herr hatte gut zugestehen, der wußte cs ja selbst nicht besser. Er hat mir viel Geld geboten, daß ich die Kinder Umtauschen sollte, aber ich bin eine gute Christin, und der alte Pfarrer lebt noch, dem ich damals gebeichtet habe, wie ich beinahe der Versuchung erlegen wär'." „Aber wie konnten Sie die gnädige Frau, wie konnten Sie uns Alle denn so schmählich belügen!" rief Erich auf s Tiefste empört. „Zur Mörderin sind Sie jetzt geworden, — und —" „Ach Gott, ach Gott," jammerte die schlimme Alte in Ver zweiflung über die Erregung Erichs, den sie nie so zornig gesehen. „Ich wußte ja nicht, daß die gnädige Frau deshalb sterben würde, ich dachte, unser junger Herr müßte ihr doch auch lieber als Sohn sein wie der Andere, und ich wollt Ihnen den Neichthum ver schaffen —" „Hinaus! Hinaus!" schrie Erich, seiner selbst kaum mächtig. Agnes warf sich an seine Brust. „Erich, um Gottes willen beruhige Dich, die Alte ist ja nicht mehr recht bei Verstände, hörst Du, Erich! — wem sollte es einfall-m, Dich zu verdächtigen!" „Ich wollte es mindestens Niemand rathen, denn ich selbst würde die Lästerer scharf zur Ruhe verweisen," sprach Adolf und ergriff Erichs Rechte. „Erich, wir sind als Spielkameraden ausgewachsen — haben heute unbewußt wieder das traute „Du" der Kindheit angewandt — laß uns wieder Brüder sein von diesem Tage an." Erich strich langsam das Haar aus der Stirn. Er sagte kein Wort, aber erwiderte warm de» Händedruck des Barons. Agnes löste sich aus den Armen des Bruders und trat erröthend von d n beiden Männern zurück. „Ei, sieh da!" rief Adolf, dessen sanguinische Natur leicht wieder zur Freude bereit war. „Laß sie nicht entwischen, Erich, ich habe ein Wörtchen mit ihr zu reden, mit unserer gemeinschaftlichen Schwester. Wie ist's, meine Geliebte, sprach Erich vorhin die Wahrheit?" Er neigte sich, den Arm um ihre Taille legend, zärtlich zu ihr hinab. Baron Adolfs Werbung war ja noch kein Mädchen widerstanden; aber Agnes machte ihm die Mühe leicht. Sie schlang die Arme um seinen Hals, und zum ersten Mal ward ihm vergönnt, ihr schönes Antlitz, ihr volles, duftiges Haar zu küssen. / (Schluß folgt.)
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