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Nr. 244. — 4. Jahrgang. E Mr nnö AMbote. ^ Tonnerstag. 16 Oktober 1884. '4 Unparteiisches Tageblatt für Chemnitz und Umgegend besonders für die Vororte: A!tcheMih,A!tendors, Bernsdorf, Borna, Ebersdorf, Furth, Gabtenz, Glösa, Helbersdorf, Hilbersdorf, Kappel, Neustadt, Schöna«. 3 Unterhaltungs-Blatter, 8L 1LÄL Anzeiger-Bilderbuchs Abonnementsbestellungen, vierteljährl. ISO Pf. (Zntr. 40 Pf.), monatl. SO Pf. (Zntr. 1k Pf.), nehmen »n die Berlagsexpedition und Ausgabestellen in Chemnitz und obigen Vororten. Außerhalb dieser Ort« tau» der Anzeiger nur bei den Postanstalteu — PoftzeitungS-Liste 7. Nachtrag Nr. 10SS — bestellt werde«. In Oesterreich-Ungarn ist der Chemnitzer Anzeiger zum Abonnementspreise von vierteljährlich 1 Gulden 41 Kr., monatlich 47 Kr. (exkl. Agiozuschlag) durch die Postanstalten zu beziehen. Insertionspreis : di« schmale (Ispalltge) KorpnSzrile oder den» Ram» 1b Pfennig«. — — Unter Eingesandt pro Zeile 30 Pfennige — «ns groß« «nnon«» und Wiederholungen Rabatt. — Annonce, »Annahme für die nächst« Rnnnner bi» Mittag. — Ausgabe jede» Wochentag Nachmittag. Annoneeubestellunaen von auSwärt» wolle man den JnsertiouSbetrag stet» beifügen (kleinere Betrüg» in Briefmarken) je 8 Silben der gewöhnlichen Korpusschrift bllde« eine Zeile und koste» 18 Pfennige. BerlagS-Expedition: Alexander Wiede, Buchdruckerei, T.hemnitz, Theaterstratze 48 (ehemalige» Bezirksgericht, gegenüber dem Kasi«»). Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume wird die Stadthauptkasse Freitag den 17. Oktober d- I. geschlossen »leiben. Chemnitz, am IS. Oktober 1884. Die Verwaltung der Stadthauptkasse. Illing. Leihanstalt. Jakobikirchplatz 4, - Nächstkommenden nnd folgende Tage Auktionsbekanntmachung. Dienstag den »1. Oktober d. K. sollen Vormittags von 9 bis und Nachmittags von 2 bis ö Uhr im Auktionslokal der . ^ Parterre, goldene Ketten, Ringe, «rochen, Ohrringe, silberne Speise- und Kaffeelöffel, goldene und silbern« Uhren, Herren- und Frauenkleider, Betten. Leib-, Tisch- nnd Bettwäsche, Rock- und Hosenstoffe, Leinwand, Bettzeug und Kleiderzeug u. s. w. gegen sofortige Bezahlung au de» Meistbietenden ver steigert werden. Auktion»verzeichnisse sind auf der Expedition der städtischen Leihanstalt für 10 Pf,, zu haben. Chemnitz, am 14. Oktober 1884. Die Verwaltung der städtischen Leihanstalt. > Kunze. Freitag den 17. Oktober 1884, Vormittag» 9 Uhr, soll im Auktionssaale de- Justizgebäudes hier ein größerer Borrath von Buchbinder- u. Papierhändler-Artikeln, als fertige u. halbsertige Bilderbücher und Sartonnagen, sowie Materialien hierzu. Pathenbriefe, Bratulationskarten, Bilderbogen, Papierwäsche, Rechnung»-, Quittung-- und Wechselformulare, Gold-, Spitzen- u. bunte Borden. Buchbinder-Handwerkszeug, ferner l braune» Pferd. 2 Kohlenwagen, 1 Handwagen, Möbel. 1 gr. Pfeilerspieael, 1 Näh maschine, Uhren, Kleidungsstücke, 118 Bände Shakesspear's, Göthe'S, Lessing'H und naturwissenschaftliche Werke, sowie Bibliothek der Unterhaltung und de» Wissens u B m. zur öffentlichen Versteigerung gelangen. Aktuar Berger, Gerichtsvollzieher bei dem Königl. Amtsgericht Chemnitz. Tageschronik. 18. Oktober. 14S6. Gründung der Universität Greifswald. 1SS3. Lukas Kranach gest. 1793. Marie Antoinette gest. 1813. Schlacht bei Leipzig. 