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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 09.09.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188309095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18830909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18830909
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-09
- Tag 1883-09-09
-
Monat
1883-09
-
Jahr
1883
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 09.09.1883
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WWWWWWW WWWWWWWWlWWWWWWW WAWWWWWWWWWWW Vellage -um ..Ehrmniher Anzeiger unS Kläkitbaie' Nr. 42. F- 3. Jahrgang. Wer lags-Expedition: Alexander Wiede, Bnchd Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliges Bezirksgericht), vis-L-via dem l rucke Casino. re,, Sonntag, 9. September 1883. GMaL Historisches über Ehernvitz ^ aus dem 30jährigen Kriege. Gelegentlich des jetzigen Erneuerungsbaues unseres alten Rath hauses wird bekanntlich auch die alte Hülfsthürmerwohnung mit be seitigt, welche zwischen Kirche und Kirchthurm eingebaut war. Da sich an dieselbe gewissermaßen eine historische Erinnerung an den 30jährigen Krieg knüpft, so soll es Aufgabe dieses Artikels sein, die fragliche Begebenheit den Lesern des „Chemnitzer Anzeigers" in kurzen Umrissen anzuführen. Am '8. Novbr. 1882 erneuerten die Schweden, welche unter Herzog Bernhard von Weimar Chemnitz damals belagerten, die Be schießung der Stadt. Die Angriffslinie der Schweden zog sich längs des Kaßbergs nach der Nicolaivorstadt, der Nicolaimühle und dem Hüttenbcrgc (an der Stollbergerstraße). Auf dem Kaßberge waren Schanzen aufgeworfen; die Laufgräben zogen sich bis an die Häuser zwischen der Pforte und der jetzigen Bierbrücke. Der die Stadt be setzt haltende kaiserliche Commandant Contrares hatte dagegen, trotzend auf die mit Wasser gefüllten Gräben und die mit Soldaten besetzten Mauern an der Angriffsseite, auf die Thürme des Kloster- und Nicolaithores, sowie an der „Pforte" und am Zwingerwall sechs Stück schweres Geschütz und einige leichte Stücke auffahren lassen. Um 11 Uhr mußte die Kaufmannschaft Schaf- und Baumwollenballen zur Ausfüllung der Bresche hergeben. Was an Zinn, Blei und Pech in der Stadt vorräthig war, mußte zu Kugeln und Pechkränzen ab geliefert werden. Contrares war zur äußersten Gegenwehr entschlossen. Nachmittags von 4—5 Uhr hatte die Bürgerschaft ihre noch übrigen Obergcwehre auf's Rathhaus abzuliefern. Abends zog eine starke Colonne Kriegsvolk durch den Küchwald heran. Die Belagerten glaubten anfangs, es sei Hilfsmannschaft; allein es waren Schweden, die sich zwischen Altendorf den Schloß- felderu und der Penigerstraße lagerten. Am 19. Novbr. wandten sich die Schweden nach dem Schlosse, Während Batterien, die nun mit 43 Stücken armirt waren, beim Klosterthor und bei der Pforte Bresche zu schießen suchten. Die Be satzung leistete jedoch tapferen Widerstand. Die gefangene Bürger schaft mußte schanzen. Zur Ausfüllung der von den Schweden ge schlagenen Löcher wurden Bierfässer mit Erde und Dünger gebraucht. Am 20. Novbr. wurde das Bombardement immer stärker/ während des Gottesdienstes, an welchen seit 13 Tagen nicht gedacht worden, fielen gegen 100 Schüsse aus schwedischen Stücken und der Diaconus M. Sebastian Hommel predigte gerade über den Text des 25. Psalm: „Die Angst meines Herzens ist groß, führe mich, Herr, aus meinen Nöthen." Die Zahl der Schanzer