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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 13.02.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188502135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850213
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850213
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-02
- Tag 1885-02-13
-
Monat
1885-02
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 13.02.1885
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IMMMWMWM» Chemnitzer Nnzeiger «nd Gtadtbote. Rr. SS. Freitag. 13. Februar 1885. Seite 2. — Die energischen Maßnahmen der franjöfischen Regierung in Paris haben den dortigen Aufwieglern einstweilen da» Handwerk gelegt. Von neueren OrdnungSwibrigkeiteu ist nicht» verlautbart. I« der Kammer standen gestern ebenfalls die Getreidezölle auf der Tagesordnung und wurde« vom Ackerdaumiuister vertheidigt. AuS Ostafien liegen keine weiteren Meldungen vor. England. Da» Kriegsamt entfaltet eine Thätigkeit, wie sie seit Jahr und Tag nicht erhört worden ist. Die Einnahme Khartums und der nach den heute vorliegenden Nachrichten wohl als unzweifel haft zu betrachtende Tod GordonS, haben den Entschluß reifen lassen, im Sudan rin Exempel zu statuiren, und gleichzeitig auch der Welt einen Begriff zu geben, welcher militärischen Krastanstrruguvg England fähig ist, wenn e» nur ernstlich will. So wird denn sowohl der HeerrSorganiSmus de» Mutterlandes als des indischen Reiche- in Bewegung versetzt, an allen Ecken und Enden wird gerüstet und mabil gemacht, selbst aus de« Reserven soll die nach englischen Begriffen enorme Zahl von 10 OVO Mann Infanterie einberusen werden. Den Waffeolagern find Befehle zur Lieferung der «forderlichen AuS- rüstungSgegenstände zugegangen. An der augenblicklichen Situation wird durch all dieses geräuschvolle Treiben nicht da» Mindeste geändert. Selbst bei denkbar größter Beschleunigung der Verfahren» können immerhin noch Wochen verstreichen, bis die ersten Verstärkungen in Soakin rinlreffen. Mittlerweile bleibt da» englische Expeditionskorps ganz und gar auf seine eigenen Hilfsmittel angewiesen, welche, so reich, haltig sie sein mögen, doch im besten Falle nur eben genügen dürsten, Lord Wolseley den kritischen Moment bis zur Ankunst der Nachschübe ohne ernstere Zufälle übersiehe» zu lassen. ES kommt hinzu, daß der Marsch von Suakin nach Berber leichter dekretirt als auSgesührt ist, wenngleich die vom französischen Standpunkte aus vielleicht nicht ganz unbefangen urtheilende »Rep. srany " wohl zu weit geht, wenn sie den Nachweis führen will, daß ein Entsatz de» Expeditionskorps gar nicht möglich sei und Lord Wolseley nicht- Besseres thun könne, als seine Leut« zu sammeln und mit ihnen möglichst schnell seinen Rückzug zu bewerkstelligen. Serbien. Der in Krakau erscheinende »CzaS- setzt absonder liche Sensationsnachrichten in die Welt. Der jetzt 8^/,jährige serbische Thronfolger soll bedenklich krank und seine Lebensfähigkeit zweifelhaft sein. Da nun der Zustand der Königin Natalie keine weiteren Nach kommen erhoffen laste, so beabsichtige König Milan, sich scheiden zu lasten. Die Königin Natalie würde dann Serbien verlassen und König Milan sich mit einer österreichischen Prinzessin verheirathen. Dabei wäre allerdings die ReligionSsrage eine Schwierigkeit. — Thatsache ist, daß neulich der serbische General