1870. Ein Ausfall aus Breisach zurückgeschlagen. Eelegramme -es Chemnitzer yknzeigers. Vom 14. Oktober. Frankfurt a. M. Die Handelskammer beschloß, an den Reichskanzler eine Eingabe mit der Bitte zu richten, dahin wirken zu wollen, daß die Verletzung des egyptischen Liquidationsgesetzes, sowie «ine finanzielle Schädigung der egyptischen Gläubiger verhindert und weiteren Eingriffen in die Rechte der zahlreichen deutschen Gläubiger Egyptens vorgebeugt werde. Die Handelskammer beschloß ferner, dem Z 3 der Börsenordnung folgenden Zusatz zu geben: Ausgeschloffen von den Börsenversammlungen werden diejenigen, welche auf Täusch ung berechnete Mittel, falsche Nachrichten u. s. w. anwenden, um auf die Kurse einzuwirken. Braunschweig. Nach heute vorliegenden Meldungen war das Befinden des Herzogs gestern wiederum etwas besser. Paris. Das Gelbbuch mit Dokumenten über die westafrika nischen Angelegenheiten ist vertheilt worden. Dasselbe enthält das heute im „Figaro" veröffentlichte Schreiben des Botschafters Baron Courcel an den Fürsten Bismarck (der Inhalt desselben wurde von uns gestern telegraphisch gemeldet. D. Red.) und andere Dokumente, welche die in jüngster Zeit von dem „Temps" über Zweck und Pro gramm der Konferenz in Berlin gebrachten Angaben bestätigen. Paris. In der heute zusammengetretenen Deputirtenkammer brachte der Marineminister Peyron eine Kreditforderung für Tonkin im Betrage von 11 Millionen ein. Die Vorlage wird einer beson deren Kommission überwiesen. Der Kriegsministcr legte einen Gesetz entwurf über die Organisation der Kolonialtruppen vor. Die Be- rathung der Interpellation Dcsroys über die Wirtschaftspolitik der Regierung wird auf Sonnabend festgesetzt. London. Ein Telegramm der „Times" aus Amoy billigt die Nachricht von der Niederlage der Franzosen bei Tamsui (Insel For mosa) Die Chinesen, welche in einem Hinterhalt lagen, hielten sich völlig still, als 600 Franzosen am 8. d. M. landeten und so nahe herankamen, daß die Chinesen sie leicht mit ihren Kanonen beschießen konnten. Dann erschienen die Chinesen Plötzlich, die Franzosen ge rieten in Verwirrung und nach einem fünfstündigen Kampfe zogen Letztere sich auf die Schiffe zurück. Die Franzosen verloren 70 Tobte und Verwundete, während der Verlust der Chinesen, auf 200 Mann angegeben wird. Letztere schnitten 22 französischen Leichen die Köpfe ab. Der britische Konsul protestirte gegen diese Barbarei und die Chinesen versprachen, dergleichen nicht mehr zu thun. Nischny Nowgorod. Die kriegsgerichtliche Verhandlung gegen die 72 Kunawinoer Personen, die sich an einem Exzeß gegen die Juden betheiligen, hat heute begonnen. Sie findet bei verschlossenen Thüren statt und wird zwei Wochen dauern. (Weitere Telegramme siehe dritte Seite Blicke in di- Welttvirthfchaft. VI. Der Weltpostverkehr. „Unter den Vermittlern der lebendigen materiellen und geistigen Wechselwirkung zwischen den Kulturvölkern des Erdballs ist das Post- wesen, vermöge seines alle Lebensgebiete durchdringenden, also am weitesten nnd tiefsten reichenden Einflusses, als das umfassendste Medium des Verkehrs anzusehen. Aus dieser wichtigen Kulturauf gabe ergiebt sich die Nothwendigkeit, das Postwesen in seinen Ein richtungen nicht blos den lokalen, provinziellen oder nationalen Bedürfnissen anzuraffen, sondern es für den Gedanken austausch im Weltverkehr, für die Beziehungen von Welttheil zu Weltlheil nutzbar zu machen." Mit diesen Worten beginnt Herr Professor von Neumann-Spallert in Wien den die Verkehrsmittel behandelnden Abschnitt seiner „Ueber- sichten der Wcltwirthschast", und wenn es dem gelehrten Sta istikcr in irgend einem Theile seines Werkes voll Verdienst