wurde aus den Bürgern noch vermehrt. In den Gärten der Lohgassenhäuser waren 14 Fahnen kaiserliches Fußvolk aufgestellt, um den Schweden mittels eines durch die Stadt mauer gebrochenen Ausfallpförtchens nachdrücklich zu begegnen, wenn es zum Sturm kommen sollte. Contrares erklärte: „er wolle sich lieber unter den Trümmern der Stadt begraben lassen, als an Uebergabe denken". Als Zeichen seiner Gesinnung ließ er früh zwei brennende Pechkränze am Glocken thurm aufhängen, mit denen er drohte, die Stadt anzünden zu lasten. Nachmittags um 3 Uhr begann der Sturm. Die Schweden drangen trotz der verzweifelten Gegenwehr der Kaiserlichen über den Graben und durch die Bresche in's Barfüßerkloster. Dies brächte den Commandanten auf andere Gesinnung. Er wendete sich nun selbst an die Bürgermeister, damit diese durch ihre Vermittelung einen leidlichen Accord von den Schweden erhalten möchten. Auch die Gräfin Terzky (bekanntlich Wallenstein's Schwester), welche sich damals in Chemnitz aufhielt und in obenerwähnter Hülfs thürmerwohnung ihr Asyl aufgeschlagen hatte, verwendete sich für die Uebergabe der Stadt, da sie bei einer Erstürmung derselben für die Sicherheit ihrer Person Befürchtung hegte. Abgeordnete der Stadt, Bürgermeister und Amtsschösser wurden von ihr ersucht, einen leid lichen Vertrag bei den Schweden zu vermitteln. Gesühnt. Nachdruck verboten. Abends 6 Uhr ward den Belagerern zu erkennen gegeben, daß man capituliren wolle. Herzog Bernhard hatte nämlich nach Erstürmung des Klosters, um die Stadt vor den Gräueln einer Ge walteinnahme zu bewahren, nochmals die Uebergabe unter Bedingungen angeboten. Den 21. Novbr. früh gingen der Bürgermeister M. Kaspar Horn und der Amtsschösser Hans Arnold zum Herzog Bernhard auf's Schloß und noch denselben Nachmittag 3—1 Uhr zogen die Kaiser lichen ab und die Schweden rückten ein. Elfteren wurden aber die Fahnen genommen und theiltpeise das Gepäck geplündert, allerdings wider den Willen des Herzogs Bernhard, der auch deshalb einen schwedischen Soldaten am nächsten Fensterstock aufhängen ließ. Der größere Theil der kaiserlichen Besatzung jedoch nahm nun Dienst bei den Schweden. Am 22. November zog Herzog Bernhard in Chemnitz ein und nahm Wohnung bei M. Michael Schau. In der Stadt sah es noch ganz so aus, wie bei Wallenstein's Anwesenheit, alle Straßen waren mit Soldaten und Fuhrwerk bedeckt, die Häuser reichten kaum für die Offiziere hin. Auf dem Markte standen 60 Stück schwere Geschütze und überall sah man todte Menschen und Pferde, die an Pest oder Typhus gestorben, oder von den Kugeln der Belagerer getödtet worden waren. An Begraben war während der Belagerung nicht zu denken gewesen. Nun stellte sich der Mangel an Lebensmitteln noch ein, denn wenn auch am 23. November Fleisch, Brod und Bier aus Torgau ankam, so war dies noch lange nicht ausreichend. Aber etwas Ordnung trat nun doch wieder ein und am 25. Novbr. wurde zum ersten Male wieder Gottesdienst abgehalten. Um nun die Stadt wieder in Vertheidigungszustand zn setzen, wurde Tag und Nacht gearbeitet, doch wurden diesmal nur die Maurer und Zimmerleute zur Hilfe beansprucht. Am 26. November früh 8 Uhr zog Herzog Bernhard mit der schwedischen Armee ab und Major Joachim Mizlaf übernahm das Commando über die zurückbleibende Besatzung, welche mit den 1500 Mann, die nach dem Aufbruch des Herzogs eingezogen, auf fünf Regimenter zu Fuß und zu Roß verstärkt