Catargi in Wien war und eine lange Unterredung mit dem Grasen Kalnoky hatte. — Trotzdem wird die Bestätigung der Nachricht abzuwarten sein. Egypten. Gordon s. Die Zweifel über da» Schicksal de» General Gordon find endlich gehoben — der muthige Mann weilt nicht mehr unter den Lebenden. Alle Details deuten darauf hin, daß Gordon ermordet wurde, a S er den Palast in Khartum verließ. Ein verräterischer Pascha brachte die besten Truppen nach Omdurwan, während ein anderer den Truppen des Mahdi dieThore von Khartum öffnete. Daß der Feldzug im Sudan trotz des Tode» deS General Gordon mit aller Energie fortgesetzt werden soll, ist bereits bekannt. Wie e» heißt, beabsichtigt die englische Regierung, von de» Reserven 10,000 Mann Infanterie einzuberufen. Den WaffendepvtS sind Befehle zur Lieferung der erforderlichen AuS- rüstungsgegenstände zugegangen. — Die »Time-- sprechen sich erneut für die Notwendigkeit auS, in den Ländern zwischen dlm mrr un'o dem Rothrn Meere eine fortwährende, unter englischem Einfluß stehende Regierung herzustellen. Die Herstellung einer solchen Regierung sei, welchen Schwierigkeiten sie auch unt-rliege« oder Welche Kosten sie auch verursachen möge, da- wesentliche Erforderniß für die dauernde Pazifizirung deS östlichen Sudans. — Die Rettung des Obersten Wilson, der mit seinen Dampfern an einer Insel des Nil Schiffbruch gelitten hatte, wird als eine brillante militärische That geschildert Der von einer Kugel getroffene Dampfkessel des Fahr- zeuge» mußte unter dem unausgesetzten, heftigste» Feuer des Feindes auSgebeffert werden. Chemnitz, den 12. Februar 1885. —x. Wir verfehlen nicht, an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, daß einer der Lieblinge unseres Theaterpublikums, Fräul. Clara Clair, kommenden Sonnabend, den 14. Februar, zu ihrem Benefiz in „Preciosa" in der Titelrolle auftritt. — Preciosa—Frl. Clair, diese Zauberformel wird genügen, um an dim Ehrenabend unserer gefeierten Liebhaberin das Haus bis zum letzten Platz zu füllen Für den Benefizabrnd sind die Opernprcise angesetzt. —>r. Im Verein für volkLverständliche Gesundheitspflege sprach gestern Abend Herr Stahringer von hier über die Beschaffenheit de» menschlichen BerdauungSapparateS, dessen Pflege und Erkranken. Die Versammlung war gut besucht und die Anwesenden folgten dem zum Theil durch anatomische Zeichnungen unterstützten Vorträge mit großer Aufmerksamkeit. Herr Stahringer wies in eingehender Weise auf die Beschaffenheit de» BerdauungskanalS hin, machte sodann auf verschiedene Krankheiten desselben und auf deren Ursachen aufmerksam und gab treffliche Anweisungen, in welcher Weise vom naturgemäßen Standpunkte aus derartige Erkrankungen zu verhüten seien. Di« Ur- suche einer großen Anzahl von Krankheiten des Magens sei die Ueber- süllung desselben mit Speisen, namentlich seien aber auch stark ge- würzte, zu heiße oder zu kalte Speisen und Getränke der Gesundheit deS Rogen» sehr nachteilig. Näher können wir auf den an und für sich interessanten Vortrag nicht eingeheu. Nach Schluß de» letzteren wurden noch verschiedene Fragen auS der Mitte der Versammlung sowie geschäftliche Angelegenheiten erledigt. —u. In der am 10. d. M stattgefundenen MonatSversamm- lung de» nördlichen BrzirkSvereiueS gab der Vorsitzende zu nächst bekannt, daß 1. dar diesjährige Stiftungsfest, bestehend in Konzert und Ball, den 18. d. M. in »Stadt London" abgehalteu werden solle. 