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Neue Briefordner-Preise Die Antwort des Herrn Justizrats Wilmersdoerffer auf die in Nr. 54 abgedruckte Einsendung eines Beziehers lautet: Bei Beurteilung des von der Briefordner-Konvention gefaßten Beschlusses muß man zunächst davon ausgehen, daß grundsätzlich bei Lieferungsverträgen — abgesehen von dem Vorliegfen einer sogenannten Kriegsklausel — durch den Krieg an den gegenseitigen Rechten und Pflichten nichts geändert wird; daß regelmäßig die Lieferungs- und Abnahmeverpflichtung nach wie vor bestehen bleibt, und daß insbesondere der Lieferant bei getätigten Ab schlüssen weder ein Recht auf Aufhebung des Vertrages noch auf Erhöhung des vereinbarten Preises hat. Der Anwendung dieses Grundsatzes ist eine Schranke gesetzt dann, wenn auf Seiten des Lieferanten eine Unmöglichkeit der Erfüllung im gesetzlichen Sinne vorliegt. Die Frage, Wann eine solche Unmöglichkeit vorliegt, ist in neuester Zeit so oft und vielfach Gegenstand der Erörterung gewesen, daß es genügen dürfte, auf die darüber auch in der Papier- Zeitung — insbesondere auch auf die in Nr. 54 — enthaltenen Aus führungen hinzuweisen. Wenn in der letzten Zeit aus Kreisen der Lieferanten auf eine angeblich ihnen günstige Entscheidung des Landgerichts München I hingewiesen wird, so muß demgegenüber betont werden, daß in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Falle eine sogenannte Kriegsklausel vorlag, deren Inhalt für die Ent scheidung bestimmend war. Richtig ist aber, daß nach der Recht sprechung des Reichsgerichts eine Unmöglichkeit der Erfüllung auf seifen des Lieferanten als vorliegend anzusehen ist, wenn die Beschaffung der Ware mit so außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist, daß diese Schwierigkeiten nach der Auffassung des Verkehrs der Unmöglichkeit gleich geachtet werden müssen. Wenn aber neuerdings (Nr. 54 der Papier-Zeitung S. 1087) aus einer früheren Entscheidung des Reichsgerichts (Band 57 S. 119) gefolgert wird, daß eine außergewöhnliche Steigerung der Herstellungskosten als eine Unmöglichkeit der Erfüllung seitens des Lieferanten anzu sehen sei, so ergibt eine genaue Prüfung dieser Entscheidung aller dings das gerade Gegenteil: Das Reichsgericht sagt dort ausdrück lich, es genüge nicht, wenn die Beschaffung der Ware infolge eines zufälligen Ereignisses etwa bloß mehr Schwierigkeiten biete. ,,Diese möge in der Notwendigkeit umfassenderer Nachfrage oder erheblich höherer Anschaffungskosten bestehen" (S. 119). Man wird also regelmäßig daran festhalten müssen, daß die durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse dem Lieferanten kein Recht geben, bei getätigten Abschlüssen die Lieferung zu verweigern oder einen Preisaufschlag zu verlangen. Es fragt sich nun weiter, ob angesichts dieser Rechtslage das neuerdings von der Briefordner-Konvention gewählte Mittel, den den Preisaufschlag ablehnenden Händlern nach Erledigung ihrer Abschlüsse für bestimmte Mengen einen lOprozent. Aufschlag auf die neuen Preise aufzuerlegen, als rechtlich zulässig anzusehen, oder ob in seiner Wahl und Anwendung ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB zu erblicken ist. Wenn von Seiten der Briefordner-Konvention dieses Vorgehen als ein von ihr auf die widerstrebenden Händler ausgeübter Druck bezeichnet wird, so mag damit wohl der Zweck der Maßregel, die ungefügigen Händler zum Nachgeben zu veranlassen, richtig bezeichnet sein; in der ge wählten Form, und auch dem Sinne nach, stellt sich aber die Maß regel als die regelrechte Androhung einer Strafe für die Händler, die die Aufschläge auf getätigte Abschlüsse nicht bewilligen wollen, dar. Wenn die Konvention demgegenüber geltend macht, daß bei dem von ihr vorgenommenen Druck doch in erster Linie der Schutz derjenigen Abnehmer beabsichtigt war, die den Fabrikanten in der Frage der Preisaufschläge für getätigte Abschlüsse Entgegenkommen gezeigt haben, so wird hier wohl Ursache und Wirkung verwechselt; richtig ist allerdings, daß die gefügigen Händler, die der Konvention die Preiserhöhung auch auf laufende Abschlüsse bewilligt haben, durch die neue Maßregel insofern vor Nachteilen geschützt werden, als dadurch die Gefahr der Preisunterbietung durch die ungefügiger Händler beseitigt wird. Die Konvention müßte sich aber sagen, daß sie die für sich in Anspruch genommene Rolle des Schutzengels der Händler auch bei ihrem jetzigen Vorgehen nicht konsequent durchführt, Weil sie denselben Nachteil, den sie von den nach giebigen Händlern abwendet, nunmehr den nicht nachgiebigen bereitet. Er wird also auch jetzt nicht vermieden, sondern nur denen zugefügt, die nach Ansicht der Konvetion die Strafe verdienen. In Wirklichkeit liegt die Sache so, daß die Konvention, weil ihr Verlangen der Preiserhöhung auf laufende Abschlüsse rechtswidrig ist und von ihr im Rechtswege nicht verwirklicht werden kann, von ihrer Macht Gebrauch machend, den ungefügigen Händlern für spätere Bezüge höhere Preise und damit Nachteile gegenüber den sogenannten „verständigen" Händlern