wurden. In ein Haus kamen gegen 20 Soldaten zu liegen. Die Glocken und kupfernen Braupfannen mußten mit 1000 Thlr. abgelöst werden, weil nach der Meinung des schwedischen Comman danten diese Stücke eigentlich den Siegern zugehörten. Am 27. November traf ein starker Transport Brod und Fleisch ein, der unter die Bürger vertheilt wurde, an demselben Tage ward auch eine größere Anzahl kaiserlicher Gefangener abgeholt. Am '-!8. November konnten endlich die zahlreich in den Gassen liegenden Leichen beerdigt werden, an diesem Tag allein 66, von denen einige länger als 14 Tage gelegen hatten. Man hatte sie auf einer Brandstätte der Herrengasse zusammengelegt. In dieser Woche begrub man an 300 Leichname. Eine Einquartierung löste die andere ab und die Lage der Stadt blieb eine äußerst drückende, die unglücklichen Bürger konnten nicht genug schaffen und wurden von den Soldaten bis auf's Blut gepeinigt, so daß viele auf und davonliefen und Alles im Stiche ließen. Die Zahl der Gestorbenen belief sich im Jahr 1632 laut dem Kirchenbuch auf 1M4, doch mag die Zahl in Wirklichkeit noch weit größer gewesen. sem. Unter den Verstorbenen befand sich auch der Superintendent Faber. / Ein Gang durch Chemnitz. Mi Gang durch Chemnitz des Sonntags Vormittags ist schön. In Mr Kirche ist Gottesdienst; die Straßen sind ruhig; die Schank- locale wenig belebt. Auf den Promenaden und am Schloßteich mit seinen unvergleichlichen Anlagen kann man stundenlang umherspazieren, Ohne sich zu langweilen. An den Wochentagen ist dies freilich nicht der Fall, denn die angrenzenden Fabriken erfüllen die Luft dermaßen mit Kohlendunst, daß selbst manchen Kranken der Aufenthalt dort verleitet wird. Nun cs wird dies jedoch anders werden, wenn man die längst Criminalroman von Wilhelm Braun. (Fortsetzung) Gleichwohl mußte das junge Mädchen eine bedeutende Seelen stärke besitzen, denn keine Thräne netzte ihr Auge, keine Klage ent schlüpfte ihren Lippen. Auf alle Fragen des Richters nach der Art, wie sie in den Besitz des Schmuckes gekommen sei, hat'e sie stets nur die eine Ant wort und berief sich zur Betheuerung ihrer Unschuld auf das Zeugniß der Gräfin. Hierauf schien der Beamte nur gewartet zu haben, denn mit einem durchdringenden Blick die Gefangene fixirend, sagte er, einen Anflug von Spott im Ton der Stimme: „Sie haben sich gut auf das Zeugniß der Frau Gräfin berufen, da Sie wissen, daß dieselbe nicht wehr gegen Sie zeugen kann." Maria blickte bei diesen Worten befremdet auf. „Warum nicht?" frug sie schnell. Der Richter verwandte kein Auge von dem Antlitz der Baronesse, Während er, langsam, jedes Wort betonend, antwortete: „Weil die Gräfin gestern Abend, wenige Minuten, nachdem Sie in das Schloß zurückgekchrt waren, todt in ihrem Zimmer aufge funden worden ist." Hatte der Sprechende von seinen Worten einen Eindruck auf seine Gefangene erwartet, so konnte er mit der Wirkung derselben vollkommen zufrieden sei«. „Todt?" Das Wort trat nur halb über die erblassenden Lippen des Mädchens — starr, mit angstvoll vorquellenden Augen, die Hände unwillkürlich faltend, stand sie da — ein Bild des Schreckens, des vöNigen Entsetzens. Allmählich erst wich der fesselnde Bann aus ihrem Körper, von ihrer Seele und mit äußerster Gewalt sich zu- sammenraffeud, trat sie einen Schritt näher an die Schranke heran. „Die Lage, in der ich mich befinde, ist zu ernst," sagte sie drin gend, „als daß ich an eine