2. Beschwerde über die mitunter sehr schlecht« Beschaffen heit eine» TheileS deS östlichen Trottoir» an der Schillerstraße ange bracht worden und auch Aussicht auf Beseitigung dieses Uebelstandr» vorhanden sei und 3 die Veröffentlichung der Jnbetriebgabe der in der neuen Gasanstalt errichteten Feuermeldestelle nunmehr erfolgt, auch die Möglichkeit der Aufstellung einer entsprechenden Laterne, wie an den übrigen Feuermeldestellen, nicht ausgeschlossen sei. Der zweite Punkt der Tagesordnung, Verunreinigung der Holzbach durch Abfälle betr., gab verschiedenen Mitgliedern Gelegenheit, nochmal» die schon wiederholt erwähnten Uebelstände zu beleuchten, ganz be sonder» geschah dies von Bewohnern der vlankenauerstraße, welche bekanntlich durch die üblen Ausdünstungen dieser Bach am meisten zu leiden haben. Der ausgestellten Behauptung, daß die Verunreinig ung dieser Bach nur durch den Schlachthof erfolge, widersprach der anwesende Direktor desselben, Herr Kögler, aus da» Bestimmteste. Die Versammlung nahm die Erläuterungen de» Herrn Dir. Kögler mit großem Interesse und dankend entgegen, desgleichen die Einladung desselben zur Besichtigung deS Schlacht- und ViehhofcS und speziell der Grubenanlagen und beschloß, die Angelegenheit, Verunreinigung der Holzbach betr., behufs weiterer Beobachtung und möglichster Er mittelung de» Ursprunges der Verunreinigung dem Vorstand zu über weisen. Dem Ersuchen um Unterstützung einer (bereit» von 3 Bezirks- Vereinen unterstützten) Beschwerde über da» Salzstreuen der Pferde- bahngesellschast wurde nicht entsprochen, da man einstimmig sich dahin äußerte, daß die durch das Salzstreuen rntstehenden Unannehmlich keiten in keinem Verhältniß zu den Schwierigkeiten, mit denen die Pferdebahn bei anhaltendem Schneewetter zu kämpfen habe, stehen, auch in anderen größeren Städten dasselbe Mittel zur Befreiung der Gleise von Schnee und Ei» angrwendel würde und jedenfalls einige kleine Unannehmlichkeiten der weiteren Beschränkung bezw. Einstellung deS Betriebe» der Pferdebahn bei Schneewetter vorzuzieheu sein dürften. Ebenso einstimmig wurde rin Gesuch um Unterstützung einer Petition gegen Erhöhung der Getreidezölle abgelehnt. Von den im Fragekasten befindlichen 5 Zetteln wurden nur 3 beachtlich gefunden. Nachdem noch der jetzige Stand der Errichtung eines neuen Bersorg- hause» bezw. die Erweiterung des jetzigen erläutert und beschlossen, diese Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Monatsver- sammluna '« s:tz:rr, erfolgte Schluß der Versammlung. —r. Am Mittwoch machte die Linde den Schluß im fröhlichen Reigen der öffentlichen Maskenbälle, es ivät über ein würdiger Schluß, denn eS war außerordentlich viel geboten und di« Dekoration übertraf alles Erwartete. Es wogte denn auch eine große Menschenmenge durch alle Räume deS Grundstücks, nur da» Promeniren im Garten war den frischer Luft Bedürftigen und Ein samkeit suchenden Hymensjüngern versagt, da alles verschlossen und verriegelt war. Sie mußten sich dafür in den durch Rußig dekorirten Nieschen, der ungarischen Weinstube des EsterhazykellerS, »BenoS- grotte", »Wahnfrieds Heim- und wie sie alle hießen, ru entschädige« suchen; er waren der Masken ebenso gute und feine als anch geringe vertreten und kaum wird der Classengeist so wenig zur Geltung kommen, als eben bei solchem