gelungen ist, die trockenen Zahlen zu einem lebendigen Bilde zu gestalten, so ist dies in dem Kapitel vom Wcltpostverkehr der Fall. Wir können ihm hier natürlich nicht in die Masse des Zahlenwerks folgen, sondern müssen uns damit begnügen, gestützt auf das von ihm gebotene Material, in kurzen Zügen die Entwicklung und das Wesen dieses gewaltigsten Mediums »es internationalen Gedankenaustausches zu skizziren. Die Erkenntniß der Wichtigkeit einer umfassenden Förderung des internationalen Verkehrs ist erst in den letzten Jahrzehnten im Post wesen zur praktische» Anwendnng gelangt. Der Aufschwung im Straßen-, Eisenbahn- und Schiffsbau hätte, so sollte man meinen, längst einen genügenden Anlaß darbieten sollen, die überlebten, eng herzigen Formen der vom Miitelalter überkommenen Posteinrichtungen zu beseitigen. Aber weder die geniale Briefportoreform Rowland Hill's (1840), noch die verdienstvolle Begründung des deutsch-öster reichischen Postvereins (1850), noch endlich die auf Antrieb Nord- Amerikas 1863 zusammengetretene internationale Postkonferenz ver mochte eine Befreiung von den veralteten, der ungeheuren Entwicklung des Verkehrs im Wege stehenden Tarifsystemen und von der Unzahl mit werthlose« Detail überfüllten Postoerträge herbeizuführen. „Erst dem weitblickenden Geiste" — schreibt Herr von Neu mann-Lpallert wörtlich — „Or. Stephan's, des jetzigen Staats sekretärs des deutschen Reichs-Postamtes, gelang die Lösung jener für die Annähcrung der Völker so bedeutsamen Aufgabe mit einem Er folge, der um so mehr anzuerkennen ist, je größer die Schwierigkeiten waren, welche sich der Verwirklichung dieser Reform entgegenstellten." Der Erfolg der Stephan'schen Bestrebungen war der mit dem 1. Januar 1879 ins Leben getretene Weltpostverein. Er umfaßte zu nächst 32 Staaten. Schon im Jahre 1880 traten Kolumbia, Venezuela, St. Domingo, Uruguay, die Bahama-Inseln, Liberia bei; 1881 Paraguay, Haiti, Chile und Guatemala; 1883 Hawai, Nicaragua und Costarica, so daß das Gebiet des Vereins 82 Mill. Quadratmeilen mit 800 Mill. Bewohnern umfaßte. Außerhalb des Vereins ver blieben vorläufig nur noch einige britische Kolonie» (Kapland, Natal und die australischen Kolonien mit Neu - Seeland), ferner Bolivia, einige Südsee-Jnseln und China. Das Vereinsporto beträgt im ganzen Gebiete 25 Centimes — 20 Pfennig für den einfachen frankirten Brief. In der That eine große Vereinfachung gegenüber den bisherigen 1200 internationalen Tarifsätzen, welche noch bis 1875 zu Recht be standen. Das Resultat des Vertrages liegt bereits klar vor Augen. Im Jahre 1865 sind etwa 2300 Millionen Briefe im Weltverkehr ge wechselt worden; 1873 betrug die Zahl 3300 Millionen; 1882 be reits 5000 Millionen Briefe. Mit Hinzurechnung der Postkarten, Drucksachen und Zeitungsnummern steigt diese Zahl auf 10 Milliarden. Täglich laufen auf dem Erdball nahezu 28 Millionen Briefsendungen; gewiß ein glänzendes Zeugniß für die kulturelle Bedeutung des Welt postvereins. Nach den neuesten Aufnahmen wurden per Jahr aufgegeben in Millionen: Briefe Postkarten Drucksachen und ) Warenproben s Zeitungsnummern Zusammen Pro Kopf der Bevölkerung berechnet beträgt die Durchschnitts zahl deS Briefverkehrs der ganzen Erde etwa 7 im Jahr In Eng land steigt diese Ziffer auf 52,5, in der Schweiz auf 50,6, wobei der Fremdenverkehr daS Beste thut; in Deutschland auf 3', währen) Belgien noch auf 42 5 und Frankreich auf 34 kommt; in den Nieder landen auf 32; in Oesterreich auf 17, während Spanien nur 