Täuschung Ihrerseits glauben könnte. An was ist die Frau Gräfin gestorben?" Der Richter schien zu lächeln. „Das ist di« Frage, die ich eben an Sie stellen wollte." „An mich? Wie so?" „Die Frau Gräfin ist in den wenigen Minuten gestorben, die Sie nach Ihrer Rückkunft aus der Stadt bis zu Ihrer abermaligen Entfernung aus dem Schlöffe dort verweilten. Sie find die einzige Person, welche in der Nähe der Gräfin verweilt hat". Die Baronesse fuhr unwillkürlich zusammen. „Ich bin nicht bei Ihr gewesen," hauchte sie. Der Richter erhob sich von seinem Sitze. Jetzt spielt« der Zug offenbaren Spottes um seine Lippen. „Wie kam dann dieser an Sie adressirte Brief in das Zimmer der Gräfin?" frug er scharf. „Derselbe lag auf der Diele des Zimmers." Er hatte bei diesen Worten den in seinen Akten liegenden Brief hervorgcholt und hielt ihn der jungen Dame entgegen. Maria er kannte denselben und bebte von Neuem. „Ach ja", stammelte sie, sich verbessernd. „Ich wollte Abschied von ihr nehmen. Aber sie schlief gerade." „Abschied nehmen?" dehnte der Richter. „Was bewog Sie denn dazu?" Marias Augen umschleierten sich. „Dieser Brief", sagte sie in schmerzlichem Tone. Der Beamte machte eine unwillige Bewegung. „Sie haben mir gesagt, daß Sie Ihre Eltern öfter durch Geld sendungen unterstützten. Warum thatcn sie dies nicht auch gestern brieflich?" Die Baronesse schwieg. Darauf hatte sie keine Antwort bereit. Der Richter wünschte, ihre Verlegenheit zu benutzen. „Hatten Sie sonst weiter keinen Grund, das Schloß zu ver lassen?" frug er weiter. Die junge Dame blickte einen kurzen Moment empor, dann aber schlug sie erröthend das Auge zu Boden und schwieg.. „Haben Sie auf meine Frage keine triftige Antwort?" drängte jener. Die Gefragte beharrte in ihrer vorigen Stellung, ihre Lippe« blieben geschloffen. „Begreifen Sie nicht, daß Sie durch Ihr Schweigen den Ver dacht gegen Sie nur erhöhen?" Die feine Gestalt des Mädchens schwankte, aber sie schwieg. Der Richter glaubte, den letzten Trumpf ausspielen zu müssen. „Sie werden mich in der nächsten Stunde nach dem Schlosse des Herrn Grafen begleiten; ich werde Sie der Leiche gegenüber- stellen." Jetzt kam plötzlich wieder Leben in das junge Mädchen. Von jähem Schrecken erfaßt, hob sic die Hände und streckte sie bittend dem Richter entgegen. „O, thun Sie das nicht, Herr," flehte sie weich und innig; „ich habe noch nie einen Tobten gesehen, ich werde den Anblick nicht ertragen können." Und schluchzend sank sie auf den Stuhl zurück, von dem sie sich bei Beginn des Verhörs erhoben hatte. Der Untersuchungsrichter runzelte die Stirn. „So legen Sie ein unumwundenes Geständniß ab und Sie werden hier bleiben." Ein unwilliger Blick aus den lebendigen Augen traf den Richter. „Aber ich habe Ihnen die Wahrheit ja gesagt, ich habe ja den Schmuck zum Geschenk erhalten." Der Beamte sah kalt darein. „Und die Gräfin?" frug er schneidend. erfundenen Rauchverbrennungsapparate in Anwendung bringen wird Der Nachmittag ist belebter. Die Straßen, namentlich die hervor ragendsten, wimmeln von Spaziergängern, die der Stadt entfliehen und in der Dämmerstunde zu Tausenden zurückkehren. Aber ein Gang durch Chemnitz in den Wochentagen liefert ein ganz anderes Bild. Dies geschäftige Treiben, dies Laufen und Eilen. Da heißt es Aufpassen, daß man nicht in Carambolage mit so manchem eilenden, rennenden oder auch bummelnden Menschenkind kommt. An den Markttagen, Sonnabends