Gewühl; alle Stände können Gelegen heit finden, sich gemeinsam zu amüsiren. Bei diesem Schluß kann man rufen: — „Ade Fasching! Ein glückliches Wiedersehen I" —* Eine an der Aue hier wohnhafte HandarbeiterS-Ehefrau hatte von einer bei ihr wohnenden ledigen Frauensperson vor einiger Zeit eine Quantität Möbeldamast im Werthe von 15 Mk. geschenkt erhalten. Der Ehemann der Beschenkten argwöhnte jedoch, daß die Schenkgeberin den Stoff nicht in ehrlicher Weise erworben habe und machte der Polizei darüber Anzeige. Die Verdächtige machte auf Vorhalt die Angabe, sie habe den Damast im vorigen Jahre in Dresden von einer Chemnitzer Handelsfrau gekauft. ES wurde hierauf gegen, die Regierung solle bei den Regierungen der übrigen Einzel staaten auf Aufhebung der Lotterie hinwirken und zu diesem Behuf« di« Abschaffung der StaatSlotterie in Aussicht stellen. Straffer und Wagner (koos) und Hänel (freis. sprechen für den Antrag, Stöcker, v. Richthoffen (kons.) und Schreiber (frei-kons.) für den Kommission», ontrag. Dieser wird mit 155 gegen 150 Stimmen abgelehot, ebenso aber auch der Antrag Stöcker. Der Lotterieetat wird unverändert genehmigt. — Der Entwurf betr. Abänderung der Gerichtsverfassung und Strafprozeßordnung bezweckt ersten» eine Herabminderung der Zahl der Geschworenen von zwölf auf sechs; zweitens eine Verwischung der Grenze, durch welche in der Strafprozeßordnung die Entscheidung über die Thatfrage von derjenigen über die Schuldfrage getrennt ist. Und warum soll diese einschneidende Abänderung getroffen werden? Weil angeblich der gegenwärtige Modu» wegen der hohen Zahl der Geschworenen (30 Hauptgrschworeve, 12 Jmymitglieder) für die Ge schworenen selbst sich als lästig und drückend erwiesen habe. Dieser Grund ist nicht stichhaltig Abgesehen davon, daß in Fragen, bei denen e- sich um Lebe«, Ehre und Freiheit von Staatsbürgern handelt, di« Bequemlichkeit anderer Staatsbürger doch nicht die auSschlag- gebend« Rolle spielen sollte, ist von eine« „Nothstaud-, wie die Re gierung ihn avzunehmen scheint, keine Rede; eS find deshalb auch «ine irgendwie erhebliche und begründete Beschwerden in dieser Richt ung laut geworden, ans welche die ReichSregierung sich stützen könnte. Wenn sich Klagen erhoben, wie da« neulich auS Würtemberg gemeldet wurde, so bezogen sie sich auf einige äußere Mängel der Geschworenen- Gerichte, denen abzuhelfen gewiß jede Partei bereit sein würde. — Frankfurt. Bezüglich de» Gerüchtes, wonach in der letzten Nacht gegen di« Hauptwache ein gefährlicher Dynamitsprcng- versuch gewacht worden sei, wird authentischerseit» mitgetheilt, daß nach dem vorläufigen Ergebniß der Untersuchung eine ernstliche, auf eine Zerstörung des Gebäudes gerichtete Absicht kaum annehmbar sei. So viel ermittelt, wurde früh «ine dünne, mit Pulver gefüllte Hülse, in der «ine angebrannte Zündschnur befestigt war, in der den Schiller platz begrenzenden Rückseite deS HauptwachegebäudeS gefunden. Eine Explosion würde rücksichtlich der Geringfügigkeit der Sprengstoffe keftren erheblichen Schaden veranlaßt haben. — Der Verkehr im Gebäude des Polizeipräsidium- zu Frank furt wird sehr strenge überwacht. Das große Thor ist Tag- über geschloffen, nur die in demselben befindliche Schlupfpforte, durch welchen Raum bloß rin Mensch gehen kann, ist offen. Recht» befindet sich die Wachstube mit dem Telegraphen; vor derselben gehen zwei