9, Portugal nur 6; Griechenland 3,6; Rußland 2,8 und Bulgarien schließlich nur 0,6 Briefe pro Kopf aufweist. — Die Vereinigten Staaten Nordamerikas übertreffen selbst England mit ihrer Durch schnittsziffer von 55,12 Briefen; sie werden aber nicht überboten von Neu-Seeland mit 66,53 und Neu Süd-Wales mit 61,36 Briefen. Wir können nicht umhin, einige Worte über die mit dem Post wesen unmittelbar im Zusammenhang stehende, wesentlich demselben Zwecke dienende Telegraphie anzuschließen. Die Zahl der ausgelieser ten Depeschen betrug im Jahre 1860 nur 8 917,938; im Jahre 1875 bereits 78,976,140; im Jahre 1877: 86,2 >4 359, im Jahre 1879 war sie auf 83,500 000 gesunken, um in den nächsten drei Jahren über wieder auf 90, 103 und 109 Millionen zu steigen. Die Gesammtzahl der in allen Ländern der Erde ausgeliefertcn Tele gramme betrug im Jahre 1882 rund 168 Millionen. Mit Recht nennt Herr von Neumann-Spallert die Lebhaftigkeit der telegraphischen Korrespondenz eine „Signatur unseieS Zeitalters", deren genaue Kennzeichnung in ihren hervorstechenden Zügen noch der Feder des Kulturhistorikers harre. In der That könne die heutige Gesellichaft, die öffentliche sowohl, wie die private des Telegraphen nicht mehr entbehren, wenn sie nicht auf primitive Verkchrszustände herabsinken solle. Die wechselnden politischen Verhältnisse, die mannig fachen staatlichen Umwälzungen größten Stils, welche sich in unserer Zeit vollziehen, die Unruhe und Hast unseres kommerziellen Lebens, die Börsenoperationen mit ihrem nervösen Charakter, die Leichtigkeit des Reifens von Land zu Land, die großen sozialen Kämpfe und Politschen Reibungen, die Parlamentsberaihungen und die mächtige Ausbreitung der Presse, alle diese Faktoren prägen sich in entschiedener Weise in der Steigerung des Telegraphenverkehrs aus. Europa. Asien. Afrika. Amerika. Australien. 3501 198,5 20,4 1188,5 91,9 507 54,7 0,2 337.4 0.8 1006 7.3 7.9 514,3 75,1 1581 37,5 5.0 910,3 35.0 6596 298,0 33,5 2950,8 152,8 ^ - --- -- -- Politische Rundschau Deutsches Reich. Kronprinz Rudolf von Oester» reich ist heute Mittag, von Wien kommend, in Berlin eingetroffen» um Abends in Gemeinschaft mit dem Prinzen Wilhelm nach Iben- Horst in Ostpreußen zur Elchjagd weiterzureisen. — Im Befinden der Prinzessin Wilhelm ist eine wesentliche Besserung eingetreten, so daß die Uebersiedelung der Rekov- valeSzentin an- dem Marmor-Palais nach der Villa Liegnitz bewitckt werden konnte, in welcher ihre Sinder seit dem Ausbruch der Schar lachkrankheit im Marmor-Palais Unterkunft gefunden haben. — Wie das „B. T." hört, beabsichtige England die Ein ladung zur Konge-Konferenz nur unter dem ausdrückliche« Vorbehalte anzunehmen, daß die Konferenz-Beschlüsse, betreffend Er werbung afrikanischer Territorien lediglich für solche Gebiete gelten» welche bisher noch von keinem Staate in Besitz genom men wurden. ES liegt auf der Hand, fügt das genannte Blatt hinzu, daß dadurch ein weite» Feld der Streite» eröffnet bleibt, wen« nicht vorher festgestellt wird, was unter „staatlicher Besitznahme" za verstehen ist und ob unter diese»Hegriff auch die zweifelhasten portu giesischen Ansprüche an gewisse Küstenstriche fallen. — Die Gruppe XHl der Bundesstatistik umfaßt alle diejenige» Gewerbszweige, welche in das Gebiet der Konfektion gehören, die im Laufe der letzten Jahrzehnte eine so hervorragende Bedeutung i» Deutschland gewonnen hat. Es gehören dahin auch die handwerks mäßigen Betriebe der Schneider, der Putzmacher, der Hntmacher, der Kürschner, der Handschuhmacher, der Schuhmacher, der Friseure, der Wasch- und Plättanstalten u. dgl. m. Von welcher Bedeutung diese Gewerbe sind, wird man daraus abnehmen können, wenn man ermißt» daß, wie die B. P. N." anzugeben in der Lage sind, allein in der Schneiderei zusammen 347,972 in der Schuhmacherei. . . 