diktiert. Es wird ein Verhältnis geschaffen, nicht unähnlich dem Treurabatt; während aber bei diesem, allerdings auch nur scheinbar, der Vertragsstrafe eine angeblich eingeräumte Vergünstigung gegenübersteht, wird hier den Händlern, die nichts weiter tun, als daß sie von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch machen, dafür, daß sie dieses Recht nicht aufgeben, eine Strafe von erheblicher Höhe auferlegt. Bei Prüfung der Frage, ob ein solches Vorgehen, wie es von der Briefordner-Konvention angewendet wird, vor den Gesetzen stand hält, ist wiederum davon auszugehen, daß es an sich der Konvention nicht verwehrt werden kann, den Abnehmern bestimmte Preise vorzuschreiben. Aber auch die Ausübung eines solchen formell zu Recht bestehenden Rechts kann nach der ständigen Recht sprechung des Reichsgerichts unter den § 826 BGB fallen, wenn dadurch in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen Schaden zugefügt wird. Es fragt sich also weiter, ob diese Voraussetzung hier vorliegt. Bei der Beurtei ung dieser Frage ist in der Rechtsprechung der Grundsatz aufrecht erhalten worden, daß das Vorgehen einer Vereinigung, wenn auch das von ihr er strebte Ziel nicht zu beanstanden ist, doch ein unzulässiges sein kann, wenn sie Mittel anwendet, die die Grundsätze des im wirtschaft lichen Kampfe Erlaubten überschreiten. Dabei ist in der Recht sprechung immer eine besondere Bedeutung der Art der gewählten Kampfmittel beigelegt worden: es sollen danach nicht nur die Kampf mittel unzulässig sein, die an sich in rechtswidrigen Handlungen bestehen, sondern auch die den Gegner schädigenden Maßregeln, die nach allgemeinen Sittenanschauungen ungerecht und unbillig erscheinen. Berücksichtigt man nun, daß im vorliegenden Falle von dem Verein ein Druckmittel oder richtiger eine Strafe in An wendung gebracht wird, um den Händler zur Aufgabe eines ihm nach den obigen Ausführungen zweifellos zustehenden Rechts zu bestimmen, oder mit anderen Worten, um durch den dadurch aus geübten Druck für die Konvention das zu erreichen, worauf ihr rechtlich ein Anspruch nicht zusteht, so wird man die Frage, ob nicht schon hierin eine rechtswidrige Handlung vorliegt, keines falls ohne weiteres verneinen können. Wenn man nun weiter ins Auge faßt, daß durch die Festsetzung der Strafe die Händler vor die Wahl gestellt werden, entweder bei den kaum beachtenswerten außenstehenden Fabriken zu kaufen und noch obendrein den inner halb der letzten 12 Monate genossenen Treurabatt zurückzuzahlen, oder eine ganz erhebliche Preiserhöhung von bestimmten Mengen und damit eine unverhältnismäßige Erschwerung ihres Betriebes in den. Kauf zu nehmen, so dürfte ein solches Verfahren alle Merk male der Handlungen an sich tragen, die die Rechtsprechung im gewerblichen Wettkampfe als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen hat. Als Weiterer Gesichtspunkt kann Wohl noch in Betracht kommen, daß der Verein anscheinend auch hierbei — wie dies in anderen Fällen von der Rechtsprechung als ein Mißbrauch seitens der Kartelle gerügt worden ist —" für die Durchführung seiner Geschäfts grundsätze eine Art Zwangs- und Strafgewalt nach Art einer Zunft beansprucht, wie sie einer solchen auf freier Vereinbarung be ruhenden Vereinigung auch für den löblichsten Zweck nicht zu gestanden werden kann" (vgl. Entscheidung des Reichsgerichts Band 28 Seite 238 ff.). Wenn man endlich noch berücksichtigt, daß nach den in der Rechtsprechung wiederholt betonten Grund sätzen an eine derartige Vereinigung, der eine so erhebliche wirt schaftliche Macht zusteht, besonders strenge Anforderungen an Treu und Glauben zu stellen sind, so wird man sich zum mindesten sehr gewichtigen Bedenken gegen die Zulässigkeit des jetzt von der Briefordner-Konvention gewählten Vorgehens nicht verschließen können. In vorstehenden Ausführungen sollte entsprechend der an mich ergangenen Aufforderung lediglich die Rechtslage erörtert werden. Dabei soll nicht verkannt werden, daß der Krieg auch für die Rechts wissenschaft eine Fülle von neuen Fragen aufgeworfen hat, zu denen auch die Rechtsprechung, nachdem sie in einer mehr als 40 jährigen Friedensperiode dazu keine Gelegenheit gehabt hat, erst Stellung zu nehmen haben wird, und daß vielfach gerade aus dem Mangel an gesetzlichen Bestimmungen für den Kriegsfall gegen eine streng juristische Entscheidung sich Bedenken ergeben können. Deshalb liegt es auch im Falle der Briefordner-Konvention, wenn auch die Händlerfachverbände wohl in der Lage wären, der Vereinigung der Fabrikanten mit Erfolg ein „allzu scharf macht schartig" ent gegenzuhalten, nicht im Sinne der vorstehenden Ausführungen, ohne weiteres eine Machtprobe der beiden sich gegenüber stehenden Parteien zu empfehlen. Auch hier könnte vielmehr durch eine gegen seitige Verständigung, bei der jeder Teil auch die dem anderen durch den Krieg entstandenen großen Schwierigkeiten Wohlwollend berücksichtigt, ein den Grundsätzen der Billigkeit entsprechender Ausgleich der beiderseitigen Interessen — zum Wohle des ganzen Faches — erzielt werden.