Schutzleute auf und ab, welche Jeden, der den Hof betritt, fragen, wohin er wolle. Führt der Eiutretende «in Päckchen mit sich, so wird nach dessen Inhalt geforscht; auch auf Körbchen ist das Augen merk gerichtet. Anhalten. Anfragen rc erfolgen mit der größten Artigkeit. Ist die Wachmannschaft befriedigt, so wird die gewünschte Auskunft ertheilt. Auch vor dem Elesernhof sieht man häufig einen Schutzmann auf- und abgehen. Italien. Ueber die Absichten Italien» hört man seit einigen Tagen nichts Authentisches mehr; Mancini'S Weigerung, die Inter pellation TriSpi zu beantworten, ist die letzte Kundgebung von maß gebender Stelle gewesen. Inzwischen soll jenseits der Alpen eine gewisse Ernüchterung Platz gegriffen haben; eS wird sogar berichtet, daß der Fortgang der »Parallelaktiou- zu wünschen übrig lasse. Nur »Diritto" macht nach wie vor in Chauvinismus und erzählt ziemlich großspurig von den Wohlthaten, welche dem gesammten Europa au» der italienischen Okkupation am Rothen Meere bald er wachsen sollen. An die Pforte kann »Diritto" bei seinen schönen Versprechungen jedenfalls nicht gedacht haben, denn wie man in Koustantiuopel über das Vorgehen Italiens denkt, bekundet die klag führende Haltung der Pfortendiplomatie zur Genüge. Ihren eigenen Schritten in dieser Sache hat die Pforte soeben eine Erklärung des Khedive hinzugefügt; auch letzteres Aktenstück bestreitet die Völker- rechtliche Befugniß der italienischen Aktion; das Verhältniß zwischen Rom und Konstantiuopel erscheint infolgedessen einigermaßen kühl. Schweiz. In Bern halten die Besorgnisse vor einem Hand streiche der Anarchisten gegen den schweizerischen Bundespalast an. Der Bernische Polizeidirektor v. Wattenwyl hat das Souterrain des BundeSpalastrS durchsucht, um nachzusehen, was für Aenderungen an den Oeffnungrn behufs Sicherung vor Einbrechern vorzunehmen seien. Wie der »Bund" hört, werden tie nothwendigen Aendemngen sofort «»geführt werden. Frankreich. ES fiel in Paris sehr auf, daß bei dem auf Staatskosten veranstalteten feierlichen Begräbniß der kommandirenden Generals Carteret-Trecourt die dir Leichenparade abhaltenden Minister Leval und Peyron darauf bestanden, daß der Marschall Mac Mahon, der sich in zwriier Linie hielt, den Ehrenplatz zwischen ihnen einnahm. Der Marschall und ehemalige Präsident sträubte sich anfänglich, nahm aber dann den ihm avgebotenen Platz ein. Berliner Brief. Von HanS Emir- (Nachdruck verboten.) Wie Ihnen der hurtige Telegraph schon berichtet und ausführ liche Briefe darüber die ersten Meldungen vervollständigt haben, ist der unter Hangen und Bangen ersehnte Subskriptionsball glücklich von Stapel gegangen und hat den WohlthätigkeitSanstolten, die von dem Erlöse derselben bedacht werden, das artige Sümmchen von 33,000 Mark eiugebracht. An sich hat der Ball von seinen Vor- gäugern sich kaum unterschieden; der imposante Saal, in dem das Opern haus mit seiner aus dem ersten Range herabsührenden Treppe kaum wiederzuerkennen ist, war überfüllt; doch wollte es uns scheinen, als ob die Eleganz in den Toiletten und der Luxus im Schmuck dies mal nicht so iehr entwickelt waren, wie in früheren Jahren. Freilich fehlte eS auch nicht an Ausnahmen hierbei, aber es mag wohl die Vereinfachung der Toiletten, die sich in dieser Saison in der Hof gesellschaft kuudgegeben hat, nicht ohne Einfluß auf unser Damen publikum geblieben