besonders, ist man an manchen Stellen seines Lebens nicht sicher. Ein halber Tag ist oft nicht hinreichend, um Alles, was..Zeitvertreib heißt, mit anzusehen. Die Physiognomien zu studiren, ffMitereffant und die Kostüme dazu. Man kann den höchsten Luxus, aber auch die Zcrlumptheit in jedem Grade beobachten. Vorzüglich bietet die Mittagsstunde manchen Beob achtungsstoff und das weibliche Arbeitspersonal in erster Linie. Man hat hierbei Ursache zum Lachen, aber auch zum Traurigwerden. Mancher Arbeitgeber kann kaum seine Töchter von seinen Arbeite rinnen unterscheiden. Die Arbeiterinnen der noblen Strumpfgeschäfts machen allen andern in Hinsicht der Kleidertracht den Rang streitig. In zweiter Linie kommen die mechanischen Weberinnen, dann die der Spinnereien. Die wunderlichsten Trachten in der Kleidung, ganz und halb elegant, aber auch ganz einfach, sind da zu sehen. Man fragt sich, wie kleiden sich diese Frauen und Mädchen des Sonntags? und wie groß muß der Verdienst derselben sein, um dies durchsetzen zu können? Nun ein Blick hinter diese Coulissen belehrt uns folgen dermaßen. Auf Credit werden diese Kleider entnommen und ein gut Theil des Wochenvcrdienstes muß des Sonntags, wenn diese Credito- ren kassiren kommen, geopfert werden. Man entbehrt lieber alle und jegliche Fleischkost, nur um den Anforderungen der Mode gerecht zu werden. Bei Manchen tritt aber auch in Bezug auf Anschaffung der Kleider eine Erleichterung ein. Männer und junge Burschen, die in Fabriken mit Frauen und Mäd chen zusammen arbeiten und den Beobachter im Stillen machen, Wissen von der Gunst und Kunst zu erzählen, welche zu solcher Erleichterung verhilft. — Wie so mancher unerquickliche Auftritt »st daraus schon entstanden und welches Ende erlangten oft solche Dramen! Die Frauenarbeit in den Fabriken hat manches Uebel im Ge folge. Aber noch ein anderes Leiden haben die Fabriken nach und nach in die Welt geschafft und das find viele verdorbene Augen. Auf einem solchen Gang durch Chemnitz entdeckt man eine auffallend große Zahl Brillenträger. Bei der Bureaukratie findet man diesen Umstand fast selbstverständlich, aber hier ist es darum noch auffälliger, weil man auch eine große Zahl Kinder mit „bewaffneten Augen" sieht. ES gicbt mechanische Webereien, wo eine Anzahl Webstühle inmitten deS Arbeitssaales stehen, wo weder von der rechten noch linken Seite her das Tageslicht direct auf die Arbeit fällt; sechs oft siebenfarbig bunt und 140 Ctm. breit ist die Waare. Bei bewölktem Himmel muß man den ganzen Tag Licht brennen. Nach 3—4 Monaten schon spürt mau die Folgen davon, nämlich Schwächung des Augenlichtes. Die Kinderarbeit besteht vielfach in Perlenanfädeln, deren Oese« oft nicht größer sind als ein feines Pferdehaar. Auch hier sind dis Kinder manchmal in einigen Monaten schon brillenbedürstig geworden. Ihr Contingent hierzu stellen auch die Maschinenfabriken. Staub und Dunst aller Art, schlecht gelüftete Arbeitssäle, dunkle Arbeits stellen, wo ebenfalls den ganzen Tag die Gasflammen brennen, Weiß feuer im Puddelofen, so daß die Augen des Zuschauers sich sofort schließen müssen, die buntfarbigen Schmelzfeuer der Metallgießereien verwüsten in 1—2 Jahren so manches kräftige Auge. Nun der Schaden des einen ist der Nutzen des anderen. Gewissenlose Brillenhändler finden für ihre schlechte .Waare guten Absatz denn die Unkenntniß des menschlichen Auges, wie es in solchen