454,551 in der Näherei 326,277 in den Waschanstalten . . 114,063 Unternehmer und Arbeiter beschäftigt sind u. s. w. Wenn nun auch von all diesen Arbeitern nur der kleinere Theil versicherungspflichtig ist, so wird diese Gruppe immerhin eine bedeutende Anzahl von Ar beitern repräsentiren. — In Constadt in Oberschlefien wurde ein früherer Gerichts vollzieher, der einen dortigen Arzt beschuldigt hatte, eine MajestätS- beleiiigung begangen zu haben, ohne das beweisen zu können, zu einer Gefängnißstrafe von einem Jahr verurtheilt. — Aus München wird berichtet, der sozialdemokratische Abge ordnete Viereck habe vom Berliner Polizeipräsidium die Nachricht erhalten, daß die Geltung der gegen ihn verfügten Ausweisung aus Berlin bi» zum 30. September 1885 verlängert worden sei. England. Die Parteigegensätze in England nehmen beim Herannahen der Parlamentssession einen Charakter hochgradiger Leiden schaftlichkeit an und auch England hat nun seine gesprengten Wähler versammlungen. Am Montag Abend kam eS in Birmingham bei einer von Konservativen veranstalteten Kundgebung seitens der Liberalen zu Ruhestörungen. Eine große Menge von Liberalen drang gewaltsam in den von den Konservativen okkupirten Saal und trieb die politischen Gegner nach lebhaftem Handgemenge hinan». Die konservativen Führer Northcote und Lord Churchill, welche in der Versammlung sprechen wollten, mußten von ihren Anhängern in Schutz genommen werden Bisher war eS in England nicht Sitte, statt mit Gründen, mit Fäusten gegnerische Parteien anzugreifen, e» herrschte bisher immer der anständige Grundsatz in England, daß jede Partei das Znsammenkunftsrecht der andern respektirte. Rußland. In den Tagen von Skiernivicze trat, wie Wir bereits früher meldeten, hie und da das schüchterne Gerücht auf. Rußland beabsichtige den Polen einige Konzessionen zu machen. Wie wenig dieses Gerücht begründet ist, zeigen einige neuere bedeutsame Vorgänge. Dahin ist auch die Berufung des General-Gouverneur» Gurko in den russischen ReichSrath zu rechnen, die mit der Absicht von Reformen im Königreich Polen in Zusammenhang gebracht wird, worunter aber nur Reformen im entschieden russischen Sinne zu ver stehen sind. Allem Anschein nach beabsichtigt die Regierung, ihr Hauptaugenmerk weniger aus das Weichselgebiet als auf die nord westlichen Provinzen zu richten, welche für die Russifizirung geeigneter scheinen. Von der Unterdrückung der polnischen Sprache im Weichsel gebiet Wurde entschieden Abstand genommen, anderseits besteht die feste Ansicht, daß der Unterricht in polnischer Sprache im nordwest lichen Gebiete, wo in der Person de» neuen General-Gouverneur» Kochanow ein vortrefflicher Vertreter der RussifizirungS-Politil existirt» um jeden Preis beseitigt werden müsse. Mit dieser Politik steht auch die geplante Berufung eine» Bischofs-Kongresse» nach Wilna in Verbindung. Dieser Kongreß soll über Kampfmittel gegen da» feindselige Vorgehen der dortigen katholischen Geistlichkeit be- rathen und noch in diesem Jahre zusammentreten. General Gouverneur Gurko hat inzwischen bereit» Proben geliefert, daß die national- polnischen Bestrebungen in erster Linie in der katholischen Geistlichst