sein. — DaS Erscheinen der Krinolinen, freund liche Leierin, von dem auch Du wohl schon gelesen haben wirst, erweist sich glücklicherweise als das Phantasiegebilde eines Reporters, der seinen Lesern in Westfalen etwas Originelles hat austischen wollen; der Reifrock, den Frau Prinzessin Friedrich von Hohenzollern getragen haben soll, ist eine Mythe, die sich unser Herr von Münch hausen, bevor er sie in die Welt setzte, doch etwas „reiflicher- hätte überlegen sollen. Der Kaiser und die Mitglieder de» kaiserlichen Hause» mochten nur eivmal den sonst zweimal üblichen Rundgang, um Seine Majestät nicht über Gebühr auzustrengen. — ES war ein herzerquickender Anblick, den greisen Monarchen längere Zeit in den Logen der Botschafterinnen in eifriger Unterhaltung zu sehen, galant und liebenswürdig wie der flotteste Kavalier des Hofe». Der Kronprinz war vielfach im Saale zu bemerken, wo er be sonders den ReichStagsabgevrdneten Woermann, einen der Hamburger »fürstlichen Kaufleute", wie Fürst Bismarck sie genannt hat, in ein längere» Gesvräch zog. Herr Moermann, dessen Name und Hamburger Firma mit den zeitigen Kolonialbestrcbungen nun einmal in einem engen Zusammenhänge stehen, ist der Sohn de» Begründer» der Weltfirma C Woermann und zählt erst 38 Jahre. Eine hohe statt liche Erscheinung von echt germanischem Typus, erfreut er sich im Reichstage im Allgemeinen großer Sympathien; seine Fachkenntniß in Kolonialsrogen wird allseitig anerkannt, während einige verun- glückte Späße, die er sich gegen den Führer einer ihm gegenüber- stehenden politischen Partei dieser Tage erlaubte, rin gewisse» Be fremden erregten. — Der Kronprinz, der bereit» in seinem Palais Herrn Woermann als Gast gesehen hat, machte einige scherzhafte Vergleiche über die anwesenden Damen und die Eingeborenen von Kamerun. DaS Gespräch ging dann aus die Kulturverhäliniffe und die LebenSgewohnheitrn der schwarzen Landsleute über, wobei der Kronprinz lächelnd bemerkte: »Na, vor solchem deutschen Land Woer mann werden die Schwarzen doch Respekt haben." — ?<>nr ienäi-6 vielte hat Afrika — freilich ist'- das nördliche — unS einige Gäste geschickt, denn vor Kurzem sind zwölf junge Ma rokkoner hier eingetroffen, die als Rekruten in ein Garde-Regiment eingestellt find, um nach erfolgter Ausbildung den preußischen mili tärischen Drill in ihre Heimath zu verpflanzen. Vor der Hand macht die Verpflegung in der Ka'crne einige Sckwierigkeiten, da sie nach den Satzungen ihrer Religion hauptsächlich Hammel und Kalbfleisch essen; sie trinken nur Wasser und Limonade, dagegen haben sie unserer nationalen »sauren Gurke- den größten Geschmack abgewonnen, denn sie essen sie mit Vorliebe. — Das ist auch das einzige Anzeichen von »Saure Gurken Zeit- für Berlin, denn rm Allgen einen geht es recht flott bei uns zu und die verschiedenartigen festlichen Veranstaltungen, die in Aussicht ge standen, sind zumeist recht glücklich von Statten gegangen. Obenan steht der in der Aula der neuen Kriegsakademie zum Zwecke der Er- richtung eines Asyls für entlassene Sträflinge arrangirte Bazar, bei dem die Frau Prinzessin Wilhelm zum ersten Male als Prot-ktorin fungirt und mit Liebenswürdigkeit und stundenlanger Ausdauer ihres Amtes waltet, wobei bekannte Domen der Aristokratie und der Ber liner Gesellschaft sie unterstützen. Der Andrang des Publikums ist ein enormer, hat c» doch für Tausende