Fällen behandelt werden muß, greift schnell zu diesem scheinbar guten Mittel, der Brillenhändler preist mit gewandter Zunge Jedem seine schlechten Brillen an. Erst wenn man innerhalb eines Jahres 2 bis 3 Stück dieser gut empfohlenen Waare als nutzlos erkannt hat, sucht man erst an der richtigen Stelle Hilfe, aber oft — zu spät, um völlige Wiederherstellung des geschwächten Augenlichte- zu erlangen Die Baronesse blickte empor. „Ich verstehe sie nicht," sagte sie schüchtern. Jetzt verlor der Mann aber doch die Geduld ein wenig. „Nun denn," rief er hart, „da Sie es nicht zu wissen scheinen: Die Frau Gräfin ist ermordet, mit Chloroform erstickt, aus dem Fläschchen, welches in die Hausapotheke gehört, zu der Sie allein den Schlüssel besaßen. Ihre Verletzungen an dem Arm und der Hand, über deren Entstehen Sie jede Auskunft verweigern, der Brief auf der Diele des Zimmers, dem gegenüber Sie Ihre anfänglich geleugnete Anwesen heit bei der Gräfin nicht länger bestreiten können, der in Ihrem Besitz gefundene Schmuck, den die Frau Gräfin erst vor acht Tagen von ihrem Gemahl zum Geschenk erhalten, der Hülferuf, den der Reitknecht gehört, Ihre unerklärliche Flucht aus dem Schlosse, di« offenbaren Spuren eines kurzen, aber heftigen Kampfes, welche die Leiche getragen — sind das nicht allein schon Jndicien genug, welche Ihr hartnäckiges Leugnen lächerlich erscheinen lassen? — Kehren Sie, wenn Sie nicht noch vorher gestehen wollen, jetzt in Ihre Zelle zurück, aber halten Sie sich bereit, mich innerhalb einer halben Stunde nach dem Schlosse zu begleiten und die Leiche der Gräfin mit mir i» Augenschein zu nehmen." Er hielt inne, in der Erwartung, durch die erdrückende Wucht der eben angeführten Thatsachen ein Geständniß aus dem schwachen Geschöpf Herauspressen zu können, allein die Baronesse beharrte bei ihrem Schweigen und folgte auf ein entlassendes Zeichen des Richters dem Gerichtsdiencr, welcher auf de« Glockenruf eingetreten war und die Unglückliche in ihre einsame Zelle zurückführte. Eine halbe Stunde später führte eine verschlossene Droschke Maria an der Seite des Untersuchungsrichters nach dein Schlöffe des Grafen. Wenn sie die Mörderin des jungen Weibes war, so hatte sie aller Wahrscheinlichkeit nach das Zimmer verlassen, ehe noch der Tod bei der Gräfin völlig eingetreten war — der Anblick der Leiche mußte offenbar erschütternd auf sie wirken, vielleicht — es geschieht dies ja oft — zwang sie derselbe zu einem umfassenden Geständniß. Mit angstvoll umherirrenden Augen betrat die Unglückliche das Zimmer, wo die Gräfin gefunden worden; beim Anblick des Grafen erblaßte sie sichtlich, während ein schreckhaftes Zucken ihren zarte« Körper erzitterte, sie schlug das Auge vor dem schmerzlichen Blick des Grafen zu Boden und schritt »«sichern Ganges auf die Ver- bindungsthür los. Kaum aber hatte sie nach einem scheuen Blick auf das Bett der Gräfin das schöne, durch den Tod nicht entstellte Antlitz derselben erblickt, als sie, alles um sich her vergessend, mit lautem Aufschluchzen auf die Todte zueilte und unter heftigem Weinen sich über sie warf, um das Antlitz der Todten zu streicheln und zu lieb kosen und, als ob dieselbe sic hören könne, ihren schnellen Tod zu beklagen. Der Richter stand völlig düpirt — daS hatte er nicht erwartete als wolle er in seiner Rathlosigkeit Hülfe suchen, blickte er sich nach
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