mit Recht einen hohen Reiz, mit der Kreme der Gesellschaft und mit den Mitgliedern der Kaiser familie auf so leichte Weise in Berührung kommen zu können. Allem Anscheine nach wird das Erträgniß ein sehr bedeutendes sein, denn Wenn auch nicht jeder Käufer für ein mit 3 Mark bewerthetes Feder messer, eine Hand voll Goldstücke, wie der alluerehrte Feldmarschall Moltke es gethan, auf den dargebotenen Sammclteller schüttete, so find doch ganz nette Verkaufspreise erzielt worden. — Eine der interessantesten Veranstaltungen der Saison ist ge wöhnlich daS Winterfest LeS »Vereins der Freimüthigcn", da» sich durch die Originalität der Arrangements und frischen Humor hervor- znthun Pflegt. Bei dem in dieser Woche gefeierten Feste, wozu wir von »König Nimrod" per »Z'egrlftein-Karte" mit Keilschrift eingeladen waren, handelte eS sich um daS Richtfest de» »ThurmbauS zu Babel." Die Dekoration des Saales war eine sehr effektvolle. Ob auch immer ganz fiylvoll möchten wir nicht behaupten, aber das biblische Zeit alter läßt der Phantasie ja den weitesten Spielraum. Die Aus stattung deS Festes war eine glänzende, daß selbst Herr General- Intendant v. Hülsen, der an eine opulente Wiedergabe im Opern haus« gewohnt ist, hätte neidisch werden können. Zum Glück hat er eS nicht gesehen, und Aerger hat seine Exzellenz ja schon genug durch die Schrift eine- hiesigen Privatgelehrten, die derselbe für eine fran zösische Revue geschrieben, in welcher er seiner anscheinend sehr großen Voreingenommenheit gegen unser Königliche» Theater in einer den« doch etwa» zu kecken und präteusiösen Weise die Zügel schießen läßt. DaS scheint uns nicht Sache eine» deutschen Gelehrten zu sein, die Franzosen in ihrer Sprache darüber zu belehren, in welch' unwürdi ger. künstlerischer Verfassung sich diese Theater befinden, wobei wir die Berechtigung deS Urtheils an sich gänzlich ununtersucht lasse« wollen — DaS Wallner-Theater, von dem ich Ihnen in meinem letzten Berichte noch recht Trübselige» zu berichten hatte, scheint mit den Sorglosen deS Henn L'Nrronge wieder einen Treffer gemacht z« haben, denn da» Lustspiel hat sich im Sturm den Beifall de» Publi kums erobert, da» an dieser minder anspruchsvollen Stelle sich für die hausbackenen, freilich diesmal etwas französisch aufgrputzte Moral des Stückes sehr empfänglich und dankbar gezeigt hat. DaS doppelte O, von dem ich Ihnen neulich erzählte, hat sich somit wiederum glänzend bewährt, dagegen kann e- da» Stück desselben Verfasser» am Deutschen Theater: »Der Weg zum Herzen" zu keinem durch schlagenden Erfolge bringen. Ob nun wegen de» fehlenden O?I — DaS will ich dahingestellt sein lasten. Als bei der ersten Aufführung diese» Stücke» am Wallner- Theater daS Publikum Herrn L'Arrouge vor die Gardine zitirt«, hatte derselbe — einen schweren Kampf mit sich auSzukämpsen. Bo« ihm nämlich geht dar strenge Verbot au», daß kein Eocietär und kein Mitglied des Deutschen Theater» einem Hervorrufe Folge leisten dürfe. Hie Wallnkr, hie Deutsche- Theater! DaS vielhundertköpfige Ungeheuer Publikum beharrte aber auf seinem Begehren nach dem Verfasser. So entschloß dieser sich denn schnell: Herr L'Arronge, der Direktor de» Deutschen Theater», blieb hinter dem Vorhang; der Autor L'Arronge aber erschien sorglos vor demselben und quittirte über die Beifallsspenden. —
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